Ninive

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. August 2010 um 15:50 Uhr durch Bertramz (Diskussion | Beiträge) (Änderungen von Sargon Dal (Diskussion) rückgängig gemacht und letzte Version von Xqbot wiederhergestellt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Koordinaten: 36° 22′ 0″ N, 43° 9′ 0″ O

Karte: Irak
marker
Ninive

Ninive, Ninua (auch Niniveh, arabisch نينوى, Nīnawā; assyrisch Ninu(w)a; aramäisch ܢܝܢܘܐ, Nīnwē; Hebräisch נִינְוֵה, Nīnəwē) war eine mesopotamische Stadt am Tigris, im heutigen Irak. Die Ruinenhügel (Tells) von Kujundschik und Nebi Jenus am linken Ufer des Tigris gegenüber der heutigen Stadt Mossul enthalten die Überreste der Stadt. Die Stadt ist eines der Zentren von Assyrien. Assyrischen Überlieferungen nach soll sie von der Göttin Ištar um 1800 v. Chr. gegründet worden sein. Nach den Grabungsbefunden ist sie allerdings um Jahrhunderte älter.

Geschichte

Vorgeschichte

Das Gebiet der Stadt war bereits in der Hasunna- und Halafzeit besiedelt. Die frühesten Reste konzentrieren sich an der Mündung des Chusur in den Tigris. Weitere Siedlungsreste stammen aus der Uruk- und Ninive-5-Zeit. In der späten Urukzeit hatte die Stadt bereits eine beträchtliche Ausdehnung, Paolo Matthiae nimmt an, dass der gesamte Teil mit einer Fläche von 40 ha bewohnt war. Ergraben ist aber lediglich ein Teil des Ischtar-Tempels. Aus der Akkad-Zeit sind die ersten Stadtmauern nachgewiesen.

Altassyrische Zeit

Šamši-Adad I. rühmt sich, die Emenue-Kapelle und die Zikkurat Ekitškuga, das Zentrum des Emašmaš (assyrisch Emešnešs), des zentralen Heiligtums der Ištar, renoviert zu haben. Dabei habe er eine Gründungsurkunde von Maništušu, dem Sohn Sargons von Akkad gefunden. Der Bau würde demnach aus der Zeit um 2300 v. Chr. stammen.

Nach dem Ende des altbabylonischen Reiches wurde Hammurabi von Babylon Schutzherr des Ištartempels, wie es in der Einleitung seiner Gesetzesstele berichtet wird.

Mittelassyrische Zeit

Weitere Renovierungsarbeiten fanden in mittelassyrischer Zeit statt. Die Hauptstadt war damals noch Assur. Mutakkil-Nusku ließ nach einer Inschrift Tiglat-Pilesers I. den „Palast der vier Weltgegenden“ restaurieren. An seinen Türpfosten waren Bilder der wilden Tiere der Berge und des großen Meeres zu sehen, unter anderem ein Bild eines Seepferdes, das der König selber erlegt hatte. Die Türen bestanden aus Fichtenholz und waren mit Bronze beschlagen. Aššur-rēša-iši begann mit dem Bau eines Palastes, den aber erst sein Sohn Tiglat-Pileser vollendete. Seine Mauern waren mit glasierten Ziegeln in den „Farben von Obsidian, Lapislazuli und Alabaster“ verkleidet. Es handelt sich vielleicht um das bit kutalli in der Unterstadt. Tiglat-Pileser III. ließ auch die Stadtmauern von Ninive und einige Gebäude des Emašmaš wieder aufbauen. Die Mauern wurden mit einer Verkleidung aus Kalksteinplatten versehen. Auch baute er einen Kanal, um die Palastgärten mit Wasser vom Chusur zu versorgen. Sie lagen vermutlich unterhalb des Tells von Kujundschik. Die Bauinschriften von Tiglat-Pileser III. erwähnen auch Bauten von Šamši-Adad, Assur-uballit I. und Salmanassar I. Auch Assur-bel-kala baute einen Palast in Ninive, wie eine Inschrift von der berühmten Ištar-Statue aus Kalkstein berichtet. Die Statue (94 cm) befindet sich heute im Britischen Museum.

