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Koppenplatz

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Koppenplatz: Park und Schule

Der Koppenplatz ist ein Platz in der historischen Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Er wird eingefasst von der Großen Hamburger Straße, der Linienstraße und der Auguststraße. Bekannt ist der Platz vor allem aufgrund des städtischen Armenfriedhofs, der sich hier zwischen 1704 und 1853 befand und von dem heute nur noch ein Grabdenkmal existiert.

Geschichte des Koppenplatzes

Der Armenfriedhof im Scheunenviertel

Der Armenfriedhof auf einer Karte von 1849[1]

Der Koppenplatz existiert unter diesem Namen seit dem 12. August 1853 und wurde nach dem Berliner Stadthauptmann und Ratsverwandten Christian Koppe benannt. Dieser hatte den Bereich 1696 gekauft und ihn 1704 der Städtischen Armenverwaltung Berlins zur Errichtung eines Armenfriedhofs für die damals als Scheunenviertel bekannte Spandauer Vorstadt geschenkt. Der Koppesche Armenfriedhof selbst war deutlich größer als der heutige Koppenplatz. Er wurde im Osten begrenzt durch die heute noch existierende Kleine Auguststraße und im Westen verlief die Grenze schräg entlang der heutigen Grundstücksgrenzen der Hollmannschen Wilhelminen-Amalien-Stiftung, der ehemaligen 1. Gemeindeschule sowie der ehemaligen Fach- und Fortbildungsschule, die heute an der Linienstraße 162 etwas abseits des Koppenplatzes liegt. 1708 errichtete er zudem das Koppesche Armenhaus für Frauen in der Auguststraße (der früheren Armesünder-Gasse) an der Stelle, an der heute die Große Hamburger Straße zum Koppenplatz führt (Auguststraße 59). Zur gleichen Zeit wurden auch die anderen Parzellen rund um das Friedhofsgelände verkauft und mit Mietshäusern bebaut. Der Friedhof wurde offiziell bis 1739 genutzt und auch Christian Koppe wurde hier nach seinem Tod 1721 auf eigenen Wunsch beerdigt. Auch Selbstmörder, die auf den meist christlichen Friedhöfen der Stadt nicht beerdigt werden durften, wurden hier begraben. Das letzte Begräbnis auf dem Platz fand wahrscheinlich im Jahr 1838 statt.

Das Thürmchen

Etwa um 1800 wurde am Friedhof an der Linienstraße ein Leichenschau- und Obduktionshaus erbaut. Dies trug auf seinem Dach einen kleinen Turm, der ihm den Spitznamen „Das Thürmchen“ einbrachte. In dieses Haus wurden die Leichen von mittellos Verstorbenen, Selbstmördern und Unfallopfern gebracht, die aus der damals als Hospiz dienenden Charité auf Holzkarren (Nasenquetschen) hierher transportiert wurden. Hier wurden die Toten obduziert und anschließend auf dem Friedhof begraben.

Das Thürmchen sowie der Armenfriedhof fanden durch die Kindheitserinnerungen von Karl Gutzkow eingang in die Literatur. Er schrieb in seinem 1852 erschienenen Buch Aus der Knabenzeit:

„Zwischen dem Thürmchen und der Anatomie ging im stillen Abenddunkel regelmäßig ein polternder, dumpfhallender Karren hin und her. Da bringen sie schon wieder Einen!, sagte der Vater, wenn unter dem Fenster um die neunte Stunde das Rollen des schauerlichen Karrens erklang.“[2]

Gutzkow versuchte gemeinsam mit seinem Freund Zugang zum Thürmchen zu bekommen, um Leichen zu sehen, wurde dort jedoch abgewiesen und stattdessen auf den Armenfriedhof geschickt:

„Die Knaben schossen wie der Blitz auf den großen grünen Anger, der sich zugleich hinter einer halboffenen Thür frei und breit darbot. Hier auf dem baum- und blüthenlosen Kirchhof hing allerlei Wäsche, wurden Linnen gebleicht. Zur Rechten aber lagen die Gräber. Sie waren wohl hie und da mit dünnem verbrennten Rasen bedeckt, aber namenlos alle, ohne den Schatten eines Baumes, ohne den Schmuck einer Blume. Vergiftet, erhängt, ersäuft alle diese Opfer der Verzweiflung. Eine offene Grube erwartete einen Ankömmling ... Die Knaben hätten nun über eine Mauer in die Linienstraße springen können.“[3]

Das Thürmchen und das umgebende Gelände wurden 1844 von den städtischen Gasbetrieben gekauft, die hier eine Gasometeranstalt bauten. Mit der Auflassung des Friedhofs und dem Abriss des Armenhauses ließ selbige auch das Thürmchen abreißen. Die Gasometeranstalt stand hier noch bis 1904 und wurde dann ebenfalls abgerissen.

