Reiner und gemischter Zustand

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Begriffe reiner und gemischter Zustand (besser: Zustandsgemisch) bezeichnen in der Quantenmechanik bestimmte Arten von quantenmechanischen Zuständen von einem oder mehreren Teilchen. Eine Beschreibung, die für beide Fälle geeignet ist, ist durch den Dichteoperator gegeben.

Ein reiner Zustand liegt vor, wenn das betrachtete System mit der Wahrscheinlichkeit in einem fest definierten Zustand ist. Wird dieser durch einen Zustandsvektor aus dem Hilbertraum beschrieben, dann beschreiben auch alle Vektoren mit beliebiger Phase denselben Zustand.[1] Somit ist der Dichteoperator

gerade die Projektion auf den eindimensionalen Unterraum, der durch den Vektor als Repräsentant definiert ist. Die Projektion ist idempotent, d. h., es gilt . Jeder Projektionsoperator auf einen eindimensionalen Unterraum des Hilbertraums beschreibt einen reinen Zustand.

Jede Linearkombination von reinen Zuständen mit komplexen Koeffizienten stellt daher auch einen reinen Zustand dar. Er wird als kohärente Überlagerung der bezeichnet, weil es außer von den Beträgen auch von den komplexen Phasen abhängt, welcher Zustand sich bildet.

Eine andere Definition eines reinen Zustandes, die insbesondere die mathematischen Probleme mit überabzählbarer, nicht normierbarer Basis vermeidet, aber ansonsten äquivalent zu der obigen ist, geht von dem allgemeineren Zustandsbegriff für C*-Algebren von Operatoren aus.[2][3] Hier ist ein Zustand auf einer C*-Algebra ein positives lineares Funktional mit Norm 1, also eine Abbildung mit und . Die Menge dieser Zustände bildet eine konvexe Menge. Ein reiner Zustand wird hier dadurch definiert, dass er ein extremales Element von ist. D. h., ein reiner Zustand lässt sich nicht als Konvexkombination zweier anderer Zustände aus beschreiben. Die Konvexkombination ist eine Linearkombination mit positiven Koeffizienten , deren Summe 1 ergibt. Sie entspricht der weiter unten beschriebenen inkohärenten Überlagerung der Zustände .

Zustandsgemische

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gegenstück zu einem reinen Zustand ist ein Zustandsgemisch. Damit ist zunächst ein Ensemble aus vielen Objekten in reinen Zuständen bezeichnet, die mit relativen Häufigkeiten , , zufällig gemischt sind. Ein solcher Zustand inkohärenter Mischung wird dann auch jedem einzelnen Objekt des Ensembles zugeschrieben.[4]

Manchmal wird hierfür auch die Bezeichnung gemischter Zustand benutzt, wobei aber diese Bezeichnung abhängig vom Kontext auch den Fall der kohärenten Überlagerung meinen kann. Bei einer kohärenten Überlagerung werden Wellenfunktionen oder Zustandsvektoren linear superponiert, , und stellen abhängig von den Phasen der physikalisch verschiedene Zustände dar. Dagegen spielen die Phasen beim Zustandsgemisch keine Rolle, ebenso wenig wie bei einem Zustandsgemisch in der klassischen Physik. Ein wichtiger Unterschied zum klassischen Analogon eines Zustandsgemischs ist, dass die relative Häufigkeit , mit der ein Zustand bei der Präparation des Gemischs beteiligt wird, nicht mit der Häufigkeit übereinstimmen muss, mit der dieser Zustand bei einer Messung gefunden wird. Übereinstimmung ist nur dann gesichert, wenn alle zusammengemischten Zustände orthogonal zueinander sind.

Ein analoger Unterschied besteht in der Optik zwischen der kohärenten Addition von Amplituden (Wellenoptik) und der inkohärenten Addition von Intensitäten (Strahlenoptik).

In dem Zustandsgemisch ist der Erwartungswert eines beliebigen Operators die gewichtete Summe der Erwartungswerte in den einzelnen reinen Zuständen .

