Eva von Radecki

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Eva Louise von Radecki (* 5. Novemberjul. / 17. November 1884greg. in Riga; † 10. Juli 1920 in Järvere, Estland) war eine deutsch-baltische Schriftstellerin.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sie war die zweite Tochter des aus älterer kurländischer Familie stammenden Rechtsanwalts in Riga und St. Petersburg Ottokar von Radecki (1854–1921) und dessen Ehefrau Alma Dorothea von Tideböhl (1855–1917). Einer ihrer Brüder war der Schriftsteller Sigismund von Radecki (1891–1970). Seit 1901 lebte die Familie in St. Petersburg, wo Eva eine Ausbildung bei einer Bildhauerin anfing, die sie jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht abschließen konnte. Im Frühjahr 1905 machte sie eine längere Reise nach Italien (Meran, Rom, Anacapri); schon bald danach zog die Familie nach Dorpat, wo auch anfänglich beide Brüder ein Studium begannen, das sie später in Freiberg/Sachsen fortsetzten. 1912 erkrankte sie und wurde sehr bald bettlägerig. Durch Krieg und Revolution in Russland seit dem Herbst 1918 von ihrer Familie getrennt, lebte sie bis zu ihrem Tod bei ihrer Tante Josephine von Möller auf Jerven, einem Beigut von Sõmerpalu (Sommerpahlen). Sie wurde in Dorpat (Tartu) begraben.

Ihr Bruder Sigismund schrieb (Logbuch, S. 15): „Die Klage über ihr schweres Lebensschicksal, die sie den Menschen verschwieg, ließ sie in ihren Gedichten ausströmen“:

„Was hab ich nur getan, / daß ich, fast noch ein Kind, / soll wissen gnadenlos / was Menschentränen sind.“

Literarisches Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein frühes und erstaunlich breites Lese- und Lernpensum regte sie an zu eigenen privaten Schreibversuchen für Familie und Freundinnen (z. B. 1899 Ritterdrama Röschen von Siebeneichen). Ihre breite künstlerische Orientierung und geistige Entwicklung wird in vielen Einzelheiten im Briefwechsel (1909–1920) mit ihrem Bruder Sigismund und ihrem Tagebuch (Das Logbuch: November 1915 bis September 1919) erkennbar.

Erstmals konnte sie 1906 ein Gedicht (Aprilnacht) veröffentlichen. Wenig später, etwa um 1907, beendete sie die Arbeit am Krippenreiter; vorausgegangen waren intensive Studien für eine Biographie des livländischen Politikers Johann Reinhold von Patkul (1660–1707). 1914 bis 1916 führte sie neben ihrem Tagebuch eine Anthologie von ausgewählten Gedichten. Neben bekannten Klassikern und Bibelzitaten fallen besonders Zeilen aus „modernen“ Autoren auf: am markantesten An Gott (Else Lasker-Schüler), Peter Hille und mehrere Verse aus Walt Whitmans Grashalme (Leaves of grass); es erstaunt, dass nicht ein einziger russischer Autor vertreten ist.

Krippenreiter 1934

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Aprilnacht. (Gedicht.) In: Westermanns illustrierte deutsche Monatshefte 100 (1906), S. 250.
  • Krippenreiter. (Novelle.) In: Deutsche Monatsschrift für Russland Heft 7 (1913), S. 626–641, und Heft 8 (1913), S. 734–738. – Erneut als: Der Krippenreiter in: Hellmuth Krüger (Hrsg.): Die Baltischen Provinzen. Bd. 2: Novellen und Dramen. Felix Lehmann, Berlin 1916, S. 77–118. – Erneut als: Der Krippenreiter. Novelle von Eva von Radecki. In: Grenz-Warte (Deutsch-Baltische Gesellschaft, Berlin), H. 4 v. 4.11.1917 (S. 30–32) bis H. 15 v. 20.1.1918, S. 119 f. – Erneut als: Krippenreiter. (= „Kleine baltische Bücherei“ 1.) J. G. Krüger, Tartu 1934 (66 S., mit Farbtafel von Roland Walter; veranlasst von Dorpater Freunden, u. a. Margarethe „Kitta“ Walter, der Schwester des Malers Roland Walter).
  • Die Geliebte. (Erzählung.) In: Velhagen und Klasings Monatshefte, Jahrgang 35 (1920/21), Teil 1.
  • In hellen Nächten. (Miniatur.) In: Unterhaltungs-Beilage der „Rigaschen Rundschau“ Nr. 24 vom 18. Juni 1927 (Digitalisat in der LNB).
  • Der begrabene Esel. (Erzählung.) In: Velhagen und Klasings Monatshefte, Jahrgang 36 (1921/22), Teil 2, S. 389–404. – Erneut 1951 in: Neue Zürcher Zeitung (Nr. 1954 ff.).
  • Wie so manche sternenhelle Nacht. (Gedicht.) In: Werner Bergengruen (Hrsg.): Baltisches Dichterbrevier. Neuner, Berlin und Leipzig 1924, S. 82 (u. a. mit ihrem Bruder Sigismund sowie den befreundeten Reinhold von Walter und Hellmuth Krüger).
  • Der begrabene Esel. – Das Logbuch. Mit einer Einleitung von Sigismund von Radecki. Burges, Köln 1959. 543 S. (Herausgegeben vermutlich anlässlich des 75. Geburtstags der Autorin.) – Enthält die Gedichte Aprilnacht (S. 35), An den Wind (S. 36), Im Herbst (S. 37), Nach dem Kampf (S. 38), Lied der armen Berthe (S. 39), Wie so manche sternenhelle Nächte (S. 40) sowie die Erzählungen Der begrabene Esel (S. 43 ff.), Die Geliebte (S. 80 ff.), In hellen Nächten (S. 112 ff.), Arge und Helge (S. 116 ff.), Krippenreiter (S. 155 ff.) und Das Logbuch (S. 205–540).

Verschollenes Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Saul. (Biblisches Drama in der Art von Thomas Carlyles On Heroes and Hero Worship; Im Sommer 1918 in Arbeit.)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Krippenreiter. Kurzrezension (gez. E. St.) in: Rigasche Rundschau Nr. 292 vom 21. Dezember 1934, S. 6 (Digitalisat in der LNB).
  • Baltische Neuerscheinung. Krippenreiter. Kurzrezension in: Rigasche Post Nr. 14 (423) vom 23. Dezember 1934, S. 4 (Digitalisat in der LNB).
  • Sigismund von Radecki: Über das Leben der Verfasserin. In: Der begrabene Esel (Gedichte, Novellen und Erzählungen) – Das Logbuch (Tagebücher). Burges, Köln 1959.
  • Sigismund von Radecki: Ein Zimmer mit Aussicht. Essays, Skizzen und Übersetzungen. Hegner, Köln 1961 (S. 181–183: über die verlegerischen Schwierigkeiten, Evas Tagebücher usw. zu veröffentlichen).
  • Erik von Löwis: Besprechung Das Logbuch. In: Baltische Hefte 3 (1959/60), S. 176.
  • May Redlich: Lexikon deutschbaltischer Literatur. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1989, ISBN 3-8046-8717-2, S. 254.
  • Gero von Wilpert: Deutschbaltische Literaturgeschichte. Beck, München 2005, ISBN 3-406-53525-9, S. 266 (Kurzverweis).
  • Carola L. Gottzmann und Petra Hörner: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. de Gruyter, Berlin 2007, Bd. 3, ISBN 978-3-11-019338-1, S. 1040.