Michaelkirche (Faßberg)

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Die Michaelkirche Faßberg, Blick von Süd-West
Michael-Plastik

Die Michaelkirche ist ein evangelisch-lutherisches Kirchengebäude in Faßberg im Landkreis Celle.

Baugeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die evangelische Michaelkirche in Faßberg ist in zweifacher Hinsicht eine Besonderheit: Sie ist vermutlich die einzige Kirche, deren Bau in der nationalsozialistischen Zeit vom Staat in Auftrag gegeben und finanziert wurde. Und sie ist stilistisch geprägt vom damaligen Zeitgeist, was noch heute an einigen Stellen deutlich zu erkennen ist.

In den Jahren 1933/1934 entstand auf einer unbesiedelten Heidefläche der Fliegerhorst Faßberg, an seinem Rande die Luftwaffensiedlung Faßberg. Man rechnete für 1935 bereits mit einer Bevölkerung von zweieinhalbtausend Menschen, so dass auch der Bau einer Garnisonkirche für die deutsche Luftwaffe geplant wurde. Zunächst wurde die Kirchengemeinde von Müden (Örtze) aus betreut.

Am 17. Dezember 1938 übergab Architekt Wilhelm Kröger, Hannover, die neue Kirche an den Vorsteher des Gutes Faßberg. Die feierliche Einweihung erfolgte am 18. Dezember 1938, dem 4. Adventssonntag. Zunächst wurde ein evangelischer Gottesdienst gefeiert, gleich im Anschluss eine römisch-katholische Messe. Die Kirche war als Simultankirche für beide Konfessionen errichtet worden. Die fünf Weihwasserbecken an den Eingängen und der Beichtstuhl weisen auf die ursprüngliche Mitnutzung durch die römisch-katholische Gemeinde hin.

Die Kirche erhielt bei ihrer Weihe 1938 keinen Namen. Die Cellesche Zeitung berichtete am 19. Dezember 1938 über die Kirchweihe unter der Überschrift: Die neue Garnison-Kirche in Faßberg. Die große Michael-Plastik an der südlichen Außenwand der Kirche präsentiert die Zeitung unter dem Titel: „Georg, der Drachentöter, das Symbol deutschen Soldatentums.“ Es stellt aber nicht Georg, sondern den Erzengel Michael im Kampf gegen den Satan in Gestalt eines Drachen dar (Offb 12,7-11 LUT).

Im Jahr 1947 wurde Faßberg eine eigene Kirchengemeinde der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers. Die Kirche erhielt nun in Anlehnung an die Michael-Plastik den Namen „Michael-Kirche Faßberg“.

Das Gebäude war zunächst Eigentum des Deutschen Reiches. Ab 1. August 1949 wurde sie der evangelischen und römisch-katholischen Gemeinde auf unbestimmte Zeit zur Verfügung gestellt. Sie wurde schließlich am 22. November 1966 käuflich Eigentum der evangelischen Michaelkirchengemeinde. Die römisch-katholische Kirchengemeinde durfte die Kirche weiter benutzen, bis ihre eigene Heilig-Geist-Kirche am 11. November 1967 geweiht wurde.[1][2][3]

Im Frühjahr 2013 fusionierten die Kirchengemeinden der Michaelkirche Faßberg und der St.-Laurentius-Kirche Müden (Örtze).

Weltenrichter, Replik

Architektur und Außenansicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trümmer, 1984

Das Kirchengebäude stellte 1934 den Mittelpunkt der Siedlung Faßberg dar. Stilistisch passte es sich dem Baustil der entstehenden Siedlung an: Rechteckiger Grundriss, Satteldach, Backstein, sachlich; aber auch durch das stufenförmige Schmuckmauerwerk an den Giebelschrägen. Das Gebäude ist geostet, das heißt, der Dachfirst verläuft in west-östlicher Richtung. Ein Kirchturm konnte wegen des nahen Fliegerhorstes nicht gebaut werden. Deshalb besitzt die Kirche nur einen einfachen Dachreiter. Dieser sitzt am Westende des Firstes und trägt jetzt als Spitze eine Kugel mit Kreuz, ursprünglich zusätzlich auch eine Wetterfahne. Mehr als drei Jahrzehnte lang gab es an jeder Seite des Dachreiters ein Zifferblatt. Im Inneren hängt eine kleine Glocke.

