Dormitio-Abtei
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Die Dormitio-Abtei (lat. Abbatia dormitionis Beatae Mariae Virginis) ist eine deutschsprachige Benediktinerabtei auf dem Berg Zion in Jerusalem. Der Name leitet sich vom Patrozinium der Entschlafung der seligen Jungfrau Maria ab. Abteikirche ist die Dormitio-Basilika.
Von 1998 bis 2006 trug die Dormitio-Abtei in Anlehnung an die 415 an dieser Stelle erbaute byzantinische Kirche Hagia Sion den Namen Hagia Maria Sion.[1] Aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums kehrte die Gemeinschaft 2006 wieder zum Patrozinium Dormitio zurück.
Klosterbau
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während seiner Palästinareise im Jahre 1898 übernahm Kaiser Wilhelm II. anlässlich der Einweihung der evangelischen Erlöserkirche zu Jerusalem das für 120.000 Reichsmark erworbene Grundstück auf dem Berg Zion von Sultan Abdülhamid II. und übergab es dem Deutschen Verein vom Heiligen Lande. Historie und Bestimmung der Dormitio beschreibt Wilhelm II. in seinem Werk „Ereignisse und Gestalten“.[2] Nach der Jerusalemer Ortstradition soll an dieser Stelle in der Nachbarschaft des Abendmahlssaals die Gottesmutter Maria entschlafen sein (von lat. dormitio „Entschlafung“).
Im Auftrag der Erzabtei Beuron verhandelte Abt Willibrord Benzler von Maria Laach mit der deutschen Regierung über die Entsendung Beuroner Mönche und die Gründung eines Klosters auf dem vom Kaiser geschenkten Grundstück.[3] Bereits 1899 traf der Architekt und Diözesanbaumeister der Diözese Köln Heinrich Renard (1868–1928) in Jerusalem ein. Zunächst erkundete er das Gelände und fand Überreste der byzantinischen Hagia Sion sowie weiterer Kirchen. Die Bauleitung übernahm der vor Ort ansässige und zur pietistischen Tempelgesellschaft gehörende Architekt Theodor Sandel. Der Grundstein zur Abtei und Basilika wurde am 7. Oktober 1900 gelegt. In nur zehn Jahren wurde der Bau der Basilika und der Abtei vollendet. Am 10. April 1910 wurde die Basilika vom lateinischen Patriarchen Filippo Camassei geweiht. Die Abteikirche und die Klostergebäude befinden sich im Besitz des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande, der die Bauten unterhält.
Geschichte der Abtei
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bereits 1906 wurden die ersten Mönche der Erzabtei Beuron nach Jerusalem entsandt. 1918 bis 1921 wurden die Mönche zum ersten Mal in ihrer Geschichte auf dem Sion interniert.
Durch Erlass Papst Pius’ XI. vom 15. August 1926 wurde das Kloster, das zur Beuroner Kongregation gehörte, zur Abtei erhoben. 1939 bis 1945 erfolgte die zweite Internierung der deutschen Mönche. Infolge des Unabhängigkeitskrieges Israels kam es zur dritten Internierung. Die Abtei lag im Niemandsland zwischen Israel und Jordanien.
Im Jahre 1951 wurde die Abtei von der Beuroner Kongregation abgelöst und der direkten Verwaltung des Abtprimas mit Sitz in Rom unterstellt. 1967, während des Sechstagekrieges, lag die Abtei im Feuer der Kriegsparteien. Seit 1973 besteht ein deutschsprachiges und ökumenisches Studienprogramm, das Theologische Studienjahr Jerusalem, in Verbindung mit der Abtei. 1979 wählte die Gemeinschaft auf dem Sion zum ersten Mal selbst ihren Abt, den Prior von Chevetogne in Belgien, Nikolaus Egender.
Seit dem 1. Mai 2011 ist an der Dormitio auch das Jerusalemer Institut der Görres-Gesellschaft (JIGG) angesiedelt.
