Generative Textproduktion

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Generative Textproduktion ist eine von Gerlind Belke entwickelte[1][2] methodische Grundlage für den Deutschunterricht in mehrsprachigen Lerngruppen.

Auf der Basis vorgegebener poetischer Texte generieren die Kinder eigene Texte. Die Textstruktur wird durch die Ersetzung (Substitution) einzelner Elemente so variiert, dass neue Texte entstehen. Die zu ersetzenden Elemente werden gemeinsam erarbeitet und anschließend von den Kindern als Bausteine für ihre eigene, individuelle Textproduktion genutzt. Auf diese Weise können Kinder mit unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen nicht nur grammatisch richtige, sondern meist auch fantasievolle und ästhetisch ansprechende Texte produzieren und dabei ihre eigene Erfahrungs- und Erlebniswelt einbringen:

Text 1: Susanne Stöcklin-Meier[3]

Ein Huhn, das fraß, man glaubt es kaum,
ein Blatt von einem Gummibaum.
Dann ging es in den Hühnerstall
und legte einen Gummiball.

Text 2: Ursula Wölfel[4]

Komm, wir kehren die Straße
mit dem großen Besen.
Dann finden wir sieben Sachen:

Einen alten Fahrschein,
einen krummen Nagel,
eine Vogelfeder,

einen grünen Pfennig,
ein Bonbonpapier,
eine Spiegelscherbe,
und vielleicht,
und vielleicht
einen goldenen Knopf für deine Jacke!

Text 1a: Schülervariante[5]

Ein Hund, der fraß, man glaubt es kaum,
einen Knochen von einem Knochenbaum
Dann ging er in die Hundehütte
und nagte an dem Hundeknochen.

Text 2b: Schülervariante (unveröffentlicht):

Komm, wir kehren das Fußballstadion
mit dem großen Besen.
Dann finden wir sieben Sachen:

Eine zersplitterte Flasche,
einen ausgeschlagenen Zahn,
ein großes Fußballbuch

ein zerfetztes Trikot,
eine ölige Chipstüte
ein rotes Fankissen
und vielleicht,
und vielleicht
schießt Totti einen neuen schönen Ball zu mir!

Die grammatischen Phänomene in den Texten werden nicht explizit thematisiert, sondern implizit erworben, indem die sprachlichen Mittel für den zu schreibenden Text bereitgestellt und genutzt werden und indem sowohl die Basistexte als auch die von den Kindern entwickelten Texte häufig wiederholt werden[6]: Sie werden vorgelesen, im Chor gesprochen, gesungen, auswendig gelernt und vorgetragen, ggf. auch aufgeschrieben und in Textsammlungen veröffentlicht. Mit Text 1 wird die Beziehung zwischen dem bestimmten und unbestimmten Artikel und die Ersetzung des Nomens durch das zugehörige Pronomen, mit Text 2 die Deklination der Nominalgruppe (Artikel, Adjektiv, Nomen) im Akkusativ geübt.

Die Methode der generativen Textproduktion verbindet die für alle Kinder notwendigen Übungen zum Erwerb der Schriftsprache mit zwei weiteren Bereichen des Deutschunterrichts, dem produktiven Umgang mit Literatur und dem kreativen Schreiben. Mit der generativen Textproduktion wird die übliche Trennung zwischen Sprach- und Literaturunterricht, zwischen Deutsch als Muttersprache und Deutsch als Zweit- und Fremdsprache überwunden. Die Methode wurde Anfang der 1980er Jahre entwickelt, als mehrsprachige Kinder unabhängig von ihren Kenntnissen in der Landessprache Deutsch in Regelklassen beschult wurden und der Sprachunterricht so gestaltet werden musste, dass er für Minderheits- und Mehrheitskinder gleichermaßen ansprechend und sinnvoll war. Zudem galt es zu klären, wie man die von den Kindern mitgebrachten sprachlichen Kompetenzen in ihren verschiedenen Herkunftssprachen in den gemeinsamen Sprachunterricht einbeziehen konnte (vgl. dazu 1.3 in diesem Artikel).

