Jüdische Gemeinde Jugenheim

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Die jüdische Gemeinde Jugenheim im rheinland-pfälzischen Landkreis Mainz-Bingen bestand vom 17. Jahrhundert bis zum Ende der 1920er Jahre und gehörte zum Rabbinat Bingen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vermutlich lebten bereits im 16. Jahrhundert Juden in Jugenheim. Erstmals urkundlich erwähnt werden Juden in einer Urkunde vom 15. August 1614. Darin wird beurkundet, dass Jakob Herb dem Juden Abraham, Sohn des Juden Joseph aus Jugenheim, 24 Fuder Wein abgekauft habe. Auch im 17. und 18. Jahrhundert werden immer wieder jüdische Einwohner urkundlich erwähnt. Im 18. Jahrhundert gehörte die jüdische Gemeinde zum Fürstentum Nassau-Saarbrücken,[1] an welches die jüdischen Einwohner als Schutzjuden Schutzgeld und Steuern abführten. Ihren Unterhalt bestritten die jüdischen Familien im Lebensmittelhandel und dort überwiegend im Weinhandel. Von den 37 Weinhändlern, die im 19. Jahrhundert zeitweise in Jugenheim aktiv waren, stammten 16 aus jüdischen Familien. Ab dem 19. Jahrhundert stieg die Zahl der jüdischen Einwohner an und erreichte 1861 ihren höchsten Stand. In der Folge der Berliner Antisemitenpetition kam es 1881 in Jugenheim und den Nachbargemeinden Partenheim, Stadecken und Nieder-Olm zu antisemitischen Ausschreitungen, bei denen Scheiben und Dächer von Wohn- und Geschäftshäusern von Mitgliedern der jüdischen Gemeinschaft durch Steinwürfe schwer beschädigt wurden. Zudem wurden in jüdischem Besitz befindliche Weinberge teilweise verwüstet. Ab diesem Zeitpunkt ging die Zahl der jüdischen Einwohner immer mehr zurück. Bereits 1930 kam es wieder zu Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung. Ab 1933, nach der Machtergreifung Adolf Hitlers, wurden die jüdischen Einwohner immer mehr entrechtet. Zudem kam es immer wieder zu antijüdischen Aktionen. Dies hatte zur Folge, dass weitere Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft Jugenheim verließen. Nach den Ausschreitungen bei den Novemberpogromen 1938 wurden die letzten verbliebenen jüdischen Einwohner gezwungen in Judenhäuser nach Mainz umzusiedeln.[2][3][4]

Entwicklung der Einwohnerzahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr Juden Jüdische Familien Bemerkung
1614 2
1808 5
1824 49
1830 57
1861 67 6 Prozent der Einwohner von Jugenheim
1880 44
1900 29
1905 34
1931 29
1933 18

Quelle: alemannia-judaica.de,[2] jüdische-gemeinden.de,[3] „… und dies ist die Pforte des Himmels“[4]

Einrichtungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Synagoge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Synagoge in wurde um 1846 eingerichtet. Sie befand sich in der Hintergasse 5. Bei den Novemberpogromen 1938 wurde die Synagoge bis auf die Grundmauern niedergebrannt.

Schule[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gemeinde verfügte über eine eigene Religionsschule und zwischen 1850 und 1880 über eine eigene Elementarschule. Es war ein eigener Religionslehrer angestellt, der auch die Aufgaben des Vorbeters und Schochet innehatte.[2][3]

Friedhof[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Toten der Gemeinde wurden auf dem im 18. Jahrhundert angelegten jüdischen Friedhof Jugenheim beigesetzt.

Opfer des Holocaust[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945 und die Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer von Yad Vashem führen 24 Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft Jugenheim (die dort geboren wurden oder zeitweise lebten) auf, die während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden.[5][6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Stefan Fischbach, Ingrid Westerhoff: „… und dies ist die Pforte des Himmels“. Synagogen Rheinland-Pfalz und Saarland. Herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Staatliches Konservatoramt des Saarlandes, Synagogue Memorial Jerusalem. (Gedenkbuch der Synagogen in Deutschland, 2). Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2005, ISBN 3-8053-3313-7.
  • Cilli Kasper-Holtkatte: Juden im Aufbruch. Zur Sozialgeschichte einer Minderheit im Saar-Mosel-Raum um 1800. In: Helmut Castritius, Alfred Haverkamp, Franz Irsigler, Stefi Jersch-Wenzel (Hrsg.): Forschungen zur Geschichte der Juden (= Forschungen zur Geschichte der Juden. Band 3). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1996, ISBN 978-3-7752-5612-4. (online)
  • Wolfhard Klein: Juden in Jugenheim. Zur Erinnerung an eine 500-jährige Geschichte. Jugenheim 2020.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Cilli Kasper-Holtkatte: Juden im Aufbruch. Zur Sozialgeschichte einer Minderheit im Saar-Mosel-Raum um 1800 . In: Helmut Castritius (Hrsg.), Alfred Haverkamp (Hrsg.), Franz Irsigler (Hrsg.), Stefi Jersch-Wenzel (Hrsg.) Forschungen zur Geschichte der Juden (= Forschungen zur Geschichte der Juden. Band 3). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1996, ISBN 978-3-7752-5612-4, S. 55. (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Fubt.opus.hbz-nrw.de%2Fopus45-ubtr%2Ffrontdoor%2Fdeliver%2Findex%2FdocId%2F778%2Ffile%2FFGJA3_Kasper_Holtkotte.pdf~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D)
  2. a b c Jugenheim (VG Nieder-Olm, Kreis Mainz-Bingen). alemannia-judaica.de, abgerufen am 5. Juni 2022.
  3. a b c Jugenheim (Rheinland-Pfalz). jüdische-gemeinden.de, abgerufen am 5. Juni 2022.
  4. a b Stefan Fischbach, Ingrid Westerhoff: „… und dies ist die Pforte des Himmels“. Synagogen Rheinland-Pfalz und Saarland. Herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Staatliches Konservatoramt des Saarlandes, Synagogue Memorial Jerusalem. (Gedenkbuch der Synagogen in Deutschland, 2). Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2005, ISBN 3-8053-3313-7, S. 196
  5. Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945. Bundesarchiv, abgerufen am 5. Juni 2022.
  6. Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer. Yad Vashem – Internationale Holocaust Gedenkstätte, abgerufen am 5. Juni 2022.