Neuassyrische Zeit

Eine administrative und religiöse Hochblüte erlebte Ninive in der Zeit von 704 bis 681 v. Chr. unter Sanherib als Hauptstadt des neuassyrischen Reiches. Assurbanipal (669 bis 626 v. Chr.) erweiterte die Stadt und machte sie zum Mittelpunkt seines Reiches. Sanherib ließ einen 80 Kilometer langen Kanal bauen, um die Stadt mit Wasser zu versorgen, und errichtete einen Staudamm. In der Stadt, die mit doppelten Mauern mit Türmen umgeben war, entstanden prachtvolle Paläste, die reich mit Reliefs verziert waren. Auffallend ist, dass es sich vorwiegend um Kampf-, Jagd- und Kultszenen handelt und religiöse Darstellungen in der Minderheit sind.

Gefangene feindliche Könige wurden am Tor von Niniveh zur Schau gestellt[1].

Am 10. August 612 v. Chr. wurde Ninive als dritte und letzte Hauptstadt Assyriens (nach Assur und Nimrud) von den Medern und Babyloniern zerstört.

Antike

Griechische Quellen kennen eine Stadt Ninus, die von dem gleichnamigen syrischen Herrscher Ninus gegründet wurde. Nach Strabo (Geographika 16, 2) lag Ninus in Aturien, einer Region, die jenseits von Arbela am anderen Ufer des Lykos liegt (16, 3). Diese Stadt wird allgemein mit Ninive identifiziert.

Bei den Ruinen von Ninive fand im Dezember 627 n. Chr. die Entscheidungsschlacht im letzten römisch-persischen Krieg statt (Schlacht bei Ninive).

Geschichte der Ausgrabungen in Ninive

Herabnahme des Geflügelten Stieres während der Ausgrabung Layard

Zwischen 1808 und 1820 war Claudius James Rich, resident der East India Company in Bagdad, viermal in Mosul. Dabei untersuchte Rich den Hügel von Kuyunjik, von dem er die erste ausführliche Beschreibung mit Plan erstellte, der für die nachfolgenden Ausgräber sehr wichtig war.

1842 wurde Ninive von Paul-Émile Botta wieder entdeckt und in Teilen ausgegraben. Da er nach drei Monaten Arbeit nichts in seinen Augen Erfolgversprechendes fand, wandte er sich nach Khorsabad. Die Zeit der ersten britischen Grabungen auf dem Tell Kujundschik (1845 – 1855) wurde eingeläutet durch Austen Henry Layard und C. Rassam. Während der ersten überaus erfolgreichen Kampagne entdeckte man einige neuassyrische Tempel und Palastbauten.

Ende des 19. Jahrhunderts erregte die Entdeckung von Keilschrift-Tafeln mit der „biblischen“ Sintflut-Erzählung (Fragmente des Gilgamesch-Epos) durch George Smith großes Aufsehen und gab den Schub für weitere Ausgrabungen auf dem Tell. Es wurde eine regelrechte Jagd nach den Tafeln ausgelöst („tablet hunt“), der sich auch C. Rassams Bruder Hormuzd Rassam anschloss. Die Funde von Tontafeln stammen überwiegend aus der Bibliothek des Assurbanipal. Im frühen 20. Jahrhundert wurden die Ausgrabungen von dem Briten Richard Campbell Thompson fortgeführt. 1931-32 legten R. C. Thompson und Max Mallowan einen Tiefschnitt an, der die Schichten von Ninive 1 erreichte (heute als Hassuna-Zeit bekannt). Die Schichtenfolge des Tiefschnitts:

  • Ninive 5 - bemalte Keramik, Frühdynastisch, 2900-2360 v. Chr.
  • Ninive 4 - Djemdet-Nasr-Zeit, entspricht Tepe Gaura X-VIII
  • Ninive 3 - Obed (Obed 3/4)
  • Ninive 2 - östliches Halaf
  • Ninive 1 - Hassunna

Während der Kampfhandlungen der beiden Weltkriege wurde der Tell Kujundschik wegen seiner strategisch günstigen Lage von türkischen beziehungsweise britischen Militärs als Basislager genutzt. Dennoch wird der im Krieg entstandene Schaden in der Forschung geringer eingeschätzt, als der Schaden, den Thompsons Ausgrabungen für die Archäologie bedeuten. Insgesamt ließ man während dieser umstrittenen Ära von Grabungen wenig Sorgfalt walten bei der graphischen Dokumentation architektonischer Überreste.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es lange ruhig um Ninive, bis die irakische Altertumsverwaltung 1965 begann, Paläste und Tempel zu restaurieren und mehrere Rettungsgrabungen durchzuführen. Weite Bereiche wurden erneut aufgedeckt und zum Schutz der Reliefs überdacht. Die Regierung erklärte das gesamte Gelände innerhalb der Stadtmauern zum archäologischen Park und erließ ein striktes Bauverbot.

