N-Hydroxysuccinimid

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Strukturformel
Strukturformel N-Hydroxysuccinimid
Allgemeines
Name N-Hydroxysuccinimid
Andere Namen
  • 1-Hydroxy-2,5-pyrrolidindion
  • HOSu
  • N-HYDROXYSUCCINIMIDE (INCI)[1]
Summenformel C4H5NO3
Kurzbeschreibung

farb- und geruchloser kristalliner Feststoff[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 6066-82-6
EG-Nummer 228-001-3
ECHA-InfoCard 100.025.456
PubChem 80170
Wikidata Q408833
Eigenschaften
Molare Masse 115,09 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

99–101 °C[3]

Löslichkeit

löslich in Wasser[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

N-Hydroxysuccinimid (NHS, in Strukturformeln meist als HOSu abgekürzt, nach IUPAC 1-Hydroxy-2,5-pyrrolidindion) ist das N-Hydroxy-Derivat von Succinimid. Die Substanz wird in organischen Synthesen vor allem zur Herstellung sogenannter NHS-Ester verwendet.

Darstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

N-Hydroxysuccinimid entsteht bei der Umsetzung von Bernsteinsäureanhydrid mit Hydroxylamin.[4] Die Reaktion findet nach Verdampfen des als Lösungsmittel eingesetzten Methanols im Vakuum bei 160 °C in der Schmelze statt. Nach mehrfacher Extraktion des viskosen Rückstandes wird das Reinprodukt in 46%iger Ausbeute erhalten.

N-Hydroxysuccinimid durch Reaktion von Bernsteinsäureanhydrid mit Hydroxylamin
N-Hydroxysuccinimid durch Reaktion von Bernsteinsäureanhydrid mit Hydroxylamin

Eine einfachere Variante nutzt statt Hydroxylamin das leichter zu handhabende Hydroxylamin-hydrochlorid im Gemisch mit Bernsteinsäureanhydrid, das im Rotationsverdampfer unter Vakuum auf 160 °C erhitzt wird, bis kein Wasser mehr aus der Schmelze entweicht. Nach mehrmaliger Extraktion mit mehreren organischen Lösungsmitteln fällt reines NHS in 44%iger Ausbeute an.[5]

Eine weitere Verfahrensvereinfachung ist die Reaktion von Hydroxylamin und Bernsteinsäureanhydrid in Wasser (vermutlich zunächst unter Bildung der Monohydroxamsäure) und anschließender Ringschluss unter Wasserabspaltung im Vakuum bei 105 °C, die unter Vermeidung aufwendiger Extraktionen in 70–78%iger Ausbeute zum NHS-Monohydrat führt.

Wasserfreies N-Hydroxysuccinimid über das Monohydrat
Wasserfreies N-Hydroxysuccinimid über das Monohydrat

Zweistündiges Erhitzen des Monohydrats unter Vakuum (ca. 1 mbar) auf 80–90 °C liefert reines wasserfreies N-Hydroxysuccinimid in quantitativer Ausbeute.[6]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

N-Hydroxysuccinimid ist ein farb- und geruchloser kristalliner Feststoff. Es ist in Wasser leicht löslich und zeigt darin eine schwach saure Reaktion. NHS ist ein schwaches Oxidationsmittel. Oberhalb von 180 °C wird mittels DSC eine stark exotherme Zersetzung beobachtet. Die bestimmte Zersetzungswärme beträgt −174 kJ·mol−1 bzw. −1510 kJ·kg−1.[7][8]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In chemischen und biochemischen Synthesen ist N-Hydroxysuccinimid eine vielseitig und häufig eingesetzte Verbindung.

Durch Umsetzung mit einer Carbonsäure und einem Aktivierungs-Reagenz, wie beispielsweise Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) oder 1-Ethyl-3-(3-dimethylaminopropyl)carbodiimid (EDC), werden damit NHS-Ester hergestellt. NHS-Ester sind „aktivierte Carbonsäuren“ und reagieren leicht mit Aminofunktionen – beispielsweise von Peptiden oder Proteinen –, die deutlich nukleophiler als Alkohole sind.[9]

Prinzip der Herstellung und Umsetzung eines NHS-Esters
Prinzip der Herstellung und Umsetzung eines NHS-Esters

NHS-Ester sind relativ hydrolysestabil.[10]

Ähnliche Reagenzien zur Aktivierung von Carbonsäuren sind N-Hydroxysulfosuccinimid-Natriumsalz, 1-Hydroxybenzotriazol (HOBT), 1-Hydroxy-7-azabenzotriazol (HOAT) und Pentafluorphenol.