Der Haupteingang der Kirche liegt im Westen, ein weiterer Eingang im Süden, ein dritter an der Ostseite für die Sakristei. An der Südwand, quasi neben der Kirche, aber unter demselben Dach ist eine Kapelle angebaut. Drei Plastiken schmücken die Kirche: Über dem Haupteingang „Christus als Weltenrichter“, über dem Seiteneingang „Christophorus“ und an der Südwand das weiße Relief „Michael im Kampf gegen den Satan“.

Im Januar 1984 stürzte der obere Teil der westlichen Giebelwand in einer Sturmnacht ein. Die Trümmer zerschlugen den Vorbau des Eingangs und mit ihm die Windversorgung der Orgel und auch die Vierthalersche Figur des „Weltenrichters“. Diese wurde wieder ersetzt, jedoch aus Kostengründen nur sehr einfach, wodurch sie nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem Original hat.

In den 1970er Jahren wurden die vier Zifferblätter vom Dachreiter entfernt, da das mechanische Uhrwerk nicht mehr gewartet werden konnte.

Innenraum und Inventar[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick zum Altar

Der Kirchenraum ist trotz der wenigen und relativ kleinen Fenster erstaunlich hell. So schlicht wie das Äußere ist auch der Innenraum gehalten. Alles wird dominiert von dem großen Altarfenster in der Ostwand. Es zeigt die Kreuzigung Jesu (Joh 19,30 LUT) und wurde von den Hamburger Glasmalern Gebr. Kuball gestaltet. Altar, Taufstein, Kanzel mit Kanzeldeckel sowie alle Außenfiguren stammen aus der Werkstatt von Ludwig Vierthaler, Hannover. Sie zeugen in ihrer schlichten Form ohne Ornamente oder bildliche Darstellungen von Sachlichkeit, Ruhe und Offenheit. Der Schmuck durch Kruzifix, Kerzen, Antependien und Blumen kann den vielfältigen gottesdienstlichen Anlässen angepasst werden. So wird der Blick der Gottesdienstbesucher immer wieder auf die Einheit von Altar und Altarfenster gelenkt.

Der Taufstein zeigt eine Halbplastik, die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer. Rechts daneben stehen die Worte „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,5 LUT) – für eine Simultankirche in besonderem Maße bedeutungsvoll. An der Südwand zwischen den kleinen, hohen Rundfenstern befinden sich vier weit überlebensgroße Gemälde der vier Evangelisten. Sie stammen von dem Kunstmaler Thiede, der sie in der typischen Art seiner Zeit schuf. Die Kanzel ist geschmückt durch die Plastik: Christus als Weltenrichter, eine Parallele zur Plastik über dem Haupteingang. Der Schalldeckel trägt eine goldene Taube, die durch ihre Art der Darstellung durchaus mehrfach gedeutet werden kann: Heiliger Geist, Friedenstaube oder sogar Luftwaffenadler. Links vom Altar ist der Grundstein so eingemauert, dass er von allen gesehen werden kann. Zu lesen ist der Name des Architekten Wilhelm Kröger, Hannover und die Jahreszahl 1937/38. Dazu der Luftwaffenadler. Das Hakenkreuz wurde 1945 entfernt.

Bei der Kirchenrenovierung 1977/78 wurden die ursprünglichen einfachen Kronleuchter durch wertvollere ersetzt. Der vordere Teil des Gestühls (dunkle lange Kirchenbänke) wurde durch bequeme Stühle mit hellem Bezug ausgetauscht.

Unter der Orgelempore wurden 2008 auf der linken Seite die Bänke zugunsten einer Kinderspielecke entfernt.

Von den ursprünglich 800 Sitzplätzen sind nur noch ca. 500 vorhanden. Die Seitenkapelle ist wesentlich kleiner, hat jetzt ca. 75 Sitzplätze, ist aber ebenso wie der Kirchenraum mit Altar, Taufstein, Pult, Weihwasserbecken an der Tür, einem E-Piano und mit einem Beichtstuhl ausgestattet. Für die Weihnachtszeit schuf der Bildhauer Wladimir Rudolf (Munster) im Jahre 1996/1997 die Holzfigurengruppe der Heiligen Familie – Maria, Josef und das Kind sowie Hirte und Schaf in der Größe von 75–100 cm in einem Stall, der, aus Tüchern geformt, seinen Platz direkt unter der Kanzel hat.

