Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde

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Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
(DGPPN)
Rechtsform eingetragener Verein
Gründung 1842
Sitz Berlin
Zweck Wissenschaftliche Fachgesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
Vorsitz Andreas Meyer-Lindenberg (2023–2024)[1]
Mitglieder ca. 10.000
Website www.dgppn.de

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit rund 10.000 Mitgliedern. Der Mitgliederstamm setzt sich aus Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie sowie aus Ärzten, Psychologen und Wissenschaftlern zusammen, die in Deutschland auf den Gebieten Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde arbeiten.

Der Verein dient in der Überzeugung der Zusammengehörigkeit von Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde sowohl der Förderung von Wissenschaft und Forschung als auch der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege.

Die Entwicklung der Psychiatrie als eigenständige Wissenschaft und selbständiges Fachgebiet ist in Deutschland eng mit der Geschichte der Fachgesellschaft und der psychiatrischen Fachzeitschriften verknüpft.

Die Bezeichnung Psychiatrie geht auf den Mediziner Johann Christian Reil (1759–1813) aus Halle zurück. Die ersten dokumentierten Bemühungen um eine Organisation der Psychiater in Deutschland finden sich 1827 in einer Denkschrift von Joseph Ennemoser (Bonn) und Wilhelm Ruer (Marburg), die zur Gründung eines Vereins zur Verbesserung der praktischen Seelenheilkunde aufriefen. Diese Initiative blieb zunächst – u. a. durch die noch geringe Vertretung der Psychiatrie an den Medizinischen Fakultäten (der erste Lehrstuhl für Psychiatrie wurde 1811 in Leipzig errichtet) – erfolglos.

Das Pro Memoria an Deutschlands Irrenärzte (1841) von Heinrich Damerow, Professor der Medizin und Direktor der Irrenanstalt zu Halle, kann als Gründungsurkunde der heutigen DGPPN angesehen werden. Das Jahr 1842, als sich zur Vorbereitung dieser Fachzeitschrift 72 Personen zur Gesellschaft von Deutschlands „Irrenärzten“ zusammenschlossen, gilt als das eigentliche Gründungsjahr der Fachgesellschaft.

1846 bildete sich bei der Versammlung der 1822 gegründeten Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Kiel erstmals eine psychiatrische Sektion, 1860 fand die erste selbstständige Tagung der Psychiater in Eisenach statt. Ihre ersten Statuten erhielt die Gesellschaft 1864 und nannte sich seitdem „Verein der Deutschen Irrenärzte“, dessen erster Präsident Carl Friedrich Flemming war. 1903 erhielt die Gesellschaft den Namen „Deutscher Verein für Psychiatrie (DVP)“. Bis zum Ersten Weltkrieg verzeichnete der Verein 550 Mitglieder. Eine erste ordentliche Jahresversammlung nach Ende des Ersten Weltkrieges fand 1920 in Hamburg statt, wo Karl Bonhoeffer (Berlin) zum Vorsitzenden gewählt wurde und es durch Wiederwahl mit Unterbrechungen bis 1934 blieb.

Zeit des Nationalsozialismus

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Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten erfolgte die organisatorische Zwangsvereinigung und Gleichschaltung des DVP mit der von 1906[2] bis 1907 entstandenen und am 14. September 1907 in Dresden ihre erste Jahresversammlung[3] abhaltende „Gesellschaft Deutscher Nervenärzte“[4] zur „Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater“, deren Vorsitz Ernst Rüdin (München)[5] bis 1945 innehatte. In diese Zeit fällt das dunkelste Kapitel der deutschen Psychiatrie: Die als „jüdisch“ oder „sozialistisch“ deklarierten Psychiater verloren ihre Arbeitsgrundlage und wurden in die Emigration getrieben. Die überwiegende Mehrheit derjenigen, die in Deutschland blieben, wurde in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Psychiater (darunter besagter Ernst Rüdin) waren maßgeblich an der Zwangssterilisierung von mehr als 360.000, vor allem psychisch kranken Menschen beteiligt. Die finanziellen Ressourcen für die Unterbringung und Behandlung von chronisch psychisch Kranken wurden drastisch reduziert. Schließlich wurden zwischen 1939 und 1945 wiederum unter maßgeblicher Beteiligung von Psychiatern – darunter Ordinarien und Anstaltsdirektoren – im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten mindestens 400.000 psychisch Kranke und Behinderte als „lebensunwertes Leben“ klassifiziert und Opfer der systematischen Krankentötungen („Euthanasie“).

