Johann Friedrich Wilhelm Himly

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Johann Friedrich Wilhelm Himly (* 29. September 1769 in Braunschweig; † 4. Oktober 1831 ebenda) war ein preußischer Staatsbeamter und erster Privatdozent für Pädagogik an der Berliner Universität.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Himly wurde als Sohn des Geheimen Cabinetssekretärs Himly am braunschweigischen Hof geboren und war der ältere Bruder des Augenarztes Karl Gustav Himly (1772–1837).[1]

Er besuchte das Collegium Carolinum in Braunschweig und begann anschließend ein Studium an der Universität Helmstedt. Ab 1789 studierte er in Göttingen an der juristischen Fakultät. 1793 erhielt der junge Mann mit gutem Leumund eine Stelle als Legationssekretär beim preußischen Gesandten in Köln, Christian Wilhelm von Dohm. Als dieser 1795 nach Halberstadt versetzt wurde, folgte er ihm und heiratete dort 1799 Luise Christiane Wilhelmine Ahrens (1771–1820), Großnichte von Johann Wilhelm Ludwig Gleim.[2][3] Vermutlich kam er im Hause Gleims mit den Gedanken des Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzis in Kontakt. Aus den Jahren 1796 bis 1802 sind Briefe an Gleim erhalten, meist anlässlich des Geburtstags.[4] 1800 wurde er nach Berlin versetzt, wo er bald eine Wohnung in der Leipziger Straße Nr. 115 fand.[5] Er arbeitete fortan im Geheimen Cabinetsministerium Preußens – einer Vorform des Außenministeriums. Seine Freizeit verbrachte er mit dem Studium pädagogischer Schriften und Aufzeichnungen – "pädagogischen Tagebüchern" – zur Entwicklung seiner Tochter. Ab 1809 war er mit der Zensur aller politischen Zeitungen und Bücher, die in Berlin erschienen, betraut. In diese Zeit fällt auch sein Beitritt zur Gesetzlosen Gesellschaft zu Berlin, der er bis etwa 1817 angehört hat.[6] Von 1811 bis 1817 war er auch Mitglied im Montagsklub in Berlin.[7] 1813 war die Staatskanzlei mit der Nichtzensur des Flugblattes "Über politische Reformation an Deutschlands Fürsten"[8] nicht einverstanden und enthob ihn seines Amtes. Kurzzeitig machte ihm dies zu schaffen, doch noch im gleichen Jahr konnte er schon in der Regierungskommission mitarbeiten. 1815 stieg er zum Geheimen Legationssekretär auf und ging 1817 mit dem Grafen von der Goltz als Gesandtschaftsrat des Außenministers nach Frankfurt am Main und wurde dort zum Ministerresidenten ernannt. 1825 wurde er aus unbekannten Gründen 56-jährig pensioniert. Am 4. Oktober 1831 verstarb er in seiner Geburtsstadt.

Lehre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1810 gehörte Himly dem Lehrkörper der Berliner Universität an. Das erste gedruckte Vorlesungsverzeichnis von 1811 belegt seine Lehrtätigkeit. Bis zum Winterhalbjahr 1816/1817 hielt er insgesamt zwölf Vorlesungen, meist wöchentlich, einstündig und öffentlich.[9] Die Inhalte der Vorlesungen sind nicht überliefert, jedoch mehrere Schriften und Stellungnahmen aus dieser Zeit. 1811 wurde er von der Berliner Universität unkompliziert zum Dr. phil. promoviert, weil alle Lehrenden mit den höchsten akademischen Würden ausgezeichnet sein sollten.[10] Himly versuchte, die Pädagogik unabhängig von Philosophie oder Theologie zu entwickeln. Insbesondere seine Schriften zur Lehre Pestalozzis – mit dem ihn bis 1809 eine Freundschaft verband – fanden breite Beachtung. Dies zeigte sich auch in der Freundschaft mit Johann Ernst Plamann, dem Gründer der Plamannschen Erziehungsanstalt in Berlin. Plamann wollte Erzieher nach der Lehre Pestalozzis ausbilden, allerdings nach den Prinzipien Niederers, einem 'Neu-Pestalozzianis' folgend. Himly jedoch vertrat eine traditionelle Linie.[11] Insgesamt ging es Himly weniger um eine Theoriebildung als vielmehr um einen praktischen Nutzen und die Anwendung pädagogischer Lehre.

