Hexagonales Kristallsystem

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Hcp)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das hexagonale Kristallsystem gehört zu den sieben Kristallsystemen der Kristallographie. Es umfasst alle Punktgruppen mit einer sechszähligen Dreh- oder Drehinversionsachse. Das hexagonale Kristallsystem ist mit dem trigonalen Kristallsystem eng verwandt und bildet zusammen mit ihm die hexagonale Kristallfamilie.

Hexagonale Punktgruppen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das hexagonale Kristallsystem umfasst die Punktgruppen und . Dies sind alle die Punktgruppen der hexagonalen Kristallfamilie, in denen es keine Raumgruppe mit rhomboedrischer Zentrierung gibt. Die Raumgruppen des hexagonalen Kristallsystems können alle mit dem hexagonal primitiven Achsensystem beschrieben werden.

Die hexagonalen Punktgruppen haben keine kubische Obergruppe. Somit ist die hexagonale Holoedrie zusammen mit der kubischen die höchstsymmetrische kristallographische Punktgruppe.

Hexagonales Achsensystem

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bild 1: die hexagonale Elementarzelle
Bild 2: Falschdarstellung einer hexagonalen Zelle
Bild 3: korrekte hexagonale Zelle

In der hexagonalen Kristallfamilie gibt es das hexagonale und das trigonale Kristallsystem sowie das hexagonale und das rhomboedrische Gitter-System. Die Einteilung in Kristallsysteme beruht auf der Symmetrie der Kristalle, die Einteilung in Gittersysteme bezieht sich auf die Metrik des Gitters. Während in den fünf anderen Kristallfamilien bzw. Kristallsystemen diese unterschiedlichen Sichtweisen zur selben Einteilung führen, ist dies in der hexagonalen Kristallfamilie nicht so. Darüber hinaus erfolgt hier die Einteilung in Gittersysteme nicht auf Basis der Punktgruppen, sondern der Raumgruppen. Da die Verhältnisse relativ kompliziert sind, werden sie an dieser Stelle ausführlicher beschrieben.

Hexagonales Achsensystem in der Kristallographie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie in allen wirteligen Kristallsystemen wird die Drehachse mit der höchsten Zähligkeit in die Richtung der c-Gitterachse gelegt. Die Ebene senkrecht dazu wird durch zwei gleich lange Achsen a1 und a2 beschrieben, die im Winkel von 120° zueinander stehen. Daraus ergibt sich folgende Metrik: und Die durch diese Basisvektoren gebildete Elementarzelle ist in Bild 1 dargestellt. Sie hat ein Volumen von

Hexagonales Achsensystem in anderen Fachrichtungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Mineralogie und besonders in der Metallkunde ist es üblich, noch eine zusätzliche Achse a3 in der (a1, a2) Ebene zu verwenden (vgl. Bild 3). Diese hat dieselbe Länge wie a1 und steht im Winkel zu 120° sowohl zu a1 als auch zu a2. Die Millerschen Indizes werden um den Index i zu so genannten Miller-Bravais-Indizes erweitert und haben dann vier Komponenten: (h, k, i, l). Dabei ist der Index i redundant, da gilt: i =  -(h+k). Ähnlich werden in der Metallkunde auch Richtungen durch viergliedrige Symbole [uvtw], die Weber-Indizes, dargestellt.

Oft wird in der Literatur die hexagonale Zelle als sechseckiges Prisma dargestellt (siehe Bild 2). Da dieses Prisma kein Parallelepiped ist, handelt es sich aber nicht um eine Elementarzelle. Dieses Prisma besteht aus drei hexagonalen Elementarzellen (vergleiche Bild 3).

