Jörg Ganzenmüller

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Jörg Ganzenmüller (* 1969 in Augsburg) ist ein deutscher Historiker.

Leben

Jörg Ganzenmüller studierte von 1992 bis 1999 Neuere und Neueste Geschichte, Osteuropäische Geschichte und Wissenschaftliche Politik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Anschließend war er bis 2004 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Lehrstuhl für Neuere und Osteuropäische Geschichte. 2003 wurde er bei Gottfried Schramm mit der Arbeit Das belagerte Leningrad: Eine Großstadt in der Strategie von Angreifern und Verteidigern promoviert. Nach Ganzenmüllers Forschungsergebnissen sind die Ursachen und Bedingungsfelder, denen 1941 bis 1944 ungefähr eine Million Menschen im von der Wehrmacht belagerten Leningrad zum Opfer fielen, im Kontext eines von der deutschen Führung geplanten Vernichtungskrieges und Hungerplans zu verorten. In der Zeit nannte er die Leningrader Blockade einen Stillen Völkermord.[1]

Von 2004 bis 2010 war Ganzenmüller Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Im Rahmen eines Förderstipendiums am Historischen Kolleg in München 2008/2009 forschte er zum Thema Russische Staatsgewalt und polnischer Adel[2] und habilitierte sich 2010 mit einer Studie dazu an der Universität Jena. Von 2010 bis 2014 vertrat er den Lehrstuhl von Joachim von Puttkamer für Osteuropäische Geschichte an der Universität Jena.[3] Forschungsschwerpunkte von Jörg Ganzenmüller sind die Nationalsozialistische Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg, Stalinismus in der Sowjetunion, Die Erinnerung an Stalinismus und Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion und im postsowjetischen Russland, Europäischer Diktaturenvergleich sowie Russisch-polnische Beziehungen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Seit Dezember 2014 ist Jörg Ganzenmüller Vorstandsvorsitzender der Stiftung Ettersberg, die der wissenschaftlichen Forschung zu Entstehung, Erscheinungsformen und Überwindung von Diktaturen in Europa, insbesondere der SED-Diktatur, dient.[4]

Schriften (Auswahl)

  • Das belagerte Leningrad 1941 bis 1944. Die Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern. (= Krieg in der Geschichte. Bd. 22. Hrsg. von Stig Förster, Bernhard R. Kroener, Bernd Wegner mit Unterstützung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes Potsdam). Schöningh, Paderborn u.a. 2005, ISBN 3-506-72889-X. 2. Auflage 2007, ISBN 978-3-506-72889-0.
  • Nebenkriegsschauplatz der Erinnerung. Die Blockade Leningrads im Gedächtnis der Deutschen. In: Osteuropa. 55, Heft 4-6, 2005, S. 135–147.
  • Ordnung als Repräsentation von Staatsgewalt: Das Zarenreich in der litauisch-weißrussischen Provinz (1772–1832). In: Jörg Baberowski, David Feest, Christoph Gumb (Hrsg.): Imperiale Herrschaft in der Provinz. Repräsentationen politischer Macht im späten Zarenreich. Frankfurt am Main, New York 2008, S. 59–80.
  • Identitätsstiftung und Trauerarbeit. Sowjetische Kontinuitäten in der russischen Erinnerung an die Belagerung Leningrads. In: Lars Karl, Igor Polianski (Hrsg.): Geschichtspolitik und Erinnerungskultur im neuen Russland. Göttingen 2009, S. 271–285.
  • mit Beate Fieseler (Hrsg.): Kriegsbilder. Mediale Repräsentationen des Großen Vaterländischen Krieges. Klartext, Essen 2010, ISBN 978-3-8375-0094-3 (= Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa, Bd. 35).
  • Russische Staatsgewalt und polnischer Adel : Elitenintegration und Staatsausbau im Westen des Zarenreiches (1772–1850) (= Beiträge zur Geschichte Osteuropas Bd. 46). Köln, Weimar, Wien 2013, ISBN 978-3-412-20944-5.
  • Stalins Völkermord? Zu den Grenzen des Genozidbegriffs und den Chancen eines historischen Vergleichs. In: Sybille Steinbacher (Hrsg.): Holocaust und Völkermorde. Die Reichweite des Vergleichs. Campus, Frankfurt a. M., New York 2012, ISBN 978-3-593-39748-1, S. 145-166.
  • mit Raphael Utz (Hrsg.): Sowjetische Verbrechen und russische Erinnerung. Orte - Akteure - Deutungen. De Gruyter/Oldenbourg, München 2014, ISBN 978-3-486-74196-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jörg Ganzenmüller: Ein stiller Völkermord. In: Die Zeit. Nr. 4, 15. Januar 2004.
  2. Forschungsprojekt am Historischen Kolleg
  3. Lehrstuhlvertreter von Joachim von Puttkamer (PDF; 68 kB)
  4. Diktatur funktioniert nicht nur über Gewalt. Jörg Ganzenmüller ist der neue Chef der Stiftung Ettersberg und befasst sich mit den Nachwirkungen der DDR. In: Thüringische Landeszeitung, 2. Dezember 2014.