Gebert-Indikator

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Der Gebert-Börsenindikator (auch Gebert-Indikator) ist ein Hilfsmittel zur Investition in deutsche Aktien und Indices, insbesondere des DAX. Er wurde Anfang der 1990er Jahre von dem Physiker Thomas Gebert entwickelt. Mit Hilfe des Indikators können Kauf- und Verkaufsentscheidungen getroffen werden, wodurch auf lange Sicht eine deutliche Renditesteigerung gegenüber dem Vergleichsindex erfolgt und gleichzeitig das Verlustrisiko minimiert wird. Aufgrund seiner hohen Treffsicherheit und seiner geringen Anzahl von Fehlsignalen, gilt er als einer der erfolgreichsten Börsenindikatoren.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thomas Gebert schrieb seine Diplomarbeit am plasmaphysikalischen Institut der Uni Bochum in den 1980er Jahren. Hierbei musste er unter anderem aus grafisch aufgetragenen Messpunkten statistisch nachprüfbare Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge ableiten. Dieses empirische Vorgehen brachte ihn auf die Idee, die Kursentwicklungen der Börse auf die gleiche Weise zu untersuchen. Sein Ziel war es, systematische Zusammenhänge zwischen Aktien-Indices und anderen Einflussfaktoren zu finden. Hierbei übertrug er Analyseprozesse aus den Naturwissenschaften, z. B. nach dem Trial-and-Error-Prinzip, auf die Börse, um statistisch nachprüfbare Aussagen zu treffen. Dafür legte er eine umfangreiche Sammlung aus etwa 8000 Datensätzen an, die unter anderem aus Wirtschaftsdaten, Anleihe-, Dollar- und Aktienkursen bestand.

Das erste System entstand durch Backtesting des DAX bzw. dessen rückberechneten Tageskursen von 1962 bis 1993. Diese wurden dann mit Hilfe von Computersimulationen einer ganzen Reihe von Anlagestrategien unterworfen, etwa den bekannten technischen Analysemethoden wie z. B. MACD und gleitende Durchschnitte, später kamen dann auch fundamentale Faktoren wie Auftragseingänge, Lohnabschlüsse, Inflation oder Zinsparameter hinzu. Selbst exotische Faktoren wie Mondphasen, Durchschnitts­temperaturen oder Sonnenflecken­zahlen wurden in die Untersuchungen mit einbezogen.

Von hunderten untersuchter Strategien und Verhaltensweisen hat ein Modell aus vier Teilindikatoren die besten Ergebnisse geliefert, aus denen er dann den heutigen Indikator entwickelte. Über diesen hat Gebert 1993/94 auch ein Buch[1] veröffentlicht. Seit 1996 wird der aktuelle Stand des Indikators im Börsenmagazin Der Aktionär veröffentlicht.

2006 wurde ein erstes Zertifikat als Anlageprodukt für Privatanleger von Merill Lynch ausgegeben, das den Indikator nutzte (dieses ist heute nicht mehr erhältlich). Es folgten weitere Anlageprodukte z. B. von Morgan Stanley und Zertifikate aus dem Bereich des Social-Trading.

Funktionsweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Indikator setzt sich aus der Summe von vier Teilindikatoren zusammen. Jeder Teilindikator kann dabei die Werte 0 oder 1 annehmen, was in Summe dann Werte von 0 bis 4 Punkten für den Gesamtindikator ergibt. Dabei bedeutet ein Gesamtwert von 0 und 1 Punkt ein Verkaufssignal für Aktien (bzw. den DAX) oder eine nichtinvestierte Phase. 3 und 4 Punkte zeigen ein Kaufsignal an, oder deuten auf eine investierte Phase hin und 2 Punkte bestätigen das letzte Signal und führen zu keiner Änderung. Der Indikator wird immer am Anfang des Monats ermittelt, da auch seine Teilindikatoren nur monatlich ermittelt, bzw. veröffentlicht werden. Es ergeben sich damit 12 Werte pro Jahr.