Die a1-a2-Ebene

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bild 3: Die a1-a2-Ebene des hexagonalen Achsensystems

Bild 3 stellt die a1-a2-Ebene des hexagonalen Achsensystems dar. Im Einzelnen:

  • Punkte: Gitterpunkte des hexagonalen Achsensystems in der a1-a2-Ebene zum Teil mit Koordinaten x,y,0.
  • Graue Punkte: Punkte mit einem Index ± 2.
  • Fette Linien: die Grundfläche der hexagonalen Elementarzelle.
  • Schwarze Linien: die Grundfläche des sechseckigen Prismas, das oft zur Veranschaulichung des hexagonalen Gittersystems verwendet wird.
  • Rote Pfeile: die Gittervektoren des hexagonalen Gitters, dünn: die in der Mineralogie übliche 3. a-Achse.
  • Blaue Pfeile: Blickrichtung des 3. Raumgruppensymbols nach Hermann-Mauguin entsprechend den International Tables for Crystallography 3. Auflage.
  • Grün: Grundfläche der orthohexagonalen Zelle (Siehe unten).
  • Grüne Pfeile: Gittervektoren der orthohexagonalen Zelle. (Der 3. Gittervektor ist der hexagonale c-Vektor)

Rhomboedrische Zentrierung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Betrachtung möglicher Zentrierungen kommt es in diesem Achsensystem zu einer Besonderheit. Fügt man zusätzliche Gitterpunkte so ein, dass die volle Symmetrie des hexagonalen Gitters erhalten bleibt, so ergeben sich nur Punktgitter, die auch durch ein primitives hexagonales Gitter (mit anderen Gitterkonstanten) beschrieben werden können.

Fügt man aber zusätzliche Gitterpunkte an den Stellen und beziehungsweise und ein, so ergibt sich ein neues Gitter, das aber nicht mehr die volle Symmetrie des hexagonalen Punktgitters, sondern die niedrigere Symmetrie hat.

Dieses Gittersystem kann auch mit einer primitiven Elementarzelle beschrieben werden. Für die Metrik dieser Zelle gilt: und . Diese Elementarzelle hat die Form eines Rhomboeders, eines entlang seiner Raumdiagonalen verzerrten Würfels. Diese Elementarzelle ist zwar primitiv, aber nicht konventionell, da die dreizählige Achse nicht in Richtung eines Gittervektors, sondern in Richtung der Raumdiagonalen liegt. Dieses Gittersystem wird rhomboedrisch genannt, hat die Holoedrie und wird unabhängig von der Aufstellung (hexagonale oder rhomboedrische Achsen) als R-Gitter bezeichnet.

Die Lage der rhomboedrischen zu den hexagonalen Achsen hängt davon ab, welche der beiden Möglichkeiten zur Zentrierung der hexagonalen Zelle verwendet wurde. Im ersten Fall heißt die Aufstellung der Achsen obvers, im zweiten Fall revers. In der ersten Ausgabe der International Tables von 1935 wurde die reverse Aufstellung verwendet, in den darauffolgenden die obverse. Der Unterschied zwischen beiden Aufstellungen besteht in einer Drehung der hexagonalen zu den rhomboedrischen Achsen um 60°, 180° oder 300°.

Da dieses Gittersystem nicht die volle Symmetrie des hexagonalen hat, kommt es nicht in allen Punktgruppen der hexagonalen Kristallfamilie vor.

Verwendung im trigonalen und hexagonalen Kristallsystem

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das hexagonale Achsensystem wird zur Beschreibung aller Punktgruppen der hexagonalen Kristallfamilie eingesetzt. Punktgruppen deren Raumgruppen ausschließlich mit dem primitiv hexagonalen Gitter beschrieben werden können, bilden das hexagonale Kristallsystem. Alle Punktgruppen, in denen auch das rhomboedrisch zentrierte Gitter vorkommt, bilden das trigonale Kristallsystem. Auch in diesem System werden alle nicht zentrischen Raumgruppen mit dem hexagonalen Achsensystem beschrieben. Eine Beschreibung dieser Raumgruppen mit dem rhomboedrischen Gittersystem ist nicht möglich, auch wenn sie zur Holoedrie des rhomboedrischen Gittersystems gezählt werden. Nur bei den zentrischen Raumgruppen (Symbol R) hat man die Auswahl zwischen dem hexagonalen und dem rhomboedrischen Achsensystem.

Rhomboedrische oder hexagonale Achsen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gegensatz zur rhomboedrischen Zelle ist die hexagonale Zelle eine konventionelle Zelle, daher wird in der Regel das hexagonale Achsensystem verwendet. Bei den Strukturdaten der Minerale spielt das rhomboedrische System nur eine untergeordnete Rolle.

Das Rhomboeder ist ein in Richtung der Raumdiagonalen verzerrter Würfel. Daher ist der Einsatz dieser Aufstellung in den Fällen angebracht, in denen eine kubische und eine rhomboedrische Struktur miteinander verglichen werden, da man hierbei das Achsensystem nicht ändern muss.

