Eckhard Thiel

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Eckhard Thiel 2011

Eckhard Thiel (* 30. April 1944 in Tübingen) ist ein deutscher Hämatologe und Onkologe. Bis zu seiner Emeritierung 2011 war er als Professor für Innere Medizin an der Charité in Berlin tätig. Der Schwerpunkt seines ärztlichen und wissenschaftlichen Wirkens lag in den Krebserkrankungen des Blutes und Immunsystems, den Leukämien und Lymphomen.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eckhard Thiel ist der Sohn des Nervenarztes Otto Thiel und dessen Ehefrau Ruth, geb. Singer.[1] In seiner Geburtsstadt Tübingen besuchte er zunächst die Silcher Volksschule von 1950 bis 1953 und danach das humanistische Uhland-Gymnasium bis zum Abitur 1963. Ab 1963 studierte er Medizin an der Eberhard Karls Universität Tübingen sowie in Wien, das er im August 1969 in Tübingen mit dem Medizinischen Staatsexamen beendete. Er promovierte im August 1969 in Tübingen über „Pathologische Spontanaktivität im Wachen und Schlafen. Kontinuierliche elektromyographische und elektroencephalographische Registrierung“.

In seiner Medizinalassistentenzeit arbeitete er 1969 und 1970 in der Chirurgischen Universitätsklinik Tübingen sowie in der Medizinischen Universitätspoliklinik und im Hygiene Institut der Universität Tübingen. Am 31. Oktober 1970 erfolgte die Approbation. Ab 1971 arbeitete Thiel als wissenschaftlicher Assistent im Institut für Hämatologie und Immunologie der Gesellschaft für Strahlenforschung und Umweltschutz (GSF) in München unter Stefan Thierfelder[2] wie auch zugleich als Assistenzarzt der I. Medizinischen Klinik der Universität München bei Herbert Schwiegk.[3]

Im Institut der GSF entwickelte er einen Forschungsschwerpunkt immunzytologischer und molekulargenetischer Methoden zur Diagnostik hämato-onkologischer Erkrankungen, insbesondere Leukämien. Sein Laborbereich wurde zum zentralen Referenzlabor pädiatrischer und Erwachsenen-Therapiestudien, z. B. der bundesweiten Klinischen ALL-Therapiestudie[4] (Leiter: Dieter Hoelzer), an welcher 120 Kliniken der Bundesrepublik Deutschland angeschlossen waren.

Im November 1977 erhielt er die fachärztliche Anerkennung als Internist. Es folgte eine hämatologisch-onkologische Weiterbildung als Stationsarzt der Medizinischen Klinik III des Klinikums Großhadern unter Wolfgang Wilmanns. Im Januar 1979 habilitierte er im Teilgebiet Innere Medizin. Im Juli 1981 erwarb er die Teilgebietsbezeichnungen Hämatologie und Klinische Transfusionsmedizin.

Von 1981 bis 1988 war Thiel Oberarzt und Leiter der Sektion Hämatologie/Onkologie der Medizinischen Klinik Innenstadt der Universität München unter Ernst Buchborn. Dort wurde er im Februar 1985 zum außerplanmäßigen Professor ernannt.

Ab März 1988 bekleidete er einen C4-Lehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie in Berlin und war Direktor der Medizinischen Klinik III für Hämatologie, Onkologie und Transfusionsmedizin im Universitätsklinikum Steglitz, sodann im Universitätsklinikum Benjamin Franklin und ab 1998 der Charité–Universitätsmedizin bis zu seiner Emeritierung im Oktober 2011.

Die Regisseurin Mira Thiel ist seine Tochter, aus der Ehe mit der bulgarischen Ärztin Antonia Thiel.[5]

Wissenschaftliche Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu Thiels klinisch-wissenschaftlichen Schwerpunkten gehörte neben der Immundiagnostik[6] und molekulargenetischen Analyse von Leukämien[7] und Lymphomen[8] mit bundesweitem Referenzlabor und Zellbank die Etablierung einer Einheit für Knochenmark-Stammzelltransplantation an seiner Klinik zur erweiterten Therapie von Leukämien, malignen Lymphomen, Plasmozytomen und anderen Tumorerkrankungen. Neben Antikörpertherapien und Tumorvakzinierungen[9][10] – letzteres in Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin Osaka – wurde die Therapie maligner Lymphome etwa durch eine bundesweite Studie[11] bei ZNS-Lymphomen[12] vorangebracht, welche Thiel mit Michael Weller leitete. In den 1990er Jahren etablierte er in seiner Klinik die Psychoonkologie[13] und Sportmedizin[14][15] bei Tumorkranken. In der Infektiologie wurden insbesondere bei Organmykosen immunsupprimierter Patienten Fortschritte[16][17] erzielt wie auch bei HIV.