Die Teilindikatoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die Teilindikator werden anhand zuvor ermittelter Daten folgende Bedingungen geprüft:

  1. Zinsen
    War der letzte Zinsschritt der EZB eine Senkung, entspricht dies einem Punkt, war der letzte Zinsschritt einer nach oben, gibt es dafür null Punkte.
  2. Inflation
    Liegt die von Eurostat festgestellte Inflationsrate für die Eurozone – also der harmonisierte Verbraucherpreisindex – unter jener vom gleichen Monat des Vorjahres, bedeutet dies ebenfalls einen Punkt. Ein Gleichstand der Inflation oder ein Inflationsanstieg im Zwölfmonatsvergleich werden hingegen mit null Punkten gewertet.
    Zu beachten ist hierbei, dass die von Eurostat am Anfang des Monats veröffentlichten Werte nur als Schätzwert angegeben werden und erst 14 Tage später als amtlicher Wert gekennzeichnet sind. Daher geht der Teilindikator Inflation immer einem Monat später ein. (Die "vorzeitige" Nutzung des Schätzwertes führt nicht zum Erfolg.)
  3. Dollar-Eurokurs
    Das dritte Signal betrifft die Wechselkursentwicklung. Notiert der US-Dollar in Euro (früher: DM) über seinem Stand von vor zwölf Monaten, ergibt das wiederum einen Punkt, während ein gleich hoher oder niedrigerer Kurs mit null Punkten gewertet wird. Hierfür werden die von der Deutschen Bundesbank gemittelten Monatswerte genutzt.
    Hier ist ebenfalls zu beachten, dass die Werte der Deutschen Bundesbank den Euro in Dollar darstellen und für den Teilindikator der Reziprok-Wert genutzt werden muss. (Andernfalls müssen die zuvor genannten Bedingungen umgedreht werden.)
  4. Saison
    Das vierte Merkmal betrifft die Saisonalität[2]. Getreu dem Motto „Sell in May and go away, stay away till St. Leger Day“, heute auch Halloween-Indikator genannt, wird für die Zeit vom 1. November bis 30. April ein Punkt hinzuaddiert, in den anderen Monaten nicht.

Die Summe der Teilindikatoren entscheidet dann über Kaufen, Halten oder Verkaufen.

Gebert-Teilindikatoren historisch
Gebert-Teilindikatoren von 2016 bis 2018

Umsetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Anlagestrategie kann am einfachsten mit Hilfe eines DAX-ETF umgesetzt werden, in den jeweils bei einem Kaufsignal investiert und der bei einem Verkaufssignal verkauft wird. Um den Anlageerfolg zu vergrößern, ist es sinnvoll in den nichtinvestierten Phasen in festverzinsliche Produkte wie z. B. Tagesgeld zu investieren. Es ist auch möglich, die Signale für andere Aktien und Indices des geregelten deutschen Marktes zu nutzen.

Hintergründe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Notenbank verfolgt durch ihre Zinsentscheidung im Wesentlichen das Ziel die Inflationsrate in einer gewünschten Größenordnung zu halten. Läuft die Wirtschaft schlecht und ist die Inflation niedrig, so werden die Zinsen gesenkt, um damit die Wirtschaft anzukurbeln. Kredite werden dadurch billig und regen die Unternehmen zur Investition an. Läuft die Konjunktur dagegen gut, hat dies Preissteigerungen zur Folge. Die Notenbank bremst durch Zinserhöhungen, wodurch Kredite wieder teurer werden und die Nachfrage nachlässt. Der Kurzfristzinssatz (Tagesgeldsatz) gleicht in seinem Verlauf dem Bruttoinlandsprodukt.

Der Dollar ist für die exportorientierte deutsche Wirtschaft ein bedeutender Einflussfaktor. So wird nicht nur ein Großteil deutscher Produkte in den USA vermarktet, die Stärke des Dollar entscheidet auch über die Energiepreise wie Erdöl und Erdgas. Gleichfalls dient der Dollar auch in Bezug zu anderen Staaten als Welthandelswährung, wodurch ein starker Dollar immer zu einer billigeren Produktion im Inland führt.