Theoretische Grundlagen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Generative Grammatik und generative Texttheorie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Generative Transformationsgrammatik basiert auf der Beobachtung, dass Menschen auf der Basis einer begrenzten Zahl von Regeln und Satzbauplänen durch Substitutionen (Ersetzung einzelner Elemente bei gleichbleibender Satzstruktur) und Transformationen (Umformulierung bei gleichbleibender Bedeutung) unendlich viele Äußerungen „generieren“ können. Der Literaturwissenschaftler Jürgen Link greift Chomskys Ansatz in seiner „generativen Texttheorie“ auf: Sie „entstand aus folgender Überlegung: wenn es Chomsky gelang, die Produktionsregeln für Sätze natürlicher Sprachen … zu formulieren (und dadurch entsprechende Sätze simulierbar zu machen), dann ist es vielleicht nicht ausgeschlossen, auch für literarische Texte ein solches Produktionsregelsystem zu entwickeln“.[7] Die Fähigkeit, auf der Grundlage einer vorgegebenen auch den Hörern vertrauten poetischen Struktur aus dem „Stegreif“ einen eigenen Text zu erfinden, ist in allen Kulturen sehr verbreitet. In der Stegreifdichtung werden ohne Vorbereitung aus dem Augenblick heraus prägnante Kommentare zu aktuellen Ereignissen gedichtet, indem vorgegebene poetische Muster immer wieder abgewandelt werden. Diese weitgehend im Mündlichen entstandene und überlieferte Dichtung hat eine lange Tradition. Schon in der Skaldendichtung der Wikinger und im Minnesang haben sich rhythmisch-metrisch höchst komplexe Strophenformen entwickelt, die sprachübergreifend für verschiedene Inhalte genutzt wurden. In der heute weitgehend durch die Schriftkultur geprägten Literatur hat die Stegreifdichtung nur noch in folkloristischen Randbereichen überlebt, so in der im Alpenraum verbreiteten Kunst des Gstanzl-Singens. Kinder und Jugendliche haben bis heute die Fähigkeit bewahrt, Kinderlieder, Gedichte, Werbesprüche und andere mehr oder weniger poetische Vorgaben umzudichten.[8]

Literatur als Medium der Sprachvermittlung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus didaktischer Sicht hat Harald Weinrich schon in den 1980er Jahren auf die ästhetische Funktion der Sprache beim Erwerb und bei der Vermittlung einer Sprache hingewiesen[9]:

„Ich glaube, es läßt sich nicht übersehen, daß der Sprachunterricht in eben dem Maße, wie er überhaupt gesteuert vorangeht, entweder der metasprachlichen oder der ästhetischen Funktion der Sprache begegnet. Er begegnet der metasprachlichen Funktion, wenn er ganz theoretisch konzipiert ist, was nur bei ganz wenigen Adressaten möglich und empfehlenswert ist. Wenn der Sprachunterricht sich hingegen an solche Adressaten wendet, die an einen analytischen Umgang mit Sprache nicht gewöhnt sind (…) dann läuft der Sprachunterricht mit Notwendigkeit der ästhetischen Funktion von Sprache entgegen und erhält auf diese Weise selber eine ästhetische Dimension.“

Poetische Texte besitzen eine Reihe von Eigenschaften, die sie als Medium der Sprachvermittlung geeigneter erscheinen lassen als eine an realen Situationen, Inhalten und Kommunikationsbedürfnissen orientierte funktionale Alltagssprache[10][11]:

  • Sie lenken die Aufmerksamkeit der Lernenden auf die Sprache und schärfen dadurch das Wahrnehmungsvermögen für die verwendeten sprachlichen Mittel.
  • Reim und Rhythmus verhindern, dass wichtige sprachliche Elemente (Endungen und Funktionswörter) weggelassen werden.
  • Durch die mnemotechnischen Mittel (Reim, Rhythmus, Parallelismen, Bildlichkeit) prägen sich die in poetischen Texten enthaltenen sprachlichen Strukturen in nachhaltigerer Weise ein, als das bei den primär an alltäglichen Inhalten orientierten Texten und beim Umgang mit Fachsprachen der Fall ist.
  • Kennzeichnend für die Poesie ist die Gruppierung von inhaltlich zusammengehörigen Wörtern (paradigmatische Beziehungen) in Sätzen und Texten (syntagmatische Beziehungen). Deshalb können mit poetischen Texten sowohl Satzbaupläne, d. h. häufig miteinander auftretende Wörter (Syntagmen), als auch grammatische Muster (Paradigmen), z. B. die Nominalflexion und die Verbkonjugation implizit erworben werden.
  • In der Kinderliteratur gibt es eine auffallende Fülle von „Was-wäre-wenn-Texten“. Offenbar ist das Fiktionale, Hypothetische viel interessanter als die platte Realität![12][13] Mit solchen Texten können der Konjunktiv sowie Konjunktiv-Indikativ-Transformationen gezielt in den Blick genommen werden.
  • Literatur fördert den Erwerb „symbolischer Kompetenz“ („symbolic competence“).[14][15] Die Vermittlung differenzierter und komplexer Bedeutungen in der neuen Sprache ist mit literarischen Texten sehr viel effizienter möglich als beim Wortschatzerwerb durch Vokabelgleichungen.

Verschiedene Sprachen – gemeinsames Spiel

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Sprachspiele sind mehr oder weniger standardisierte Texte, die von Kindern in spielerischer und nicht primär instrumentell-kommunikativer Absicht geäußert werden“.[16] Der spielerisch-poetische Umgang mit den Elementen der Sprache und den Beziehungen zwischen diesen Elementen, z. B. in Zaubersprüchen, Abzählversen, Zungenbrechern, Mitmachtexten auf dem Schulhof, Witzen und Scherzfragen ist Teil einer universalen „Naturpoesie“, die Jacob Grimm zufolge „von selbst entstanden und überall bekannt ist“[17] Klang, Rhythmus und Reim entfalten ihre Faszination über Sprachgrenzen hinweg und schlagen Brücken zwischen den verschiedenen Sprachen in unseren Kindergärten und Schulklassen.

Beim Sprachspiel ist das ganze Kind beteiligt: Der Rhythmus und die damit verbundenen Bewegungen sind zunächst wichtiger als die Wortbedeutung. Bestimmte Elemente des Sprachsystems rücken dabei in die Spielwelt der Kinder. Der Vokalwechsel etwa in Bi, Ba, Butzemann oder Ri-, ra-, rutsch entspricht der am häufigsten genutzten Ablautreihe bei den Stammformen starker Verben (singen, sang, gesungen – trinken…) und die Kinder bekommen nebenbei den Vokalwechsel i/a/u „ins Ohr“. „Betrachtet man spielerische Formen des Umgangs mit Sprache unter der Fragestellung welche Phänomene die Kinder durch sie ins Feld ihrer Aufmerksamkeit rücken, gelangt man zu den Grundrissen einer nahezu vollständigen Sprachbeschreibung, d. h. einer Grammatik der jeweiligen Sprache.“[18]

Bei einem Vergleich der dem kindlichen Sprachspiel zugrunde liegenden Strukturen zeigt sich, dass ihnen ein festes Repertoire an Regeln, Funktionen und formalen Mustern zugrunde liegt, das über Zeit- und Sprachgrenzen hinweg konstant bleibt.[1][12][13][19][20]

