Vereinigung Volkseigener Betriebe
Die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) war eine Rechtsform in der Wirtschaft der DDR. VVBs entstanden mit der Einführung und dem schrittweisen Aufbau der sozialistischen Planwirtschaft in der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR ab 1948.
Eine VVB schloss mehrere volkseigene Betriebe einer Branche zusammen und bildete damit eine mittlere Steuerungsebene in der Planwirtschaft. Ziel der SED-Wirtschaftspolitik war es, durch die Bündelung und Koordination verschiedener VEBs Wirtschaftsprozesse vertikal und horizontal zu integrieren. Damit verbunden war zum einen die Hoffnung, eine wirkungsvollere Leitungsstruktur zu erhalten, mit der man wirtschaftspolitisch wichtige Beschlüsse besser implementieren konnte. Zum anderen wollte man Rationalisierungseffekte erzielen, also die Arbeitsteilung und die Rohstoffverteilung zwischen den Betrieben effektiver zu organisieren. Die fachliche Leitung der VVB lag in den Händen eines Generaldirektor (zunächst Hauptdirektor) und weiterer Fachdirektoren. Die wirtschaftspolitische Steuerung der VVB-Betriebe wurde über verschiedene übergeordnete Staats- und Parteistrukturen gesichert. Auf der Ebene der VVB und in den Einzelbetrieben existierten Betriebsparteiorganisationen der SED, die in allen wesentlichen Fragen der Betriebsführung, insbesondere Fragen der Personalpolitik ("Kaderpolitik"), mit entschieden.
In den unterschiedlichen Phasen der DDR-Wirtschaft verfügten die VVB über unterschiedliche Kompetenzen. Erstmals wurden sie mit dem Gründungsbeschluss Nr. 76 der SMAD als Teil der Staatswirtschaft eingeführt. Unter den Strukturen der DWK wurden anfangs rund 1.800 VEB gegründet und in 75 VVBs zusammengeschlossen. Diese Zahlen veränderten sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte der DDR stark. In den Gründungsjahren der DDR arbeiteten die VVB-Strukturen aber weitgehend erfolglos und ineffizient. Sie wurden deshalb Anfang der 1950er Jahre in die Hauptverwaltungen der entstehenden Industrieministerien der DDR-Regierung integriert. Nach mehreren Umstrukturierungen der ökonomischen Leitungsebenen wurden 1958 die Hauptverwaltungen erneut als eigenständige VVB-Strukturen ausgegliedert. Gerade in den Reformjahren des Neuen Ökonomischen Systems der 1960er Jahre erfuhren die VVB zeitweise eine Stärkung ihrer Kompetenzen. In der Ära Honecker, ab Beginn der 1970er Jahre, traten zunehmend neue Kombinatsstrukturen an ihre Stelle.
Zum Leitungspersonal der DDR-Wirtschaft und damit auch zu den VVBs liegen mittlerweile unterschiedliche Studien vor. Gerade in den Aufbau- und Anfangsjahren der SBZ/DDR tat sich die DDR-Regierung sehr schwer, geeignetes Leitungspersonal für VEBs und VVBs zu finden. In vielen Fällen griff sie deshalb auf Fachpersonal aus den Unternehmen und Branchenverbünden selbst zurück, in einigen Fällen auch auf Quer- und Seiteneinsteiger.[1] Die Suche nach solchen Direktoren gestaltete sich jedoch schwierig, was Anekdoten wie die des gelernten Buchhändlers Hasso Grabner illustrieren, der im Juni 1948 zum Hauptdirektor der Vereinigung zur Produktion und Verarbeitung von Roheisen, Stahl- und Walzwerkerzeugnissen gemacht wurde, obwohl er nach eigenen Aussagen zuvor noch nie ein Stahlwerk von innen gesehen hatte.[2] Erst Ende der 1950er und in den 1960er Jahren stabilisierte sich die Personalsituation mit dem Auftreten einer neuen Generation von Managern in der DDR-Wirtschaft.[3]
