Der blinde Geronimo und sein Bruder

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Der blinde Geronimo und sein Bruder ist eine Erzählung von Arthur Schnitzler, die ab dem 22. Dezember 1900 in Fortsetzungen in der Wiener Wochenschrift Die Zeit erschien.[1] Darin thematisiert wird Bruderliebe und die Schwierigkeit, jemandem zu Vertrauen.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schnitzler schrieb diese psychologische Novelle zwischen dem 19. und 27. Oktober 1900[2]. Als Schreibimpuls lässt sich die Begegnung mit einem blinden Sänger bestimmen, dem er und Paul Goldmann im Sommer 1900 in Bormio begegnet waren.[3] Goldmann inspirierte der Anblick des Sängers zu einem Gedicht, das er Schnitzler in einem Brief übermittelte.[4] Nach der Lektüre des Erstdrucks der Erzählung kommentierte Goldmann: „Weniger gefallen hat mir der ›Blinde Hieronymo‹! Die Geschichte ist geistvoll ausgedacht, bleibt aber weit zurück hinter der wilden Tragik des Originals.“[5]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Kind hatte Carlo beim Spielen mit dem Blasrohr die Erblindung seines fünf Jahre jüngeren Bruders Geronimo verschuldet. Nun ziehen beide schon seit zwanzig Jahren als Bettler durch Oberitalien. Geronimo singt und Carlo hält den Hut auf. Geronimos lange gehegtes Misstrauen gegen den Bruder tritt zu Tage, als ein fremder Reisender vorgibt, er habe ein 20-Franken-Stück in den Hut geworfen. Dabei war es nur ein 1-Franken-Stück gewesen. Geronimo lässt sich nicht von der Wahrheit überzeugen. Carlo will deshalb Geronimo verlassen, kommt jedoch zu der Überzeugung, er hat ja nur den einen Bruder und niemand sonst. Also stiehlt Carlo eine 20-Franken-Münze für den Bruder. Als die Bettler für den Diebstahl verhaftet werden, erkennt Geronimo, dass er Carlo zwanzig Jahre zu Unrecht misstraut hat. Er versöhnt sich mit ihm.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nach Perlmann bringt der durchreisende Fremde, der genauso rasch aus der Geschichte verschwindet, wie er darin urplötzlich aufgetaucht ist, den Stein mit seiner knappen Flüsterrede ins Rollen.[6]
  • Auch Sprengel geht von dem auslösenden Impuls aus – der Lüge des Fremdlings.[7]
  • In dieser kurzen Kriminalgeschichte erscheint ein Verbrechen als Liebesbeweis.[8]
  • Le Rider[9] weist auf autobiographische Elemente hin, gemeint ist das gespannte Verhältnis zum Bruder Julius.

Verfilmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hörspiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einträge 19 und 20 in Hörspiele (Memento vom 5. Dezember 2008 im Internet Archive)

Ausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstdruck[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Zeit, Nr. 325, 22. 12. 1900; Nr. 326, 29. 12. 1900; Nr. 327, 5. 1. 1901; Nr. 328, 12. 1. 1901.

Erstausgabe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weitere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Arthur Schnitzler: Der blinde Geronimo und sein Bruder. S. 419–443 in Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Arthur Schnitzler: Leutnant Gustl. Erzählungen 1892–1907. Nachwort Michael Scheffel. S. Fischer, Frankfurt am Main 1961 u.ö. ISBN 3-10-073552-8. (Quelle)
  • Victor Polzer, Hg.: Die Welt in Novellen. Eine Auswahl für die Jugend. Herz, Wien 1925, S. 19–60

Sekundärliteratur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Zeit, Nr. 325, 22. 12. 1900; Nr. 326, 29. 12. 1900; Nr. 327, 5. 1. 1901; Nr. 328, 12. 1. 1901.
  2. Arthur Schnitzler: Tagebuch. Digitale Edition, Samstag, 27. Oktober 1900, https://schnitzler-tagebuch.acdh.oeaw.ac.at/entry__1900-10-27.html (Stand 2020-10-7) PID: http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-F11A-8
  3. Arthur Schnitzler und Paul Goldmann an Richard Beer-Hofmann, 26. 8. 1900. In: Arthur Schnitzler: Briefwechsel mit Autorinnen und Autoren. Martin Anton Müller, Gerd-Hermann Susen, Laura Untner, 26. August 1900, abgerufen am 19. Juni 2023.
  4. Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 28. 8. [1900]. In: Arthur Schnitzler: Briefwechsel mit Autorinnen und Autoren. Martin Anton Müller, Gerd-Hermann Susen, Laura Untner, 28. August 1900, abgerufen am 19. Juni 2023.
  5. Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 18. 2. [1901]. In: Arthur Schnitzler: Briefwechsel mit Autorinnen und Autoren. Martin Anton Müller, Gerd-Hermann Susen, Laura Untner, 18. Februar 1901, abgerufen am 5. September 2023.
  6. Perlmann, S. 122, 20. Z.v.o.
  7. Sprengel, S. 172, Mitte
  8. Perlmann, S. 123, 7. Z.v.o.
  9. S. 93 Mitte bis S. 94 oben