Leberecht von Kotze

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Leberecht von Kotze, etwa 1895

Hans Louis Karl Leberecht von Kotze, Taufname und Eigenschreibung Lebrecht von Kotze, (* 6. Juni 1850 in Berlin; † 13. September 1920 ebenda) war ein preußischer Kammerherr und Hofzeremonienmeister am deutschen Kaiserhof. Zu Unrecht wurde er in der sogenannten Kotze-Affäre als Intrigant verdächtigt. Ferner war er Rittmeister und Rechtsritter des Johanniterordens.

Militärische Laufbahn und Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Er war der Sohn des Majors Ludwig von Kotze (1811–1876) und dessen Ehefrau Klara, geborene Krause (* 1827). Vor seiner Tätigkeit am kaiserlichen Hof absolvierte Kotze eine militärische Laufbahn bei der Kavallerie des preußischen Heeres und schied als Rittmeister aus dem aktiven Dienst.

Am 8. Januar 1879 heiratete er in Friedrichsfelde Elisabeth von Treskow (1860–1922). Das Paar hatte eine Tochter, Ursula von Kotze (1883–1971).[1]

Nach ihm benannte Kotze-Affäre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kotze, als Zeremonienmeister am Berliner Hof eine Art „Showmaster des Kaisers“[2], wurde aufgrund fragwürdiger Indizien verdächtigt, Urheber der pornographischen Briefe zu sein, die seit 1891 bei Mitgliedern der Berliner Hofgesellschaft und Angehörigen des preußischen Königshauses eingingen. Die daraufhin eingeleiteten Untersuchungen konnten seine Schuld jedoch nicht feststellen, und im folgenden Militärgerichtsverfahren wurde er mangels Beweisen freigesprochen. Da einige Mitglieder der Hofgesellschaft die Ermittlungen auf eigene Faust fortsetzten, forderte er 1895 Genugtuung und duellierte sich mit den beiden Hauptverantwortlichen Karl von Schrader und Hugo von Reischach. 1896 kam es zu einem weiteren Duell zwischen von Kotze und von Schrader, bei dem von Schrader getötet wurde.

Ein Militärgericht verurteilte Kotze daraufhin im Juni 1896 wegen „Tötung im Zweikampf“ zu zwei Jahren und drei Monaten Festungshaft. Bereits nach wenigen Monaten wurde der auf der Festung Glatz inhaftierte Kotze vom Kaiser begnadigt. Infolge des Skandals ging seine Ehe in die Brüche.[1] Schließlich zog sich Kotze auf sein Gut in Schreiberhau im Riesengebirge zurück.

1996 hat der deutsche Historiker Tobias C. Bringmann nach Archivfunden u. a. im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz erstmals seit 100 Jahren die Affäre um Leberecht von Kotze aufgearbeitet[3] und in seiner Freiburger Dissertation wissenschaftlich beleuchtet und bewertet. Seither sind verschiedene populärwissenschaftliche Betrachtungen erschienen. Kurz danach beschäftigte sich auch der englische Historiker John C. G. Röhl in seiner großen Biografie über Kaiser Wilhelm II. ausführlich mit der Kotze-Affäre, wobei er bei identischer Hinleitung am Ende in der Urheberfrage der anonymen Schreiben zu einem anderen Ergebnis kommt als Bringmann. Es bleibt eine Beweisführung nach Indizien und kann bis heute nicht zweifelsfrei belegt werden. Gesichert scheint, dass es der für die Affäre namensgebende Leberecht von Kotze nicht gewesen sein konnte. Das belegen sowohl Bringmanns als auch Röhls Forschungsarbeiten.

Tod und Grabstätte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leberecht von Kotze starb 1920 im Alter von 70 Jahren in Berlin und wurde auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg beigesetzt. Das Grab ist nicht erhalten.[4]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Tobias C. Bringmann: Reichstag und Zweikampf. Die Duellfrage als innenpolitischer Konflikt des Kaiserreichs 1871–1918. Freiburg 1996, ISBN 3-8107-2249-9.
  • Nils Klawitter: Gruppensex im Grunewald. In: Der Spiegel Geschichte. Nr. 2, 2011, S. 108 f.
  • Fritz Friedmann: Der deutsche Kaiser und die Hofkamarilla. Schmidt, Zürich 1896.
  • Wilhelm II. und die Revolution von oben. Der Fall Kotze. Des Rätsels Lösung. Cäsar Schmidt, Zürich 1896. Online
  • John Röhl: Die Kotze-Affäre. In: Wilhelm II. Der Aufbau der persönlichen Monarchie. C. H. Beck, München 2001, S. 741 ff.
  • Wolfgang Wippermann: Skandal im Jagdschloss Grunewald. Primus Verlag, Darmstadt 2010. ISBN 3-89678-810-8.
  • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. 1905. Sechster Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1904, S. 399.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Familienverband der Familie v. Treskow
  2. Nils Klawitter: Gruppensex im Grunewald. In: Der Spiegel Geschichte. Nr. 2, 2011, S. 108.
  3. Der Spiegel. 35/2010 vom 30. August 2010, S. 112.
  4. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Grabstätten. Haude & Spener, Berlin 2006. S. 304.