Liste von VVBs in der DDR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
VVB gab es in allen wichtigen Industriezweigen, zum Beispiel:
- VVB Armaturen und sanitäre Einrichtungen (SANAR)
- VVB Ausrüstungen für Bergbau und Schwerindustrie (ABUS)
- VVB Bauelemente und Vakuumtechnik (BuV), u. a. mit den folgenden Volkseigenen Betrieben:
- Elektronische Bauelemente Teltow,
- Funkwerk Erfurt (FWE),
- Halbleiterwerk Frankfurt (Oder) (HFO),
- Röhrenwerk Mühlhausen, bis 1945 Fabrik für Elektronenröhren der C. Lorenz AG,
- Röhrenwerk Neuhaus am Rennweg (RWN), bis 1945 Telefunken,
- Elektronikhandel Berlin, 1973 Übernahme von Teilen des Institutes elektronische Bauelemente und 1978 zum VEB Applikationszentrum Elektronik Berlin fusioniert,
- Zentrum für Forschung und Technologie Mikroelektronik Zentrum Mikroelektronik Dresden (ZMD) Dresden, zuvor Institut für Mikroelektronik Dresden (IMD) bzw. Arbeitsstelle für Molekularelektronik Dresden (AMD),
- Gleichrichterwerk Stahnsdorf,
- Gleichrichterwerk Großräschen,
- Werk für Fernsehelektronik (WF) Berlin-Oberschöneweide, im Behrensbau, bis 1951 Oberspreewerk (OSW), bis 1960 Werk für Fernmeldewesen
- Institut für Elektronische Bauelemente (IEB), 1973 teilweise in den Elektronikhandel Berlin integriert und 1978 zum VEB Applikationszentrum Elektronik Berlin fusioniert,[4]
- Uhrenwerke Ruhla
- Elektroglas Ilmenau,
- Elektromat Dresden,
- Hochvakuum Dresden,
- Spurenmetalle Freiberg
- Zellstoff-Papier-Pappe.
- Aus der VVB BuV gingen 1978 die Kombinate Mikroelektronik Erfurt und Elektronische Bauelemente Teltow hervor.
- VVB Buntmetall, später VVB Nichteisenmetall-Industrie
- VVB Chemiefaser und Fotochemie
- VVB Deutsche Spedition[5]
- VVB Druckerei- und Papierverarbeitungsmaschinen (POLYGRAPH)
- VVB Eisen Blech Metallwaren (EBM)
- Aus der VVB EBM ging 1951 das Kombinat Haushaltsgeräte Karl-Marx-Stadt hervor.
- VVB Elektrische Konsumgüter. Markenname war AKA electric.
- VVB Elektrogerätewerk Berlin N 54
- VVB Elektrogerätewerk Suhl
- VVB Elektromaschinen- und Anlagenbau (VEM)
- VVB Energie- und Kraftmaschinenbau (EKM)
- Görlitzer Maschinenbau
- VVB Fahrzeugbau (Industrieverband Fahrzeugbau, IFA)
- VVB Fahrzeugelektrik Ruhla
- VVB Flugzeugbau
- VVB Glasindustrie Weißwasser; später VVB Haushalt- und Verpackungsglas
- VVB Getriebe und Kupplungen
- VVB Guss- und Schmiedeerzeugnisse (GUS)
- VVB Haushalts- und Verpackungsglas, u. a. mit[6]
- VEB Beleuchtungsglaswerk Bischofswerda (Leitbetrieb)
- VEB Beleuchtungsglaswerk Radeberg
- VEB Glaswerk Dresden
- VEB Glaswerk Welzow
- Firma Müller, Poeschmann & Co., Döbern
- Firma Max. Hoffmann, Neupetershain
- VVB Industrie-Entwurf
- VVB Installation, Kabel und Apparate der Elektrotechnik (IKA), u. a. mit
- Elektrogerätewerk Suhl
- Elektroinstallation Annaberg
- Elektroinstallation Oberlind (EIO)
- Elektroinstallation Ruhla
- Kabelwerk Oberspree (KWO)
- Kabelwerk Vacha
- Berliner Akkumulatoren- und Elementefabrik
- Batterien- und Elementefabrik Tabarz
- VVB Lacke und Farben, später Lacufa
- VVB Land-, Bau- und Holzbearbeitungsmaschinenbau (LBH)
