Ixazomib

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Strukturformel
Strukturformel von Ixazomib
Allgemeines
Freiname Ixazomib[1]
Andere Namen
  • N2-(2,5-Dichlorbenzoyl)-N-[(1R)-1-(dihydroxyboryl)-3-methylbutyl]­glycinamid (IUPAC)
  • {(1R)-1-[(2,5-Di­chlor­benz­amido)acet­amido]-3-methyl­butyl}boron­säure
  • MLN 2238
Summenformel C14H19BCl2N2O4
Kurzbeschreibung

weißer bis gelblicher Feststoff[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer (Listennummer) 810-246-8
ECHA-InfoCard 100.238.319
PubChem 25183872
ChemSpider 25027391
DrugBank DB09570
Wikidata Q20948663
Arzneistoffangaben
ATC-Code

L01XG03

Eigenschaften
Molare Masse 361,03 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[2]

Schmelzpunkt

>142 °C[3]

Löslichkeit

schwer löslich in DMSO[3]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302​‐​315​‐​319​‐​335
P: 261​‐​305+351+338[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Ixazomib (Handelsname Ninlaro) ist ein Wirkstoff zur oralen Behandlung des Multiplen Myeloms – einer Form von Blutkrebs, der die Plasmazellen betrifft. Ixazomib wird von Takeda Pharma vertrieben.

Indikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im November 2016 erteilte die Europäische Kommission die bedingte Zulassung[Anm. 1] für Ixazomib in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit einem rezidivierten / refraktären multiplen Myelom und mindestens einer vorangegangenen Therapie.[4][5] Ixazomib wurde in Deutschland im Januar 2017 auf dem Markt eingeführt[6] und wird stets mit Lenalidomid (Revlimid) und Dexamethason kombiniert.

Klinische Prüfung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Basis der Zulassung[Anm. 1] von Ixazomib in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason (LenDex) waren die Ergebnisse der Phase-III-Studie TOURMALINE-MM1, die 722 Erwachsene mit einem rezidivierten / refraktären multiplen Myelom und mindestens einer Vortherapie einschloss. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 14,7 Monaten konnte mit Ixazomib + LenDex eine Gesamtansprechrate (Overall Response Rate; ORR) von 78 % erzielt werden, im Vergleich zu 72 % unter Placebo + LenDex. Das mediane progressionsfreie Überleben (primärer Endpunkt) war mit 20,6 Monaten unter Ixazomib + LenDex im Vergleich zu Placebo + LenDex mit 14,7 Monaten (p = 0,01) signifikant verbessert.[7]

Mit zunehmender Therapiedauer nahm in beiden Behandlungsarmen der Anteil an Patienten mit einem Ansprechen auf die Therapie zu und auch der Anteil an Patienten mit einem sehr guten oder kompletten Ansprechen erhöhte sich mit der Zeit.[8] Ixazomib scheint außerdem die schlechte Prognose von Patienten mit einer Hochrisikozytogenetik überwinden zu können.[9][10][11][12]  So betrug in der TOURMALINE-MM1-Studie das progressionsfreie Überleben unter Ixazomib + LenDex 21,4 Monate bei Patienten mit hohem zytogenetischen Risiko[Anm. 2] vs. 20,6 bei Patienten mit Standardrisiko.[9] Unter Ixazomib + LenDex blieb in der TOURMALINE-MM1-Studie die Lebensqualität der Patienten erhalten: Die mittleren Werte zum Gesamtgesundheitszustand (EORTC-QLQ-C30; „Mean global health status score“) und zum Nebenwirkungswert (MY-20, „Mean side effects of treatment score“) waren in den Patientengruppen mit und ohne zusätzliche Ixazomib-Gabe mit jenen von LenDex vergleichbar.[8] Die häufigsten unerwünschten nichthämatologischen Ereignisse in der TOURMALINE-MM1-Studie waren Diarrhö, Hautausschlag, Übelkeit und Fatigue. An hämatologischen unerwünschten Ereignissen traten u. a. Neutropenie, Thrombozytopenie und Anämie auf. 17 % der Patienten unter Ixazomib + LenDex und 14 % unter Placebo + LenDex brachen die Therapie aufgrund von unerwünschten Ereignissen ab.[7]

Die Wirksamkeit von Ixazomib + LenDex wird über die randomisierte kontrollierte TOURMALINE-MM1-Studie hinaus von mehreren Real-World-Studien bestätigt, die das Arzneimittel unter realen Bedingungen des klinischen Alltags untersucht haben.[13][14][15][16]

Anwendung und Dosierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ixazomib steht in Form von Kapseln zum Einnehmen zur Verfügung. Da auch die Kombinationspartner von Ixazomib – Dexamethason und Lenalidomid – oral eingenommen werden, sind für die Therapie keine Injektionen nötig.[4] Die Therapie mit den drei Wirkstoffen erfolgt in einem 28-tägigen Zyklus, Ixazomib wird einmal wöchentlich eingenommen.[4]

Wirkmechanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ixazomib ist ein hochselektiver und reversibler Proteasom-Inhibitor.[4][17] Die Hemmung des Proteasoms ist ein Schlüsselmechanismus zielgerichteter Therapie, der sich über den gesamten Erkrankungsverlauf gegen die Plasmazellen des multiplen Myeloms richtet.[18][19][20] Das Proteasom ist ein Proteinkomplex, der im Zytoplasma und im Zellkern Proteine zu Fragmenten abbaut – ein für die Zellen lebenswichtiger Vorgang. Wird die Aktivität des Proteasoms z. B. durch einen Inhibitor blockiert oder verlangsamt, akkumulieren Proteine in der Zelle. Dies kann in Krebszellen dazu führen, dass Wachstums-, Teilungs- und Vermehrungsvorgänge unterbunden werden und die Zelle abstirbt. Da sich maligne Zellen sehr viel schneller teilen als die meisten gesunden Zellen, sind sie das bevorzugte Ziel von Proteasom-Inhibitoren.[21]

Pharmakokinetik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Resorption: Nach oraler Anwendung wurde die höchste Ixazomib-Plasmakonzentration etwa eine Stunde nach der Einnahme erreicht. Die mittlere absolute orale Bioverfügbarkeit lag bei 58 %. Bei der Einnahme zusammen mit einer fettreichen Mahlzeit sank die Verfügbarkeit von Ixazomib verglichen mit der Anwendung morgens auf nüchternen Magen.[4]
  • Verteilung: Ixazomib ist zu 99 % an Plasmaproteine gebunden und verteilt sich mit einer Blut-Plasma-AUC-Ratio von 10 in die roten Blutkörperchen. Das Verteilungsvolumen im Steady State liegt bei 543 Litern.[4]
  • Biotransformation: Die Verstoffwechselung erfolgt im Wesentlichen über zahlreiche CYP-Enzyme und Non-CYP-Proteine.[4]
  • Elimination: Die terminale Halbwertszeit von Ixazomib beträgt 9,5 Tage. Ixazomib wird über den Urin (ca. 60 %) und den Stuhl (ca. 20 %) ausgeschieden.[4]

Unerwünschte Wirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einer gepoolten Analyse von Sicherheitsdaten aus der globalen Phase-III-Zulassungsstudie TOURMALINE-MM1 (n = 720) und der doppelblinden, placebokontrollierten C16010 China-Fortsetzungsstudie (n = 115) waren die häufigsten Nebenwirkungen (≥ 20 %), die bei 417 Patienten in der Ixazomib-Behandlungsgruppe und bei 418 Patienten in der Placebogruppe auftraten, Diarrhoe (39 % vs. 32 %), Thrombozytopenie (33 % vs. 21 %), Neutropenie (33 % vs. 30 %), Verstopfung (30 % vs. 22 %), periphere Neuropathie (25 % vs. 20 %), Übelkeit (23 % vs. 18 %), periphere Ödeme (23 % vs. 17 %), Erbrechen (20 % vs. 10 %) und Infektionen der oberen Atemwege (21 % vs. 16 %). Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden bei ≥ 2 % der Patienten berichtet, insbesondere Thrombozytopenie (2 %) und Diarrhoe (2 %).[4] Ixazomib darf nicht in der Schwangerschaft angewendet werden.[4]

Pharmazeutische Angaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Strukturformel von Ixazomibcitrat