Die bisher letzten Grabungen zwischen 1987 und dem Ausbruch des Golf-Krieges unternahm ein amerikanisches Team unter der Leitung von David Stronach. Die irakische Antiquitätenverwaltung hat Teile der Stadtmauer und auch zwei Stadttore restauriert, zuletzt mit Unterstützung der amerikanischen Armee.

Architektur

Südwest-Palast

Austen Henry Layard entdeckte während seiner ersten Kampagne unter anderem den Palast des neuassyrischen Königs Sanherib, den sogenannten Südwest-Palast. Layard identifizierte dessen Erbauer durch Inschriften als „den Sohn des Erbauers von Chorsabad“. Obwohl Layard in seiner zweiten Kampagne große Teile des Palastes freilegen konnte und spätere Ausgrabungen weitere Bereiche im Nordwesten und Südwesten erschlossen, ist bisher nur gut die Hälfte des Gebäudes ausgegraben worden, der Rest ist vermutlich nicht mehr vorhanden.

1904 begann Richard Campbell Thompson Ausgrabungen am Südwest-Palast, die er 1930 fortsetzte. Die Dokumentation seiner Ausgrabungen ist jedoch mangelhaft. So sind genaue Grundriss-Zeichnungen des Süd-West-Palastes den ersten Ausgräbern - vor allen A. H. Layard - zu verdanken. Die Ruine des Süd-West-Palasts haben irakische Archäologen in ein Museum integriert.

Nachleben

Ninive in der Bibel

Im Alten Testament der Bibel einschließlich der Apokryphen wird Ninive häufiger erwähnt. Niniveh wird in 1. Mose/Genesis 10,11 in einer Notiz über Nimrod erwähnt. 2 Kön 19,36 EU nennt es als Residenz des Assyrerkönigs Sanherib. Das Buch Nahum enthält Prophezeiungen über den Untergang Ninives, das Buch Jona berichtet von der Sendung des gleichnamigen Propheten nach Ninive. Im Buch Zefanja findet sich ein Fremdvölkerspruch gegen Ninive. Der Untergang der Stadt wird angekündigt:

„Auch Rohrdommeln und Eulen werden wohnen in ihren Säulenknäufen, das Käuzchen wird im Fenster schreien und auf der Schwelle der Rabe.“ (Zef 2,12 EU)

Die Stadt wird zum Spott der Vorübergehenden, die pfeifen und in die Hände klatschen aus Freude über ihre Zerstörung.

Auch der Prophet Nahum aus Elkosch beschreibt die bevorstehende Zerstörung. Die Stadt wird in Flammen aufgehen, die Einwohner durch das Schwert umkommen, während die Königin und die Jungfrauen hinweggeführt und das Volk über die Hügel zerstreut werden wird. Die Mauern des Palastes sollen durch die Wasser des umgeleiteten Flusses zerstört werden. Wie eine reife Feige wird die Stadt fallen, auch wenn sie sich noch so sicher fühlt.

„Siehe, ich will an dich, spricht der Herr Zebaoth; ich will dir den Saum deines Gewandes aufdecken über dein Angesicht und will den Völkern deine Blöße und den Königreichen deine Schande zeigen. Ich will Unrat auf dich werfen und dich schänden und ein Schauspiel aus dir machen, daß alle, die dich sehen, vor dir fliehen und sagen sollen: Ninive ist verwüstet; wer will Mitleid mit ihr haben?“ (Nah 3,5-7 EU)(Nahum 3, 5-7).

Niniveh wurde nie wieder aufgebaut.