Priorat Tabgha
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Abtei hat seit 1939 eine Niederlassung in Tabgha am See Genezareth; diese ist seit 2003 ein abhängiges Priorat und betreut die ebenfalls dem Deutschen Verein vom Heiligen Lande gehörende Brotvermehrungskirche in Tabgha.
Eine weitere kleine Niederlassung, das „Haus Jerusalem“, bestand zwischen Advent 2003 und Mai 2013 in Hildesheim.
Kongregation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit September 2012 gehört die Abtei zur Kongregation von der Verkündigung der seligen Jungfrau Maria (Congregatio Annuntiationis B.M.V.) des Benediktinerordens, wie unter anderem auch die Abtei St. Matthias in Trier, das Priorat auf der Huysburg, die belgischen Abteien Maredsous, Keizersberg (Löwen) und Sint Andries (Zevenkerken, Brügge) sowie die Abtei Glenstal in Irland.[4]
Äbte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit der Erhebung zur Abtei 1926 standen die folgenden Äbte der Dormitio vor:
- 1926–1948: Maurus Kaufmann[5]
- 1952–1968: Leo von Rudloff
- 1969–1979: Laurentius Klein[6] (Abt-Administrator, vorher Abt von St. Matthias in Trier)
- 1979–1995: Nikolaus Egender[7]
- 1995–2011: Benedikt Lindemann[8]
- 2011–2016: Gregory Collins[9]
- 2016–2018: Nikodemus Schnabel (Prior-Administrator)[10]
- 2018–2023: Bernhard Maria Alter[11]
- seit 2023: Nikodemus Schnabel[12]
Architektur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Anlage wurde entsprechend der lokalen Jerusalemer Bautradition gestaltet. Es finden sich verschiedene stilistische Einflüsse, so unter anderem Elemente aus Romanik, Renaissance und aus der orientalischen Architektur. Die Ausmalung besorgten Jan Verkade und Hermann Huber.[13]
Die Dormitio-Basilika ist ein Rundbau mit mehreren Nischen, in denen sich Nebenaltäre befinden, und einem Choranbau mit einer zweimanualigen Chororgel aus der deutschen Werkstatt Oberlinger in Windesheim. Über zwei Wendeltreppen erreicht man sowohl die Krypta, die Stätte Maria Heimgang, als auch die Orgelempore mit einer großen dreimanualigen Oberlinger-Orgel und die Galerie. Von hier sind zwei weitere der insgesamt vier Diagonaltürme der Kirche erreichbar. Aus Rücksicht auf das damals noch muslimische Heiligtum des Davidsgrabs (Nebi Da'ud), in dessen Obergeschoss sich der Abendmahlssaal befindet, wurde der Glockenturm so weit zurückversetzt, dass sein Schatten das Grab nicht berührt. So ist der Glockenturm auch nicht direkt von der Kirche aus begehbar.
