Gaudentz Hempel

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Gaudentz Hempel (* um 1630; † nach 1690) war ein Schweizer Glockengiesser in Chur. Er schuf zwischen 1655 und 1690 mindestens drei Dutzend Glocken für Bündner Kirchen. Er war der Begründer der Churer Glockengiesser-Tradition des 17. und 18. Jahrhunderts.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wappen der Familie Hempel, eingebürgert in Chur 1613

Eine urkundliche Fassung von Gaudentz Hempel (auch Gaudenz Hempel) ist bisher nicht möglich. Es wird vermutet, dass er der Sohn des aus Lindau am Bodensee zugewanderten und 1613 in Chur eingebürgerten Zinngiessers und Rates der Stadt Chur[1] Christoph (Christoffel) Hempel war.[2][3] Vermutlich lernte Gaudentz Hempel bei Theodosius Ernst I (* 1603 – ab 1632 in Graubünden tätig[4]) aus der Glockengiesserfamilie Ernst jene Werktüchtigkeit und Genauigkeit der Arbeit kennen, die Hempels Gussprojekte auszeichnet. Die Tätigkeit von Gaudentz Hempel etabliert sich ab 1655[5] und lässt sich über einen längeren Zeitraum in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verfolgen. Hempels Nachfolger in der Churer Glockengiesser-Tradition wurde sein Schüler Matheus Albert.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gemäss einer Ratsakte der Stadt Chur hat Gaudentz Hempel vor 1674 eine Glocke für Vrin gegossen.[46]

Varia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Theodosius I Ernst (* 1603) aus der Glockengiesserfamilie Ernst in Lindau (Bodensee) war ab 1632 in Graubünden tätig. Mutmasslich war er Lehrmeister von Gaudentz Hempel. Ernst führte im Glockenguss weiterbenutzte Reliefs (u. a. Muttergottes zwischen Wolken, Engeln und Windgöttern) ein[47]. Die 1678 von Gaudentz Hempel gegossene Glocke der Reformierten Kirche Haldenstein zeigt ein solches Motiv. Es kann vermutet werden, dass Hempel dieses Relief aus der Familie Ernst erhielt.[48] Die grosse Glocke der Kirche Bel Taimpel in Celerina aus dem Jahr 1917–1924 (Rüetschi, Aarau) ist die Nachfolgeglocke der 1660 von Gaudentz Hempel gegossenen Glocke[49] (erstmals umgegossen 1903 durch Pruneri Grosio[50]). Diese Glocke enthält am Hals zwischen zwei Rundstegen ein Fries aus hersehendem Frauenkopf, flankiert von zwei geflügelten Putten, die auf Fabeltieren reiten, deren Leiber in eine Blüte übergehen. Dieses Fries entspricht dem Fries der 1608 von Leonhard Ernst für die evangelische St. Stephankirche in Lindau gegossenen Glocke. Es wird vermutet, dass es sich auch in diesem Fall um ein aus der Familie Ernst stammenden Fries handelt und damit die Nähe zwischen Hempel und der Familie Ernst dokumentiert[51].

