Horst Fuhrmann

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Horst Fuhrmann

Horst Fuhrmann (* 22. Juni 1926 in Kreuzburg in Oberschlesien; † 9. September 2011 in Herrsching am Ammersee)[1]) war ein deutscher Historiker.

Horst Fuhrmann studierte nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft an der Universität Kiel die Fächer Geschichte, Klassische Philologie und Rechtsgeschichte und wurde 1952 mit der preisgekrönten Arbeit über mittelalterliche Patriarchate promoviert. Von 1954 bis 1957 war er Mitarbeiter bei den Monumenta Germaniae Historica in München und am Deutschen Historischen Institut in Rom. 1960 habilitierte er sich in Kiel in den Fächern Mittlere und Neuere Geschichte mit einer Schrift über die Bedeutung und Wirksamkeit der Pseudoisidorischen Dekretalen.

1962 wurde er auf den Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Tübingen berufen, den er neun Jahre lang innehatte. Von 1971 bis 1994 war er dann Präsident der Monumenta Germaniae Historica und Ordinarius für Geschichte an der Universität Regensburg,[2] 1974 wurde er ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und war von 1992 bis 1997 deren Präsident. Von 1984 bis 1997 war er Vorsitzender des Kuratoriums des Historischen Kollegs.

Fuhrmann wurde mehrfach mit Ehrenpromotionen bedacht und erhielt unter anderem 1988 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland mit Stern[2] und den Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste. Er war korrespondierendes Mitglied der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres und auswärtiges Mitglied der Accademia Nazionale dei Lincei. Er leitete die Kommission für das Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi und gehörte unter anderem der Kommission für die Herausgabe des Mittellateinischen Wörterbuchs der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an.

Fuhrmanns wissenschaftlicher Schwerpunkt waren das Kirchenrecht und die Kirchengeschichte. In seiner Habilitationsschrift beschäftigte er sich mit der Entstehung und Wirkung der Pseudoisidorischen Fälschungen des 9. Jahrhunderts. Dies führte ihn zum Phänomen der Fälschungen durch die mittelalterliche Geschichte, ausgehend vom Constitutum Constantini bis hin zu den frühmittelalterlichen Rechtssammlungen, die in das Decretum Gratiani eingingen. Er regte zahlreiche Dissertationen aus diesem Themenbereich an, und auf seine Initiative hin veranstalteten die MGH einen Kongress zu diesem Thema (Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, München, 16.–19. September 1986.) In späteren Jahren erweiterte er sein Tätigkeitsfeld auf die Sozial- und Ideengeschichte des 9.–12. Jahrhunderts.[3]

Während seiner gesamten Amtszeit als Präsident der MGH gab er deren Zeitschrift Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters zusammen mit Hans Martin Schaller heraus. Fuhrmann trat häufig im Fernsehen auf, wo er mittelalterliche Geschichte einem breiten Publikum nahe brachte.

Schriften (Auswahl)

  • Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung. 39 (1953), S. 112–176; 40 (1954), S. 1–84; 41 (1955), S. 95–183.
  • Einfluß und Verbreitung der Pseudoisidorischen Fälschungen. Von ihrem Auftreten bis in die neuere Zeit. 3 Bände. Hiersemann, Stuttgart 1972–1974, ISBN 3-7772-7204-3. (Schriften der MGH, Bände 24.1–24.3)
  • Deutsche Geschichte im hohen Mittelalter. Von der Mitte des 11. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts. 3. durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, ISBN 3-525-33589-X. (Deutsche Geschichte, Band 2) (Digitalisat)
  • Von Petrus zu Johannes Paul II. Das Papsttum: Gestalt und Gestalten. Beck, München 1980, ISBN 3-406-06023-4. (Neuausgabe: Die Päpste. Von Petrus zu Benedikt XVI. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52863-5)
  • Papst Urban II. und der Stand der Regularkanoniker. Bayerische Akademie der Wissenschaften, München 1984, ISBN 3-7696-1529-8. (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philologisch-historische Klasse, 1984.2)
  • Einladung ins Mittelalter. Beck, München 1987, ISBN 3-406-32052-X.
  • Pour le mérite. Über die Sichtbarmachung von Verdiensten: eine historische Besinnung. Thorbecke, Sigmaringen 1992, ISBN 3-7995-4159-4.
  • Überall ist Mittelalter. Von der Gegenwart einer vergangenen Zeit. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40518-5.
  • Sind eben alles Menschen gewesen. Gelehrtenleben im 19. und 20. Jahrhundert, dargestellt am Beispiel der Monumenta Germaniae Historica und ihrer Mitarbeiter. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40280-1.
  • Ignaz von Döllinger. Ein exkommunizierter Theologe als Akademiepräsident und Historiker. Hinzel, Stuttgart/Leipzig 1999, ISBN 3-7776-0996-X. (Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse, Band 137, Heft 1).
  • Menschen und Meriten. Eine persönliche Portraitgalerie. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47221-4.

Literatur

Anmerkungen

  1. Mitteilung der MGH verwechselte bis zum 12. März 2012 irrtümlich Fuhrmanns Wohnort mit dem Sterbeort; Rudolf Schieffer in seinem Nachruf auf Horst Fuhrmann in der FAZ vom 13. September 2011 nannte richtig Herrsching am Ammersee als Sterbeort.
  2. a b Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche who's who. XLVI. Ausgabe 2007/08 (Begründet von Walter Habel - vormals Degeners wer ist´s), Lübeck 2007, S. 371.
  3. Die Darstellung von Fuhrmanns Tätigkeit beruht maßgeblich auf Claudia Märtl: „Irrtümer aufhellen, Andersdenken trainieren“ – Zum Tod des Mediävisten Horst Fuhrmann. In: Akademie Aktuell der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Aufgabe 4-2011, S. 52–53.