Giovanni Stucky


Giovanni Stucky (* 27. Mai 1843 in Venedig; † 21. Mai 1910 ebenda) war ein Schweizer Unternehmer in Venedig.[1]
Stucky war der Sohn des aus Münsingen im Kanton Bern stammenden Mühlenbesitzers Hans Stucky und seiner Frau Domenica Forte[2]. Hans Stucky lebte ab 1837 in Italien und ab 1841 in Venedig, dann in Mogliano (Veneto).
Ab 1859 bildete sich Giovanni Stucky in Wien und in der Schweiz weiter, ab 1865 betrieb er in Mogliano eine eigene Mühle, die er nach ungarischen Vorbildern modernisierte. Der Jungunternehmer heiratete 1867 die drei Jahre jüngere Österreicherin Antonietta von Kupferschein (1846–1945).[3] Zwischen 1867 und 1880 expandierte Giovanni Stuckys Unternehmen. Er pachtete sechs Mühlen im Bereich von Treviso, importierte russisches Getreide und exportierte Mehl und Teigwaren.
Ab 1880 war Giovanni Stucky erneut in Venedig ansässig und ließ sich dort ab 1884 vom Architekten Ernst Wullekopf eine industrielle Großmühle im Westen der Giudecca errichten, der eine der ältesten Kirchen der Stadt zum Opfer fiel, Santi Biagio e Cataldo. „Bezüge zur lokalen Tradition waren nicht gefragt, wohl aber das Bestehen in der Konkurrenz der zeitgenössischen Industriearchitektur“ (Norbert Huse).[4] Die zuständige Commissione all’ornato protestierte. Der historisierende Gebäudekomplex im Stil der Backsteingotik, darin eher Hamburg ähnelnd, wurde erbaut, mehrfach erweitert und nach anfänglicher Ablehnung als industrielles Wahrzeichen sogar akzeptiert. Das als Molino Stucky bekannte Gebäude wird nach jahrzehntelangem Leerstand als Hotel genutzt.
1908 erwarb Giovanni Stucky den Grassi-Palast,[5] der von seinem Sohn Giancarlo Stucky im Zuge des Niederganges des Unternehmens wieder aufgegeben werden musste. Giovanni Stucky galt um 1900 als reichster Mann Venedigs. Der imposante blonde Patriarch von ungewöhnlicher Körpergröße trat als Wohltäter und Förderer der Biennale d’Arte hervor, führte den Ehrentitel Cavaliere und erhielt kurz vor seinem Tod eine Goldmedaille für besondere Verdienste.[6]
Am 21. Mai 1910 wurde Giovanni Stucky in der Halle des Bahnhofs von Venedig von dem 35-jährigen Anarchisten Giovanni Bruniera mit einem Rasiermesser ermordet. Bruniera, der zeitweilig in Stuckys Unternehmen gearbeitet hatte, hatte bereits wegen Drohungen gegen die Familie Stucky 18 Monate im Gefängnis verbracht.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Francesco Amendolagine (Hrsg.): Molino Stucky. Ricerche storiche e ipotesi di restauro, Il cardo, Venedig 1995, ISBN 88-8079-050-1.
- Tatiana Bonazza: Gli Stucky di Venezia. Profilo di una famiglia imprenditoriale tra Otto e Novecento, Universität Padua, tesi di laurea (Politikwissenschaften), 2001.
- Lavinia Cavalletti: La dinastia Stucky, 1841–1941. Storia del molino di Venezia e della famiglia. Da Manin a Mussolini, Studio LT2, Venedig 2011, ISBN 978-88-88028-68-2.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Helmut Stalder: Giovanni Stucky. Der Müller von Venedig, in: Beobachter, Nr. 24, 2010, archive.org, 21. Juli 2018.
- Robert Schediwy: Aufstieg und Niedergang der Stuckys – ein mitteleuropäischer Beispielsfall, in: Wirtschaft und Gesellschaft 38 (2012) 454–459.
- Fee Riebeling: So wurde ein Schweizer zum reichsten Venezianer, in: Swissinfo, 23. August 2018.
- Aufstieg und Niedergang der Stucky-Dynastie. Der letzte Kaufmann von Venedig, in: Schweizer Radio und Fernsehen, 25. August 2019.
Belege
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ So wurde ein Schweizer zum reichsten Venezianer: "Giancarlos Giovannis erster Sohn letzte Hoffnung für die während des Krieges erlittenen Schäden – drei seiner Anwesen, nicht aber die Fabrik, waren zerstört worden – war es, vom italienischen Staat entschädigt zu werden. Doch dazu kam es nicht, denn die Zahlungen waren Italienern vorbehalten. Er selbst war aber wie sein Vater und Grossvater immer Schweizer geblieben."
- ↑ Lavinia Cavaletti: La dinastia Stucky 1841–1941, La Toletta, Venedig 2011, S. 13.
- ↑ Lavinia Cavaletti: La dinastia Stucky 1841–1941, La Toletta, Venedig 2011, S. 9.
- ↑ Norbert Huse: Venedig. Von der Kunst, eine Stadt im Wasser zu bauen, 1. Aufl. München 2005, Beck, München 2013, S. 171.
- ↑ Zum Umbau des Palazzo Grassi vgl. Lavinia Cavaletti: La dinastia Stucky 1841–1941, Venedig 2011, S. 124 ff.
- ↑ Lavinia Cavaletti: La dinastia Stucky 1841–1941, La Toletta, Venedig 2011, S. 22.
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Stucky, Giovanni |
| KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Unternehmer |
| GEBURTSDATUM | 27. Mai 1843 |
| GEBURTSORT | Venedig |
| STERBEDATUM | 21. Mai 1910 |
| STERBEORT | Venedig |