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Band I. Birkhäuser Verlag, Basel 1937.
  • Max Pfister: Baumeister aus Graubünden – Wegbereiter des Barock. Katalog der Maestri. Verlag Bündner Montatsblatt, Chur 1993, ISBN 3-905241-28-5.
  • Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Band I + V. Casanova Druck und Verlag, 2003, ISBN 3-85637-287-3.
  • Fred Siegenthaler-Flepp, Hans B.Kälin: Die Glockengiesser des Kantons Graubünden. In: Zeitschrift der Genealogisch-heraldischen Gesellschaft der Region Basel. Jahrgang 4, Nr. 4 (1991) S. 33–42.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Stadtarchiv der Stadt Chur, Akte A I/1.55.20
  2. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für schweizerische Kunstgeschichte. Band 1. Birkhäuser Verlag, Basel 1937, S. 242.
  3. Erwin Poeschel: Der Lindauer Glockengiesser Ernst und Graubünden. In: Dr. Karl Hoenn (Hrsg.): Das Bodenseebuch. Band 32. Wanderer-Verlag, Zürich 1946, S. 43–46.
  4. Sigrid Thurm: Ernst, Glockengiesserfamilie (ev.). In: Neue deutsche Biographie, Bd.: 4, Dittel – Falck, Berlin, 1959. deutsche-biographie.de, 1959, abgerufen am 27. November 2023.
  5. Erwin Poeschel: Bündner Glocken. In: Appenzeller Kalender – Band 220 (1941). 1941, abgerufen am 27. November 2023.
  6. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 404.
  7. Arnold Nüscheler: Die Gotteshäuser der Schweiz. Hrsg.: Zürcherische antiquarische und schweizerische geschichtsforschende Gesellschaft. Erstes Heft - Bisthum Chur. Verlag Orell, Füssli und Comp., Zürich 1864, S. 11.
  8. Martin J. Graf: Kirchengeschichte der Kirchen Azmoos und Gretschins im Überblick. Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Wartau, 2020, abgerufen am 27. November 2023.
  9. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 389.
  10. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 4. Verlag Birkhäuser, Basel 1942, S. 294.
  11. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 4. Verlag Birkhäuser, Basel 1942, S. 111 - Fussnote 1 zu Nüscheler, Mskr.
  12. Christian Caminada: Die Bündner Glocken. Art. Institut Orell Füssli, Zürich 1915, S. 46.
  13. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 338 - Fussnote 2 zu Nüscheler, Mskr.
  14. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 390.
  15. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 205 - Fussnote 1 zu Nüscheler, Mskr.
  16. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 210.
  17. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 4. Verlag Birkhäuser, Basel 1942, S. 232 - Fussnote 1 zu Nüscheler, Mskr.
  18. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 66 - Fussnote Nr. 1.
  19. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 4. Verlag Birkhäuser, Basel 1942, S. 208.
  20. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 5. Verlag Birkhäuser, Basel 1943, S. 128.
  21. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 369 - Fussnote 1 zu Nüscheler, Mskr.
  22. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 408 -Fussnote 2 zu Nüscheler, Mskr.
  23. Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Band 1. Casanova Druck und Verlag AG, Chur 2003, ISBN 3-85637-287-3, S. 12–13.
  24. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 176 - Fussnote 2 zu Nüscheler, Mskr.
  25. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 386.
  26. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 248 - Fussnote 1 zu Nüscheler, Mskr.
  27. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 398.
  28. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 327 - Fussnote 1 zu Nüscheler, Manuskr.
  29. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 274 - Fussnote 1 zu Nüschler, Mskr.
  30. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 66 - Fussnote 2 zu Vertrag vom 13. Mai 1677.
  31. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 100.
  32. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 7. Verlag Birkhäuser, Basel 1948, S. 365.
  33. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 318 - Fussnote 1 zu Nüscheler, Mskr.
  34. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 4. Verlag Birkhäuser, Basel 1942, S. 379 - Fussnote 1 zu Nüscheler, Mskr.
  35. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 212.
  36. Jörg Wuttge: Kirche Sarn. Evangelisch-reformierte Pastorationsgemeinschaft Heinzenberg, 2020, abgerufen am 27. November 2023.
  37. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 400.
  38. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 4. Verlag Birkhäuser, Basel 1942, S. 210.
  39. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 168.
  40. Max Pfister: Baumeister aus Graubünden - Wegbereiter des Barock. Verlag Bündner Monatsblatt, Chur 1993, ISBN 3-905241-28-5, S. 249.
  41. Christian Caminada: Die Bündner Glocken. Art. Institut Orell Füssli, Zürich 1915, S. 46.
  42. Max Pfister: Baumeister aus Graubünden - Wegbereiter des Barock. Verlag Bündner Monatsblatt, Chur 1993, ISBN 3-905241-28-5, S. 249.
  43. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 276 - Anmerkung 4 betreffend Nüscheler Mskr.
  44. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 4. Verlag Birkhäuser, Basel 1942, S. 209.
  45. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 2. Verlag Birkhäuser, Basel 1937, S. 94.
  46. Ratsakte der Stadt Chur vom 25.01.1674. Beleg RA 1674.001
  47. Sigrid Thurm: Ernst, Glockengiesserfamilie. (ev.). In: Neue deutsche Biographie, Bd.: 4, Dittel - Falck, Berlin, 1959. Münchner Digitalisierungszentrum, 1959, abgerufen am 28. November 2023.
  48. Mitteilung von Hans Jürg Gnehm, Glockenexperte, Affeltrangen (TG) vom 25.11.2023
  49. Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 338 - Fussnote 2 zu Nüscheler, Mskr.
  50. Zeitung 'Engadiner Post' vom 30.9.1903, 14.10.1903 und 11.11.1903
  51. Mitteilung von Hans Jürg Gnehm, Glockenexperte, Affeltrangen (TG) am 25.11.2023