Die oxidierenden Eigenschaften von NHS können zur Ruthenium-katalysierten Umwandlung endständiger Alkine in Carbonsäure-Derivate genutzt werden.[11]

Die Verwendung von NHS zur Herstellung von Aktivestern wurde erstmals 1963 von George W. Anderson, Joan E. Zimmerman und Francis M. Callahan beschrieben.[12]

Toxikologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

N-Hydroxysuccinimid ist im Tiermodell Maus und Ratte weder kanzerogen noch teratogen. Bei der Backhefe Saccharomyces cerevisiae löst es keine mitotischen Genveränderungen aus.[13]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • B. Lygo: Handbook of Reagents for Organic Synthesis – Activating Agents and Protecting Groups. A. J. Pearson und W. R. Roush (Hrsg.), Verlag Wiley, 1999, S. 225–227.
  • C. A. Montalbetti und V. Falque: Amide bond formation and peptide coupling. In: Tetrahedron 61, 2005, S. 10827–10852, doi:10.1016/j.tet.2005.08.031.
  • V. A. Shibnev u. a.: N-hydroxysuccinimide esters in the synthesis of collagen-type structures. In: Russian Chemical Bulletin 18, 1969, S. 2367–2370, doi:10.1007/BF00906511.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eintrag zu N-HYDROXYSUCCINIMIDE in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 16. September 2021.
  2. a b c d Datenblatt N-Hydroxysuccinimid bei Merck, abgerufen am 25. Dezember 2019.
  3. Eintrag zu Succinimid. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 28. Dezember 2014.
  4. Patent US2816111: Sulfonic acid derivatives. Angemeldet am 9. Februar 1954, veröffentlicht am 10. Dezember 1957, Anmelder: Farbenfabriken Bayer AG, Erfinder: R. Wegler, F. Grewe, K. Mehlhose.
  5. G.W. Anderson, J.E. Zimmerman, F.M. Callahan: The use of esters of N-hydroxysuccinimide in peptide synthesis. In: J. Am. Chem. Soc. Band 86, Nr. 9, 1964, S. 1839–1842, doi:10.1021/ja01063a037.
  6. Patent US5493031: N-Hydroxysuccinimide monohydrate. Angemeldet am 16. Juni 1994, veröffentlicht am 20. Februar 1996, Anmelder: PPG Industries, Inc., Erfinder: C. Govindan.
  7. Grewer, T.; Klais, O.: Exotherme Zersetzung - Untersuchungen der charakteristischen Stoffeigenschaften, VDI-Verlag, Schriftenreihe "Humanisierung des Arbeitslebens", Band 84, Düsseldorf 1988, ISBN 3-18-400855-X, S. 9.
  8. P.G. Urben; M.J. Pitt: Bretherick's Handbook of Reactive Chemical Hazards. 8. Edition, Vol. 1, Butterworth/Heinemann 2017, ISBN 978-0-08-100971-0, S. 328.
  9. M. A. Gauthier u. a.: Synthese funktioneller Polymere durch polymeranaloge Reaktionen. In: Angew Chem 121, 2009, S. 50–60, doi:10.1002/ange.200801951.
  10. E. Pedone u. a.: An information rich biomedical polymer library. In: J Mater Chem 13, 2003, S. 2825–2837. doi:10.1039/B306857A.
  11. B. M. Trost u. a.: Ruthenium-katalysierte Reaktionen – eine Schatzkiste für atomökonomische Umwandlungen. In: Angew Chem 117, 2005, S. 6788–6825, doi:10.1002/ange.200500136.
  12. G. W. Anderson u. a.: N-Hydroxysuccinimide Esters in Peptide Synthesis. In: JACS 85, 1963, S. 3039, doi:10.1021/ja00902a047.
  13. H. Dannenberg: N-Hydroxy-succinimid, eine nicht krebserzeugende N-Hydroxy-Verbindung. In: Zeitschrift für Krebsforschung und Klinische Onkologie 76, 1971, S. 216–218, doi:10.1007/BF00303565.