Orthohexagonales System

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da das hexagonale Achsensystem kein orthogonales System ist, ist seine Metrik komplizierter. Einer der Ansätze damit umzugehen ist die Beschreibung durch ein orthorhombisches Gittersystem, das sogenannte orthohexagonale System. Es handelt sich dabei um eine orthorhombisch C-zentrierte Zelle. Die Grundfläche dieses Systems ist ein Rechteck mit dem Seitenlängenverhältnis b:a von . Sie ist in Bild 3 grün eingezeichnet. Die dritte Achse entspricht der hexagonalen c-Achse.

Der Vorteil dieser Aufstellung ist die einfachere Metrik, der Nachteil ist der Verlust einer expliziten drei- bzw. sechszähligen Achse.

Weitere zentrierte Zellen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Beschreibung von Ober- beziehungsweise Untergruppen wird in den International Tables eine dreifach vergrößerte hexagonale Zelle, die sogenannte H-Zelle verwendet.

Es ist auch möglich das hexagonale Gitter mit sechs zentrierten rhomboedrischen Zellen zu beschreiben. Diese Zellen werden D-Zellen genannt. Zur Beschreibung von Strukturen werden sie nicht verwendet.

Historische Anmerkungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Einteilung der Kristalle in Kristallsysteme beruhte ursprünglich auf der Morphologie. Im trigonalen bzw. hexagonalen System wurden alle die Kristalle zusammengefasst, deren Kristallform auf das Vorhandensein einer drei- bzw. sechszähligen Drehachse schließen lässt. Da aber die sechszählige Drehinversionsachse eine dreizählige Kristallform bewirkt, wurden die Punktgruppen (trigonal-dipyramidal) und (ditrigonal-dipyramidal) anfangs zum trigonalen Kristallsystem gezählt, wie man an den Bezeichnungen für die Kristallformen heute noch sieht.

Punktgruppen im hexagonalen Kristallsystem und ihre physikalischen Eigenschaften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Beschreibung der hexagonalen Kristallklassen in Hermann-Mauguin-Symbolik werden die Symmetrieoperationen bezüglich vorgegebener Richtungen im Gitter-System angegeben.

Im hexagonalen Achsensystem: 1. Symbol in Richtung der c-Achse (<001>). 2. Symbol in Richtung einer a-Achse (<100>). 3.Symbol in einer Richtung senkrecht zu einer a und der c-Achse (<120>). Für die 3. Richtung wird auch oftmals die im Allgemeinen nicht äquivalente Richtung <210> angegeben. Auch wenn dies speziell für die Angabe der Lage der Symmetrieelemente keine Rolle spielt, so entspricht diese Angabe nicht den Konventionen.

Charakteristisch für alle Raumgruppen des hexagonalen Kristallsystems ist die 6 (oder 6) an 1. Stelle des Raumgruppensymbols.

Punktgruppe (Kristallklasse) Physikalische Eigenschaften[Anm. 1] Beispiele
Nr. Kristall­system Name Schoenflies-Symbol Internationales Symbol
(Hermann-Mauguin)
Laue­klasse Zugehörige
Raum­gruppen (Nr.)
Enantio­morphie Optische Aktivität Pyro­elektrizität Piezo­elektrizität; SHG-Effekt
Voll Kurz
21 hexagonal hexagonal-pyramidal C6 6 6 6/m 168–173 + + + [001] + Nephelin
Zinkenit
22 trigonal-dipyramidal C3h 6 6 174 + Penfieldit
Laurelit
23 hexagonal-dipyramidal C6h 6/m 6/m 175–176 Apatit
Zemannit
24 hexagonal-trapezoedrisch D6 622 622 6/mmm 177–182 + + + Hochquarz
Pseudorutil
25 dihexagonal-pyramidal C6v 6mm 6mm 183–186 + [001] + Wurtzit
Zinkit
26 ditrigonal-dipyramidal D3h 6m2 bzw. 62m 6m2 187–190 + Bastnäsit
Benitoit
27 dihexagonal-dipyramidal D6h 6/m2/m2/m 6/mmm 191–194 Graphit
Magnesium
  1. Bei den Angaben zu den physikalischen Eigenschaften bedeutet „“ aufgrund der Symmetrie verboten und „+“ erlaubt. Über die Größenordnung der optischen Aktivität, Pyro- und Piezoelektrizität sowie des SHG-Effekts kann rein aufgrund der Symmetrie keine Aussage getroffen werden. Man kann aber davon ausgehen, dass stets eine zumindest schwache Ausprägung der Eigenschaft vorhanden ist. Für die Pyroelektrizität ist, sofern vorhanden, auch die Richtung des pyroelektrischen Vektors angegeben.