In späteren alttestamentlichen Schriften, im Buch Jona, das wahrscheinlich erst in hellenistischer Zeit entstanden ist, sowie den Büchern Tobit und Judit, die keineswegs älter sind, ist die Erinnerung an Ninive als Assyrerhauptstadt weitergeführt worden, die Stadt steht nun als literarisches Symbol aller Großmächte, unter deren Vorherrschaft Israel stand (so bei Jona) bzw. als Hauptstadt der (negativ) idealisierten, Israel beherrschenden oder bedrohenden Großmacht (so bei Tobit und Judit). Dass die Stadt zum literarischen Topos für die bedrohliche Großmacht überhaupt geworden ist, zeigt sich im Buch Jona sowie im Buch Judit darin, dass das Ninivebild mit Elementen anderer Großmächte verbunden ist. Im Jonabuch sind Elemente in das Ninivebild eingeflossen, die ursprünglich mit den Persern verbunden waren (Eingottglaube der Niniviten; gemeinsames Dekret des Königs und seiner großen Beamten; Einbeziehung der Tiere in die Buße); im Juditbuch ist Ninive, die Hauptstadt Assyriens, als Residenz Nebukadnezars dargestellt, der nicht König von Assyrien, sondern von Babylon war. Zugleich hat dieser einen Feldhauptmann mit dem persischen Namen Holofernes. Im Jonabuch sind also mit Ninive die Elemente zweier Großmächte verbunden, mit denen Israel es in seiner Geschichte zu tun hatte, der Assyrer und der Perser, im Buch Judit ist Ninive als Residenz Teil eines Großmachtbildes, in das Elemente dreier Großmächte eingegangen sind, der Assyrer, Babylonier und Perser.

Ninive bei Schriftstellern des klassischen Altertums

Xenophon beschrieb in der Anabasis (III 4, 10–12) die Ruinen von Ninive unter dem Namen Maspila, die er wohl selbst gesehen hatte, aber er verbindet sie mit der Meder-Herrschaft und der Eroberung durch Kyros. Herodot (I. 178) berichtet von einer Stadt Ninos am Tigris, nach deren Fall der Sitz des Königtums nach Babylon verlegt worden sei.

Spätere Autoren wie Ktesias berichten, Ninos sei durch den König Ninos gegründet worden (so wie Babylon durch Belos), wissen aber sonst wenig Konkretes zu berichten. Die Beschreibung des Grabmals des Ninos bei Diodor lässt vermuten, dass man zu dieser Zeit den ganzen Tell mit den Ruinen des Grabmals gleichsetzte. Strabo (Geographika 16, 2) berichtet von der Stadt Ninus, die von König Ninus, dem Gemahl der Semiramis gegründet wurde. Sie war größer als Babylon und lag in Aturien, durch den Fluss Lykos von Arbela geschieden. Ninus wurde nach der Niederlage der Syrer gegen die Meder zerstört.

Literatur

Zu Archäologie und Geschichte der Stadt

Zur Rolle Ninives in der Bibel

  • Walter Dietrich: Ninive in der Bibel. In: Theopolitik. Studien zur Theologie und Ethik des Alten Testaments. , Neukirchener, Neukirchen-Vluyn 2002, ISBN 978-3-7887-1914-2..
  • Meik Gerhards: Ninive im Jonabuch. In: Johannes Friedrich Diehl (u. a.) (Hrsg.): Einen Altar von Erde mache mir. Festschrift für Diethelm Conrad zu seinem siebzigsten Geburtstag. Hartmut Spenner, Waltrop (heute Kamern) 2003, ISBN 978-3-89991-010-0.

Zu Ninive bei Schriftstellern der Klassischen Altertums

  • Reinhold Bichler, Robert Rollinger: Die Hängenden Gärten zu Ninive – Die Lösung eines Rätsels? In: Robert Rollinger (Hrsg.): Von Sumer bis Homer, Festschrift für Manfred Schretter zum 60. Geburtstag am 25. Februar 2004. Ugarit (Verlag Dr. Manfried Dietrich u. Dr. Oswald Loretz), Münster 2005, ISBN 978-3-934628-66-3.
Commons: Nineveh – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kathryn F. Kravitz, A last-minute revision to Sargon's Letter to the God. Journal of Near Eastern Studies 62/2, 2003, 81-95