Neuordnung nach 1945

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In der Periode des Wiederaufbaus nach 1945 fehlte es an Nachwuchskräften. Im September 1947 lud Ernst Kretschmer zur Neurologen- und Psychiater-Tagung nach Tübingen, ein Jahr später folgte die „Jahresversammlung Deutscher Neurologen und Psychiater“ in Marburg. Die GDNP wurde wiedergegründet und Ernst Kretschmer, der im dritten Reich selbst in die Erbgesundheitspolitik verstrickt war[6], zum Notvorstand bestellt. 1949 wurde die Gesellschaft entsprechend ihrer neuen Statuten in 4 Sektionen aufgeteilt: Psychiatrie, Neurologie, Psychotherapie mit medizinischer Psychologie und Neurochirurgie. 1954 wurde auf der 70. Wanderversammlung Südwestdeutscher Neurologen die „Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie“ (DGPN) in Baden-Baden[7] als Nachfolgeorganisation des DVP gegründet. 1955 entstand in Nachfolge der Gesellschaft deutscher Neurologen und Psychiater der Gesamtverband deutscher Nervenärzte.[8]

Die in der ehemaligen DDR existierende „Gesellschaft für Neurologie und Psychiatrie“, aus der vor der Wiedervereinigung kurzzeitig die „Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde in der DDR“ hervorgegangen war, löste sich schließlich 1991 auf. Die Vorstandsmitglieder wurden von der DGPN kooptiert. 1992 wurde die DGPN in „Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde“ (DGPPN) umbenannt, um schließlich 2012 durch die Aufnahme des Faches der Psychosomatik eine Erweiterung des Gesellschaftsnamens in „Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde“ (weiterhin DGPPN) zu erfahren.

Aufarbeitung der Vergangenheit

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Im Jahr 2009 bekannte sich die DGPPN im Rahmen einer Satzungsänderung zu ihrer besonderen Verantwortung, die ihr aus der Beteiligung ihrer Vorläuferorganisationen an den Verbrechen des Nationalsozialismus, an massenhaften Krankenmorden und Zwangssterilisierungen erwuchs. Im Jahr 2010 initiierte sie ein Forschungsprojekt zur „Geschichte des Deutschen Vereins für Psychiatrie, bzw. der Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater in der Zeit des Nationalsozialismus“. Im Jahr 2015 hat der Verein einen zweiten Forschungsauftrag ausgeschrieben. Dieser soll die Zeit nach 1945 bis 1970 untersuchen.

Zentrale Organe sind die Mitgliederversammlung, der Vorstand, die Referate und der Beirat. Im Vorstand sind auch Mitglieder verwandter Berufsverbände beteiligt, wie etwa der Berufsverband der Deutschen Nervenärzte und der Berufsverband Deutscher Psychiater. Zudem existiert seit 2015 mit dem „Trialogischen Forum“ ein Angehörigen- und Betroffenenbeirat, der die Arbeit der DGPPN durch eine direkte Rückkopplung zu aktuellen Aktivitäten und Themen begleitet.

Die über 30 Fachreferate befassen sich jeweils mit einem speziellen Themengebiet innerhalb des Faches. Sie verfolgen den wissenschaftlichen Forschungsstand und bringen sich in die Vorstandsarbeit ein und gestalten die Kongresse mit. Deren Themen und Arbeitsschwerpunkte machen die Referate durch die Herausgabe von Fachzeitschriften und die Organisation von Veranstaltungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Der Präsident ist Andreas Meyer-Lindenberg, Past President Thomas Pollmächer und President Elect Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank.

Zu den Zielen zählen:

  • die Erforschung von Grundlagen von psychischen Störungen sowie die Verbesserung von Diagnostik und Therapie
  • die Prävention psychischer Störungen
  • der Erhalt und der Ausbau der vorhandenen Versorgungsstrukturen
  • die Unterstützung von Betroffenen und ihren Angehörigen
  • die Förderung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung
  • die Profilierung des Fachgebiets Psychiatrie und Psychotherapie
  • die Erstellung von evidenzbasierten Leitlinien und wissenschaftlichen Stellungnahmen
  • die Beratung von Politik und Gesellschaft sowie Aufklärung der Öffentlichkeit über psychische Störungen und deren Behandlungsmöglichkeiten
  • die Unterstützung der Mitglieder der Fachgesellschaft

Diesen Aufgaben und dem Vereinszweck folgen wissenschaftliche Veranstaltungen (Kongresse, Veranstaltungen) und regelmäßige publikatorische Aktivitäten. Die wissenschaftlichen Veranstaltungen der Gesellschaft sind grundsätzlich der Allgemeinheit zugänglich. Ein besonderes Augenmerk gilt der Durchführung und Unterstützung von Aktivitäten in der Aus-, Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet von Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Zudem veröffentlicht die Gesellschaft laufend Stellungnahmen und Leitlinien zu relevanten und aktuellen Fragen des Fachgebiets, des Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege.

Die Gesellschaft richtet einmal jährlich in Berlin einen wissenschaftlichen Fachkongress aus, der mit 9.000–10.000 Teilnehmern der größte seiner Art in Europa ist. Im Jahr 2017 war die DGPPN zudem Gastgeber des von der World Psychiatric Association (WPA) ausgerichteten Weltkongresses der Psychiatrie mit 11.000 Teilnehmern.