Dies lässt sich mithilfe des Dichteoperators

.

einfach durch die Spur ausdrücken:

denn mit einem beliebigen Satz Basisvektoren ist:

Ein Zustandsgemisch ist also (ebenso wie ein reiner Zustand) durch seinen Dichteoperator physikalisch vollständig charakterisiert. Unterschiedlich präparierte Zustandsgemische, die den gleichen Dichteoperator haben, lassen sich physikalisch (d. h. durch Messungen) nicht mehr unterscheiden, sie sind also trotz unterschiedlicher Präparationsverfahren im gleichen Zustand. Ein einfaches Beispiel ist ein Gemisch von Spin-½-Teilchen, die (bei gleichen Ortswellenfunktionen) je zur Hälfte parallel und antiparallel zu einer bestimmten Achse ausgerichtet sind. Unabhängig von der Wahl dieser Richtung ergibt sich immer der gleiche Dichteoperator, man hat also physikalisch immer dasselbe Zustandsgemisch präpariert.

Der Dichteoperator ist hermitesch. Wenn die Zustände orthogonal sind, sind sie die Eigenzustände des Dichteoperators und haben die Eigenwerte . In dieser Basis ist die Dichtematrix diagonal mit den auf der Hauptdiagonalen. Hat das Gemisch mindestens zwei Zustände, gilt für alle und daher die Ungleichung

Gilt stattdessen die Gleichung , so handelt es sich nicht um ein (inkohärentes) Zustandsgemisch, sondern um einen reinen Zustand, also z. B. um das Ergebnis einer kohärenten Überlagerung.

Das prominenteste Beispiel für inkohärente Superposition gibt die Thermodynamik bzw. Statistische Physik (Quantenstatistik). Hier ist . Dabei ist die reziproke Fermi-Temperatur T, genauer: mit der Boltzmann-Konstante   ist der Hamiltonoperator (Energieoperator) des Systems; es ist also  Z(T) schließlich ist die sogenannte Zustandssumme, was entspricht. Für die thermodynamische Entropie des Systems gilt: mit der im Artikel Bell-Zustand statistisch definierten Von-Neumann-Entropie Beide Entropien sind also im Wesentlichen identisch.

Das prominenteste Beispiel für kohärente Superpositionen gibt die Laserstrahlung. Hier strahlen die Laseratome gleichphasig, also im Takt. Es werden Übergänge zwischen unterschiedlichen „reinen“ Energiezuständen des bestrahlten Systems induziert, wobei die Übergangrate, das ist die Zahl der Übergänge dividiert durch die Zeit, nicht wie bei inkohärenter Strahlung konstant ist, sondern z. B. über eine gewisse Zeitspanne sehr rasch anwächst. Die erzeugte Strahlungsintensität () ist sehr viel größer als bei inkohärenter Anregung ( verglichen mit bei inkohärentem Licht. Dabei ist , die Zahl der beteiligten Atome, extrem groß, sodass um viele Zehnerpotenzen größer ist als )

Bei inkohärenter Anregung erfolgen die Energieübergänge nicht im Takt, sondern z. B. mit Zufallsphasen. Für die mittlere Übergangsrate gilt jetzt eine sog. „Goldene Regel“ von E. Fermi.

Quellen und Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Wolfgang Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 5/1; Quantenmechanik – Grundlagen. 5. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 2002, ISBN 3-540-42114-9.
  2. Walter Thirring: Quantenmechanik von Atomen und Molekülen. In: Lehrbuch der Mathematischen Physik. 3. Auflage. Band 3. Springer, Wien 1994, ISBN 3-211-82535-5, S. 26.
  3. Huaxin Lin: An Introduction to the Classification of Amenable C*-algebras. World Scientific, Singapur 2001, ISBN 981-02-4680-3.
  4. Claude Cohen-Tannoudji: Quantenmechanik. de Gruyter, 1999, ISBN 3-11-016458-2.