Prüf- und Filtrationslager

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Prüf- und Filtrationslager (russisch Проверочно-фильтрационные лагеря Prowerotschno-filtrazionnyje lagerja) waren Einrichtungen des sowjetischen Innenministeriums (NKWD), die während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit bei der Repatriierung von Sowjetbürgern der Ausforschung von „Staatsfeinden“ dienten.

Während der Kriege in Tschetschenien betrieben die russischen Sicherheitskräfte Einrichtungen mit derselben Bezeichnung, die dazu dienen sollten, „Separatisten“ bzw. „Terroristen“ aufzuspüren. In diesem Zusammenhang wurde wiederholt von Menschenrechtsverletzungen in diesen Lagern berichtet. Auch nach dem Überfall auf die Ukraine 2022 kam es zu Berichten über Filtrationslager.

Ursprünglich ist die Filtration ein physikalisch-technisches Trennverfahren.

Filtrationslager der UdSSR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entstehung und Verwaltungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Liste der Repatriierungslager für Bürger der UdSSR in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, 2. Oktober 1945, Staatsarchiv der Russischen Föderation, Moskau

Die Lager wurden zunächst nur für Angehörige der Roten Armee aufgrund des Befehls GKO-1069ss des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR (GKO) vom 27. Dezember 1941 errichtet und unterstanden der Kontrolle des NKWD.[1] Die Durchführung wurde im NKWD-Erlass Nr. 001735 vom 28. Dezember 1941 geregelt.[2] Ziel war es, unter den Angehörigen der Roten Armee, die in feindliche Gefangenschaft geraten waren, die „Vaterlandsverräter, Spione und Deserteure“ zu identifizieren. Dazu sollten Soldaten oder Offiziere, die aus der Kriegsgefangenschaft befreit wurden oder sich selbst befreit hatten, ohne Ausnahme über sogenannte Zwischensammelstellen (russisch сборно-пересыльные пункты, SPP) im Frontbereich in Lager des NKWD zur „Filtration“ oder „staatlichen Überprüfung“ eingewiesen werden.[3] Anfangs wurden diese Lager der Hauptverwaltung für Kriegsgefangene und Internierte (GUPWI), ab 19. Juli 1944 dem GULag des NKWD untergeordnet. Mit Erlass vom 28. August 1944 wurde eine eigenständige Abteilung für Filtrations- und Prüflager innerhalb des NKWD gegründet. Am 20. Februar 1945 wurde diese in Abteilung für Sammel- und Filtrationslager (OPFL) umbenannt.[2]

Für zu repatriierende Ostarbeiter wurde am 24. August 1944 vom Staatlichen Verteidigungskomitee der UdSSR der Beschluss 6457ss „Über die Durchführung der Aufnahme von heimkehrenden Sowjetbürgern, die von Deutschen verschleppt worden waren“ gefasst und die Aufgabe dem NKWD übertragen. An den westlichen sowjetischen Grenzen wurden zu diesem Zweck Prüf- und Durchgangslager geschaffen, etwas weiter im Hinterland Prüf- und Filtrationslager.[4] Eine Vielzahl von zu repatriierenden Personen wurde jedoch noch auf deutschem und österreichischem Boden zu Demontagearbeiten und für andere Aufgaben festgehalten. Im November 1945 befanden sich noch 300.000 Personen dort.[5]

Internierte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vom 27. Dezember 1941 bis zum 1. Oktober 1944 wurden in diesen Lagern 421.199 Internierte überprüft. Neben 354.592 ehemaligen Kriegsgefangenen befanden sich darunter auch 40.062 Polizisten.[6] Die Nahrungsmittel in den Lagern wurden nach den Normen für GULag-Häftlinge zugeteilt. Im Sommer 1945 wurden die Rationen weiter gekürzt.

Filtrationslager in Tschetschenien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Tschetschenienkriegen betrieben die russischen Sicherheitskräfte als Filtrationslager oder -punkte bezeichnete Internierungslager, die dem Verfahren nach den ursprünglichen NKWD-Filtrationslagern entsprachen.[7] Darin wurde unter den zumeist willkürlich verhafteten Insassen nach „Separatisten“, „Terroristen“ oder „Terrorverdächtigen“ gesucht. Unabhängige Medien und Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch berichteten in diesem Zusammenhang wiederholt von schweren Verletzungen der Menschenrechte, die sich das Sicherheitspersonal dieser Lager habe zuschulden kommen lassen.

Diesen Berichten zufolge sei es insbesondere im zu Beginn des Zweiten Tschetschenienkriegs betriebenen Filtrationslager Tschornokosowo zur völligen Entrechtung der Insassen sowie während der Befragungen und Verhöre zu Misshandlungen und Folterungen aller Art gekommen.[8][9][10] Dieses Lager wurde später in eine Untersuchungshaftanstalt und dann in eine Strafkolonie umgewandelt.

