Saale-Komplex

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Maximale Eisrandlage (Drenthestadium) des Saale-Komplexes (gelbe Linie). Die rote Linie zeigt zusätzlich die größte Ausdehnung der jüngeren Weichsel-Kaltzeit.

Der Saale-Komplex, auch Saale-Kaltzeit oder Saale-Glazial (umgangssprachlich auch Saale-Eiszeit oder Saale-Zeit) beinhaltet die mittlere von drei größeren in Nordeuropa und dem nördlichen Ost-, Mittel- und Westeuropa aufgetretenen Vergletscherungen durch den skandinavischen Inlandeisschild zwischen der älteren Elster-Kaltzeit und der jüngeren Weichsel-Kaltzeit. Sie löste die Holstein-Warmzeit ab und wird von der Eem-Warmzeit gefolgt. Der Saale-Komplex wird derzeit, je nach Literatur, um 300.000 bis 130.000 bzw. 347.000 bis 128.000 Jahre vor heute angesetzt (Dauer: rund 219.000 Jahre), etwa zeitgleich mit den Vergletscherungen der Riß-Kaltzeit im Alpenraum.[1]. Die eigentliche „Eiszeit“ nimmt nur einen Teil der Saale-Kaltzeit bzw. des Saale-Komplexes ein. Die erste Kältephase (Fuhne-Kaltzeit) zu Beginn des Saale-Komplexes ist durch eine Warmzeit (Dömnitz-Warmzeit) von der eigentlichen Saale-„Eiszeit“ getrennt. Der Begriff Saale-Eiszeit oder Saale-Glazial ist in der Literatur daher zweideutig; er bezeichnet einerseits nur die Phase, in der die Gletscher bis nach Norddeutschland vorgedrungen sind, andererseits auch den gesamten Saale-Komplex. Die Begriffe gehen auch in der wissenschaftlichen Literatur häufig durcheinander.[Anmerkung 1]

Namensgebung und Begriffsgeschichte

Der Name leitet sich vom Elbnebenfluss Saale ab. Jakob Stoller und Konrad Keilhack prägten im Jahre 1910 den Begriff „Saale-Eiszeit“.[2][Anmerkung 2] Der Begriff sollte die ältere Bezeichnung „Vorletzte Eiszeit“ ersetzen. Allerdings legten Stoller und Keilhack weder eine Typuslokalität noch ein Typusprofil fest. Typusregion ist auf jeden Fall das Saale-Gebiet. 1986 und 1992 beschloss die Subkommission für Europäische Quartärstratigraphie, den Zeitraum vom Übergang zwischen Holstein-Warmzeit und Fuhne-Kaltzeit bis zum Beginn der Eem-Warmzeit als Saale-Komplex zu definieren. In Anlehnung an die im Deutschen übliche Endung -ium für chronostratigraphische Einheiten bezeichnet die Stratigraphische Karte von Deutschland 2002 den Saale-Komplex auch als Saalium-Komplex.[3] Die Benennung der einzelnen Stadien des Eisvorstoßes ist ebenfalls nicht einheitlich.

Korrelation und Datierung

Die Untergrenze des Saale-Komplexes (und damit die Obergrenze der Holstein-Warmzeit) wird etwa auf das Ende der marinen Sauerstoffisotopen-Zone MIS 9 datiert. Die Obergrenze des Saale-Komplexes (und damit die Untergrenze der Eem-Warmzeit) wird mit der marinen Sauerstoffisotopen-Zone MIS 5e korreliert. Dies entspricht dem Zeitraum von 300.000 Jahren bis etwa 130.000 Jahren vor unserer Zeit. Im Alpenvorland korreliert der Saale-Komplex mit der Riß-Kaltzeit.

Verbreitung

Der maximale Vorstoß des Eises während des Drenthe-Stadiums lässt sich in Norddeutschland mit der Linie DüsseldorfPaderbornHamelnGoslarEislebenZeitzMeißenGörlitz beschreiben. Vom östlichen Harzrand nach Osten (Polen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt) blieb der Eisvorstoß ungefähr 10 bis 50 km hinter dem maximalen Vorstoß der Elster-Kaltzeit zurück. Am Nordrand des Harzes sind beide Verbreitungsgrenzen gleichverlaufend, westlich des Harzes griff das Eis des Saale-Komplexes um über 100 km weiter nach Süden als das Eis der Elster-Kaltzeit. Vor dieser Linie, d.h. vor den ehemaligen Gletschern, sind fluviatile und periglaziäre Sedimente weit verbreitet. Im Drenthe-Stadium waren auch das heutige Nordseebecken, Großbritannien und Irland betroffen.

Saale/Riß-Kaltzeit im Vergleich zur Weichsel-/Würm-Kaltzeit. Die eigentlichen Kaltzeiten waren unterbrochen von wärmeren Perioden, in denen sich die archaiischen Menschen Europas (Homo heidelbergensis – später der Neandertaler) über die Permafrostgrenze hinaus nach Norden und Nordosten ausbreiteten. Ab etwa 40.000 v. Chr. besiedelten moderne Menschen (Cro-Magnon-Mensch) diese Gebiete.

Ablauf und Gliederung des Saale-Komplexes

Der Saale-Komplex lässt sich in einen unteren (auch Saale-Frühglazial[4]) und einen oberen Abschnitt (auch Mittleres und Oberes Saaleglazial,[4] bzw. Jüngere Saaleeiszeit[5]), mit Vorstoß der Gletscher bis nach Norddeutschland, gliedern.

