St. Johannis (Altona)

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Der Turm von St. Johannis
St. Johannis, Ansicht von Südosten

Die evangelisch-lutherische Kirche St. Johannis in Hamburg-Altona ist ein neugotischer Kirchenbau von 1873. Sie gehört der Kirchengemeinde Altona-Ost im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Seit 1998 ist in ihren Räumen auch die Kulturkirche Altona beheimatet, gemeinnütziger Kulturveranstalter und Vermieter des Kirchenraumes im Auftrag der Kirchengemeinde Altona-Ost[1].

Geschichte und Beschreibung

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Im Zuge der nördlichen Stadterweiterung Altonas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in den neuen Wohngebieten Kirchenbauten benötigt. Sowohl für Hamburg als auch für Altona, das damals noch eine eigenständige und zu Schleswig-Holstein gehörende Stadt war, wurde Johannes Otzen als ausführender Architekt für viele der Neubauten verpflichtet, der mit seinen roten Backsteinkirchen in der Folgezeit ganze Stadtviertel prägte.

Trotz der starken Bevölkerungszunahme gab es jahrhundertelang in Altona neben der Trinitatiskirche nur die Heiliggeistkirche am Armenhaus. Die Gemeinde wünschte sich schon seit langem eine weitere Kirche. 1855, Altona hatte bereits mehr als 40.000 größtenteils evangelisch-lutherische Einwohner, forderte das königliche Ministerium der Herzogtümer Holstein und Lauenburg die Visitatoren der Propstei Altona auf, das Kirchspiel zu teilen. 1862 wurde die Abtrennung des Norderkirchspiels beschlossen.[2] Die Ausführung verzögerte sich bis nach dem Deutsch-Dänischen Krieg. 1866 wurde mit Henning Dohrn der erste Pastor bestimmt. 1867 wurde ein Wettbewerb für den Entwurf der neuen Kirche ausgeschrieben, zu dem 33 Pläne eingereicht wurde. Die Kommission entschied sich für den Entwurf von Johannes Otzen, obwohl dieser die vorgegebenen Baukosten deutlich überschritt.[3] Otzens Entwurf entsprach weitgehend dem Eisenacher Regulativ.[4]

1868 begann man endlich mit dem Bau der neuen „Norderkirche“ neben dem Friedhof Norderreihe (heute Wohlerspark) an der Allee (heute Max-Brauer-Allee). Dieses Grundstück hatte die Gemeinde bereits 1831 erstanden.[5] Gebaut wurde eine schlichtere, kostengünstigere Form von Otzens ursprünglichen Entwurf. Am 3. April 1873 wurde die Kirche eingeweiht.

Blick von der „Allee“ über die Häuserdächer zum Kirchturm, um 1900

Die neogotische Kirche ist in dem für die Hamburger und Altonaer Kirchenbauten der Gründerzeit typischen gelben, glasierten Backstein als Basilika mit sehr niedrigen und schmalen Seitenschiffen und einer großen, zentralbauartigen Vierung ausgeführt. Das Innere ist vor allem durch die Verwendung von Backstein in verschiedene Farben gegliedert und bietet Platz für bis zu 600 Kirchenbesucher. Das ursprüngliche Inventar wurde passend zum Bau entworfen. Die Kirchenfenster und Ausmalung entwarf Michael Welter. Das Bildprogramm stellte die Heilsgeschichte dar.[6] Dem Zeitgeschmack entsprechend war der Gesamteindruck verhältnismäßig düster.

Der schlanke, 83 Meter hohe Turm war im Altonaer Stadtgebiet der höchste Bau. Der gemauerte Turmhelm musste wegen gravierender Baumängel 1885 abgebrochen und erneuert werden.[7] 1909 fand die erste große Renovierung unter Leitung von Otzen statt. Dabei wurde die Malerei erneuert und zum Teil verändert.