Arzneilich wird der Wirkstoff als Citronensäureester eingesetzt, einem Prodrug, das unter physiologischen Bedingungen rasch zu Ixazomib hydrolysiert. Ixazomibcitrat[Anm. 3] ist ein weißes bis cremefarbenes, nicht hygroskopisches Pulver, das bei etwa 231 °C unter Zersetzung schmilzt. Wegen seiner guten Löslichkeit und geringem Permeationsvermögen stellt Ixazomib eine Verbindung der BCS-Klasse 3 dar. Ixazomib ist über einen weiten pH-Bereich, der den physiologischen pH-Bereich umfasst, gut löslich. Es wurden mehrere polymorphe Kristallformen von Ixazomibcitrat identifiziert und charakterisiert.[22]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Die bedingte EU-Zulassung ist an die Auflage gebunden, dass Takeda aktualisierte Daten zur Sicherheit sowie weitere Analysen zur Wirksamkeit aus dem bereits laufenden Studienprogramm zur Verfügung stellt, um die langfristigen Effekte der Therapie zu belegen.
  2. Definition Hochrisiko-Zytogenetik: Nachweis von del(17p), t(4;14) und/oder t(14;16); Cut-off-Werte: del(17p): 5 %; t(4/14): 3 %; t(14;16): 3 % positive Zellen. In Post-hoc-Analysen wurden unterschiedliche zytogenetische Cut−off-Werte zur Bestimmung der Präsenz einer del(17p)- und t(4/14)-Mutation verwendet.
  3. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Ixazomibcitrat: CAS-Nummer: 1239908-20-3, EG-Nummer: 813-102-2, ECHA-InfoCard: 100.245.685, PubChem: 56844015, ChemSpider: 26286874, Wikidata: Q27162929.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. INN Recommended List 66, World Health Organisation (WHO), 9. September 2011.
  2. a b c d AstaTech Inc. Catalog Product Search Result: IXAZOMIB, abgerufen am 23. Dezember 2021.
  3. a b Eintrag zu Ixazomib bei Toronto Research Chemicals, abgerufen am 23. Dezember 2021 (PDF).
  4. a b c d e f g h i j Ninlaro - Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, Stand 2021.
  5. Commission Implementing Decision "Ninlaro - ixazomib", Bruxelles, 21. November 2016, European Commission document C(2016)7672. Abrufbar im Union Register of medicinal products for human use
  6. Ixazomib|Ninlaro|86|2017, pharmazeutische-zeitung.de, abgerufen am 25. Dezember 2021.
  7. a b P. Moreau, T. Masszi, N. Grzasko, N.J. Bahlis, M. Hansson, L. Pour et al.: Oral Ixazomib, Lenalidomide, and Dexamethasone for Multiple Myeloma. The New England Journal of Medicine, Bd. 374, Nr. 17, 2016. S. 1621–1634. doi:10.1056/NEJMoa1516282.
  8. a b P. Moreau et al.: Oral Ixazomib, Lenalidomide, and Dexamethasone for Multiple Myeloma. The New England Journal of Medicine, Bd. 374, Nr. 17, 2016. S. 1621–1634. doi:10.1056/NEJMoa1516282. Supplementary Appendix.
  9. a b H. Avet-Loiseau, N.J. Bahlis, W.J. Chng, T. Masszi, L. Viterbo, L. Pour et al.: Ixazomib significantly prolongs progression-free survival in high-risk relapsed/refractory myeloma patients. Blood. Bd. 130, Nr. 24, 2017. S. 2610–2618. doi:10.1182/blood-2017-06-791228
  10. H. Avet-Loiseau et al.: Carfilzomib significantly improves the progression-free survival of high-risk patients in multiple myeloma. Blood, Bd. 128, 2016. S. 1174-80. doi:10.1182/blood-2016-03-707596
  11. M.V. Mateos et al.: Efficacy of Daratumumab, Bortezomib, and Dexamethasone Versus Bortezomib and Dexamethasone in Relapsed or Refractory Myeloma Based on Prior Lines of Therapy: Updated Analysis of Castor. Blood, Bd. 128, 2016. S. 1150. doi:10.1182/blood.V128.22.1150.1150
  12. S.Z. Usmani et al.: Efficacy of Daratumumab, Lenalidomide, and Dexamethasone Versus Lenalidomide and Dexamethasone in Relapsed or Refractory Multiple Myeloma Patients with 1 to 3 Prior Lines of Therapy: Updated Analysis of Pollux. Blood, Bd. 128, 2016 S. 1151. doi:10.1182/blood.V128.22.1151.1151
  13. A. Chari et al.: Real-world outcomes and factors impacting treatment choice in relapsed and/or refractory multiple myeloma (RRMM): a comparison of VRd, KRd, and IRd. Expert Review of Hematology, Bd. 13, 2020, S:421–433. doi:10.1080/17474086.2020.1729734.
  14. E. Terpos et al.: Real-world effectiveness and safety of ixazomib-lenalidomide-dexamethasone in relapsed/refractory multiple myeloma. Annals of Hematology, Bd. 99, 2020. S. 1049–1061. doi:10.1007/s00277-020-03981-z.
  15. R. Hájek et al.: Ixazomib-lenalidomide-dexamethasone in routine clinical practice: effectiveness in relapsed/refractory multiple myeloma. Future Oncology, Bd. 17, Nr. 19, 2021. S2499-2512. doi:10.2217/fon-2020-1225
  16. J. Minarik et al.: Survival benefit of ixazomib, lenalidomide and dexamethasone (IRD) over lenalidomide and dexamethasone (Rd) in relapsed and refractory multiple myeloma patients in routine clinical practice. BMC Cancer, Bd. 21, 2021. S. 73. doi:10.1186/s12885-020-07732-1
  17. D. Chauhan et al.: In vitro and in vivo selective antitumor activity of a novel orally bioavailable proteasome inhibitor MLN9708 against multiple myeloma cells. Clinical Cancer Research, Bd. 17, 2011. S. 5311-5221. DOI:10.1158/1078-0432.CCR-11-0476
  18. S. Gandolfi et al.: The proteasome and proteasome inhibitors in multiple myeloma. Cancer Metastasis Reviews, Bd. 36, 2017. S. 561-584. DOI:10.1007/s10555-017-9707-8
  19. T. Hideshima, K. Anderson: Biologic impact of proteasome inhibition in multiple myeloma cells—from the aspects of preclinical studies. Seminars in Hematology, Bd. 49, 2012. S. 223-227. doi:10.1053/j.seminhematol.2012.04.006
  20. L.H. Boise et al.: The Tao of myeloma. Blood, Bd. 124, 2014. S. 1873-1879. doi:10.1182/blood-2014-05-578732
  21. N. Rastogi, D.P. Mishra: Therapeutic targeting of cancer cell cycle using proteasome inhibitors. Cell Division, Bd. 7, Nr. 1, 2012, S. 26. DOI:10.1186/1747-1028-7-26
  22. Assessment Report Ninlaro, EMA, 15. September 2016.