Die saisonalen Schwankungen von Aktienmärkten (Halloween-Effekt) wurde schon durch zahlreiche Analysen untersucht. Einen bedeutenden Beitrag leisteten in jüngster Vergangenheit die Wissenschaftler Ben Jacobsen und Cherry Yi Zhang von der Massey University. In einer umfangreichen Studie aus dem Jahre 2012, untersuchten sie Daten aus 108 Ländern seit dem Jahr 1693. Es zeigte sich, dass der Effekt in 75 % der Fälle bestätigt werden konnte und sich sogar noch weiter verstärkt. Insbesondere in Deutschland ist die Saisonalität stark ausgeprägt. Die genauen Ursachen hierfür konnten bisher aber noch nicht hinreichend ermittelt werden. Vermutet wird eine Gewohnheit der Menschen an Zyklen wie z. B. Saat und Ernte. Ebenfalls kann die Urlaubszeit einen wichtigen Einfluss haben.

Bisherige Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anders als zahlreiche andere Publikationen und Indikator-Systeme, hat sich das "Gebert-System" bis heute bewährt. Von Anfang 1993 bis März 2019 hätten es Anleger mit der Gebert-Strategie auf einen Gesamtgewinn von mehr als 2.600 Prozent gebracht. Wer dagegen durch eine Buy-and-hold-Strategie immer im DAX investiert war (z. B. über ein Zertifikat oder ETF), hätte in der gleichen Zeit einen Gewinn von nur 650 Prozent eingefahren. Aus 1.000 Euro, wären also im ersten Fall über 27.000 Euro und im zweiten Fall nur rund 7.500 Euro geworden.

Der Gebert-Börsenindikator lässt mit diesem Ergebnis sogar Investmentlegende Warren Buffett alt aussehen. So wurde z. B. auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase ein Verkaufssignal erzeugt, wodurch dem Anleger der Crash und der anschließenden Bärenmarkt weitestgehend erspart blieb. Der Chart zeigt aber auch, dass es Phasen gibt, in denen eine deutliche Underperformance entsteht, da man gemäß Punktezahl nicht investiert ist, oder das Ende einer Abwärtsbewegung noch mitnimmt. Von der Erstveröffentlichung bis 2008, wurde z. B. der deutliche Anstieg vor der Finanzkrise nicht erfasst. Umgekehrt blies das Modell aber bereits im November 2008 wieder zum Einstieg, sodass man von einem höheren Niveau aus die Schlussphase der heftigen Korrektur noch mitmachte. Andererseits war man aber auch ab März 2009 investiert, um kräftig an der Wiederauferstehung des Aktienmarktes zu partizipieren. Dies gelang den wenigsten Indikatormodellen, da die meistens erst im Sommer 2009 wieder ein Einstiegssignal gaben. Hervorragend bewältigte man gemäß dem Indikatorensystem auch die Verschärfung der Griechenlandkrise im Juli 2011, denn hier war man von Mai 2011 bis November 2011 nicht investiert und damit vor hohen Kursverlusten sicher.

Aus der bisherigen Entwicklung von 1963 bis 2019 zeigt sich, dass erst eine Investitionsphase mit leicht negativem Ergebnis abgeschlossen wurde. Dies war vom 1. März 2018 bis 2. Juli 2018 mit −1,9 %. Ansonsten konnte mit dem Gebert-System eine durchschnittliche Rendite von ca. +15 % p. a. vor Steuern und Spesen erzielt werden.

Bemerkenswert ist auch, dass selbst die Anwendung der Teilindikatoren alleine, schon zu einer Renditesteigerung (Überperformance) gegenüber der Buy-and-Hold Strategie des DAX führten.

Gebert-Investitionsphasen im DAX 1988–2018
Die Investitionsphasen nach Gebert (grün) im DAX von 1988 bis 2018.

