Lacrymaria olor
Lacrymaria olor | ||||||||||||
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Lacrymaria olor im Debris[A. 1] wühlend mit ausgefahrenem „Rüssel“ | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Lacrymaria olor[1][2][3] | ||||||||||||
(O. F. Müller 1786) |
Lacrymaria olor ist eine Art (Spezies) von Wimperntierchen, die in Süßwasserteichen vorkommt und typischerweise eine Länge von 0,1 mm aufweist. Die Erstbeschreibung wird Otto Friedrich Müller 1786 zugeschrieben, der die Art ursprünglich Vibrio olor[A. 2] nannte.[4]
Etymologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Gattungsname Lacrymaria ist abgeleitet vom lateinisch lacrima ‚Träne‘, das Art-Epitheton ist ebenfalls lateinisch olor ‚Schwan‘. Der Artname bedeutet also etwa „Schwanenträne“, was sich auf die allgemeine Form dieser Einzeller bezieht: eine tropfenförmige Zelle mit einem kleinen „Kopf“ am Ende eines langen, schlanken „Halses“.[4]
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Zellen von Lacrymaria olor zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, ihren „Hals“ (englisch neck, auch als „Rüssel“, engl.-wissenschaftlich proboscis, bezeichnet) bis zum Dreißigfachen der Körperlänge (d. h, bis auf ca. 1,2 mm) ausstrecken zu können.[5][6] Die schnellen Schwimmer gelten daher als die „Loch-Ness-Monster“ unter den im Wasser lebenden Protozoen.[7] Um Nahrung aufzufangen können sie zudem den „Hals“ sehr schnell in viele Richtungen bewegen - auch um Hindernisse herum.[5][6] Eine solche Ausdehnung ist nicht an und für sich ziemlich einzigartig, aber die Fähigkeit des Organismus, diese Ausdehnung schnell und wiederholt durchzuführen, hebt ihn von völlig anderen ab.[6][8] Wie 2024 beschrieben, ist der diesem „zellulären Origami“ von L. olor zugrunde liegende molekulare Mechanismus offenbar eine spiralförmige Anordnung von Mikrotubuli, die wie eine Nürnberger Schere funktioniert – bis dato einzigartig unter den Organismen.[6][6]
L. olor hat normalerweise zwei Makronuklei und einen einzigen Mikronukleus. Der gesamte Zellkörper ist mit spiralförmig angeordneten Flimmerhärchen (Zilien) bedeckt. Es gibt zwei kontraktile Vakuolen, eine an jedem Ende des Körpers, dazu kommen kleine doppelbrechende Kristalle.[5]
Kultivierung, Reproduktion und Regeneration
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lacrymaria olor lässt sich leicht in vitro vermehren, aber kultivierte Populationen sind schwierig auf Dauer zu erhalten.[5]
L. olor kann sich geschlechtlich vermehren, wobei jedes Individuum zu verschiedenen Tageszeiten eine von zwei Paarungsarten („Geschlechter“) annimmt. Die Spezies kann sich auch ungeschlechtlich vermehren, möglicherweise nach einer internen Umstrukturierung ihres Genoms. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass dieser Mechanismus nach einer bestimmten Anzahl direkt aufeinander folgender ungeschlechtlicher Generationen nicht mehr funktioniert. Die Zellen können auch innerhalb von Minuten einen neuen „Kopf“ regenerieren, wenn der ursprüngliche abgeschnitten wurde.[5]
Ernährung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]L. olor ernährt sich wie auch die anderen Arten der Gattung Lacrymaria hauptsächlich von kleineren Mikroorganismen wie anderen Wimpertierchen, Flagellaten und Amöben, sie können aber manchmal auch Stücke aus größeren Wimpertierchen herausreißen.[5]
Bildergalerie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Debris: organisches Material, das im Wasser zu Boden sinkt und einen wesentlichen Faktor in der Nahrungskette bildet
- ↑ Der Gattungsname Vibrio bezeichnet jedoch bereits die Bakteriengattung der Vibrionen, zu denen der Cholera-Erreger Vibrio cholerae gehört.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Pseudomonilicaryon anser – Die unterschiedliche Position des Zellmunds verweist auf eine in Teilen konvergente Entwicklung des „Rüssels“ bei unterschiedlicher Verwandtschaft der beiden Spezies.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ NCBI Taxonomy Browser: Lacrymaria olor (species).
- ↑ WoRMS: Lacrymaria olor O.F. Müller, 1776.
- ↑ OBIS: Lacrymaria olor O.F. Müller, 1776 (Species).
- ↑ a b Henry Baldwin Ward, George Chandler Whipple: Fresh-Water Biology. 1. Auflage. John Wiley & Sons, London 1918, S. 274, doi:10.5962/bhl.title.57134 (englisch).
- ↑ a b c d e f Richard L. Howey (Text), Ken Jones: (Video): Tear of a swan. In: Micscape, 4. August 2024, ISSN 1365-070X (englisch).
- ↑ a b c d e
Eliott Flaum, Manu Prakash: Curved crease origami and topological singularities enable hyperextensibility of L. olor. In: Science, Band 384, 7. Juni 2024, S. 1084; doi:10.1126/science.adk5511 (englisch). Dazu:
- Andrew Myers: The first example of cellular origami. Auf: StanfordReport, Stanford University, 6. Juni 2024
- Erin Garcia de Jesús: This protist unfolds its ‘neck’ up to 30 times its body length to scout prey. In: Science News, Band 206, Nr. 1, 13. Juli 2024S. 4; Epub 27. Juli 2024.
- Bending the Rules of Biology: Stanford Scientists Unveil Cellular Origami in Microscopic Predators. Auf: SciTechDaily vom 7. Juli 2024.
- ↑ Picturepest: Datei:Lacrymaria olor (8122155639).jpg.
- ↑
Leonardo Gordillo, Enrique Cerda: A tiny, long-distance hunter – Lacrymaria olor cytoskeleton and membrane “origami” enables rapid cell hyperextension. In: Science, Band 384, Nr. 6700, 6. Juni 2024, S. 1064–1065; doi:10.1126/science.adn9351 (englisch). Dazu:
- Tiny Predator Astonishes With Neck That Stretches 30 Times Its Length. Auf: SciTechDaily vom 17. Juni 2024.
- ↑ Max Verworn: General physiology; an outline of the science of life. London, Macmillan and co., limited. Siehe Fig. 252 (archive.org).