Hagen Kleinert

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Hagen Kleinert, Foto aus dem Jahre 2006

Hagen Michael Kleinert (* 15. Juni 1941 in Festenberg, Schlesien) ist ein deutscher Physiker und Professor für theoretische Physik an der Freien Universität Berlin. Im Jahr 2008 erhält er den Max-Born-Preis.

Kleinert studierte zwischen 1960 und 1963 Physik an der Technischen Hochschule Hannover, danach an mehreren Universitäten in den USA. 1967 promovierte er an der University of Colorado at Boulder. Seit 1969 ist er Professor an der Freien Universität Berlin.

Seine Forschungssemester verbrachte er an zahlreichen amerikanischen Universitäten, so an den Universitäten von Kalifornien in Berkeley, Santa Barbara, San Diego, Santa Cruz, Irvine, an der Universität von Südkalifornien in Los Angeles, und wiederholt am California Institute of Technology, wo er von Richard P. Feynman dessen Theorie der Pfadintegrale lernte, die er im Laufe der Zeit erheblich weiterentwickelte, und in seinem wohl bekanntesten Lehrbuch veröffentlichte (Path Integrals in Quantum Mechanics, Statistics, Polymer Physics, and Financial Markets, s.u.), das inwischen in 4. Auflage erschien und enthusiastisch rezensiert wurde[1].

In Zusammenarbeit mit Feynman entwickelte er ein einfaches Näherungsverfahren für die Berechnung von Pfadintegralen [2]. Dies wurde in den letzten 15 Jahren zu einer mathematischen Methode erweitert, mit deren Hilfe divergente Potenzreihen in konvergente umgewandelt werden können. Diese Methode ist Grundlage der z. Zt. genauesten Theorie der kritischen Exponenten [3], die man in der Nähe von Phasenübergängen zweiter Ordnung beobachten kann. Insbesondere sagte diese Theorie für supraflüssiges Helium die in einem Satellitenexperiment gemessenen Ergebnisse genau voraus[4].

Zusammen mit H. Duru löste er 1979 erstmalig das Pfadintegral des Wasserstoffatoms [5] [6]. Mit Hilfe der Quark-Feldtheorie fand er den Ursprung der von N. Cabibbo, L. Horwitz, und Yuval Ne’eman vermuteten Algebra der Regge-Kopplungen [7].

Zusammen mit K. Maki klärte er die Struktur der ikosahedralen Phase von Quasikristallen auf [8]. Für Supraleiter sagte er 1982 einen zwischen Typ-I und Typ-II gelegenen trikritischen Punkt im Phasendiagramm voraus [9], der durch Monte-Carlo-Simulationen bestätigt wurde. Dies geschah auf der Basis einer neuen Unordnungsfeldtheorie, die er in den beiden Büchern über Gauge Fields in Condensed Matter (s.u.) entwickelte. In ihr werden fluktuierende Wirbel- oder Defektlinien als elementare Anregungen mit Hilfe von Feldern beschrieben. Dies ist eine duale Version der Landauschen Ordnungsfeldtheorien für Phasenübergänge.

Auf einer Sommerschule in Erice schlug er im Jahre 1978 die Existenz von Supersymmetrie in Atomkernen vor [10], die inzwischen experimentell gefunden wurde.

Seine Theorie der kollektiven Quantenfelder [11] und der Hadronisierung von Quarktheorien [12] dienten als Vorlagen für zahlreiche Entwicklungen in der Theorie der kondensierten Materie, der Kern- und der Elementarteilchenphysik.

Aus der Koordinateninvarianz von Pfadintegralen leitete er eine Erweiterung der Theorie der Distributionen ab, in der nicht nur (wie in der mathematischen Theorie der Distributionen, lineare Kombinationen sondern auch Produkte von Distributionen eindeutig definiert sind [13]. Die Koordinateninvarianz ist eine notwendige Eigenschaft der Pfadintegrale, damit diese äquivalent zur Schrödingertheorie sind.

Kleinert ist unter anderem Ehrenmitglied der Russischen Akademie der Kreativität und Autor von über 360 Publikationen in Fachzeitschriften der Mathematischen Physik und der Physik der Elementarteilchen, Atomkerne, Festkörper, Flüssigkristalle, Biomembranen, Mikroemulsionen, Polymere sowie der Theorie der Finanzmärkte.


Referenzen

  1. B. I. Henry: Book Reviews. In: Australian Physics. 44. Jahrgang, Nr. 3, 2007, S. 110 (fu-berlin.de).
  2. Feynman, R. P., Kleinert, H.: Effective classical partition functions. In: Physical Review. A 34. Jahrgang, 1986, S. 5080 - 5084, doi:10.1103/PhysRevA.34.5080.
  3. Kleinert, H.. "Critical exponents from seven-loop strong-coupling φ4 theory in three dimensions". Physical Review D 60, 085001 (1999). doi:10.1103/PhysRevD.60.085001
  4. J. A. Lipa: Specific heat of liquid helium in zero gravity very near the lambda point. In: Physical Review. B 68. Jahrgang, 2003, S. 174518, doi:10.1103/PhysRevB.68.1745.
  5. Duru, I. H.; Kleinert, H.: Solution of the path integral for the H-atom. In: Physics Letters B. 84. Jahrgang, Nr. 2, 1979, S. 185–188., doi:10.1016/0370-2693(79)90280-6 (fu-berlin.de [PDF]).
  6. Duru, I. H.; Kleinert, H.: Quantum Mechanics of H-Atom from Path Integrals. In: Fortschr. Phys. 30. Jahrgang, Nr. 2, 1982, S. 401–435. (fu-berlin.de [PDF]).
  7. Kleinert, H.: Bilocal Form Factors and Regge Couplings. In: Nucl. Physics. B65. Jahrgang, 1973, S. 77–111. (fu-berlin.de [PDF]).
  8. Kleinert, H. and Maki, K.: Lattice Textures in Cholesteric Liquid Crystals. In: Fortschritte der Physik. 29. Jahrgang, 1981, S. 219–259. (fu-berlin.de [PDF]).
  9. Kleinert, H.: Disorder Version of the Abelian Higgs Model and the Order of the Superconductive Phase Transition. In: Lett. Nuovo Cimento. 35. Jahrgang, 1982, S. 405–412 (fu-berlin.de [PDF]).
  10. Ferrara, S., 1978 Erice Lecture publ. in: The New Aspects of Subnuclear Physics. In: Plenum Press, N.Y., Zichichi, A. ed. 1980, S. 40 (fu-berlin.de [PDF]).
  11. Kleinert, H.: Collective Quantum Fields. In: Fortschritte der Physik. 36. Jahrgang, 1978, S. 565–671 (fu-berlin.de [PDF]).
  12. Kleinert, H., Lectures presented at the Erice Summer Institute 1976: On the Hadronization of Quark Theories. In: Understanding the Fundamental Constituents of Matter, Plenum Press, New York, 1978, A. Zichichi ed. 1978, S. 289–390 (fu-berlin.de [PDF]).
  13. H. Kleinert and A. Chervyakov: Rules for integrals over products of distributions from coordinate independence of path integrals. In: Europ. Phys. J. C 19. Jahrgang, 2001, S. 743--747, doi:10.1007/s100520100600 (fu-berlin.de [PDF]).

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