Front homosexuel d’action révolutionnaire

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Front homosexuel d’action révolutionnaire
(FHAR)
Gründung 1971 in Paris
Auflösung 1974
Schwerpunkt LGBT
Aktionsraum Frankreich

Die Front homosexuel d’action révolutionnaire (deutsch homosexuelle Front für revolutionäre Aktionen)[1] (FHAR) war eine in 1971 gegründete lose pariser Protestbewegung.[2] Die Bewegung entstand aus einem Bündnis zwischen homosexuellen männlichen und lesbischen Aktivisten. Die Bewegung hatte keinen Vorsitz, doch als Repräsentanten galten Guy Hocquenghem and Françoise d’Eaubonne, weitere prominente Mitglieder waren Christine Delphy, Daniel Guérin und Laurent Dispot. Die Bewegung löste sich 1974 auf.[2]

Bekanntheit erlangte die FHAR durch radikale Aktionen in den 1970er, welche den Homosexuellen Gehör verschaffte, nachdem die Studentenproteste um 1968 diese Gruppen missachteten. Entgegen älterer Bewegungen welche zurückhaltend und teilweise Konservativ waren, stellte sich die FHAR offen gegen den hetero–patriarchialen Staat und unterstützte den Umsturz der Bourgeoisie und den homophoben und chauvinistischen Werten in der politischen Linke.

Das exzentrische Verhalten der männlichen Mitglieder durch sexuelle Treffen sowie das Vernachlässigen der feministischenlesbischen Bestrebungen führte zum auflösen der Gruppierung. Aus der FHAR entstanden nach dem Auflösen die Groupe de libération homosexuelle (GLH) sowie die Gouines rouges innerhalb des Mouvement de libération des femmes (MLF).

Gründung und Anfänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ursprünglich war die FHAR ein Bündnis zwischen Feministinnen der MLF und Lesben der Arcadie Organisation, welchem im Februar 1971 homosexuelle Männer beitraten. Die Grundlage für die Kooperation bildete sich im Mai 1968 durch eine Plakataktion, welche für ein „Comité d’action pédérastique révolutionnaire“ (deutsch revolutionäres pediatrische Aktionskomitee) warb. Die FHAR traf sich in der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris.[3]

Am 5. März 1971 unterbrach die FHAR eine Zusammenkunft gegen das Recht auf Abtreibung.[4] Am 10. März störte und stoppte die FHAR die Radiosendung von Ménie Gregoire über das Thema Homosexualität vom Radiosender RTL (Frankreich).[5]

Der Name „Front homosexuel d’action révolutionnaire“ mit dem sich die Gruppierung identifizierte unterscheidet sich von dem offiziellen behördlichen Namen welcher „Fédération Humaniste Anti-Raciste“ (deutsch anti-rassistische humanistische Föderation) lautete.[6] Die Bewegung setzte sich für allgemeine sexuelle Freiheit ein. FHAR kommunizierte auch durch die linksgerichtete Zeitschrift Tout!. Eine Stellungnahme der Gruppe in der zwölften Ausgabe verwies auf das Manifest der 343, eine Petition von 343 Frauen welche öffentlich bekanntgaben, dass sie (damals illegal) abgetrieben haben:[7]

« Nous sommes plus de 343 salopes
Nous nous sommes faits enculer par des Arabes
Nous en sommes fiers et nous recommencerons »

„Wir sind über 343 Schlampen
Wir fickten mit Arabern
Wir sind stolz und werden es wieder tun“

10,000 Kopien der Tout! wurden aufgrund der Beiträge der FHAR polizeilich beschlagnahmt und der Herausgeber Jean-Paul Sartre wurde strafrechtlich verfolgt. Nach einer erfolgreichen Beschwerde vor dem Verfassungsrat auf Basis der Meinungsfreiheit wurde das Verfahren im Juli 1971 eingestellt.[8]

Die FHAR denunzierte Heterosexismus und die Medikalisierung von Homosexualität in dessen Folge wurde in 1971 der Internationale Kongress der Sexologie in Sanremo durch Proteste gestört. Außerdem unterbrach die Gruppierung kommunistische Zusammenkünfte, besonders im Konferenzzentrum Mutualité wo Jacques Duclos der gruppe entgegenwarf: „Allez vous faire soigner, bande de pédérastes, le PCF est sain!“ (deutsch Geht und lasst euch heilen, ihr Kinderschänder, die PCF ist Gesund!)[9]

Interne Differenzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Zuwachs an Männern und deren wachsender Einfluss führte zur Abspaltung mehrerer Splittergruppen. Die Gruppe Gouines rouges („Rote Dykes“) formte sich im Juni 1971 und stellte sich gegen Sexismus, Chauvinismus und das Patriarchat.[10]

Andere prominente Gruppen waren Gazolines, die Zeitschrift Fléau social sowie Antinorm. Diese veröffentlichten den Rapport contre la normalité in 1971.[11]

Diese Splittergruppen waren dennoch unter dem Slogan und dem Schirm der FHAR wiedererkannt.