Diese gemeinsamen Spracherfahrungen, die Kinder verschiedener Herkunftssprachen und Generationen machen, wenn sie mit ihren Sprachen spielen, ermöglichen das generative Schreiben über Sprachgrenzen hinweg. Dabei vergleichen die Kinder sprachliche Strukturen in ihren Herkunftssprachen mit den entsprechenden Strukturen in der jeweiligen Landessprache. Textbeispiele in verschiedenen Sprachen (Polnisch, Italienisch, Türkisch, Spanisch) finden sich in der Textsammlung „Mit Sprache(n) spielen“[12] sowie Hinweise zum Einsatz dieser Texte im Rahmen einer Didaktik der Mehrsprachigkeit in dem zur Textsammlung gehörenden Lehrerband „Poesie und Grammatik“[13], insbesondere in den Kapiteln IV „Textmuster zum Nachmachen, Mitmachen und Selbermachen“ und V „Kreatives Schreiben über Sprachgrenzen hinweg“.

Entwicklung, Rezeption und Umsetzung der Methode

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die generative Textproduktion im Kontext einer Didaktik der Mehrsprachigkeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Anfang der 1980er Jahre Kinder mit unterschiedlichen Muttersprachen in Regelklassen integriert wurden, ergab sich die Notwendigkeit, die traditionell getrennten Didaktiken für den muttersprachlichen und fremdsprachlichen Unterricht zusammenzuführen. Inzwischen hat sich zwar eine neue Disziplin Deutsch als Zweitsprache (DaZ) entwickelt, die Unterschiede zwischen DaF und DaZ sind aufgearbeitet worden; das hat aber gleichzeitig dazu geführt, dass DaZ ausgegliedert wird[21][22] und sich der immer noch an Deutsch als Muttersprache orientierte Regelunterricht nicht grundsätzlich ändert. Nach wie vor gibt es eine strikte Trennung von DaM- und DaF/DaZ-Didaktik in der Forschung, Lehrerausbildung und vor allem in den Lehrmaterialien. Seit den 1970er Jahren ist es darüber hinaus zu einer weitgehenden Trennung zwischen Sprach- und Literaturdidaktik gekommen (s. z. B. Bredel et al. 2003[23]). Die traditionelle Rolle der Literatur beim Erwerb und bei der Vermittlung konzeptioneller schriftsprachlicher Fähigkeiten ist in der Sprachdidaktik zunehmend in Vergessenheit geraten. Vor diesem Hintergrund ist das didaktische Konzept „Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht. Sprachspiele, Spracherwerb und Sprachvermittlung“[1] entwickelt worden. Die Einbeziehung spielerisch-poetischer Texte bei der generativen Textproduktion ermöglicht einen für Kinder mit DaM und DaZ gleichermaßen attraktiven und sinnvollen Unterricht. In den geltenden Lehrplänen, die sich nach wie vor vorrangig an Kindern orientieren, die die Landessprache als Muttersprache mitbringen, verbirgt sich der Literaturunterricht hinter dem „Umgang mit Texten und Medien“. Die Einbeziehung des Deutschen als Zweitsprache wird in Zusatzkapiteln zwar nachdrücklich empfohlen, allerdings nicht in eine Didaktik der Mehrsprachigkeit integriert.[24] Das hat dazu geführt, dass die generativen Textproduktion nicht im Kontext einer integrativen Didaktik der Mehrsprachigkeit rezipiert worden ist, sondern verkürzt als unmittelbare praktische Hilfe, als methodische Ergänzung, die im Rahmen des bereits praktizierten Deutschunterrichts umgesetzt werden kann. Lehrerhandreichungen betrachten sie als zusätzliche Erweiterung des Deutschlernens in mehrsprachigen Klassen[25][26] und orientieren sich an den im Lehrplan vorgegebenen Teilbereichen:

  • mündliches Sprachhandeln
  • schriftliches Sprachhandeln, einschließlich Rechtschreibung
  • Umgang mit Texten und Medien
  • Sprache reflektieren

Dadurch bleiben die mit der Methode des generativen Schreibens verbundenen Synergieeffekte ungenutzt: Mündliches und schriftliches Sprachhandeln, einschließlich Rechtschreibung sollte als produktiver Umgang mit Texten und als gezielte implizite Sprachvermittlung verstanden werden, denn die Beherrschung der Landessprache ist die Voraussetzung für die geforderte Sprachreflexion.