So gelang erstmals die Heilung[18] eines HIV-Patienten mit Leukämie durch Transplantation genetisch HIV-resistenter Stammzellen.[19][20][21] Die Geschichte dieses Patienten, Timothy Ray Brown, wurde als „Der Berliner Patient / Guérir du VIH – Un nouvel espoir“ von seiner Tochter Mira Thiel und Benjamin Cantu 2012 für Arte verfilmt.[22]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1979: Vincenz-Czerny-Preis der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie
  • 1981: Albert-Knoll-Preis der Saarländisch-Pfälzischen Internistengesellschaft
  • 1989: Träger des Deutschen Krebspreises, Klinischer Teil, zusammen mit Dieter Hoelzer
  • 1994: Kavalierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen durch Staatspräsident Lech Wałęsa
  • 2005: Ehrendoktor und Honorarprofessor der Nationalen Universität von Almaty, Kasachstan
  • 2011: Ernst-von-Leyden Medaille der Gesellschaft für Innere Medizin, Berlin
  • 2012: Ernennung zum Clinical development Advisor des California Institute ForRegenerative Medicine (CIRM)
  • 2014: Gast-Professur an der Graduate School of Medicine, Universität Osaka

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Pathologische Spontanaktivität im Wachen und Schlafen. Dissertation, Universität Tübingen, 1969
  • Immunautoradiographie zur Diagnose von Leukämien. Habilitationsschrift, Universität München, 1979
  • Mit Stefan Thierfelder, Hans Rodt: Immunological Diagnosis of Leukemias and Lymphomas, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Haematology and Blood Transfusion Vol. 20, 1977
  • Mit Stefan Thierfelder: Leukemia, Recent Developments in Diagnosis and Therapy, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo, Recent Results in Cancer Research Vol. 93, 1984
  • Mit Wolf-Dieter Ludwig: Recent Advances in Cell Biology of Acute Leukemia. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Barcelona, Budapest, Recent Results in Cancer Research Vol. 131,1993
  • Personalized treatment of cancer: utopia or chance? Deutsche Medizinische Wochenschrift, 135, 1851, 2010