Weitere hexagonal kristallisierende chemische Stoffe siehe Kategorie:Hexagonales Kristallsystem

Hexagonale Kristallformen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hexagonal dichteste Kugelpackung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Hexagonal-dichteste Packung

Die hexagonal dichteste Kugelpackung (hdp, engl. hcp) ist eine der zwei Möglichkeiten dichtester Kugelpackungen. Sie kann wie folgt beschrieben werden: Ihre Grundzelle ist ein sechsseitiges Prisma, dessen 12 Ecken mit je einer gleich großen Kugel besetzt sind. Der Kugeldurchmesser ist gleich der Kantenlänge der sechseckigen Grundfläche (die 6 je Kugeln berühren sich). In der Mitte der je 6 Kugeln befindet sich je eine 7. Kugel gleichen Durchmessers. Die Höhe des Prismas ist so, dass 3 weitere Kugeln gleichen Durchmessers zwischen die 7 oberen und 7 unteren Kugeln passen. Diese 3 Kugeln berühren sich untereinander und stoßen in je eine Lücke innerhalb der 7 oberen und der 7 unteren Kugeln an diese an. Ein Mittelpunkt einer der drei mittleren Kugeln bildet mit den Mittelpunkten der drei Kugeln darüber und darunter jeweils ein Tetraeder. Deshalb ist die Höhe der Zelle gleich der doppelten Tetraederhöhe. Das Seitenverhältnis dieser hexagonalen Zelle (siehe Bild 2) ist also: .

Die Stapelabfolge ihrer drei hexagonalen Kugelschichten wird ABA geschrieben.

Eine Elementarzelle mit hexagonal dichtester Packung (hdp) besteht aus zwei rautenförmigen Grundflächen. Die Atome befinden sich innerhalb der Elementarzelle auf den kristallographischen Lagen 1/3, 2/3, 1/4 und 2/3, 1/3, 3/4 (ein Symmetriezentrum der Struktur liegt dann konventionsgemäß in 0, 0, 0).[1]

Viele Metalle kristallisieren in einer hexagonal dichtesten Kugelpackung: Be, Mg, Sc, Ti, Co, Zn, Y, Zr, Tc, Ru, Cd, Lu, Hf, Re, Os, Tl und einige Lanthanoide. Als prominentester Vertreter gilt Magnesium, weshalb dieser Strukturtyp auch Magnesiumtyp genannt wird.

  • Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. 7. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-540-23812-3.
  • Hans Murawski, Wilhelm Meyer: Geologisches Wörterbuch. 12. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-1810-4.
  • Rüdiger Borchert, Siegfried Turowski: Symmetrielehre der Kristallographie; Modelle der 32 Kristallklassen. Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München/Wien 1999, ISBN 3-486-24648-8, S. 52–64.
  • Werner Massa: Kristallstrukturbestimmung. 3. Auflage. B. G. Teubner GmbH, Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden 2002, ISBN 3-519-23527-7.
  • Ulrich Müller: Anorganische Strukturchemie. 4. Auflage. B. G. Teubner / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2004, ISBN 3-519-33512-3, S. 182.
  • Hahn, Theo (Hrsg.): International Tables for Crystallography Vol. A. D. Reidel publishing Company, Dordrecht 1983, ISBN 90-277-1445-2.
  • Will Kleber, et al.: Einführung in die Kristallographie 19. Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2010, ISBN 978-3-486-59075-3.
  • Walter Borchard-Ott: Kristallographie 7. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-78270-4.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Lothar Spieß, Robert Schwarzer, Gerd Teichert, Herfried Behnken: Moderne Röntgenbeugung: Röntgendiffraktometrie für Materialwissenschaftler, Physiker und Chemiker. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8351-0166-1, S. 57.