Janina Musiałczyk

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Janina Musiałczyk (geborene Piątkowska; * 25. Mai 1943 in Kraśnik, Polen) ist eine aus Polen stammende bildende Künstlerin und Pädagogin, die in Hamburg lebt und arbeitet.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Janina Musiałczyk studierte ab 1961 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Łódź (Państwowa Wyższa Szkoła Sztuk Plastycznych PWSSP, heute: Akademia Sztuk Pięknych im. Władysława Strzemińskiego w Łodzi), u. a. bei Stanisław Fijałkowski,[1] und schloss das Studium 1967 erfolgreich ab. Seit 1967 war sie Mitglied des Verbands der Polnischen Bildenden Künstler (ZPAP) und nahm an dessen Ausstellungen teil.[2] Von 1967 bis 1980 übernahm sie Auftragsarbeiten für den Verlag Wydawnictwo Łódzkie und den Stockholmer Verlag Almqvist Wiksell Förlag (Illustrationen und Titelgestaltung).

Von 1967 bis 1981 war sie Leiterin der Ateliergruppe für Bildende Künste im Pałac Młodzieży (Palast der Jugend Łódź) und widmete sich der pädagogischen und kunstdidaktischen Arbeit mit begabten Kindern und Jugendlichen.[3] Zu ihren Schülern gehören spätere Künstler, Gestalter, Architekten, Restauratoren wie u. a. Iga Bielejec, Darek Fiet, Wojciech Leder,[4] Piotr Lichwierowicz, Krzysztof Nast, Marek Pabich, Mariusz Wilczyński und Jerzy Zachara.

1969 war Musiałczyk Mitbegründerin der Künstlergruppe und Autorengalerie Grupa Plastyków Bałuckich (Gruppe der Bałutyer Bildenden Künstler) und nahm bis 1973 an deren Ausstellungen teil (Freiluftinstallationen, großformatige Bilder, Ölmalerei).[2]

Wenige Monate vor Einführung des Kriegsrechtes in Polen reiste sie im Mai 1981 nach Schweden aus und ging anschließend nach Hamburg,[5] wo sie 1985 mit Renate Schröder eine private Schule für Zeichnung, Malerei und Komposition gründete und deren kunstdidaktische Leitung übernahm.[6] 1996–1998 veröffentlichte sie regelmäßig Zeichnungen in dem deutsch-polnischen Magazin Dialog.[7]

Von 1969 bis 2020 hatte sie über 50 Ausstellungen, darunter 30 Einzelausstellungen in Polen, in der Schweiz und in Deutschland. Zahlreiche ihrer Arbeiten befinden sich in privaten Sammlungen: die Zeichnung Begegnungen II in der Sammlung der Stadt Norderstedt. Die Zeichnungen Exodus 1, Exodus 16 sowie ihre Künstlerbücher in der Sammlung des Emigrationsmuseums Gdynia und dem Museum der Geschichte der polnischen Juden in Warschau.[8]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1971 erhielt Musiałczyk eine Auszeichnung des ZPAV;[9] 1973 den Sonderpreis der Schulaufsichtsbehörde (Schulbezirk Łódź) für außerordentliche und innovative Leistungen im Bereich pädagogischer und sozialer Arbeit; 1978 den Preis des polnischen Ministeriums für Bildung und Erziehung für herausragende Leistungen im Bereich didaktischer und erzieherischer Arbeit; 1979 ein Anerkennungsdiplom des polnischen Ministeriums für Bildung und Erziehung für künstlerische Qualität und herausragende Leistungen im Bereich der Kunsterziehung von Kindern und Jugendlichen.[2]

1993 erhielt sie den 3. Preis im Wettbewerb Heim ins Exil für Maler und Bildhauer, ausgeschrieben von der Internationalen Vereinigung zur Verteidigung verfolgter Künstler überall auf der Welt (AIDA).[10]

Stil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kennzeichnend für ihr Schaffen sind der Literatur zufolge teilweise melancholisch[11] und düster gestimmte,[12][1] implizit narrative[1] Zeichnungen von ungezähmtem, empfindlichem Strich und stilisierten Formen. Erkennbar sind Bezüge zu Surrealismus[13][14] und die Begeisterung für Art brut.[15] Die Bilder spiegeln leibseelische Verstricktheiten und Begegnungen, zeigen Motive wie Frauen.[14] Frauenkörper,[16] Doppelwesen, Häuser,[1] fahrende Häuser, Wege, in Bewegung befindliche Menschen,[17] Bilder von Menschen als Paar, in Gruppen oder Menschenmassen.[18] Scharf-erschreckend, häufig mit schwarzer Tusche, Feder, Blei- und Buntstiften gezeichnet,[11] gestempelt[14] oder aber auch mit Farbschichten weich, schemenhaft, stilisiert gemalt,[19] zuweilen auf beidseitig bearbeiteten Leinwänden mit alten Fotografien beklebt.[20]