Filtrationslager im Krieg gegen die Ukraine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut Medienberichten und Angaben verschiedener Regierungen gibt es Menschen aus der Ukraine, die gegen ihren Willen nach Russland verschleppt worden sind. Die ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Ljudmyla Denissowa sprach im Mai 2022 von bis zu einer Million Menschen. In Filtrationslagern würden die Verschleppten verhört oder auch gefoltert. Eine Überprüfung der Berichte sei nicht möglich, so das deutsche Auswärtige Amt.[11]

Ein amerikanischer Botschafter (Michael Carpenter bei der OSZE) nannte im Mai 2022 eine Zahl von mindestens mehreren tausend Ukrainern. Diese Menschen würden mit Bussen gewaltsam in Filtrationslager in Russland oder in der besetzten Ukraine verlegt werden. Dort würden russische Militärs ukrainische Zivilisten darauf überprüfen, ob sie eine Verbindung zur ukrainischen Regierung oder zur Armee haben. Außerdem werde geprüft, ob sie Widerstand gegen Putins Angriffskrieg geleistet hätten. Man untersuche die Telefone der Verschleppten und speichere ihre Kontakte und Daten. Hinzu kämen Schläge und Folter. Wer Treue gegenüber der Ukraine zeige, werde der sogenannten Volksrepublik Donezk ausgeliefert. Es sei auch zu Ermordungen gekommen. Die Lager würden in Schulen und anderen zivilen Einrichtungen oder in Sammelstellen aus Militärzelten betrieben.[12][13] Schon ein Bart galt als verdächtig, und die Bezeichnung des Russisch-Ukrainischen Krieges als „Bürgerkrieg“ wurde den Männern wortwörtlich eingeprügelt.[14]

Am 7. September 2022 befasste sich der UNO-Sicherheitsrat mit dem Thema.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Andreas Gruber (Regie): Stalins Rache: Die Angst der Sieger vor der Heimkehr. D, 2016, Dokumentation, MDR, 52 Min. (Auch über das Wehrmachts-Kriegsgefangenenlager Zeithain (Stalag IV H bzw. Stalag IV/Z, heute Gedenkstätte und Soldatenfriedhöfe). Enthält Interviews mit nach 1993 rehabilitierten ehemaligen Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiterinnen oder deren Angehörigen. Vier repatriierte „Heimkehrer“ berichten von ihrer Rückkehr in die ehemalige Sowjetunion)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Beschluss zur Errichtung der Prüf- und Filtrationslager vom 27. Dezember 1941 (Staatliches Verteidigungskomitee der UdSSR)
  2. a b Peter Ruggenthaler: Der lange Arm Moskaus. Zur Problematik der Zwangsrepatriierungen ehemaliger sowjetischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener in die UdSSR. In: Siegfried Mattl u. a.(Hrsg.): Krieg, Erinnerung, Geschichtswissenschaft. Böhlau Verlag, Wien 2009, S. 233, ISBN 978-3-205-78193-6.
  3. Vladimir Doroševič: Unbekannte Archivdokumente zu sowjetischen Kriegsgefangenen: auf der Grundlage von Materialien des Zentralarchivs des KGB der Republik Belarus. In: Gefallen – Gefangen – Begraben. Zahlen und Fakten zu sowjetischen und deutschen Opfern des Zweiten Weltkriegs. Online-Publikation (Memento des Originals vom 20. Dezember 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dokst.de, Dokumentationsstelle Dresden, 2011
  4. Peter Ruggenthaler: Der lange Arm Moskaus. Zur Problematik der Zwangsrepatriierungen ehemaliger sowjetischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener in die UdSSR. In: Siegfried Mattl u. a.(Hrsg.): Krieg, Erinnerung, Geschichtswissenschaft. Böhlau Verlag Wien, 2009, S. 234.
  5. Peter Ruggenthaler: Der lange Arm Moskaus. Zur Problematik der Zwangsrepatriierungen ehemaliger sowjetischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener in die UdSSR. In: Siegfried Mattl u. a.(Hrsg.): Krieg, Erinnerung, Geschichtswissenschaft. Böhlau Verlag, Wien 2009, S. 235.
  6. J. Otto Pohl: The Stalinist Penal System: A Statistical History of Soviet Repression and Terror, 1930–1953. McFarland, 1997, ISBN 978-0-7864-0336-3, S. 50.
  7. Urteil vom 15. Juli 2004 – B 9 V 11/02 R (deutsches Bundessozialgericht)
  8. Human Rights Watch: Inside the ‘Hell’ of Chernokozovo. The Moscow Times, 26. Oktober 2000.
  9. Hundreds of Chechens Detained in “Filtration Camps”. Human Rights Watch, 17. Februar 2000.
  10. Ian Traynor: Tales of torture leak from Russian camps. The Guardian, 19. Februar 2000.
  11. Auswärtiges Amt vermutet Folter in russischen Filtrationslagern. In: Welt.de. 10. Mai 2022, abgerufen am 13. Mai 2022.
  12. Marc Drewello: „Brutale Verhöre“: Russland verschleppt laut US-Angaben tausende Ukrainer in Filtrationslager. In: stern.de. 13. Mai 2022, abgerufen am 13. Mai 2022.
  13. Die große Demütigung: Filtrationslager und die Flucht aus Mariupol. In: dw.com. 13. Mai 2022, abgerufen am 13. Mai 2022.
  14. Schläge und Elektroschocks: die Schrecken der russischen „Filterung“ der Ukrainer, BBC, 17. Juni 2022.