Massaker von Paris

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Erinnerungsplakette für das Massaker. Text: "Zur Erinnerung an die Algerier, die Opfer der blutigen Unterdrückung einer friedlichen Demonstration wurden"

Als Massaker von Paris 1961 ging die Erschießung von etwa 200 friedlichen algerischen Demonstranten durch die französische Polizei in die Geschichte ein. Die blutig verlaufene Massendemonstration wurde in den französischen Medien seinerzeit nahezu flächendeckend totgeschwiegen und erst mit großem zeitlichen Abstand zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion in Frankreich.

Am 17. Oktober 1961 kam es in Paris zum wiederholten Mal zu Demonstrationen algerischer Immigranten gegen den Algerienkrieg. Aufgerufen hatte die algerische Unabhängigkeitsbewegung FLN. Bereits zwei Wochen zuvor war eine nächtliche Ausgangssperre für Franzosen algerischer Herkunft in der Region Paris erlassen worden. Diese war eine Reaktion auf die kurz davor begonnenen Angriffe der FLN auf Polizisten und Gendarmen auf dem französischen Festland (bis dahin waren die Kampfhandlungen auf Algerien beschränkt gewesen), bei denen mehrere Beamte getötet wurden. Entsprechend gereizt war die Stimmung bei der Polizei und der französischen Öffentlichkeit. Obwohl die Demonstration friedlich verlief (wenn auch unter Missachtung der Ausgangssperre), ging die Pariser Polizei unter dem Kommando des ehemaligen Vichy-Politikers Maurice Papon (nach anderen Berichten auch Einheiten der Armee) äußerst brutal vor und tötete zahlreiche Demonstranten. Papon erteilte der Polizei auch den Schießbefehl.

Die genaue Zahl der Toten ist unbekannt, wird aber von Historikern auf bis zu 200 geschätzt. Polizeiliche Angaben sprechen lediglich von drei Toten. Tausende Menschen wurden verletzt, etwa 14.000 festgenommen. Die Festgenommenen wurden teilweise über mehrere Tage hinweg unter freiem Himmel interniert, ca. 500 von ihnen im Anschluss nach Algerien deportiert. Noch Wochen später schwammen Leichen in der Seine. Über das Massaker wurde damals in den Medien praktisch nicht berichtet, und bis heute handelt es sich um ein in der französischen Gesellschaft teilweise tabuisiertes Ereignis.

Am 17. Oktober 2001 wurde vom sozialistischen Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoë, eine Gedenktafel am Pont Saint-Michel eingeweiht, die an das Ereignis erinnert. Die konservative Opposition im Stadtrat von Paris boykottierte die Zeremonie. Auch in Aubervilliers (Foto) und Saint-Denis befinden sich Gedenktafeln für das Massaker.

Filme

Jacques Panijel drehte bereits im Jahr 1961 einen Film über die Ereignisse: Octobre à Paris.

Der österreichisch-französische Spielfilm Caché (2004) von Regisseur Michael Haneke thematisiert die Tabuisierung des Massakers in der französischen Gesellschaft.

Im Jahr 2005 erschien Nuit noire 17 octobre 1961 (Schwarze Nacht 17. Oktober 1961) von Alain Tasma; der dokumentarische Spielfilm wurde zunächst vom Privatfernsehsender Canal+ ausgestrahlt und kam anschließend in die Kinos. Im selben Jahr erhielt er den Grand Prix beim Festival International des Programmes Audiovisuels (FIPA) in Biarritz; 2008 wurde er auch auf TV5 gezeigt.

Das Massaker wurde ebenfalls im Dokumentarfilm Verordnetes Schweigen: Die blutige Nacht von Paris (2002) von Michael Gramberg thematisiert.

Literatur

  • Martin S. Alexander / J. F. V. Keiger: France and the Algerian War, 1954-62: Strategy, Operations and Diplomacy. 2002, ISBN 0-714-65297-0, S. 24 (ausführliche, mehrheitlich franz. Literaturliste)
  • Jean-Luc Einaudi: La Bataille de Paris : 17 octobre 1961. éd. du Seuil, 1991 ISBN 2-02013-547-7
  • Patrice J Proulx / Susan Ireland (Hrsg.): Immigrant Narratives in Contemporary France. S. 47-55, 2001, ISBN 0313315930
  • Jim House, Neil MacMaster: Paris 1961: Algerians, State Terror, and Memory. Oxford University Press, 2006 ISBN 0199247250 (engl.) Rez. in Le Monde vom 13. Oktober 2006. Das Buch beruht auf bisher verschlossenen Archiven. Seit 2008 auch in französischer Übersetzung erhältlich.

Weblinks