Auflassung des Friedhofs und weitere Entwicklung

Denkmal über dem Grab von Christian Koppe

1853 wurde der Friedhof aufgelassen und für den öffentlichen Verkehr zugänglich gemacht. Im Jahr 1855 errichtete der Berliner Architekt Friedrich August Stüler über dem Grab von Christian Koppe ein markantes Denkmal für denselben in Form einer klassizistischen Kleinarchitektur mit korinthischen Säulen, die einerseits einem Portikus ähnelt, anderseits durch die geringe Größe Assoziationen an ein Erbbegräbnis weckt, wie man es an den Grenzmauern alter Berliner Friedhöfe findet. Bei der umfassenden Restaurierung 1998 bis 2000 wurde zur Reinigung des Denkmals eine Lasertechnik eingesetzt, die es ermöglichte, auch die filigranen Details der Kapitelle und kannelierten Säulen zu reinigen. Es steht vor der Fassade eines Neubaus auf dem Gehweg noch immer über der Gruft, in der Christian Koppe sowie mehrere seiner Angehörigen begraben wurden.

Nach dem Abriss des Armenhauses, welcher ebenfalls 1853 erfolgte, wurde die Große Hamburger Straße in gerader Führung bis zur Linienstraße verlängert und somit das ehemalige Friedhofsgelände in zwei Teile zerlegt. Außerdem wurde parallel zur Kleinen Auguststraße zwischen dieser und der Großen Hamburger Straße ebenfalls eine Straße angelegt, sodass sich der heutige Koppenplatz zwischen diesen beiden neu angelegten Straßen befindet. Die Parzellen beiderseits sowie südlich des heutigen Koppenplatzes wurden zur Bebauung freigegeben.

Mietshaus (Koppenplatz 6) von 1897

Sukzessive entstanden die Mietshäuser am heutigen Koppenplatz, die weitestgehend bis heute erhalten sind und unter Denkmalschutz stehen. Die ersten Gebäude entstanden an der Ecke Große Hamburger Straße und stammen aus den Jahren 1852 (Hausnummer 1) und 1857 (Nr. 2). Die ältesten erhaltenen Gebäude an der Ostseite wurden 1863 errichtet (Nr. 7 und 8); daran schließt sich das umfassend restaurierte Haus Nr. 9 mit reich strukturierter Fassade aus dem Jahr 1905 an. Das Haus Nr. 6 wurde 1897 erbaut und ist mit seinen Zitaten aus verschiedenen Stilepochen und auffälligem, der Renaissance entlehnten Zwerggiebel ein ansehnlicher Vertreter des Historismus – auch dieses Gebäude steht heute unter Denkmalschutz. An dem Gebäude erinnert zudem seit der Restaurierung im Jahr 2000 eine Gedenktafel an die von den Nationalsozialisten ermordete Besitzerin des Hauses Ilse Goldschmidt, geb. Schindler.