Seit September 2018 wird die Krypta renoviert.[14] Bis 2022 folgen die übrige Kirche und das Kloster.[15] Die finanzielle Förderung des Vorhabens durch die Bundesregierung war in den Koalitionsvertrag von 2018 aufgenommen worden.[16] Dieser Umstand fand weithin Aufmerksamkeit.[17]
Glocken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Turm hängen vier Glocken aus Deutschland. Das von 1909 gegossene Geläut der Glockengießerei Otto aus Bremen-Hemelingen zeugt von der ausgesprochen hohen Gießkunst des Glockengießers. Die Glocken wurden nicht tonkorrigiert, weil das Verfahren 1909 noch nicht entwickelt war. Trotzdem weisen die Glocken eine reine Schlagtonlinie, eine reine Innenharmonie und eine ausgezeichnete Klangqualität auf. Die damalige Glocke 2 erhielt im Jahr 1948 beim damaligen Israelischen Unabhängigkeitskrieg starke Schäden, sodass sie 1971 neugegossen werden musste. Diesmal war es aber die Firma Gebhard aus Kempten (Allgäu), die die Glocke neugoss. Auch sie ist nicht tonkorrigiert und trotzdem von ausgezeichneter Qualität. Im Schlagton steht sie zu den anderen Glocken jedoch zu hoch, was beim Läuten deutlich hörbar ist. Alle Glocken sind in durchweg schweren Rippen gegossen. Alle Glocken hängen noch im originalen Glockenstuhl an Holzjochen von 1909, die Glocke 1 erhielt 2017 einen neuen Klöppel. Von den schrecklichen Ereignissen des Krieges zeugen noch heute die Einschusslöcher in der Glockenstube und die Einschusslöcher auf der großen Glocke.[18]
Nr. | Name | Schlagton | Gießer, Gussort | Gussjahr | Masse
(kg) |
Durchmesser
(cm) |
Inschrift |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | Erlöserglocke | cis1 | Glockengießerei Otto, | 1909 | ca. 2300 | 153 | AUS FROMMER LIEB´ ENTSPROSSEN WILL TÖNEND ICH VERMEHREN // IN DEUTSCHEM LAND GEGOSSEN DES WELTERLÖSERS EHREN – JOSEPH RAISER UND JULIA DIDDEN AUS VIERSEN SCHENKTEN MICH, P. OTTO IN HEMELINGEN GOSS MICH 1909 |
2 | Marienglocke | e1 | Glockengießerei Gebhard, Kempten (Allgäu) | 1971 | ca. 1350 | 126 | SALVE PATRONA BAVARIAE // DA PACEM TERRAE SANCTAE – WO DIE EINE SÜNDENREINE IHREN HEIMGANG FAND LENK ICH ALLER ERDENWALLER GANG ZUM HEIMATLAND A.D. 1909 – A.D. 1948 VOM KRIEG WARD ICH ZERSCHLAGEN ERSTAND ERNEUT AUS PILGERGABEN A.D. 1971 Gießerzeichen E. Gebhard Kempten |
3 | St. Bonifaz | fis1 | Glockengießerei Otto,
Bremen-Hemelingen |
1909 | ca. 1000 | 114,5 | SANKT BONIFAZ GENANNT // MIT JEDEM KLANG AUFS NEUE DER DEUTSCHEN GLAUBEN PREIS ICH IM HEILGEN LAND – GEST VON [Freiraum] GEGOSSEN VON P. OTTO IN HEMELINGEN 1909 |
4 | St. Elisabeth | gis1 | Glockengießerei Otto,
Bremen-Hemelingen |
1909 | ca. 720 | 102 | ICH HEISS ELISABTH // BEZEUG MEIN SCHLAG DASS LIEBE NIE VERGEHT FÜR NOT UND PLAG – Z E GOTTES GEST V JOSEF BITTA AUS NEUDECH O-S GEGOSSEN VON P. OTTO IN HEMELINGEN 1909 |
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]in der Reihenfolge des Erscheinens
- Aegidius Geißler: Das Sanctuarium der Dormitio Beatae Mariae. Schenkung Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm II. an die deutschen Katholiken. Haas & Grabherr, Augsburg 1899.
- Carl Mommert: Die Dormitio und das deutsche Grundstück auf dem traditionellen Zion. Haberland, Leipzig 1899.
- Theodor Zahn: Die Dormitio Sanctae Virginis und das Haus des Johannes Markus. Deichert, Leipzig 1899.
- Das Heiligtum Mariae Heimgang Dormitio Beatae Mariae Virginis auf dem Heiligen Berge Sion zu Jerusalem. Kunstverlag, Beuron 1914.
- Josef Schröder: Die deutsche Benediktinerabtei Mariä Heimgang auf dem Sion in Jerusalem. Festschrift, herausgegeben gelegentlich der 25. Wiederkehr der Kirchweih. Bachem, Köln 1935.