Nachwuchsförderung

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Die Nachwuchsinitiative „Generation PSY“ soll das Interesse junger Menschen für das Fach Psychiatrie und Psychotherapie wecken. Dabei bringt sich ein Team aus Medizinstudierenden, Weiterbildungsassistenten und Fachärzten in die Nachwuchsarbeit der Fachgesellschaft ein und soll so die Generationen miteinander verbinden. Es richtet sich speziell an Medizinstudierende und Assistenzärzte. Eine dazugehörige Internetplattform bietet Informationen und soll zur digitalen Vernetzung und einem besseren Wissenstransfer beitragen. Zu den konkreten Aktivitäten gehören beispielsweise Summer Schools, ein Mentoringprogramm oder Intensivkurse für die Facharztprüfung.

  • Iris Hauth, Peter Falkai, Arno Deister (Hrsg.): Psyche, Mensch, Gesellschaft. Psychiatrie und Psychotherapie in Deutschland: Forschung, Versorgung, Teilhabe. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2017, ISBN 978-3-95466-285-2.
  • Frank Schneider, Peter Falkai, Wolfgang Maier: Psychiatrie 2020 plus. Perspektiven, Chancen und Herausforderungen. 2. Auflage. Springer, Berlin u. a. 2012, ISBN 978-3-642-28088-7.
  • Wilhelm-Griesinger-Medaille (Ehrung für herausragende Verdienste auf dem Gebiet der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik)
  • DGPPN-Preis zur Erforschung von psychischen Erkrankungen
  • DGPPN-Forschungspreis: Prädiktive, präventive und personalisierte Medizin in Psychiatrie und Neurologie
  • DGPPN-Promotionspreis – Hans-Heimann-Preis
  • DGPPN-Preis für Versorgungsforschung in Psychiatrie und Psychotherapie
  • DGPPN-Preis für Pflege- und Gesundheitsfachberufe in Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
  • DGPPN-Antistigma-Preis – Förderpreis zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen (gemeinsam mit dem Aktionsbündnis für Seelische Gesundheit)
  • DGPPN-Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie
  • DGPPN-Medienpreis für Wissenschaftsjournalismus
  • DGPPN-Best Paper Award in Kooperation mit Springer Medizin
  • Johannes Pantel: Neurologie, Psychiatrie und Innere Medizin. Verlauf und Dynamik eines historischen Streites. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 11, 1993, S. 77–99.
  • Hans-Walter Schmuhl: Die Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater im Nationalsozialismus. Springer, Berlin u. a. 2016, ISBN 978-3-662-48743-3.
  • Silke Fehlemann, Heiner Fangerau, Steffen Dörre, Frank Schneider: 175 Jahre psychiatrische Fachgesellschaften in Deutschland. Die Geschichte der DGPPN und ihrer Vorgängerorganisationen. Psychiatrie – Politik – Wissenschaft. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN), Berlin 2017, ISBN 978-3-00-057014-8.

Einzelnachweise

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  1. https://www.dgppn.de/die-dgppn/vorstand.html
  2. Kurt Mendel: 25 Jahre Gesellschaft Deutscher Nervenärzte. In: Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. Band 122, 1931, S. 1–17, hier S. 1–3, doi:10.1007/BF01653182.
  3. Hermann Oppenheim: Begrüßungsansprache auf der 1. Jahresversammlung der Gesellschaft Deutscher Nervenärzte. In: Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. Band 34, 1908, S. 2–4.
  4. Johannes Pantel: Neurologie, Psychiatrie und Innere Medizin. Verlauf und Dynamik eines historischen Streites. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 11, 1993, S. 77–99, hier S. 85–91 (Die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Nervenheilkunde) und S. 94 f. (Die Zwangsvereinigung der Gesellschaft deutscher Nervenärzte mit dem Deutschen Verein für Psychiatrie).
  5. Ernst Rüdin: Eröffnungsansprache auf der 1. Jahresversammlung der Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater. In: Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. Band 139, 1936, S. 5–11.
  6. Steffen Dörre: Die psychiatrische Fachgesellschaft in der Nachkriegszeit (1945–1975). In: Psyche im Fokus. Das Magazin der DGPPN. Nr. 1, 2019, S 42–47, (online).
  7. Johannes Pantel: Neurologie, Psychiatrie und Innere Medizin. Verlauf und Dynamik eines historischen Streites. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 11, 1993, S. 77–99, hier S. 96 (Stagnation und Neubeginn: Der Weg in die Gegenwart).
  8. Klaus-Joachim Zülch: Die geschichtliche Entwicklung der deutschen Neurologie. = Historical development of German neurology. Springer, Berlin u. a. 1987, ISBN 3-540-17547-4.