- VVB Leuchtenbau Leipzig
- VVB Lokomotiv- und Waggonbau (LOWA), seit 1954 als VVB Schienenfahrzeugbau
- VVB Maschinelles Rechnen (MECHANIK)
- VVB Maschinenbau für Nahrungs- und Genussmittelindustrie (NAGEMA)
- VVB Maschinenbau und Elektrotechnik Sachsen-Anhalt (Melsa)
- VVB Metallwaren (MEWA)
- VVB Optik (optische Geräte)
- VVB RFT Nachrichten- und Meßtechnik Leipzig C1
- VVB Rundfunk- und Fernmelde-Technik (RFT)
- VVB Regelungstechnik, Gerätebau und Optik
- VVB Sapotex (Seifen, Kosmetik, Bürochemie[7]), u. a. mit den folgenden Volkseigenen Betrieben:
- Fettchemie- und Fewa-Werke Karl-Marx-Stadt (Produkt- und Markenname Fewa)
- Rosodont Werk Waldheim (Produkt- und Markenname Florena)
- Persil-Werk Genthin (Hersteller der DDR-Variante des Waschmittels Persil)
- Deutsche Hydrierwerke Rodleben (bei Rosslau)
- Bürochemie Dresden [Ernst Rühle]
- Döbelner Seifen- und Parfümeriefabrik
- Haushalt-Chemie Wittenberg [Sidol-Werk]
- Varia Chemische Fabrik Mügeln
- VVB Schiffbau (Kombinat Schiffbau)
- VVB Schuhe Weißenfels
- VVB Schwermaschinenbau
- VVB Spielwaren Sonneberg
- VVB Steinkohle
- VVB Tabak Dresden
- VVB Textilmaschinenbau (TEXTIMA)
- VVB Technische Eisenwaren (TEWA)
- VVB Tierzucht Frankfurt (Oder)
- VVB Tierzucht Paretz
- VVB Variochem (Chemische Erzeugnisse, 1951 aufgelöst)
- VVW (Vereinigung volkseigener) Werften
- VVB Werkzeugmaschinen und Werkzeuge (WMW)[8]
- VVB Zement Dessau
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Jörg Roesler: Die Herausbildung der sozialistischen Planwirtschaft in der DDR: Aufgaben, Methoden und Ergebnisse der Wirtschaftsplanung in der zentralgeleiteten volkseigenen Industrie während der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus, Berlin 1978
- André Steiner: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, DVA Verlag, München 2004
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Armin Müller: Konkurrierende Netzwerke: SED und alte Intelligenz in Unternehmen der DDR-Industrie, in: Historical Social Research 35 (2010), H. 3, S. 134–162.
- ↑ Francis Nenik: Reise durch ein tragikomisches Jahrhundert. Das irrwitzige Leben des Hasso Grabner. Voland & Quist, Dresden 2018, ISBN 978-3-86391-198-0, S. 105–106.
- ↑ Müller, Armin, Institutionelle Brüche und personelle Brücke. Werkleiter in Volkseigenen Betrieben der DDR in der Ära Ulbricht, Böhlau Verlag: Köln und Weimar 2006, S. 335–342
- ↑ Institut für Elektronische Bauelemente Dr. Schneider (Hrsg.): im Archiv Industriesalon Schöneweide - Konzeption zur Bildung der Wissenschaftsorganisation im Direktorat Forschung und Entwicklung - 1971. Berlin 1971.
- ↑ Deutrans. internationale Spedition. (Nicht mehr online verfügbar.) Pro Boden Wilm Schroer GmbH, ehemals im Original; abgerufen am 6. Dezember 2010. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ DEWAG Werbung Dresden (Hrsg.): Glas ist die beste Empfehlung - Neuheiten 1968. Druck: III-9-157 Ag 41-75-68, 1968.
- ↑ Bestand 30953 VEB Fettchemie Karl-Marx-Stadt und Vorgänger. Abgerufen am 23. Juli 2019.
- ↑ Sächsisches Industriemuseum Chemnitz: Der Handel mit Werkzeugmaschinen und das Außenhandelsmonopol in der DDR. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 23. November 2013; abgerufen am 26. März 2011.