Die Johanniskirche war Pfarrkirche der Bevölkerung, aber auch Garnisonskirche. Während des „Dritten Reichs“ sammelten sich hier die Deutschen Christen,[8] weil der 1933 eingesetzte Pastor und Altonaer Propst Peter Schütt ein überzeugter Nazi war. Obwohl er Juden und Zeugen Jehovas denunziert hatte, blieb er bis 1946 an der Johanniskirche. Durch seinen Wechsel nach Bargteheide konnte er der Entnazifizierung entgehen.[9] Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Kirche schwere Schäden. Die Glasfenster wurden komplett zerstört. Reparaturen in den Nachkriegsjahren führten zu einer nüchternen Umgestaltung im Inneren. Diese Veränderungen wurden später größtenteils rückgängig gemacht und die Kirche erscheint heute wieder backsteinsichtig wie zu ihrer Erbauungszeit. Die Sanierungsarbeiten und der Umbau zur Kulturkirche erfolgten 1993 bis 1998 unter Leitung des Architekten Joachim Reinig. Die Ausmalung von 1909 wurde teilweise wieder freigelegt. Die alten Kirchenfenster wurden nicht wiederhergestellt; die heutigen Fenster von 1997 gestaltete die aus Südkorea stammende Hamburger Künstlerin Eun Nim Ro (1946–2022).

Während der Bauarbeiten wurden am 21. August 1994 Turm, Kirchenschiff und Orgel durch Brandstiftung eines Jugendlichen schwer beschädigt und teilweise zerstört. Die neu gegründete Kulturkirche Altona gGmbH als Kooperationspartner der Kirchengemeinde vermietet seitdem das Gebäude der Johanniskirche auch für kulturelle und kommerzielle Veranstaltungen, wie z. B. Konzerte, Lesungen, private Feiern, Fotoaufnahmen und Dreharbeiten. Über diese Vermietung werden Einnahmen erzielt, die zum Unterhalt des Gebäudes beitragen und für Entlastung im Gemeindeetat sorgen.

St. Johannis, Blick in den Kirchenraum zum Altar

Seit Januar 2011 führt die Kulturkirche Altona gGmbH auch eigene Veranstaltungen (Klassik, Jazz, Weltmusik, Lesungen) in der Kirche durch.

Seit 2007 gehört die Gemeinde St. Johannis, neben der Christophoruskirche und der Friedenskirche, zur neuen Gemeinde Altona-Ost.

2013 diente sie im Film Vom Fischer und seiner Frau aus der Reihe Sechs auf einen Streich als Kulisse für die Szene mit der Frau als Päpstin.

Blick auf die Orgel

Die neue Orgel wurde 1998 eingeweiht. Das dreimanualige Instrument wurde von der schweizerischen Firma Th. Kuhn im französisch-symphonischen Stil von Cavaillé-Coll gebaut. Die Orgel ist deshalb eine Besonderheit in der Hamburger Orgellandschaft und wird gern für Konzerte genutzt. Das Instrument verfügt über 48 Register auf Schleifladen. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch.[10][11]

I Grand Orgue C–g3

01. Montre 16′
02. Montre 08′
03. Flûte harmonique 08′
04. Gambe 08′
05. Bourdon 08′
06. Prestant 04′
07. Flûte 04′
08. Doublette 02′
09. Fourniture V 02′
10. Cornet V (ab f0) 08′
11. Trompette 08′
12. Clairon 04′
II Positif C–g3
13. Bourdon 16′
14. Montre 08′
15. Salicional 08′
16. Flûte 08′
17. Bourdon 08′
18. Prestant 04′
19. Flûte 04′
20. Nazard 0223
21. Doublette 02′
22. Tierce 0135
23. Plein Jeu IV 00 0113
24. Trompette 08′
25. Cromorne 08′
Tremblant
III Récit C–g3
26. Quintaton 16′
27. Flûte traversière 08′
28. Viole de Gambe 08′
29. Bourdon 08′
30. Voix céleste (ab c0) 08′
31. Flûte octaviante 04′
32. Octavin 02′
33. Plein Jeu V 02′
34. Basson 16′
35. Trompette harmonique 08′
36. Hautbois 08′
37. Voix humaine 08′
38. Clairon harmonique 04′
Tremblant
Pédale C–f1
39. Soubasse 32′
40. Montre 16′
41. Soubasse 16′
42. Violon 16′
43. Flûte 08′
44. Violoncelle 08′
45. Flûte 04′
46. Bombarde 0 16′
47. Trompette 08′
48. Clairon 04′

Im Turm hängen drei Glocken, die vom Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation gegossen wurden. Sie wurden 1872 gegossen und stellen eines der frühen Werke aus Bochum dar.[12]

