MV Werften Wismar

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MV Werften Wismar
Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründung 1946 (als VEB Mathias-Thesen-Werft)
Sitz Wismar, Deutschland
Mitarbeiterzahl ca. 1200
Branche Schiffbau
Website www.mv-werften.com/de/wismar/
MV Werften Wismar, 2018

Die MV Werften Wismar (zuvor bis 2016 Nordic Yards Wismar, bis 2009 Wadan Yards MTW, bis 2008 Aker MTW Werft, bis 1998 MTW Schiffswerft und bis 1992 Mathias-Thesen-Werft) in Wismar ist eine Kompaktwerft des Unternehmens MV Werften, deren ursprünglicher Name VEB Mathias-Thesen-Werft Wismar dem 1944 im KZ Sachsenhausen ermordeten kommunistischen Reichstagsabgeordneten Mathias Thesen gewidmet war. Sie wurde in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in mehreren Schritten an der Wismarer Bucht errichtet.

Die Werft beschäftigt noch etwa 700 Mitarbeiter, vor der Krise im Schiffbau waren es 1300. Sie ist somit einer der größten Arbeitgeber Wismars. Zu den neu gebauten Anlagen in Wismar gehört auch das überdachte Baudock, dessen Halle 72 m hoch, 155 m breit und über 395 m lang ist.

Seit März 2016 gehört die Werft zum malaysisch-chinesischen Schifffahrtunternehmen Genting Hong Kong. Genting gründete die neue MV Werften, die künftig die Standorte Wismar, Warnemünde und Stralsund mit derzeit zusammen gut 1.700 Beschäftigten umfasst.

Geschichte

Helling der Mathias-Thesen-Werft, 1982

Am 27. April 1946 wurde in Wismar ein Schiffsreparaturwerk der Roten Armee gegründet, das am 1. Januar 1947 an die deutsche Landesverwaltung übergeben wurde. Nach Übernahme der alten Hanse-Werft, der Einbindung der Gelände der ehemaligen „Hafenschmiede“ und der Bootswerft „Schröder und Schackow“ wurde der entstandene Volkseigene Betrieb zum 31. Oktober 1951 in VEB Mathias-Thesen-Werft Wismar (VEB MTW) umbenannt. 1959 erfolgte die Zusammenfassung der MTW und anderer Schiffbaubetriebe in der Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Schiffbau. Die allgemein im industriellen Sektor der DDR zu beobachtende Ausbildung konzernartiger Organisationsstrukturen setzte sich 1979 mit der Umwandlung der VVB Schiffbau in das Kombinat Schiffbau Rostock weiter fort.

Seit den 1950er Jahren wurde eine Vielzahl von Hochseeschiffen für die Handels- und Fischfangflotte der DDR, anderer Länder des RGW und den internationalen Markt gefertigt. 1960 lief der einzige Neubau eines Kreuzfahrtschiffes in der DDR, die Fritz Heckert, in Wismar vom Stapel.

Von 1982 bis 1985 fanden umfangreiche Modernisierungen statt, um die Werft auf den aktuellen technischen Stand zu bringen.

Im Zuge der Wirtschaftsreformen in der DDR wurde am 1. Juni 1990 die Mathias-Thesen-Werft Wismar GmbH gegründet. MTW gehörte jetzt zur Deutsche Maschinen- und Schiffbau AG (DMS). Nach der 1992 erfolgten Umbenennung in MTW Schiffswerft GmbH, MTW jetzt für Meerestechnik Wismar, folgte im August 1992 die Übernahme durch die Bremer Vulkan Verbund AG.

Von 1994 bis 1998 fanden Modernisierungen durch Investitionen in Höhe von ca. 1 Milliarde DM statt, obwohl der Bremer Vulkan 1996 Konkurs anmelden musste. Am 1. Mai 1998 übernahm der norwegische Konzern Aker RGI die Werft, die fortan den Namen Aker MTW trug. Etwa ab der Integration des Kvaerner-Konzerns in die bestehende Unternehmensgruppe Aker Yards (2002) kooperieren die ehemalige Kvaerner Warnow Werft Rostock GmbH und die Aker MTW Werft unter dem Namen Aker Ostsee.