Umsetzung der Methode in der Praxis: DEMEK

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter der Bezeichnung „generatives Schreiben“ ist die Methode durch die unter der Leitung von Thomas Jaitner entwickelte Fortbildungsinitiative der Kölner Bezirksregierung DEMEK (Deutschlernen in mehrsprachigen Klassen) nicht nur in NRW bekannt geworden. Vgl. dazu auch die zahlreichen Demek-Auftritte im Internet, z. B. mit Handreichungen der Auftritt des Grundschulverband Marienschule-Nordschule in Bonn;[27] zur Rezeption siehe auch WDR5.[28][29][30] Die Fortbildungen gehen direkt von den in mehrsprachigen Klassen auftretenden Unterrichtsproblemen aus, die weder auf der Basis der in der Ausbildung vermittelten Didaktik des muttersprachlichen Unterrichts noch mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Lehrmaterialien zu lösen sind. Die Unterrichtsvorschläge basieren meist auf der Textsammlung von Belke[12] und enthalten viele von Schülern produzierte Varianten. Als methodische Weiterentwicklung der gezielten Sprachvermittlung hat sich die farbliche Kennzeichnung der Nominalgruppen durchgesetzt (Maskulinum blau, Femininum rot, Neutrum grün, Plural braun). Sie wird vereinzelt auch in muttersprachlichen Lehrwerken übernommen.[31] Wie Lotte Weinrich kritisch anmerkt neigen die Demek-Materialien jedoch dazu „den Wert von literarischen Texten, an deren Mustern sich Kinder und Jugendliche orientieren sollen“, vor allem daran zu bemessen „welches grammatische Potential die Texte bieten“ und dabei die Inhalte und die ästhetische Qualität der Texte zu vernachlässigen.[32]

Generatives Schreiben in den Sekundarstufen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das generative Schreiben auf der Basis elementarer Literatur ist bis zum Ende der Orientierungsstufe problemlos möglich; denn die Schüler können die den Texten zugrunde liegenden elementaren Strukturen für ihre eigenen Ausdrucksbedürfnisse nutzen. Für ältere Schüler bedarf es einer gezielten Auswahl poetischer Kurztexte mit sprachdidaktischen Kommentaren. Leider liegt eine solche Auswahl noch nicht vor (einige Beispiele finden sich bei Belke[33]). In welcher Weise Prosatexte, z. B. Kinder- und Jugendliteratur als Schullektüren, dazu beitragen können, die Sprachvermittlung zu optimieren und das sprachliche und kulturelle Lernen effizienter und attraktiver zu gestalten, ist noch weitgehend ungeklärt. Im Hinblick auf das generativen Schreiben könnte man auf den bereits in den 1990er Jahren entwickelten produktionsorientierten Literaturunterricht zurückgreifen[34][35] und die dort empfohlenen Methoden zum Erschließen literarischer Texte (z. B. Spiele mit dem Material, Textkonstituenten verändern, komplexe Umformungen) mit der gezielten Sprachförderung verbinden. Beim generativen Schreiben auf der Basis vorhandener Texte, z. B. Inhaltsangaben, Zusammenfassungen, Kombinationen mit anderen Texten sind Nominalisierungen, erweiterte Genitivattribute, Partizipial- und Infinitivkonstruktionen als Form der Sprachökonomie sehr nützlich. Diese Strukturen können durch Transformationen geübt werden:

Er hat den Sachverhalt unzutreffend dargestellt >> Seine Darstellung des Sachverhalts ist unzutreffend.

Wir haben einen Vorschlag eingebracht. Er wurde abgelehnt >> Der von uns eingebrachte Vorschlag wurde abgelehnt.