Nr. Schlagton Gießer, Gussjahr Gewicht

(KG)

Durchmesser

(mm)

Material
1 ais0 Bochumer Verein (1872) 2500 1900 Stahl
2 d1 Bochumer Verein (1872) 1500 1600 Stahl
3 e1 Bochumer Verein (1872) 930 1330 Stahl
Denk- und Gegendenkmal

St. Johannis war die Garnisonskirche des nach dem Ersten Weltkrieg aufgelösten Infanterie-Regiments „Graf Bose“ (1. Thüringisches) Nr. 31. Für die Gefallenen wurde auf dem Vorplatz ein Denkmal aufgestellt und am 4. Oktober 1925 eingeweiht: eine 8,5 Meter hohe Stele der Architekten Esselmann & Gerntke aus Backstein und farbig glasierten Terrakotten im Stil des Hamburger Backsteinexpressionismus und heldenhaft dargestellten Kriegerskulpturen des Bildhauers August Henneberger; die Bauausführung oblag John Kriegeris. Die Widmungsinschrift

„Den Gefallenen zum dankbaren Gedächtnis, den Lebenden zur Mahnung, den kommenden Geschlechtern zur Nacheiferung“[13]

folgt – wie bei zahllosen Kriegerdenkmälern des 19. und 20. Jahrhunderts – derjenigen des Nationaldenkmals auf dem Berliner Kreuzberg.[14]

1996 wurde die Stele durch die Kirchengemeinde St. Johannis in Zusammenarbeit mit einem studentischen Projekt des Fachbereichs Gestaltung der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg um ein Gegendenkmal erweitert. Es besteht aus drei großen gläsernen Tafeln des Altonaer Künstlers Rainer Tiedje, die ausgemergelte, leidende Gestalten zeigen. Eine zerbrochene Tafel wurde 2009 von der schleswig-holsteinischen Künstlerin Wiebke Logemann ersetzt.[15] Dem Monument wurde so ein neuer Inhalt verliehen.[16]

Kulturkirche Altona

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Die KulturKirche Altona gemeinnützige GmbH wurde 2013 als „gemeinnützig“ und damit als Förderer von Kunst und Kultur in Hamburg anerkannt. Ihre Hauptaufgabe ist seit 2011 die Veranstaltung von jährlich ca. 20 bis 30 Kulturveranstaltungen, wie bspw. klassischen Konzerten, Pop & Rock, Singer-/Songwriter, Folk- und Weltmusik, Jazz, Lesungen, (Kinder)Theater, Poetry Slams bis hin zu Stummfilmkonzerten. Ihre Arbeit ist nicht gewinnorientiert und sie finanziert ihr hauseigenes Kulturprogramm vor allem über private Spenden.[17]

Daneben vermietet sie seit 1998 im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Altona-Ost das Gebäude der St.-Johannis-Kirche – als seinerzeit eine der ersten Kulturkirchen Deutschlands. Die Kirchengemeinde ging mit diesem Konzept der dualen Nutzung damals völlig neue Wege. Die Anmietung der Kirche ist möglich für private und öffentliche Veranstaltungen, wie bspw. Hochzeits- und Trauerfeiern, Geburtstage, Dreharbeiten etc. oder auch Kulturveranstaltungen kleiner und großer Veranstalter.[18]

Die Kirchengemeinde generiert durch die Vermietung der Kirche Einnahmen, die wesentlich zum Unterhalt des denkmalgeschützten Gebäudes beitragen. Und damit auch dazu, die Kirche bei zurück gehenden Kirchensteuereinnahmen weiterhin in der Gemeinde und für die gemeindliche Nutzung (er)halten zu können.[19]