Aker MTW Wismar, 2006

2008 verkaufte Aker Yards die Mehrheit an einen russischen Finanzinvestor. Die Transaktion trat rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft und ab dem 22. September firmierten die Werften als Wadan Yards.[1]

Am 5. Juni 2009 stellten die deutschen Unternehmensteile der Wadan Yards Group AS, darunter auch die Wadan Yards MTW GmbH in Wismar, Insolvenzanträge beim Amtsgericht Schwerin. Zum Insolvenzverwalter wurde der Schweriner Anwalt Marc Odebrecht, Mitglied der Kanzlei Brinkmann & Partner bestellt. Mitte August 2009 konnte der Insolvenzverwalter einen Investor präsentieren, der auch die Wismarer Werft übernahm. Der Leiter des Moskauer Nordstream-Büros Witali Jussufov (russisch: Виталий Юсуфов, englische Transkription: Vitaly Yusufov), Sohn des früheren russischen Energieministers und Gazprom Aufsichtsrats Igor Jussufow (Игорь Юсуфов, Igor Yusufov), erwarb die Vermögensgegenstände der deutschen Wadan-Unternehmensteile über die durch ihn ins Leben gerufene Nordic Yards für etwa 40,5 Millionen Euro. Die nach wie vor insolventen deutschen Wadan Yards-Teile sind nach dem Verkauf aller Vermögensgegenstände eine juristische Hülle, über die die Wadan-Gläubiger abgefunden werden.[2]

Im Oktober 2009 wurde die Arbeit im Betrieb wieder aufgenommen, neue Aufträge standen aber zunächst aus.[3] Erst 2010 konnte man mit dem Bau eines für arktische Verhältnisse entworfenen Tankschiffs des Typs Nordic AT 19 für das russische Unternehmen MMC Norilsk Nickel im Wert von ca. 100 Mio. Euro beginnen.[4] Seit 2010 engagiert sich das Unternehmen im Offshore-Bereich mit dem Bau von Plattformen[5] und Spezialschiffen[6]. Im Dezember 2012 erhielt die Werft einen russischen Staatsauftrag über den Bau zweier eisbrechender Rettungs- und Bergungsschiffe für die Arktis.[7]

Der Regisseur Dieter Schumann begleitete das Abrutschen des Unternehmens samt seinen Mitarbeitern in die Insolvenz sowie die Rettungsmanöver, die aus ihr herausführen sollten, in seinem Film „Wadans Welt“. Dieser hatte am 22. Oktober 2010 im Rahmen des 53. Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm seine Uraufführung.[8]

Im März 2016 erwarb das malaysisch-chinesische Schifffahrtunternehmen Genting Hong Kong die Nordic Yards zu einem Kaufpreis von 230 Millionen Euro,[9] die Werft in Wismar wurde dabei mit 108,5 Millionen Euro bewertet.[10] Zusammen mit der Lloyd Werft Bremerhaven sollten die Werften in Wismar, Warnemünde und Stralsund unter dem Namen "Lloyd Werft Group" firmieren und Kreuzfahrtschiffe fertigen.[11] Im Juli 2016 wurde allerdings die Gründung der MV Werften bekanntgegeben, deren Sitz sich in Wismar befindet. Der Kreuzfahrtschiffbau soll nun ausschließlich auf den MV Werften erfolgen.

Am 20. März 2020 wurde die Fertigung der aktuellen Schiffbauprojekte ausgesetzt die Werft vorübergehend geschlossen. Begründet wurde dies mit den Einschränkungen im Betriebsablauf aufgrund der COVID-19-Pandemie.[12] Der Norddeutsche Rundfunk berichtete, dass die Werftengruppe Probleme damit hätte, Rechnungen für das zweite Kreuzfahrtschiff der Global-Klasse und die Expeditionsjacht Crystal Endeavor zu begleichen, die auf den Standorten in Warnemünde und Stralsund entstehen; MV Werften habe sich an die KfW gewandt und Liquiditätshilfen aus dem Corona-Sonderprogramm beantragt.[13]

Produkte

Faltboote

Faltboot Delphin 140 als Motorfaltboot

Im Rahmen der Konsumgüterproduktion wurden bei MTW unter anderem Faltboote hergestellt. Bekannt sind neben den Kajaks der Kolibri-Serie vor allem die zerlegbaren Segel-, Motor- und Ruderboote mit dem Namen Delphin.