Hollmannsche Wilhelminen-Amalien-Stiftung

Gebäude der Hollmannschen Wilhelminen-Amalien-Stiftung

Das erste Gebäude der Hollmannschen Wilhelminen-Amalien-Stiftung entstand bereits 1839, also noch vor der Auflassung des Friedhofs. Es handelte sich dabei um den heutigen Bauteil an der Ecke Linienstraße. Das Haus diente als Altersheim für über 55 Jahre alte evangelische Witwen und unverheiratete Frauen des Mittelstandes, die mindestens 15 Jahre in Berlin gewohnt hatten[4]. Während das Friedhofsgelände umgenutzt und aufgelassen wurde, wurde das Stiftungsgebäude in zwei Schritten sukzessive erweitert. Im Jahr 1850 entstand der fünfgeschossige, quadratische Turmbau an der Ecke Linienstraße/Koppenplatz, 1869 der dritte Teil am heutigen Koppenplatz. Dieser ist wie der ältere Flügel an der Linienstraße dreigeschossig und weist als Besonderheit ein Traufgesims aus Terrakotta-Elementen auf (heute übermalt), die seit der ersten Anwendung durch Karl Friedrich Schinkel im damaligen Berlin wegen der kostengünstigen Herstellung und ihrer Dauerhaftigkeit beliebt waren. Den Abschluss des Komplexes bildet ein weiterer Anbau an der Linienstraße 163/164 aus dem Jahr 1873. Die Fassadengestaltung des Gesamtbaus ist rein klassizistisch und einheitlich genug, dass ihm die verschiedenen Bauphasen kaum anzumerken sind. Die Putzfassaden sind durch aufgeputzte Quaderung, Gesimse, einem Risalit, Fenstereinfassungen und -verdachungen und der Eckbau zusätzlich mit flachen Pilastern in Kolossalordnung zurückhaltend gegliedert. Die Anlage wurde vor wenigen Jahren für eine Nutzung als Seniorenheim saniert, die Dächer ausgebaut und ein moderner Bauteil am benachbarten Schulbau hinzugefügt.

Schulbau zur Jahrhundertwende

Ehemalige 1. Gemeindeschule

In den Jahren 1902 bis 1907 wurde nach den Plänen des damaligen Stadtbaurats Ludwig Hoffmann auf dem letzten freien Bauplatz der Parzellen Nr. 12 am Koppenplatz die 1. Gemeindeschule, in der heute die 4. Grundschule untergebracht ist, errichtet. Das Gebäude besteht aus einem Hauptflügel an der Straße und zwei Seitenflügeln, die den Schulhof umschließen. Der Schulbau wurde mit einer glatten Putzfassade ausgeführt, deren einziger bauplastischer Schmuck aus dem steinernen Portal und vier steinernen Kartuschen besteht. Der Mittelteil des Haupthauses mit der zentralen Aula, die heute als Theaterraum genutzt wird, ist etwas höher ausgebildet und wird durch ein mit Fledermausgauben versehenes, abgewalmtes Mansarddach betont, das mit einem Dachreiter bekrönt ist. Letzterer ist mit Kupferblechen bekleidet und enthält die Schuluhr, die in Richtung des Platzes weist. 26 Fensterachsen mit schmalen, hohen Fenstern gliedern die Hauptfassade teils durch paarweise Anordnung, teils durch Bündelung in Fünfergruppen. Während sich die markante Dachform und der bauplastische Schmuck am Barock orientieren, verweist die Fensteranordnung strukturell auf den seinerzeit modernen, geometrischen Jugendstil, was das Gebäude zu einem eigenwilligen Zwitter zwischen historistischer und moderner Architektur macht. Das Gebäude wird derzeit (2006) umfassend saniert und ist wie die benachbarte Hollmannsche Wilhelminen-Amalien-Stiftung als Einzeldenkmal ausgewiesen.

Platzgestaltung

Auf dem Platz wurde vor 1900 eine Grünanlage von Hermann Mächtig angelegt, die 1927 durch den Gartenarchitekten Erwin Barth mit einem Park neu gestaltet und in den 1930er Jahren abermals verändert wurde.

In den Jahren 1940/1941 wurden unter dem Koppenplatz auf Anraten des Bezirksbürgermeisters zwei Schutzbunker errichtet. Angelegt wurden diese zum Schutz von als strategisch wichtig angesehenen Personen, die Arbeiten wurden von französischen Kriegsgefangenen erledigt. Die Fertigstellung erfolgte am 7. November 1941 und nach Angaben des Bürgermeisters an die NSDAP-Ortsgruppe „sind für die äußere Gestaltung der Bunker erheblich größere Aufwendungen gemacht worden als für alle anderen gleichartigen Bauten“[5]. In den Jahren 1950/51 wurden beide Zugänge zu den Bunkern wieder zugeschüttet, selbige bestehen allerdings bis heute unter der dadurch leicht erhöhten Parkanlage Koppenplatz.

Zu DDR-Zeiten wurde die südliche Hälfte des Platzes in einen Spielplatz umgewandelt. Die Neugestaltung des Platzes erfolgte 1990/1991, wobei der Spielplatz beibehalten und nur auf der nördlichen Platzhälfte ein kleiner Park angelegt wurde, der sich an der Anlage von Erwin Barth aus den Zwanziger Jahren orientiert.