  • F. Grundmann, T. Helms: Wenn Steine predigen – Hamburgs Kirchen vom Mittelalter zur Gegenwart. Medien Verlag Schubert, Hamburg 1993, ISBN 978-3-929229-14-1
  • Andreas von Rauch, Ulrike Wendland: Die Kirche St. Johannis in Hamburg-Altona. Ein evangelisch-lutherischer Kirchenbau des 19. Jahrhunderts. Schriftenreihe Denkmalpflege der Kulturbehörde Hamburg, 1995; gemeinde-altona-ost.de (PDF; 8,8 MB); abgerufen am 25. November 2018.
  • Kulturkirche Hamburg GmbH (Hrsg.) unter Mitarbeit von Jürgen Franzke, Ulrich Hentschel, Joachim Reinig, Ilse Rüttgerodt-Riechmann: „… auf dass mein Haus voll werde“ Kulturkirche St.Johannis in Hamburg-Altona. Kirche öffnen – Profil gestalten. Lutherische Verlagsgesellschaft, Kiel 2012, ISBN 978-3-87503-153-9
Commons: St. Johannis (Altona) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. https://kulturkirche.de/kirche/
  2. Andreas von Rauch, Ulrike Wendland: Die Kirche St. Johannis in Hamburg-Altona. Ein evangelisch-lutherischer Kirchenbau des 19. Jahrhunderts, Schriftenreihe Denkmalpflege der Kulturbehörde Hamburg, 1995, S. 12
  3. Andreas von Rauch, Ulrike Wendland: Die Kirche St. Johannis in Hamburg-Altona. Ein evangelisch-lutherischer Kirchenbau des 19. Jahrhunderts, Schriftenreihe Denkmalpflege der Kulturbehörde Hamburg, 1995, S. 15
  4. Andreas von Rauch, Ulrike Wendland: Die Kirche St. Johannis in Hamburg-Altona. Ein evangelisch-lutherischer Kirchenbau des 19. Jahrhunderts, Schriftenreihe Denkmalpflege der Kulturbehörde Hamburg, 1995, S. 50f
  5. Andreas von Rauch, Ulrike Wendland: Die Kirche St. Johannis in Hamburg-Altona. Ein evangelisch-lutherischer Kirchenbau des 19. Jahrhunderts, Schriftenreihe Denkmalpflege der Kulturbehörde Hamburg, 1995, S. 13f
  6. Andreas von Rauch, Ulrike Wendland: Die Kirche St. Johannis in Hamburg-Altona. Ein evangelisch-lutherischer Kirchenbau des 19. Jahrhunderts, Schriftenreihe Denkmalpflege der Kulturbehörde Hamburg, 1995, S. 32
  7. Andreas von Rauch, Ulrike Wendland: Die Kirche St. Johannis in Hamburg-Altona. Ein evangelisch-lutherischer Kirchenbau des 19. Jahrhunderts. In: Schriftenreihe Denkmalpflege der Kulturbehörde Hamburg, 1995, S. 32
  8. Geschichte der Johanniskirche
  9. Benjamin Hein: Peter Schütt.
  10. Immo Wesnigk, Hartmut Imbt, Lüder Schmidt, Friedrich Jakob, Hans-Peter Keller, Wolfgang Zerer, Fulbert Steffensky: Die Kuhn-Orgel in der St. Johanniskirche Altona. Festschrift. Hamburg-Altona 1998.
  11. Informationen zur Orgel auf Organ index. Abgerufen am 6. April 2023.
  12. Hamburg-Altona [D.] - Die Glocken der Kulturkirche St. Johannis, Einzel-&Vollgeläut (Turmaufnahme). Abgerufen am 9. Juli 2022.
  13. Kriegerdenkmal St. Johannis Altona. Denkmalprojekt.org
  14. Die dortige Inschrift hatte August Boeckh verfasst: „Den Gefallenen zum Gedächtnis, den Lebenden zur Anerkennung, den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung“. Kathrin Chod: Nationaldenkmal auf dem Kreuzberg. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Friedrichshain-Kreuzberg. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2002, ISBN 3-89542-122-7 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009). parlament-berlin.de (Memento des Originals vom 11. März 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.parlament-berlin.de
  15. einbildweiter (Memento des Originals vom 5. November 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.einbildweiter.de abgerufen am 9. März 2011
  16. Wegweiser zu Stätten der Erinnerung an die Jahre 1933 bis 1945 (Memento des Originals vom 2. März 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gedenkstaetten-in-hamburg.de aktualisierte zweite Auflage 2008; abgerufen am 15. Oktober 2010
  17. https://kulturkirche.de/kirche/
  18. https://www.gemeinde-altona-ost.de/johanniskirche/ueber-die-kirche.html
  19. https://kulturkirche.de/kirche/

Koordinaten: 53° 33′ 35″ N, 9° 57′ 11″ O