Von 1954 bis 1990 entstanden am Standort Kanalstraße in Wismar etwa 75.000 Faltboote, die nicht nur in der DDR, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern verkauft wurden und bis heute auf dem Wasser anzutreffen sind. Am häufigsten wurde mit über 16.000 Einheiten der Kolibri IV hergestellt. Auf die niedrigste Stückzahl (wahrscheinlich weniger als 100) kommt der Katamaran Scalare 250, mit 200 kg wahrscheinlich das schwerste jemals gebaute Faltboot.[14]

Modell Bauzeitraum Typ
Delphin 110 1954–1989 Mehrzweck-Jolle
Delphin 85 1954–1963 Kajak-Zweier
Kolibri I 1955–ca. 1963 Kajak Kompaktzweier
Scalare 250 1962 Katamaran
Kolibri II ca. 1964–ca. 1968 Kajak Kompaktzweier
Delphin 130 "Pirat" 1964–ca. 1968 Mehrzweck-Jolle
Delphin 140 1966–1987 Mehrzweck-Jolle
Kolibri III ca. 1968–1989 Kajak Kompaktzweier
Faltruderboot 1978–ca. 1984 Ruderjolle
Kolibri IV 1983–1989 Kajak Kompaktzweier
Delphin 150 1988–1989 Mehrzweck-Jolle
Kolibri Tramp 1989–1990 Kajak Kompaktzweier

Schiffe

Literatur

  • Rolf Bartusel: Delphin, Kolibri und Scalare. Die turbulente erste Dekade des MTW-Faltbootbaus, in: Zeitgeschichte Regional, Nr. 2/2010 (14. Jg.), S. 34–38, ISSN 1434-1794
  • Dietrich Strobel, Günter Dame: Mit MTW zur See. Schiffbau in Wismar, Rostock 1996, ISBN 3-356-00660-6
Commons: MV Werften Wismar – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. NDR: Aker-Werften heißen jetzt Wadan Yards (Memento vom 25. September 2008 im Internet Archive), vom 22. September 2008
  2. Landesregierung stimmt Werft-Verkauf zu bei focus.de, 17. August 2009
  3. Wadan Werften – rot ist die Hoffnung (Memento vom 28. Oktober 2009 im Internet Archive) bei ftd.de, 26. Oktober 2009
  4. Tanker Nordic AT 19 verlässt Wismar für die Probefahrt
  5. Pressemeldung Nordic Yards liefert Offshore-Umrichterplattform BorWin Beta für Siemens Energy@1@2Vorlage:Toter Link/www.nordicyards.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. vom 1. Juli 2010
  6. Pressemeldung Nordic Yards präsentiert neues Errichterschiff für Offshore-Projekte auf der Baltic Future in Rostock@1@2Vorlage:Toter Link/www.nordicyards.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. vom 4. Mai 2011
  7. Pressemeldung Neue Aufträge für Nordic Yards@1@2Vorlage:Toter Link/www.nordicyards.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. vom 21. Dezember 2012
  8. Katalog des Leipziger Dokfilmfestivals 2010, S. 43, ISBN 978-3-932214-27-1
  9. Asiaten kaufen Nordic Yards in Mecklenburg-Vorpommern. 2. März 2016, abgerufen am 2. März 2016.
  10. Discloseable Transaction In Relation To The Acquisition of Shipyards in Germany. (PDF) In: Corporate Announcement. Genting Hong Kong, 2. März 2016, abgerufen am 9. April 2016.
  11. Positives Echo auf Nordic-Yards-Verkauf. 2. März 2016, abgerufen am 6. März 2016.
  12. mv-werften.de, Pressemitteilung vom 20. März 2020, abgerufen am 15. April 2020
  13. ndr.de, "Corona-Krise: MV Werften in Zahlungsschwierigkeiten", abgerufen am 15. April 2020
  14. www.mtw-faltboot.de, aufgerufen am 12. Juli 2013

Koordinaten: 53° 53′ 48″ N, 11° 26′ 11″ O