In den naturwissenschaftlichen Fächern empfiehlt es sich, Textmuster, z. B. für Versuchsanordnungen, Beschreibungen von Vorgehensweisen, Ergebnissen, anzubieten, die dann im Sinne des generativen Schreibens im Hinblick auf den jeweils aktuellen Gegenstand variiert werden können.[36] Die gezielte Sprachförderung im Fachunterricht ist zweifellos sehr wichtig. Das gilt auch für den Literaturunterricht. Literatur ist kein überflüssiger Luxus, die erst dann ins Spiel kommt, wenn die Sprache schon weitgehend beherrscht wird, sondern ein wichtiges Medium der Sprachvermittlung, die den Kindern und Jugendlichen Freiräume für Fantasie, Spiele, Kreativität, Poesie und Musik zu eröffnet.[10]

Für die wenigsten Methoden der Sprachvermittlung und -förderung liegen angemessen umfangreiche Evaluationsstudien vor.[37] Für das generative Schreiben als Methode der Sprachförderung im Deutschunterricht in der Grundschule legte Frieg eine erste Evaluationsstudie vor.[37] Darin verglich sie geschriebene Texte von Schülern aus sprachlich sehr vielfältig zusammengesetzten Klassen. Die Klassen wurden entweder mit dem generativen Schreiben oder anderen Formen der systematischen Sprachvermittlung unterrichtet oder die sprachliche Vielfalt im Klassenraum wurde im Unterricht kaum berücksichtigt. Das generative Schreiben erwies sich als genauso wirksam wie andere Formen der systematischen Sprachförderung, die ebenso wie das Generative Schreiben bessere Ergebnisse in den Leistungen erzielten als Vorgehensweisen, bei denen die sprachliche Vielfalt in den Klassen kaum berücksichtigt wurde.

Materialsammlungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Gerlind Belke, Martin Geck (1996, 5. Aufl. 2015): Das Rumpelfax. Singen, spielen, üben im Grammatikunterricht. Handreichungen für den Deutschunterricht in mehrsprachigen Lerngruppen (mit CD). Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
  • Gerlind Belke (2007, 5. Aufl. 2014): Mit Sprache(n) spielen. Kinderreime, Gedichte und Geschichten für Kinder zum Mitmachen und Selbermachen. Schülerband – Textsammlung. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
  • Gerlind Belke (2007, 3. Korrigierte Aufl. 2012): Poesie und Grammatik. Kreativer Umgang mit Texten im Deutschunterricht mehrsprachiger Lerngruppen. Lehrerband – Textkommentar. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
  • Linda Kauffeldt u. a. (2014): Dschungeltanz und Monsterboogie. Singen und Spielen mit Sprache (Illustriertes Liederbuch mit CD). Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
  • Hendrike Frieg u. a. (2014): Dschungeltanz und Monsterboogie. Lieder zur systematischen Sprachvermittlung im Vor- und Grundschulalter (Begleitkommentar). Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c Gerlind Belke (1. Aufl. 1999, 4. Aufl. 2008): Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht. Sprachspiele, Spracherwerb und Sprachvermittlung. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
  2. Gerlind Belke (2012): Mehr Sprache(n) für alle. Sprachunterricht in einer vielsprachigen Gesellschaft. 5. grundlegend überarbeitete und inhaltlich erweiterte Auflage des 1999 erstmals erschienenen Buches „Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht“. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
  3. Gerlind Belke: Mit Sprache(n) spielen. Kinderreime, Gedichte und Geschichten für Kinder zum Mitmachen und Selbermachen. Schülerband – Textsammlung. Schneider-Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2007 (5. Auflage 2014), S. 82.
  4. Gerlind Belke (2007, 5. Aufl. 2014): Mit Sprache(n) spielen. Kinderreime, Gedichte und Geschichten für Kinder zum Mitmachen und Selbermachen. Schülerband - Textsammlung. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren. S. 80.
  5. Gerlind Belke (2013): ‚Elementare Literatur‘ als Medium sprachlicher Bildung im Kontext einer Didaktik der Mehrsprachigkeit. In: kultuRRevolution. Nr. 65, November 2013 (= Heft 2, 2013). S. 65.
  6. Hendrike Frieg u. a. (2014): Dschungeltanz und Monsterboogie. Lieder zur systematischen Sprachvermittlung im Vor- und Grundschulalter (Begleitkommentar). Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
  7. Jürgen Link (1983): Elementare Literatur und generative Diskursanalyse. München: Wilhelm Fink Verlag. S. 164.
  8. Gerlind Belke (2007, 3. Korrigierte Aufl. 2012): Poesie und Grammatik. Kreativer Umgang mit Texten im Deutschunterricht mehrsprachiger Lerngruppen. Lehrerband – Textkommentar. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren. Kapitel 30.
  9. Harald Weinrich (1988): Von der Langeweile des Sprachunterrichts. In: Harald Weinrich (1988): Wege der Sprachkultur. München: dtv 4486, S. 236.
  10. a b Gerlind Belke (2011): Literarische Sprachspiele als Mittel des Spracherwerbs. In: Fremdsprache Deutsch, Heft 44/2011. Themenheft „Fremdsprache Literatur“. Hueber. S. 15–21.
  11. Gerlind Belke (2013): ‚Elementare Literatur‘ als Medium sprachlicher Bildung im Kontext einer Didaktik der Mehrsprachigkeit. In: kultuRRevolution. Nr. 65, November 2013 (= Heft 2, 2013)
  12. a b c d Gerlind Belke: Mit Sprache(n) spielen. Kinderreime, Gedichte und Geschichten für Kinder zum Mitmachen und Selbermachen. Schülerband - Textsammlung. (5. Aufl. 2014) Schneider-Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2007.
  13. a b c Gerlind Belke (2007, 3. Korrigierte Aufl. 2012): Poesie und Grammatik. Kreativer Umgang mit Texten im Deutschunterricht mehrsprachiger Lerngruppen. Lehrerband – Textkommentar, Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren. Kap. 29.
  14. Claire Kramsch (2006): From communicative competence to symbolic competence. In: The Modern Language Journal 90. S. 249–252.
  15. Claire Kramsch (2011): Symbolische Kompetenz durch literarische Texte. In: Fremdsprache Deutsch, Heft 44/2011. Themenheft „Fremdsprache Literatur“. Hueber. S. 35–40.
  16. Gerlind Belke (1. Aufl. 1999, 4. Aufl. 2008): Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht. Sprachspiele, Spracherwerb und Sprachvermittlung. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren, S. 45
