Illyrische Sprache (Neuzeit)

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Illyrische Sprache ist eine veraltete, hauptsächlich im 18. und 19. Jahrhundert verwendete Bezeichnung für die (bzw. eine Gruppe von) südslawische(n) Sprache(n), wobei die genaue Definition uneinheitlich[1] ist. Selten wurde auch die Bezeichnung südslawische Sprache verwendet.

Der Begriff wurde unterschiedlich weit definiert:

  1. für die südslawische Sprache als ganzes, wobei kroatisch, bulgarisch etc. als Dialekte dieser Sprache angesehen werden[2]
  2. für die südslawische Sprache einschließlich des Bulgarischen, jedoch ohne die kajkawischen Varianten (Slowenisch und Kroatisch in Zentralkroatien)[3]
  3. für die serbokroatische und slowenische Sprache (ohne die bulgarische Sprache)[4]
  4. als Synonym für die serbokroatische Sprache[5]
  5. für die serbokroatische Sprache mit Ausnahme der kroatischen Kajkavski-Dialekte[6]

Verwendung im südslawischen Sprachraum

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In einem der ersten Wörterbücher dieser Sprache(n), fünfsprachig, geschrieben von Fausto Veranzio und gedruckt 1595 in Venedig, wird die östlich des adriatischen Meeres gesprochene slawische Sprache als dalmatica bezeichnet: «Dictionarium quinque nobilissimarum Europeae linguarum; Latinae, Italicae, Germanicae, Dalmaticae et Hungaricae».

Im Jahr 1604 erschien mit Institutiones linguae illyricae von Bartol Kašić die erste Grammatik des „Illyrischen“, d. h. der in Bosnien und Teilen Dalmatiens gesprochenen Form des Štokavischen, die der Autor auch als „Bosnisch“ bezeichnet. Obwohl er selbst Sprecher einer čakavischen Mundart war, verwendete er für seine muttersprachlichen Publikationen eine Form des Štokavischen, um eine bessere Verständlichkeit in einem möglichst großen Gebiet zu gewährleisten.[7]

Kašićs Mitarbeiter Jakov Mikalja veröffentlichte 1651 mit dem Thesaurus linguae Illyricae sive Dictionarium Illyricum ein weiteres südslawisches bzw. serbokroatisches Wörterbuch, er nennt die Sprache auch „slawisch“. (Das Titelblatt ist zweisprachig und enthält als (süd-)slawischen Titel: Blago jezika slovinskoga.)[8]

Die Bezeichnung ilirski (illyrisch) für die eigene Sprache wurde besonders im Zuge der Illyrischen Bewegung der 1830er Jahre populär, verschwand aber nach 1860 wieder. In dieser Zeit wurde für die 1. Definition gelegentlich der Begriff jugoslavenski jezik (also südslawische bzw. jugoslawische Sprache) verwendet. Einen Nachweis dieses Begriffs finden wir bei Hermann Wendel:

„Hob Stroßmayer, stets der Synthese zustrebend, schon auf dem Verstärkten Reichsrat die ‚historisch-politische Individualität der Südslawen‘ hervor, so entschied sich unter des Bischofs Einfluß, freilich ohne Wirkung, der Agramer Landtag von 1861, die neue Amtssprache nicht kroatisch und nicht nach Kukuljevićs Vorschlag serbokroatisch, sondern südslawisch zu nennen.“[9]

Vjekoslav Babukić veröffentlichte 1854 eine illyrische Grammatik (Ilirska slovnica).[10]

Verwendung in der deutschen Sprache

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August Ludwig von Schlözer unterscheidet in seinem 1771 erschienenen Werk Allgemeine Nordische Geschichte:[11]
a) „Bosnisch“, auch „Dalmatisch“, „Illyrisch“ oder „Serbisch“ genannt; hiermit – so Lauer – meint er offensichtlich die die neuštokavischen Dialekte der heutigen serbokroatischen Sprache
b) „Kroatisch“, womit er die kajkavischen Dialekte meint
c) „Windisch“, also Slowenisch, wobei er die Frage aufwirft, ob „Kroatisch“ und „Windisch“ nur als zwei Dialekte der gleichen Sprache zu betrachten seien.

Eine im Jahre 1777 gedruckte Reisebeschreibung über Slawonien enthält folgende Bemerkung zur dortigen Sprache: „Die Hauptsprache des Landes ist die illyrische, ebendieselbe, welche in Albanien, Dalmatien, Croatien, Bosnien, Servien und einem Theyle der Bulgarey, als die Muttersprache, jedoch nach vielerley Mundarten geredet wird. Zwischen allen diesen Mundarten ist ungefähr ein solcher Unterschied, als zwischen der sächsischen, fränkischen, rheinländischen, schwäbischen, bayerischen und österreichischen Mundart.“[12]

In der ersten Ausgabe von Meyers Konversations-Lexikon (1851) wird im Sinne der 2. Definition ausgeführt: „Die serbische Sprache bildet mit der kroatischen und wendischen eine der vier Hauptmundarten der slavischen Sprache, die illyrische, und wird den ostslavischen Dialekten zugezählt.“[13]

In der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich der erstmals 1824 von Jacob Grimm[14] verwendete und eindeutig definierte Begriff serbokroatische Sprache durch,[15] während der Begriff Illyrische Sprache kaum noch verwendet wurde.