Das Saale-Frühglazial umfasst die:

  • Dömnitz-Warmzeit, die durch Eichenmischwald, Hasel und Hainbuche gekennzeichnet ist. Erwähnenswert ist der Fund des Großen Algenfarnes (Azolla filiculoides).
  • Fuhne-Kaltzeit. Nach dem Ende der Holstein-Warmzeit kam es zur Entwaldung Norddeutschlands und zur Bildung einer subarktischen Vegetation.

Der obere Teil des Saale-Komplexes ist in Norddeutschland durch drei große Gletschervorstöße (möglicherweise in Schleswig-Holstein auch vier Vorstöße[6]) gekennzeichnet. Sie werden meist bezeichnet als:

  • Warthe-Stadium
  • Drenthe-Stadium
    • Drenthe-II-Phase (Jüngere Drenthe)
    • Drenthe-I-Phase (Haupt-Drenthe)

Unstrittige Spuren für deutliche Thermomere (Interstadiale, Intervalle) zwischen diesen Vorstößen liegen aus dem nördlichen Deutschland nicht vor. In der Arbeit von Litt et al. (2007) mit Schwerpunkt auf dem südlichen Rand der norddeutschen Vereisungen wird der obere Teil des Saale-Komplexes wie folgt gegliedert:

  • Warthe-Stadium
  • Seyda-Intervall
  • Drenthe-Stadium
    • Leipzig-Phase
    • Pomßen-Intervall
    • Zeitz-Phase
  • (Delitzsch-Phase[Anmerkung 3])

Das Drenthe-Stadium entspricht der maximalen Vereisung während des Saale-Komplexes. Das letzte Stadium, das Warthe-Stadium, überzog nur Nordostniedersachsen (Teile der Lüneburger Heide), die Altmark, das Elbtal flussabwärts von Magdeburg und den Bereich östlich davon nochmals mit Gletschern (vergleiche: Südlicher Landrücken), so dass diese Landstriche geomorphologisch jünger sind als das nordwestdeutsche Tiefland, aber älter und oberflächlich verwitterter als die viel später von der Weichsel-Kaltzeit erfassten Jungmoränengebiete Nordostdeutschlands. Die zuletzt von der Saale-Kaltzeit vergletscherten Bereiche, etwa die Westfälische Bucht, ein großer Teil Niedersachsens und Sachsen-Anhalts, das südliche Brandenburg, oder die Leipziger Tieflandsbucht und die Lausitz in Sachsen, werden als Altmoränenlandschaften bezeichnet. Sie wurden während der späteren Weichsel-Kaltzeit durch periglaziale Prozesse wie beispielsweise Verwehungen von Flugsand und Löss weiter geformt und verändert. Als Urstromtal ist dem Saaleglazial insbesondere das Breslau-Magdeburg-Bremer Urstromtal zuzuordnen. Es wurde danach nicht wieder vom Eis überfahren.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Litt et al. (2007: S.34ff)
  2. Jacob Stoller: Geologische Karte von Preußen und den benachbarten Bundesstaaten Blatt Ebstorf 2928, und Konrad Keilhack: Geologische Karte von Preußen und den benachbarten Bundesstaaten Blatt Teltow 3545.
  3. Stratigraphische Tabelle von Deutschland 2002, Deutsche Stratigraphische Kommission (DSK), 2002. ISBN 3-00-010197-7 (PDF-Datei; 7 MB)
  4. a b Lothar Lippstreu: VI. Brandenburg. In: Leopold Benda (Hrsg.): Das Quartär Deutschlands. S.116-147, Borntraeger, Berlin Stuttgart 1995
  5. Lothar Eissmann: VIII. Sachsen. In: Leopold Benda (Hrsg.): Das Quartär Deutschlands. S.171-198, Borntraeger, Berlin Stuttgart 1995
  6. Hans-Jürgen Stephan: I. Schleswig-Holstein. In: Leopold Benda (Hrsg.): Das Quartär Deutschlands. S.1-13, Borntraeger, Berlin Stuttgart 1995

Anmerkungen

  1. Ein gutes Beispiel für das Durcheinander der Begriffe ist das inzwischen etwas veraltete Standardwerk Das Quartär Deutschlands von Leopold Benda (Hrsg.) Verlag Bornsträger Stuttgart aus dem Jahr 1995. Hier wird der Saale-Komplex in den Einzelartikeln dieses Bandes als Saale-Kaltzeit, Saale-Glazial, Saale-Komplex und Saaleeiszeit bezeichnet. Angemerkt sei noch, dass der Begriff Saaleeiszeit von einem der Autoren, Lothar Eissmann, im Sinne von Saale-Komplex verwendet wird (also einschließlich Fuhne-Kaltzeit und Dömnitz-Warmzeit), nicht etwa restriktiv beschränkt auf die eigentliche Vereisung.
  2. Das von Jacob Stoller beschriebene Bohrprofil Öchtringen weist an der Basis des Bereichs, der von Stoller der Saale-Eiszeit zugewiesen wurde, einen 15 m mächtigen Tonmergel und einen 11 m mächtigen Horizont mit Braunkohlen und Torf auf. Es ist wahrscheinlich, dass diese Anteile dem Saale-Frühglazial entsprechen.
  3. Die Delitzsch-Phase wird nicht zum Drenthe-Stadium gerechnet, sondern geht diesem voraus, s. Litt et al. 2007, S. 38