Heutige Bebauung

Der Armenfriedhof auf einer Karte von 1910[6]

Der Koppenplatz besteht heute aus dem kleinen, zentralen Park mit Kinderspielplatz sowie aus den Straßen und ihrer Bebauung, die den Platz im Westen, Osten und Süden begrenzen.

Zur heutigen Bebauung der Ostseite des Platzes gehören vor allem Miets- bzw. Wohnhäuser, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaut wurden. Die Westseite wird eingenommen von dem dreiteiligen Gebäude der Hollmannschen Wilhelminen-Amalien-Stiftung, heute als Seniorenheim genutzt, sowie der von Ludwig Hoffmann errichteten ehemaligen 1. Gemeindeschule. Neben der Schule befindet sich an der Fassade des Nachbarhauses das Koppendenkmal, welches durch einem niedrigen Zaun eingefriedet ist. An der Südseite hebt sich die rotgeklinkerte Rückseite der BEWAG-Unterstation, deren Front zur Auguststraße weist, von der umgebenden Wohnbebauung ab.

Denkmäler und Skulpturen

Denkmal Der verlassene Raum

Der Platz ist von zahlreichen Baudenkmälern gesäumt. Die Hollmannsche Wilhelminen-Amalien-Stiftung, das Schulgebäude, sowie das Mietshaus Nr. 6 stehen als Einzeldenkmale unter Denkmalschutz. Daneben ist der zum Stiftungsgebäude gehörende Garten als Gartendenkmal ausgewiesen. Die Mietshäuser 1, 2, 5 und 7-10 gehören dem Denkmalensemble Spandauer Vorstadt an und auch der Stadtplatz mit seinem Park ist als Teil dieses Ensembles unter Denkmalschutz gestellt. In ihm finden sich die Skulptur „Geschwister“ und das „Denkmal Der verlassene Raum“.

Die Bronzeskulptur „Geschwister“ wurde 1968 von dem Bildhauer Karl Lemke entworfen und ausgeführt. Sie steht auf dem Spielplatz des Koppenplatzes und stellt ein unbekleidetes Geschwisterpaar dar, das miteinander spielt. Dabei hockt der Junge auf allen Vieren und lässt seine Schwester auf seinem Rücken reiten, wobei beide sich anschauen.

Das „Denkmal Der verlassene Raum“ wurde 1991 von dem Bildhauer Karl Biedermann und der Gartenarchitektin Eva Butzmann[7] konzipiert und aus Bronzeguss errichtet. Es besteht aus einer Bodenplatte, die einen Fußboden darstellt, sowie einem Tisch und zwei Stühlen, von denen einer umgefallen ist. Das Denkmal soll an Deportation der zahlreichen Juden aus dem Scheunenviertel während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland erinnern.

Quellen

Zitierte Quellen

  1. aus Hübner und Oehmig 2003
  2. Karl Gutzkow: Aus der Knabenzeit, 1852; zitiert nach Steglich et al. 1994, Seite 83
  3. Karl Gutzkow: Aus der Knabenzeit, 1852; zitiert nach Steglich et al. 1994, Seite 84
  4. nach Hübner und Oehmig 2003, Seite 105
  5. aus einem Brief des Bürgermeisters an die NSDAP, zitiert nach Steglich et al. 1994, Seite 84
  6. Straube's Übersichtsplan von Berlin, 1910 (Neuauflage Edition Gauglitz 2003)
  7. Wolfgang Feyerabend, Thomas Raschke und Veit Stiller: Durch das Scheunenviertel und die Spandauer Vorstadt. Haude & Spener, Berlin 2004

Literatur

  • Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke: Berliner Bezirkslexikon Mitte. Edition Luisenstadt, Berlin 2001.
  • Klaus Hammer: Historische Friedhöfe in Berlin. Stattbuch Verlag, Berlin 1994.
  • Ulrike Steglich und Peter Kratz: Das falsche Scheunenviertel. Verlagsbuchhandlung Oliver Seifert, Berlin 1994, S. 83ff.
  • Volker Hübner und Christian Oehmig: Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Ein Kunst- und Denkmalführer. Michael Imhoff Verlag, Petersberg 2003, S. 13ff.
Commons: Koppenplatz – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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