Neusis-Konstruktion

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Beispiel: Dreiteilung des Winkels, Prinzip nach Archimedes. Seine Vorgehensweise der Einschiebung ist allerdings nicht überliefert.[1][2]
Der Radius des Halbkreises ist gleich der markierten Strecke des Lineals, die Länge der eingezeichneten Linie entspricht der Strecke
⇒ Vorgehensweise
Beweisskizze, Dreiteilung des Winkels, Archimedes propositio VIII, nach einer Überlieferung aus dem Jahr 1661[1]Buch der Lemmata

Die Neusis-Konstruktion (altgriechisch νεῦσις neusis „Neigung“), im englischen Sprachraum Neusis construction[3] oder verging construction, ist eine geometrische Konstruktionsmethode mithilfe der sogenannten Einschiebung (Neusis).[4][5] Darunter versteht man das Einzeichnen einer geraden Linie unter Verwendung eines Lineals, auf dem man zuvor die Länge einer Strecke wie für die jeweilige Aufgabe benötigt markiert hat.

Das Lineal wird im betreffenden Konstruktionsschritt so auf das Zeichenblatt gelegt, dass die beiden Markierungen an den Endpunkten der Strecke sowie die Kante des Lineals eine für die jeweilige Aufgabenstellung erforderliche Position einnehmen. Abschließend zieht man ab der relevanten Markierung des Lineals eine Linie mit der erforderlichen Länge. Näheres ist in den Einzelbeschreibungen der nachfolgenden Anwendungsbeispiele zu sehen.

Die Neusis-Konstruktion ermöglicht diejenigen geometrischen Aufgaben theoretisch exakt zu lösen,[2][6] die als Konstruktion mit Zirkel und Lineal keine Lösung liefern, wie z. B. Dreiteilung des Winkels, Würfelverdoppelung und Siebeneck. Nach Bartel Leendert van der Waerden zeigt die Neusis die Falschheit der Ansicht, dass die altgriechische Mathematik nur Konstruktionen mit Zirkel und Lineal zugelassen habe, bei Pappos werde sogar ausdrücklich auf die Verwendung der Neusis verwiesen für Aufgaben, die mit Zirkel und Lineal nicht lösbar seien.[7]

Bereits aus der Antike sind Neusis-Konstruktionen bekannt. Berühmte Anwender waren u. a. Hippokrates von Chios (5. Jh. v. Chr.), der damit den Flächeninhalt seiner Möndchen bestimmte,[8] Archimedes von Syrakus (3. Jh. v. Chr.), der damit das reguläre Heptagon konstruierte[9] (Siebeneck nach Archimedes) und mit einem Neusis-Lineal und einem Kreis die Dreiteilung des Winkels ausführte, Nikomedes,[10] der damit seine Konchoide des Nikomedes konstruierte, mit der er die Würfelverdopplung und Winkeldreiteilung ausführte, Pappos von Alexandria (im 4. Jh. n. Chr.), der in seiner mathematischen Sammlung zeigte, dass eine Neusis-Konstruktion von Archimedes auf den Schnitt zweier Kreise reduziert werden kann,[11] Apollonios von Perge, in einem nur fragmentarisch erhaltenen Werk über Neusis, in der er zeigt, dass einige Neusis-Konstruktionen mit Zirkel und Lineal ausgeführt werden können,[7] und Abu l-Wafa (990 n. Chr.), in seinem Buch über geometrische Konstruktionen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Giovanni A. Borelli et al.: Apollonii Pergaei Conicorum Lib. V, VI, VII & Archimedis Assumptorum Liber. Notae in Proposit. VIII. Ex Typographia Iosephi Cocchini ..., Florenz 1661, S. 400 (mpg.de).
  2. a b Fritz Kliem: Archimedes' Werke. Satz 8., Fußnote 1). Verlag von 0. Häring, Berlin 1914, S. 463 (archive.org).
  3. Weisstein, Eric W. "Neusis Construction." From MathWorld, A Wolfram Web Resource. abgerufen am 15. September 2018.
  4. Bodo v. Pape: Makro-Mathematik Schulmathematik auf neuen Wegen Jenseits von Algebra und Analysis: Algorithmen; BoD-Books on Demand, Nordertedt 2016, S. 388. Seite 127 ff. 7.1 Neusis (Auszug (Google)), abgerufen am 15. September 2018.
  5. Bodo v. Pape: Neusis-Lösungen in der Rezeption der Antike. (PDF, 219 KB) Technische Universität Dortmund, S. 1–4, abgerufen am 14. November 2023.
  6. Fritz Kliem: Über die als bekannten Probleme. Kapitel V. Verlag von 0. Häring, Berlin 1914, S. 94 (archive.org).
  7. a b Van der Waerden: Science Awakening. 4. Auflage. Kluwer AcademicPublishers, Nordrecht, Niederlande 1988, ISBN 978-94-010-7115-4, S. 263 (englisch).
  8. Van der Waerden: Science Awakening. 4. Auflage. Kluwer Academic Publishers, Nordrecht, Niederlande 1988, ISBN 978-94-010-7115-4, S. 131 ff. (englisch).
  9. Van der Waerden: Science Awakening. 4. Auflage. Kluwer Academic Publishers, Nordrecht, Niederlande 1988, ISBN 978-94-010-7115-4, S. 226 ff. (englisch, Nur in einem arabischen Manuskript erhalten.).
  10. Van der Waerden: Science Awakening. 4. Auflage. Kluwer Academic Publishers, Nordrecht, Niederlande 1988, ISBN 978-94-010-7115-4, S. 235 (englisch).
  11. Van der Waerden: Science Awakening. 4. Auflage. Kluwer Academic Publishers, Nordrecht, Niederlande 1988, ISBN 978-94-010-7115-4, S. 286 (englisch, Außerdem zeigte er, dass die Neusis-Konstruktion zur Winkeldreiteilung von Nikomedes auf den Schnitt eines Kreises mit einer Hyperbel reduziert werden kann. S. 236).