Orgeln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neubau 1939[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beschreibung Wetzel Orgel durch die Firma Schmidt & Thiemann 1962.

Nachdem die Kirche 1936 gebaut und eingeweiht worden war, wurde die erste Orgel durch Lothar Wetzel auf der Empore, gegenüber von Altar und Kanzel, errichtet. Sie verfügte über 15 Register auf zwei Manualen und Pedal, elektrische Traktur, Taschenladen und einen Freipfeifenprospekt. Der elektrische Spieltisch war an der Emporenbrüstung gegen das Gehäuse aufgestellt.

I Manual C – f′′′
Prinzipal 8′
Violflöte 8′
Rohrflöte 4′
Oktave 2′
Mixtur IV
Trompete 8′
II Manual C–f′′′
Lieblich Gedackt 8′
Prinzipal 4′
Waldflöte 2′
Quinte 113
Zimbel III
Krummhorn 8′
Pedal C–f′
Subbass 16′
Oktavbass 8′
Posaune 16′
  • Koppeln: II/I, I/P, II/P, Suboktavkoppel II/I, II/II, Superoktavkoppel II/I

Diese ursprüngliche Orgel hatte nach Kriegsende durch fehlende Dachpfannen (Wasserschäden) so stark gelitten, dass sie 1963 durch eine neue Orgel ersetzt werden musste.

Erwerb einer gebrauchten Orgel 1963[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Furtwängler-Orgel auf der Empore

Nachdem die Wetzel-Orgel abgängig war, erwarb die Kirchengemeinde 1963 die Furtwängler & Söhne-Orgel der ev.-luth. Kirche in Apelern (Opus 53, 1858). Im Zuge der im selben Jahr stattfindenden Umsetzung wurde der untere und die seitlichen Teile des Gehäuses, die Trakturen und die Klaviaturen neu gebaut. 1984 erhielt die Orgel einen neuen Magazinbalg, der auf der Empore neben der Orgel positioniert wurde.

Das Instrument verfügt über 23 Register, die auf zwei Manuale und Pedal verteilt sind. Die Trakturen sind mechanisch, die Windladen als Schleifladen ausgeführt. Die Pfeifen der Manuale stehen auf einer gemeinsamen Zwillingslade.

I Manual C, D–f′′′
Quintade 16′
Prinzipal 8′
Rohrflöte 8′
Dolceflöte 8′
Oktave 4′
Gedacktflöte 4′
Quinte 223
Oktave 2′
Waldflöte 2′
Mixtur IV–VI
Cornett III–V
Trompete 8′ X
II Manual C, D–f′′′
Gedackt 8′
Spitzflöte 4′
Gemshorn 2′
Quinte 113
Zimbel III
Krummhorn 8′ X
Pedal C–f′
Subbass 16′
Prinzipal 8′
Oktave 4′
Mixtur IV
Posaune 16′ X
Tremulant auf das ganze Werk
X = Orgelbauer Wetzel 1939

Geläut[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Dachreiter der Michaelkirche hängt eine kleine Stahlglocke mit dem Schlagton d´. An ihrem oberen Rand befindet sich in erhabenen Ziffern die Jahreszahl 1938, weiter unten der Luftwaffenadler mit Hakenkreuz – die Insignien des „Dritten Reiches“.[1]

Im Februar 2018 beschloss der Kirchenvorstand, die Glocke durch einen Neuguss zu ersetzen.[4]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Uwe Pape (Hrsg.) Philipp Furtwängler (1836–1854) – Ph. Furtwängler & Sohn (1854–1861) – Ph. Furtwängler & Söhne (1861–1883). Bislang unveröffentlichte Werkverzeichnisse aus der Orgeldatenbank Berlin ORDA. Pape Verlag, Berlin o. J. (PDF auf CD).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Michaelkirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Christian Berndt: Die Michaelkirche in Faßberg zum 70. Kirchweihjubiläum am 4. Advent 2008.
  2. Hans Stärk: Geschichte des Fliegerhorstes und des gemeindefreien Bezirks Faßberg 1971, Selbstverlag, S. 68–70.
  3. Christoph M. Glombek: Chronik der Gemeinde Faßberg 2002, Eigenverlag der Gemeinde Faßberg, S. 387–390.
  4. Beschluss des Kirchenvorstandes 20. Februar 2018, abgerufen am 12. Juni 2018

Koordinaten: 52° 54′ 6,8″ N, 10° 10′ 13″ O