- Anneliese und Anton Goergen: Dormitio. Die Basilika der Benediktinerabtei Mariä Heimgang, Berg Zion, Jerusalem (= Kleine Kunstführer. Nr. 1800). Schnell + Steiner, Regensburg 1990.
- Oliver Kohler: Zwischen christlicher Zionssehnsucht und kaiserlicher Politik. Die Entstehung von Kirche und Kloster „Dormitio Beatae Mariae Virginis“ in Jerusalem. Eos-Verlag, St. Ottilien 2005, ISBN 3-8306-7181-4.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Website der Abtei
- Website des theologischen Studienjahres
- Dormitio-Abtei auf der Website des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande
Fußnoten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Wort des Abtes. In: Unter dem Zeichen des Regenbogens. 15. Rundbrief. 6. Januar 1999, abgerufen am 8. Dezember 2014.
- ↑ Wilhelm II.: Ereignisse und Gestalten 1878–1918. Verlag K. F. Koehler, Leipzig/Berlin, 1922, S. 181.
- ↑ Adalbert Kienle: Grenzgänger und Friedensfürst. Zum 100. Todestag von Willibrord Benzler OSB. In: Erbe und Auftrag, Jg. 97 (2021), S. 423–431, hier S. 425.
- ↑ Kongregation von der Verkündigung der seligen Jungfrau Maria, Eintrag auf benediktiner.de, abgerufen am 29. August 2016
- ↑ Abt Maurus Kaufmann OSB. Abgerufen am 22. Oktober 2022.
- ↑ Heiliges Land: Jerusalemer Benediktiner wählen neuen Abt
- ↑ Früherer Jerusalemer Abt Egender wird 90. Abgerufen am 22. Oktober 2022.
- ↑ Abt Benedikt Lindemann beendet sein Amt in Jerusalem. Abgerufen am 22. Oktober 2022.
- ↑ Abt der Dormitio-Abtei tritt zurück. Abgerufen am 22. Oktober 2022.
- ↑ Jerusalemer Dormitio-Abtei erhält Prior-Administrator. Pater Nikodemus übernimmt. 26. August 2016, abgerufen am 29. August 2016.
- ↑ Benediktiner wählen Einsiedler zum neuen Abt, katholisch.de, 20. Februar 2018.
- ↑ Kath.ch: Ein Einsiedeln-Fan ist neuer Abt der Dormitio in Jerusalem. 3. Februar 2023, abgerufen am 3. Februar 2023.
- ↑ Tapan Bhattacharya: Huber, Hermann. In: Historisches Lexikon der Schweiz., abgerufen am 11. April 2017.
- ↑ Krypta-Renovierung, 28. September 2018, abgerufen am 4. Januar 2019.
- ↑ Auswärtiges Amt: Gemeinsame Erklärung des Auswärtigen Amts und der Jerusalemer Dormitio-Abtei zum bevorstehenden Sanierungsvorhaben, 3. September 2020, abgerufen am 7. September 2020.
- ↑ Koalitionsvertrag 2018, Kapitel Außenwirtschaftspolitik sowie Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, S. 155, Zeile 7349–7351: „Wir wollen Mittel bereitstellen u. a. ... für die dringend notwendige Sanierung der Abtei Dormitio in Jerusalem.“ (S. 154, Zeile 7324–7326 in der PDF-Fassung ( des vom 4. Januar 2021 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf der Webseite der CDU).
- ↑ Fabian Klask: So kam die Religion in den Koalitionsvertrag. Wie ein gewitzter Mönch und ein scheidender Außenminister es schafften, ein Kloster in Jerusalem in den Koalitionsvertrag zu schmuggeln. In: Christ & Welt, 5. März 2018.
- ↑ JERUSALEM (Israel), kath. Dormitio-Abtei: Die Glocken der Abteikirche. Abgerufen am 4. September 2022 (deutsch).
Koordinaten: 31° 46′ 20″ N, 35° 13′ 44″ O