Verwendung in anderen Sprachen

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Für die englische Sprache liegt der erste Nachweis aus dem Jahre 1607 vor, weitere Nachweise stammen aus den Jahren 1753, 1824, 1877 und 1888.[16]

Für die französische Sprache gibt ein Wörterbuch als Bedeutung an: Gruppe der Sprachen, die aus den südslawischen Mundarten besteht.[17]

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Snježana Kordić: Moderne Nationalbezeichnungen und Texte aus vergangenen Jahrhunderten. In: Zeitschrift für Balkanologie. Band 46, Nr. 1, 2010, ISSN 0044-2356, S. 40–41 (online [abgerufen am 6. Februar 2011]).
  2. So Taube, siehe #Verwendung in der deutschen Sprache
  3. So Josef Dobrovský, vgl. Wolfgang Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien und Slawonien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, 1981, S. 209f
  4. So Meyers Konversations-Lexikon von 1851, siehe #Verwendung in der deutschen Sprache
  5. So die übliche Verwendung bei den Vertretern der Illyrischen Bewegung, siehe #Verwendung im südslawischen Sprachraum
  6. So Schlözer 1771, siehe #Verwendung in der deutschen Sprache
  7. R. Olesch, Vorwort, in: Bartol Kašić (latinisiert: Bartholomaeus Cassius), Institutiones linguae illyricae, Reprint 1977, ISBN 3-412-03777-X, S. XIII
  8. Artikel Mikalja, Jakov, in: Enciklopedija Jugoslavije, 1. Ausg., Band 6, 1965
  9. Hermann Wendel, Der Kampf der Südslawen um Freiheit und Einheit, 1925, S. 379. Ein weiterer Nachweis des Begriffs in Juridisch-politische Terminologie für die slavischen Sprachen Oesterreichs. Von der Commission für slavische juridisch-politische Terminologie. Deutsch-kroatische, serbische und slovenische Separat-Ausgabe, 1853.
  10. Vgl. Bernhard Gröschel: Das Serbokroatische zwischen Linguistik und Politik. Mit einer Bibliographie zum postjugoslavischen Sprachenstreit (= Lincom Studies in Slavic Linguistics. Band 34). Lincom Europa, München 2009, ISBN 978-3-929075-79-3, S. 14.
  11. Reinhard Lauer, Schlözer und die Grundlegung slavistischer Methodologie, in: Zeitschrift für Slawistik, Jg. 30.1985, S. 634–644 (hier S. 640)
  12. Friedrich Wilhelm von Taube, Historische und geographische Beschreibung des Königreichs Slavonien und des Herzogthums Syrmien, 1777, zitiert in: Tobias Pflüger, Martin Jung, Krieg in Jugoslawien, 2. Aufl. 1994, ISBN 3-9803269-3-4, S. 90.
  13. Das grosse Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände, Abt. 2, Band 8, S. 1050, 1. und 2. Spalte, Stichwort Serbische Sprache. Im Original ist serbische Sprache mit s. S. abgekürzt. Wendisch ist als Synonym für Slowenisch gebraucht. Ein weiterer Nachweis der Verwendung des Begriffs Illyrische Sprache in derselben Bedeutung durch den Slawisten Pavel Šafárik im Jahr 1841 in: Norbert Franz, Einführung in die slavische Philologie, 1994, ISBN 3-534-12007-8, S. 16, sowie in: Wilhelm Zeil, Slawistik in Deutschland, 1994, ISBN 3-412-11993-8, S. 162.
  14. Hans-Dieter Pohl: Serbokroatisch – Rückblick und Ausblick. In: Ingeborg Ohnheiser (Hrsg.): Wechselbeziehungen zwischen slawischen Sprachen, Literaturen und Kulturen in Vergangenheit und Gegenwart. Akten der Tagung aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Instituts für Slawistik an der Universität Innsbruck (= Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Slavica aenipontana). Band 4. Non Lieu, Innsbruck 1996, ISBN 978-3-85124-180-8, S. 209–210.
  15. Snježana Kordić: Pro und kontra: ‘Serbokroatisch’ heute. In: Marion Krause, Christian Sappok (Hrsg.): Slavistische Linguistik 2002. Referate des XXVIII. Konstanzer Slavistischen Arbeitstreffens, Bochum 10.9.-12.9.2002 (= Slavistische Beiträge). Band 434. Sagner, München 2004, ISBN 3-87690-885-X, S. 100–101 (Online [PDF; 4,2 MB; abgerufen am 3. November 2010]).
  16. The Oxford English dictionary, Band 7, 2. Aufl. 1989, ISBN 0-19-861219-2, S. 664, 3. Spalte, Stichwort Illyrian, Abschnitte A2 und B4, und Stichwort Illyric
  17. Trésor de la langue française, Band 9, 1982, ISBN 2-222-03049-8, S. 1141, 2. Spalte, Stichwort Illyrien, Abschnitt LING.