Obersächsische Dialekte

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Karte der Verbreitung der mitteldeutschen Mundarten. Obersächsisch (Nr. 8) in dunklem Olivgrün

Das Obersächsische ist ein Teil der thüringisch-obersächsischen Dialektgruppe, die ihrerseits zum Ostmitteldeutschen gehört. Gesprochen wird es in Sachsen, dem südöstlichen Sachsen-Anhalt und den östlichsten Teilen Thüringens. Es gliedert sich in das Osterländische und das Meißenische.

Das Obersächsische grenzt an das Thüringische, das Ostfälische, das Nordobersächsisch-Südmärkische, das Schlesische, das Nordbairische und das Ostfränkische.

Mit dem umgangssprachlich als Sächsisch bezeichneten Idiom ist in der Regel nicht der Dialekt im engeren Sinne, sondern der Regiolekt Sachsens gemeint.

Basisdialektale Merkmale

Wie viele andere deutsche Dialekte kennt auch das Obersächsische die Entrundung von mittelhochdeutsch /ö/, /öː/, /ü/, /üː/ und /üe/ zu /e/, /eː/, /i/ und /iː/, so dass etwa beese für „böse“ und Biine für „Bühne“ gesprochen wird. Ebenfalls mit anderen Dialektgruppen gemeinsam ist die binnendeutsche Konsonantenschwächung, etwa Kardoffeln für „Kartoffeln“ und Babba für „Papa“. Wie fast im gesamten Ostmitteldeutschen wird mittelhochdeutsches ë zu /a/ gesenkt, sodass es auch im Obersächsischen Schwaster „Schwester“, schlacht „schlecht“ heißt. Wie im Thüringischen weitgehend ausgeblieben ist die Apokope, so heißt es dialektal balde oder im Hause, nicht wie in den meisten anderen deutschen Mundarten bald, im Haus.

Im Unterschied zum Thüringischen lautet der Infinitiv auf -en und nicht -e aus. Gemeinsam mit dem Ostthüringischen ist dem Obersächsischen die Monophthongierung der mittelhochdeutschen Diphthonge /ei/, /ou/, /öi/, etwa Been für „Bein“ und Boom für „Baum“, wofür das Erzgebirgische und Vogtländische einheitliches langes /aː/ kennen. Je nach lautlicher Umgebung und damit regional unterschiedlich stark ausgeprägt ist die Hebung von mittelhochdeutsch /eː/, /o/ und /oː/ zu /iː/, /u/ und /uː/, so heißt es verbreitet etwa Schnii „Schnee“, Ufen „Ofen“, eingeschränkter gilt etwa Duchter „Tochter“ und noch regionaler Vulg „Volk“.

Gesammelt wurde der obersächsische Wortschatz im vierbändigen Wörterbuch der obersächsischen Mundarten, das nach längeren Vorarbeiten zwischen 1994 und 2003 erschienen ist.

Heutige Situation

Bereits 1953 stellte Rudolf Grosse in seiner Arbeit zur Mundart und Umgangssprache im Meißnischen fest, dass die ursprüngliche Mundart zwischen Zwickauer Mulde und Elbe nahezu ausgestorben war, so dass es schwierig war, Gewährsleute für die Mundart zu finden.[1]

Laut Beat Siebenhaar ist der obersächsische Dialekt – im Sinne eines geschlossenen Sprachsystems mit klaren Regeln in Aussprache, Wortbildung und Syntax – in der zweiten Hälfte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts weitgehend ausgestorben. Die Basisdialekte wurden seither von Regiolekten abgelöst, die je nach Ort, Region und Sprecher unterschiedlich stark ostmitteldeutsch geprägt sind.[2][3][4]

Literatur

  • Horst Becker, Gunter Bergmann: Sächsische Mundartenkunde. Max Niemeyer Verlag, Halle (Saale) 1969.
  • Gunter Bergmann: Upper Saxon. In: Charles V. J. Russ: The Dialects of Modern German. A Linguistic Survey. Routledge, London 1990, ISBN 0-415-00308-3, S. 290–312.
  • Rudolf Grosse: Mundart und Umgangssprache im Meißnischen. In: Zeitschrift für Mundartforschung. Band 21.4, 1953, S. 240–249.
  • Rainer Hünecke, Karlheinz Jakob: Die obersächsische Sprachlandschaft in Geschichte und Gegenwart. Winter, Heidelberg 2012.
  • Werner König: dtv-Atlas zur deutschen Sprache. 1. Aufl. München 1978, seither zahlreiche weitere und überarbeitete Auflagen.
  • Marie Josephine Rocholl: Ostmitteldeutsch – eine moderne Regionalsprache? Eine Untersuchung zu Konstanz und Wandel im thüringisch-obersächsischen Sprachraum (= Deutsche Dialektgeographie. Band 118). Olms, Hildesheim / Zürich / New York 2015.
  • Viktor M. Schirmunski: Deutsche Mundartkunde. Hrsg. und kommentiert von Larissa Naiditsch. Peter Lang, Frankfurt am Main 2010. ISBN 978-3-631-59973-0.
  • Beat Siebenhaar: Der sächsische Dialekt. In: Matthias Donath, André Thieme: Sächsische Mythen. Edition Leipzig, Leipzig 2011, S. 91–99. Vorversion online.
  • Beat Siebenhaar: Ostmitteldeutsch: Thüringisch und Obersächsisch. In: Joachim Herrgen, Jürgen Erich Schmidt (Hrsg.): Deutsch: Sprache und Raum. Ein Internationales Handbuch der Sprachvariation (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft. Band 30/4). de Gruyter, Berlin 2019, ISBN 978-3-11-026129-5, S. 407–435.
  • Peter Wiesinger: Phonetisch-phonologische Untersuchungen zur Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten (= Studia Linguistica Germanica. Band 2.1 und 2.2). Bände 1 und 2. Walter de Gruyter, Berlin 1970.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rudolf Grosse: Mundart und Umgangssprache im Meißnischen. In: Zeitschrift für Mundartforschung. Band 21.4, 1953, S. 240.
  2. Ein Leipziger Sprachforscher ist sich sicher: Sächsischer Dialekt weitgehend ausgestorben (Memento vom 26. August 2014 im Internet Archive). In: Leipziger Internet Zeitung. 17. Februar 2011.
  3. Heidrun Böger: Sächsisch stirbt aus. In: Neues Deutschland. 6. Juli 2011 (Interview mit Beat Siebenhaar).
  4. Marie Josephine Rocholl: Ostmitteldeutsch – eine moderne Regionalsprache? Eine Untersuchung zu Konstanz und Wandel im thüringisch-obersächsischen Sprachraum (= Deutsche Dialektgeographie. Band 118). Olms, Hildesheim / Zürich / New York 2015.