  17. Hermann Bausinger (1968): Formen der „Volkspoesie“. Berlin: Ernst Schmidt Verlag. S. 19.
  18. Eduard Haueis (1985): Sprachspiele und die didaktische Modellierung von Wissensstrukturen. In: Stötzel, G. (Hg.): Germanistik – Forschungsstand und Perspektiven. Vorträge des deutschen Germanistentages. Berlin, New York: de Gruyter. S. 661.
  19. Gerlind Belke (2007): Verschiedene Sprachen – gemeinsames Spiel: Eine Didaktik des Eigenen und des Fremden im multikulturellen Deutschunterricht. In: Andresen, Helga / Januschek, Franz, Hg. (2007): SpracheSpielen. Freiburg im Breisgau: Fillibach Verlag. S. 90–118.
  20. Gerlind Belke (2012): Mehr Sprache(n) für alle. Sprachunterricht in einer vielsprachigen Gesellschaft. 5. grundlegend überarbeitete und inhaltlich erweiterte Auflage des 1999 erstmals erschienenen Buches „Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht“. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren. Kapitel 9.
  21. Kniffka, Gabriele / Siebert-Ott, Gesa (2007): Deutsch als Zweitsprache. Lehren und Lernen. UTB. Paderborn: Schöningh
  22. Ahrenholz, Bernt, Oomen-Welke, Inelore, Hg. (2010): Deutsch als Zweitsprache. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren
  23. Bredel, Ursula, Günther, Harthmut, Klotz, Peter, Ossner Jakob, Siebert-Ott, Gesa (2003), Hg.: Didaktik der deutschen Sprache - ein Handbuch. Paderborn: Schöningh = UTB Große Reihe 8235.
  24. Das gilt auch für die jüngste Expertise „Bildung durch Sprache und Schrift (BISS)“ von Wolfgang Schneider, Jürgen Baumert u. a., einer Bund-Länder-Initiative zur Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung (Link zur Webseite (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive)) Bei den „Maßnahmen zur Lese- und Sprachförderung“ geht es um „Leseecken im Klassenzimmer über Lesepaten, Materialsammlungen, Buchvorstellungen, Autorenlesungen und Lesewettbewerbe“ (vgl. BISS, S. 14), zweifellos wichtige Initiativen, die aber die ästhetische Funktion der Sprache bei der Sprach- und Schriftvermittlung übersehen, obwohl gerade der Umgang mit poetischen Texten die erwartbaren Defizite beim Sprach- und Schrifterwerb besser und gezielter auszugleichen vermag als die nach wie vor propagierte einseitige Konzentration auf die alltagssprachliche Kommunikation.
  25. Hoffmann, Reinhild / Weis, Ingrid (2011): Deutsch als Zweitsprache – alle Kinder lernen Deutsch. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor.
  26. Weis, Ingrid (2014): Sprachentdecker und Textzauberer. Kreativ zu Grammatik und Text im Deutschunterricht der Grundschule. Stuttgart: Ernst Klett Sprachen.
  27. Grundschulverbund Marienschule-Nordschule (PDF, 452 kB)
  28. WDR5 (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive)
  29. Monika Lüth (2006): Deutschunterricht in mehrsprachigen Lerngruppen. In: Kölner Beiträge zur Sprachdidaktik, Heft 4. S. 57–64.
  30. Monika Lüth (2008): Deutschunterricht in mehrsprachigen Klassen. In: Bainski, C./ Krüger-Potratz, M. (Hg.): Handbuch Sprachförderung. Verlag Erziehung und Wissenschaft NRW: Essen. S. 80–85.
  31. Jeuk, Stefan / Sinemus, Antje / Strozyk, Krystyna, Hg. (2011): Sprache und Lesen der die das. Cornelsen.
  32. Weinrich, Lotte (2014): Teilen macht Spaß …und Demek-Unterricht kann auch spannende Inhalte vermitteln. In: zmi-Magazin (Zeitschrift des Zentrums für Mehrsprachigkeit und Integration Köln). S. 19–22.
  33. Gerlind Belke (2012): Mehr Sprache(n) für alle. Sprachunterricht in einer vielsprachigen Gesellschaft. 5. grundlegend überarbeitete und inhaltlich erweiterte Auflage des 1999 erstmals erschienenen Buches „Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht“. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren. S. 142–149.
  34. Werner Ingendahl (1991): Umgangsformen. Produktive Methoden zum Erschließen poetischer Literatur. Frankfurt/Main: Verlag Moritz Diesterweg.
  35. Waldmann, Günter (1988): Produktiver Umgang mit Lyrik. Eine systematische Einführung in die Lyrik, ihre produktive Erfahrung und ihr Schreiben. Baltmannsweiler: Burgbücherei Schneider.
  36. Gerlind Belke (2005): Grammatikunterricht in einer vielsprachigen Gesellschaft. In: Lernchancen. Alle Schüler fördern! 8. Jahrgang Nr. 48, Themenheft „Deutsch als Zweitsprache“. S. 16–23. Friedrich Verlag.
  37. a b Hendrike Frieg (2014). Sprachförderung im Regelunterricht der Grundschule: Eine Evaluation der Generativen Textproduktion. Unveröffentlichte Dissertation. Ruhr-Universität Bochum.