Himlys pädagogisches Wirken blieb relativ folgenlos und unbekannt. Betrachtet man sein Leben jedoch als 'Fall', werden typische Problemlagen im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit den Lehren Pestalozzis sichtbar: So zum Beispiel die Frage, wie in der Gründungs- und Aufbauphase der Universität geeignete Lehrkräfte gefunden werden oder die Frage nach der Bedeutung von Theorie für ein sich etablierendes akademisches Fach im Spannungsfeld verschiedener Zielgruppen mit den jeweiligen Verwertungsinteressen.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Anfrage, die Begriffserzeugung in den Taubstummen betreffend, in: Berliner Monatsschriften, August 1802, S. 133–134
  • Versuch einer Einleitung in die Grundsätze des Pestalozzischen Elementarunterrichts: nebst Anhange: über die Oliviersche Lese- und Rechtschreibungs-Lehrmethode, Haude: Berlin, 1803[12]
  • Beytrag zur näheren Einverständigung über die Pestalozzische Methode, 1804
  • Erörterung des Gallschen Versuchs einer fortgesetzten Gehirnlehre, nach seinem psychologischen Gehalte, N.-Societät-Buch- und Kunsthandlung, Halle, 1806
  • Gall und Lavater. Beytrag zur vergleichenden Würdigung der neuen und alten Physiognomik, Friedrich Braunes, Berlin 1808
  • Erörterung der neueren Lage der Pestalozzischen Methode überhaupt, und des in derselben sich entwickelnden allgemeinen Plans einer absoluten Elementarbildung insbesondere: Nebst einigen Abhandlungen über verwandte Gegenstände, Hitzig, 1810
  • Was hat zu aller Zeit als geleistete Erziehung gegolten? und wie möchte ein jeder erzogen seyn?, Wagner, 1813
  • Von der Verdunklung des Erziehungsganzen, Wagner, 1814
  • Pädagogische Mittheilungen. Eine Zeitschrift, hrsg. von Johann Friedrich Wilhelm Himly. Es erschienen lediglich zwei Ausgaben.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Heidemarie Kemnitz: Johann Friedrich Wilhelm Himly. Ein Pestalozzianer als erster Privatdozent für Pädagogik an der Berliner Universität, in: Klaus-Peter Horn/Heidemarie Kemnitz: Pädagogik Unter den Linden. Von der Gründung der Berliner Universität im Jahre 1810 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2002, Seite 19–36 ISBN 3-515-07760-X
  • August Israel: Pestalozzi-bibliographie: Die Schriften und Briefe Pestalozzis nach der Zeitfolge; Schriften und Aufsätze über ihn nach Inhalt und Zeitfolge, A. Hofmann, 1904 (S. 10)
  • Medicinisches Schriftsteller-Lexicon
  • Neuer Nekrolog der Deutschen, Lemma Johann Friedr. Wilh. Himly, Band 9, 1831, 865–869
  • Georg Christoph Hamberger, Johann Georg Meusel: Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller, 5. Aufl., Lemgo 1796–1834 (23 Bde.)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Adolph Carl Peter Callisen: Medicinisches Schriftsteller-Lexicon der jetzt lebenden Aerzte, Wundärzte, Geburtshelfer, Apotheker und Naturforscher aller gebildeten Völker, 8. Band Ha–Hir, Kopenhagen 1831, Spalte 520 f.
  2. Jürgen Behrens (Hrsg.), Friedrich Leopold Graf zu Stolberg: Briefe (Kieler Studien zur deutschen Literaturgeschichte, Band 5), Wachholtz, Kiel 1966, S. 563 gibt als einzige Quelle das Heiratsjahr mit 1798 an.
  3. Gerlinde Wappler: Gleims Leben und seine Beziehungen zu berühmten Zeitgenossen in Daten (Veröffentlichungen des Gleimhauses), Halberstadt 1988, Seite 18
  4. Briefsammlung des Gleimhauses (Memento des Originals vom 10. Oktober 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gleimhaus.de, abgerufen am 16. Oktober 2009
  5. Matthias Hahn: Statistische Angaben zur Architektur und zur Soziologie der Eigentümer und Bewohner der Häuser in der Leipziger Straße in Berlin in den Jahren 1785–1815. Eine kommentierte Quellen- und Materialsammlung@1@2Vorlage:Toter Link/www.berliner-klassik.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Berliner Klassik, elektronisch publiziert 2003, abgerufen am 16. Oktober 2009 unter Bezugnahme auf den Adreß-Kalender der Königl. Preußischen Haupt- und Residenzstädte Berlin und Potsdam, Berlin 1801 ff.
  6. Die Gesetzlose Gesellschaft zu Berlin (Memento des Originals vom 20. Juli 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gesetzlose-gesellschaft.de, Eigendarstellung der Chronik, abgerufen am 16. Oktober 2009
  7. Der Montagsklub in Berlin 1749–1899: Fest- u. Gedenkschrift zu seiner 150sten Jahresfeier / (Hrsg.: G(ustav) A(dolf) Sachse u. Eduard Droop). Berlin: J. Sittenfeld, 1899, Nr. 112, S. 128–129
  8. GStA PK, HA III, Abt. I, Nr. 8927 Preußische Zensurangelegenheite Band 1 Nov 1812–Sep 1813, Bl. 103–110
  9. Heidemarie Kemnitz: Johann Friedrich Wilhelm Himly. Ein Pestalozzianer als erster Privatdozent für Pädagogik an der Berliner Universität, in: Klaus-Peter Horn/Heidemarie Kemnitz: Pädagogik Unter den Linden. Von der Gründung der Berliner Universität im Jahre 1810 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2002, ISBN 3-515-07760-X, S. 27. Dort finden sich auch die Themen der einzelnen Vorlesungen.
  10. Heidemarie Kemnitz: Johann Friedrich Wilhelm Himly. Ein Pestalozzianer als erster Privatdozent für Pädagogik an der Berliner Universität, in: Klaus-Peter Horn/Heidemarie Kemnitz: Pädagogik Unter den Linden. Von der Gründung der Berliner Universität im Jahre 1810 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2002, ISBN 3-515-07760-X, S. 25
  11. Heidemarie Kemnitz: Johann Friedrich Wilhelm Himly. Ein Pestalozzianer als erster Privatdozent für Pädagogik an der Berliner Universität, in: Klaus-Peter Horn/Heidemarie Kemnitz: Pädagogik Unter den Linden. Von der Gründung der Berliner Universität im Jahre 1810 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2002, ISBN 3-515-07760-X, S. 33
  12. Rezension von Karl Spazier (pdf; 304 kB), in: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 100/26. April 1804, Spalte 169 f., abgerufen am 16. Oktober 2009