Bildreihen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1974–1980: Die Erde. Bleistift, Buntstift, schwarze Tusche auf Papier
  • 1981: ’81. Bleistift, schwarze Tusche, weiße Kreide auf Papier, kleinformatige Zeichnungen
  • 1981–1982: Steine. Bleistift, Buntstift auf Papier, kleinformatige Zeichnungen
  • 1983: Geteilte Landschaft, gestaltete Landschaft. Aquarell, Gouache auf Papier
  • 1983–1987: Hier und dort. Aquarell, Gouache, schwarze Tusche auf Papier
  • 1988–1989: Menschen, Grenzen, Landschaften. Gouache, Aquarell, gemischte Technik auf Papier
  • 1990–1996: Kommen, werden, gehen ; Begegnungen unterwegs; Acryl auf Leinwand, beidseitig bearbeitet[21]
  • 1994–1996: Es taumelt. Schwarze Tusche auf Papier; Acryl auf Leinwand, beidseitig bearbeitet[20]
  • 1996–1998: Mieträume. Schwarze Tusche und Buntstift auf Papier; Acryl auf Leinwand, beidseitig bearbeitet
  • 1999–2002: Fortgang. Exodus. Schwarze Tusche und Stempel auf Papier; Fotografien bearbeitet mit Acrylfarbe, Schablonen, Stempel
  • 1999–2002: Zusammen; Begegnungen unterwegs. Schwarze Tusche auf Papier
  • 2000: Lesezeichnungen. Feder, schwarze Tusche, Stempel auf Papier
  • seit 2000: Episoden. Kleinformatige Bilder, Mischtechnik auf Papier[1]
  • 2005: Nackt. Schwarze Tusche auf Papier
  • 2006–2011: Stufen. Acryl auf Leinwand
  • 2008: Ringen. Schwarze Tusche auf Papier
  • 2009–2014: Unterwegs: Hamburg – Łódź, Łódź – Hamburg. Fotografie
  • 2012–2014: Verdeckt. Kleinformatige Selbstbildnisse, Acryl und Buntstift auf Fotografie
  • 2013–2015: Mieträume II. Acryl-Malerei auf Leinwand; Buntstift und schwarze Tusche auf Papier
  • 2014–2017: Geister und Häuser. Acrylfarbe mit Buntstift auf Papier
  • 2017–2020: Wie war das, wo war es. Collagen mit Acrylfarbe, Buntstift, Papier
  • 2020: Stufen II. Acryl auf Leinwand

Künstlerbücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Zeichnungen und Bilder / Rysunki i obrazy. Hamburg / Łódź 1998 (deutsch, polnisch).
  • Rysunki i teksty / Zeichnungen und Texte. Hamburg 2001, ISBN 3-00-013171-X (Gestaltung: Iga Bielejec).
  • Episoden. Hamburg 2005, ISBN 3-00-012543-4 (deutsch, polnisch).
  • W drodze, trzy zeszyty / Unterwegs. 2015, ISBN 978-3-00-049192-4 (deutsch, polnisch, drei Hefte, Gestaltung: Iga Bielejec).
  • Seh nicht, also ist nicht. / Nie widzę, więc nie ma. Hamburg 2022, ISBN 978-3-00-071944-8 (deutsch, polnisch, Gestaltung: Iga Bielejec).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Porysować cały świat [Die ganze Welt zeichnen], Gespräch mit Janina Musiałczyk. In: Wydawnictwo Te-Jot (Hrsg.): Weranda, Najpiekniejsze polskie domy, rezydencje, ogrody i sztuka [Monatsschrift für Innenarchitektur, Häuser und Kunst], Nr. 11/155, Nov. 2015, ISSN 1641-1382, S. 50–51
  2. a b c Polska Agencja Informacyjna (Hrsg.): Polak w świecie. Leksykon Polonii i Polaków za granicą. [Der Pole in der Welt. Lexikon Exilpolens und der Auslandspolen]. PAI Wydawnictwo, Warschau 2001, ISBN 83-223-2693-9, S. 205 f., 403 (polnisch, englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Jerzy Armata: Z Armatą na Wilka. Animowany blues Mariusza Wilczyńskiego. Wydawnictwo Nowe Horyzonty, Warschau 2011, ISBN 978-83-62574-26-1, S. 33, 34 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Wojciech Leder, Prof. für Malerei und Zeichnung an der ASP, Akademia Sztuk Pięknych im. Władysława Strzemińskiego w Łodzi [Academy of Fine Arts in Łódź], Text anlässlich der Ausstellung im Künstlerhaus Bergedorf, Hamburg, 10. Februar 1998: Ich habe das Glück, ein Schüler von Janina Musiałczyk zu sein.“
  5. Deutsch-Polnische Gesellschaft Bundesverband e.V. (Hrsg.): Dialog. Deutsch-Polnisches Magazin, Nr.1, April 1996, 10. Jg., hier: S. 94.
  6. Mobile Kunstschule. Ausstellung im Munsteraner Rathaus, in: Heidekurier, Nr. 21, 1. Oktober 2005, ZDB-ID 2118964-X. Architektur und Natur. Kursangebot der Mobilen Kunstschule in Munster gut besucht, in: Böhme-Zeitung, Nr. 211, 9. September 2005. Ausstellung im Bezirksamt, in: Wandsbeker Wochenblatt, 22.6.1988, ZDB-ID 290784-7, S. 18. Kreativität heißt vollständiger leben, in: Bramfelder Wochenblatt, Nr. 9, 25. Februar 1987, S. 25. Kinderbilder-Ausstellung, in: Bramfelder Wochenblatt, Nr. 16, 16. April 1986, ZDB-ID 290790-2.
  7. Deutsch-Polnische Gesellschaft Bundesverband e.V. (Hrsg.): Dialog. Deutsch-Polnisches Magazin, Nr. 1, April 1996, 10. Jg., S.3, S. 25, 29, 31, 58, 62, insb. S. 94; Nr. 2, Okt.1996, 10. Jg., S. 54; Nr. 3–4, 1996, 10. Jg., S. 5, 7, 50, 71, 104; Nr. 2, Okt.1998, 12. Jg., S. 11, 42, 64; Nr. 2, 1999 (50), 13. Jg., S. 15, 85, 104–105, 106
  8. Katalog der Bibliothek des Museums der Geschichte der polnischen Juden, poln. Muzeum Historii Żydów Polskich, POLIN.: The POLIN Museum library catalog. Abgerufen am 27. August 2020.
  9. Związek Polskich Artystów Plastyków, Państwowy Instytut Sztuki (Poland), International Association of Art Critics (Hrsg.): Przegląd artystyczny [Zeitschrift für zeitgenössische polnische Kunst, 1946–1973], Państwowy Instytut Sztuki, Krakau 1972, S. 71 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 27. August 2020])
  10. Exil-Bilder von 64 Künstlern in der AIDA-Galerie. In: Hamburger Abendblatt. Nr. 106, 8. Mai 1993, ISSN 0949-4618, S. 6 (abendblatt.de [PDF; abgerufen am 27. August 2020]).
  11. a b Larissa Wasserziehr: Zu Besuch bei Künstlerin Janina Musialczyk. In: Der blaue Distelfink, veröffentlicht am 12. Mai 2019 (abgerufen am 27. August 2020)
  12. Keine Scheu davor, kitschig zu sein. In: Hamburger Abendblatt. Nr. 61, 13. März 1986, S. 11 (abendblatt.de [abgerufen am 8. Juli 2018]).
  13. Evelyn Preuss: Aus Wiesen schauen Gesichter. Janina Musiałczyks Bilder behandeln Seelenzustände. In: Hamburger Abendblatt, Nr. 116, 19. Mai 1988
  14. a b c Dr. Wolfgang Till Busse: Ungebeten. Agata Schubert-Hauck & Janina Musiałczyk. Eröffnungsrede. Galerie Kunstraub99, Köln, 14. Januar 2016
  15. Janina Musiałczyk: Specyfika malarstwa naiwnych [Die Eigenart der Naiven Malerei], Łódź 1967, Abschlussarbeit, ASP Akademia Sztuk Pięknych im. Władysława Strzemińskiego w Łódź [Academy of Fine Arts in Łódź], S. 6, 7
  16. Zwei Landschafts-Ausstellungen in Hamburg. Ein Bogen zwischen Kunst und Politik. In: Hamburger Abendblatt. Nr. 221, 20. September 1984, S. 9 (abendblatt.de [PDF; abgerufen am 8. Juli 2018]).
  17. Dr. Waldemar Klemm: Zeichnungen und Bilder von Janina Musiałczyk, Aufsatz zur Ausstellung in Künstlerhaus Hamburg-Bergedorf, Hamburg, 15. Mai 1998.
  18. Blick in ein Mysterium. Agata Schubert-Hauck und Janina Musialczyk präsentieren eindringliche Menschen-Studien. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 11. Februar 2016, S. 34.
  19. Mal nachdenklich, mal spontan. Eine Ausstellung im Künstlerhaus. In: Bergedorfer Zeitung, 14. Mai 1998.
  20. a b Patrik Schmidt: Federstriche für heute, Farbschichten für gestern. Janina Musiałczyk, Zeichnungen und Bilder. Eröffnungsrede, Ausstellung im Künstlerhaus Hamburg-Bergedorf, Hamburg, 15. Mai 1998
  21. Kunst mit „Bier für Massa“ an der Alsterbrüstung. In: Hamburger Abendblatt. Nr. 213, 13. September 1993, S. 15 (abendblatt.de [PDF; abgerufen am 27. August 2020]).