Vermögensentwicklung nach dem Gebert-System
Entwicklung des DAX und Vermögenszuwachs nach dem Gebert-System von 1992 bis 2019.

Nachteile und Grenzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trotz überzeugender Gesamtergebnisse ist der Indikator insbesondere für institutionelle Anleger eher ungeeignet. Ein wesentlicher Grund ist, dass das System nur für den deutschen Aktienmarkt funktioniert. Für den US-amerikanischen Markt, mit den äquivalenten Werten der US-Inflation und FED-Zinsentscheidungen, funktioniert das System nicht, ebenfalls nicht im asiatischen Raum. Nach Aussage von Thomas Gebert wird durch eine weitere Ausdehnung auf andere Märkte hier kein nennenswerter Nutzen erzeugt, da somit ein Depot zwar komplexer, nicht jedoch besser diversifiziert wird. Er hat daher andere Märkte auch nicht näher untersucht.[3]

Für den Anleger können sich vor allem psychologische Gefahren ergeben, die eine große Disziplin erfordern. So kann es unter Umständen vorkommen, dass mehrere Jahre keine Investition erfolgt, die ausgehalten werden muss. Dieses "Aushalten" führt insbesondere bei institutionellen Anlegern zu hausinterner Kritik und negativen Kundenmeinungen.[3]

Außerdem besteht die Gefahr, das System nicht automatisch arbeiten zu lassen, sondern es mit diskretionären Entscheidungen zu übersteuern. Dies führt aber oftmals zu negativen Ergebnissen. Aufgrund nicht vorhersehbarer Drawdowns, ist es darüber hinaus nicht möglich, das System im Zusammenhang mit einem Benchmarkkonzept mit engen Tracking-Error-Vorgaben, bzw. Stop-Loss-Marken anwenden zu wollen.[3]

Trotz der großen Treffsicherheit für steigende Kurse können die Signale nicht für Short-Investitionen genutzt werden, da hierbei zu viele Fehlsignale generiert und die Vorteile der Indikators wieder zunichtegemacht werden.[3]

Eine nicht beeinflussbare Gefahrenquelle ergibt sich des Weiteren durch die EZB. Da diese bisher immer eine stärkere Ausrichtung auf die Inflationsbekämpfung legte, kamen auch die Zinssenkungen oft erst spät zustande, wenn die Märkte schon einen Gutteil der Abwärtsbewegung hinter sich hatten. Damit war das daraus abgeleitete positive Teilsignal des Börsenindikators tendenziell auch später im Zeitablauf. Im Unterschied dazu agiert die FED wesentlich proaktiver und hat neben dem Inflationsziel auch Wachstum und Beschäftigung im Auge.[3]

Der Gebert-Indikator eignet sich daher nur für mittel- und langfristige Geldanlage im privaten Bereich oder für Social Trading.[3]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Thomas Gebert, Paul Hüsgen, Martin Gebert: Börsenindikatoren. Börsenbuch-Verlag, Kulmbach 1997, ISBN 978-3-922669-13-5.
  • Thomas Gebert: Der große Gebert. Börsenbuch-Verlag, Kulmbach 2015, ISBN 978-3-86470-254-9.
  • Institutional Money, Fachmagazin: Börsenindikator Deutschland: Verblüffend simples Erfolgskonzept. Ausgabe 2/2012.
  • Marko Gränitz: Thomas Gebert: So funktioniert mein Börsenindikator. Interview. In: TRADERS´. Nr. 5, 2015, S. 88–93.
  • Oliver Paesler: Geld anlegen mit dem Gebert-Börsenindikator. In: TRADERS´. Nr. 8, 2019, S. 60–65.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Paul Hüsgen, Thomas Gebert: Börsenindikatoren. Börsenbuch-Verlag, Kulmbach 1997, ISBN 3-922669-13-1.
  2. The Halloween Indicator
  3. a b c d e f Institutional Money, Fachmagazin: Börsenindikator Deutschland: Verblüffend simples Erfolgskonzept. Ausgabe 2/2012.