(„Prolétaires de tous les pays, caressez-vous !“ / Proletariat der Welt fasst euch an! („caressez-vous“ Ist französischer Slang für Masturbieren), „Lesbiennes et pédés, arrêtons de raser les murs !“ / Lesben und Schwuchteln hört auf mit dem Versteckspiel)

sowie der Kampf gegen die (heterocops).[12]

Abstieg und Vermächtnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gruppe verlor Mitglieder. Daniel Guérin verließ die Gruppierung nach den Exzessen der Randgruppe Gazolines während der Beerdigung eines Maoist welcher von einem Vigilanten umgebracht wurde. Françoise d'Eaubonne trat aus, da er der Auffassung wahr, das die FAHR ausschließlich zu einem Ort fürs Flirten verkümmerte.

Im Februar 1974 verbot die Polizei die Zusammenkünfte der FHAR in der École des Beaux-Arts und die Gruppe löste sich im selben Monat auf.[13]

Dennoch hinterließ sie FHAR ein umfassendes Vermächtnis. Im Gegensatz zu dem eher konservativen Verhalten früherer Gruppen wie der Acardie Organisation, übernahmen die Nachfolgeorganisationen der 80er und 90er die offene Vorgehensweise, welche bis heute in Verschiedenen LGBTQ Bewegungen nachhallt.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gino G. Raymond, Alistair Cole: Redefining the French Republic. Manchester University Press, 2006, ISBN 0-7190-7150-X, S. 84 (englisch).
  2. a b Kristin Ross: May '68 and Its Afterlives. University of Chicago Press, 2002, ISBN 0-226-72797-1, S. 217 (englisch).
  3. Collectif : Front Homosexuel d'Action Révolutionnaire: Rapport contre la normalité. Paris 1976, ISBN 2-85184-058-4, S. 16 bis 18 (französisch, Originaltitel: Rapport contre la normalité. 1971.).
  4. Le mouvement homosexuel français face aux stratégies identitaires von Yves Roussel.
  5. Retranscription de l'émission und témoignages und Françoise d’Eaubonne und Marie-Jo Bonnet.
  6. Frédéric Martel, Le Rose et le noir, édition du Seuil, 1996.
  7. Tout! N° 12. In: Tout! 22. Mai 2007, archiviert vom Original; abgerufen am 6. April 2006 (französisch).
  8. Jacques Girard: Le mouvement homosexuel en France 1945-1980. Paris, ISBN 2-901968-52-X, S. 81 bis 111.
  9. Pierre Albertini, « Communisme », Dictionnaire de l'homophobie, PUF, 2003.
  10. Robert F. Aldrich, Garry Wotherspoon (Hrsg.): Who's Who in Gay and Lesbian History: From World War II to Present Day (= Gender Studies). Routledge, 2001, ISBN 0-415-22974-X, S. 47 (englisch).
  11. Extraits d’Antinorm. Archiviert vom Original am 30. April 2001; abgerufen am 22. Mai 2007 (französisch).
  12. Prolétaires de tous les pays, caressez-vous! In: Gulliver. 1. Jahrgang, November 1972 (französisch, free.fr [PDF]).
  13. Benoît Bréville: Homosexuels et subversifs. Nr. 118, 31. August 2011, S. 14–17 (französisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Filmographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • FHAR (1971), Eine 26 minütige Schwarz-Weis-Dokumentation über die ersten treffen und Demonstrationen der FHAR, von Carole Roussopoulos
  • Race d'Ep, Un siècle d'image de l'homosexualité (1979), Docudrama von Lionel Soukaz und Guy Hocquenghem
  • Bleu, blanc, rose (2000), Docudrama von Yves Jeuland über die französische LGBT Bewegungen
  • Ma saison super 8 (My Super 8 Season) (2005), Regie von Alessandro Avellis (2005), ein Drama inspiriert von der Geschichte der FHAR
  • La révolution du désir (The revolution of Desire) (2006), Dokumentation, Regie von Alessandro Avellis

Bibliographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von der FHAR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über die FHAR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]