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Geburtsurkunde Nr. 736/1944, Standesamt Tübingen.
  2. GSF (Memento des Originals vom 4. August 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.helmholtz-muenchen.de
  3. Heinz Götze: Der Springer-Verlag, Stationen seiner Geschichte. Hrsg.: Springer-Verlag. Teil II: 1945-1929. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York / London / Paris / Tokyo / Hong Kong / Barcelona / Budapest 1994, ISBN 3-540-56691-0.
  4. German Multicenter Study Group on Adult Acute Lymphoblastic Leukemia (GMALL). Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 22. Juni 2020.@1@2Vorlage:Toter Link/www.leukemia-net.org (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  5. Vita Mira Thiel. (PDF) Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Oktober 2019; abgerufen am 22. Juni 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mira-thiel.de
  6. Stefan Thiefelder, Hans Rodt, Eckhard Thiel: Immunological Diagnosis of Leukemias and Lymphomas. In: Springer-Verlag (Hrsg.): International Symposium of the Institut für Hämatologie. Band 20. Springer-Verlag, 1977, ISBN 3-540-08216-6, S. 387.
  7. W.-D. Ludwig und E. Thiel: Recent Advances in Cell Biology of Acute Leukemia. In: Springer-Verlag (Hrsg.): Recent Results in Caner Research. Band 131. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York / London / Paris / Tokyo / Hong Kong / Barcelona 1993, ISBN 3-540-56417-9, S. 407.
  8. E. Thiel und S. Thierfelder: Leukemia. In: Springer-Verlag (Hrsg.): Recent Results in Cancer Research. Band 93. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York / Tokyo 1984, ISBN 3-540-13289-9, S. 304.
  9. Carmen Scheibenbogen, Anne Letsch, Eckhard Thiel, Alexander Schmittel, Volker Mailaender, Steffi Baerwolf, Dirk Nargorsen, Ulrich Keilholz: CD8 T-cell responses to Wilms tumor gene product WT1 and proteinase 3 in patients with acute myeloid leukemia. Hrsg.: Blood. Band 100. Blood, 15. September 2002, S. 2132–2137.
  10. Dirk Nagorsen, Carmen Scheibenbogen, Eckhard Thiel, Ulrich Keilholz: Immunological Monitoring of Cancer Vaccine Therapy. Hrsg.: Expert Opinion Biology Therapies. Band 4, Nr. 10. Expert Opinion Biology Therapies, Oktober 2004, S. 1677–1687.
  11. Eckhard Thiel, Agnieszka Korfel, Peter Martus, Lothar Kanz, Frank Griesinger, Michael Rauch, Alexander Röth, Bernd Hertenstein, Theda von Toll, Thomas Hundsberger, Hans-Günther Mergenthaler, Malte Leithäuser, Tobias Birnbaum, Lars Fischer, Kristoph Jahnke, Ulrich Herrlinger, Ludwig Plasswilm, Thomas Nägele, Torsten Pietsch, Michael Bamberg, Michael Weller: High-dose methotrexate with or without whole brain radiotherapy for primary CNS lymphoma (G-PCNSL-SG-1): a phase 3, randomised, non-inferiority trial. Hrsg.: The Lancet. Oncology. Band 11, November 2010, S. 1036–1047.
  12. Lauren E Abrey 1 , Tracy T Batchelor, Andrés J M Ferreri, Mary Gospodarowicz, Elisa J Pulczynski, Emanuele Zucca, Justine R Smith, Agnieszka Korfel, Carole Soussain, Lisa M DeAngelis, Edward A Neuwelt, Brian Patrick O’Neill, Eckhard Thiel, Tamara Shenkier, Fransesc Graus, Martin van den Bent, John F Seymour, Philip Poortmans, James O Armitage, Franco Cavalli, International Primary CNS Lymphoma Collaborative Group: Report of an International Workshop to Standardize Baseline Evaluation and Response Criteria for Primary CNS Lymphoma. Hrsg.: Journal of Clinical Oncology. 11. Auflage. Nr. 11. Journal of Clinical Oncology, 1. August 2005, S. 5034–5043.
  13. Fernando Dimeo, Eckhard Thiel: Does Psychotherapy Affect the Survival of Cancer Patients? More Questions Than Answers. Hrsg.: Journal of Clinical Oncology. Band 25, Nr. 35. Journal of Clinical Oncology, 10. Dezember 2007, S. 5664-5.
  14. Fernando Dimeo, Alexander Schmittel, Thomas Fietz, Stefan Schwartz, Peter Köhler, Dieter Böning, Eckhard Thiel: Physical Performance, Depression, Immune Status and Fatigue in Patients With Hematological Malignancies After Treatment. Hrsg.: Annals of Oncology. Band 15, Nr. 8. Annals of Oncology, August 2004, S. 1237-42.
  15. Fernando Dimeo, Stefan Schwartz, Norbert Wesel, Anton Voigt, Eckhard Thiel: Effects of an Endurance and Resistance Exercise Program on Persistent Cancer-Related Fatigue After Treatment. Hrsg.: Annals of Oncology. Band 19, Nr. 8. Annals of Oncology, August 2008, S. 1495-9.
  16. Raoul Herbrecht 1 , David W Denning, Thomas F Patterson, John E Bennett, Reginald E Greene, Jörg-W Oestmann, Winfried V Kern, Kieren A Marr, Patricia Ribaud, Olivier Lortholary, Richard Sylvester, Robert H Rubin, John R Wingard, Paul Stark, Christine Durand, Denis Caillot, Eckhard Thiel, Pranatharthi H Chandrasekar, Michael R Hodges, Haran T Schlamm, Peter F Troke, Ben de Pauw, Invasive Fungal Infections Group of the European Organisation for Research and Treatment of Cancer and the Global Aspergillus Study Group: Voriconazole Versus Amphotericin B for Primary Therapy of Invasive Aspergillosis. Hrsg.: The New England Journal of Medicine. Band 347, Nr. 6. The New England Journal of Medicine, 8. August 2002, S. 408-15.
  17. Stefan Schwartz, Markus Ruhnke, Patricia Ribaud, Lawrence Corey, Timothy Driscoll, Oliver A Cornely, Ulrich Schuler, Irja Lutsar, Peter Troke, Eckhard Thiel: Improved Outcome in Central Nervous System Aspergillosis, Using Voriconazole Treatment. Hrsg.: Blood. Band 106, Nr. 8. Blood, 15. Oktober 2005, S. 2641-5.
  18. Udo Badelt: Ein Diamant, der im Verborgenen strahlt. Tagesspiegel, 7. Februar 2010, abgerufen am 13. März 2020.
  19. Donald G. McNeil Jr.: Rare Treatment Is Reported to Cure AIDS Patient. In: New York Times. New York Times, 13. November 2008, abgerufen am 13. März 2020 (englisch).
  20. Gero Hütter, Daniel Nowak, Maximilian Mossner, Susanne Ganepola, Arne Müßig, Kristina Allers, Thomas Schneider, Jörg Hofmann, Claudia Kücherer, Olga Blau, Igor W. Blau, Wolf K. Hofmann, Eckhard Thiel: Long-Term Control of HIV by CCR5 Delta32/Delta32 Stem-Cell Transplantation. New England Journal of Medicine 2009, Band 360, Ausgabe 7 vom 12. Februar 2009, Seiten 692–698, doi:10.1056/NEJMoa0802905
  21. Kristina Allers, Gero Hütter, Jörg Hofmann, Christoph Loddenkemper, Kathrin Rieger, Eckhard Thiel, Thomas Schneider: Evidence for the Cure of HIV Infection by CCR5Δ32/Δ32 Stem Cell Transplantation. Hrsg.: Blood. Band 117, Nr. 10. Blood, 10. März 2011, S. 2791-9.
  22. THE BERLIN PATIENT. Abgerufen am 22. Juni 2020 (englisch).