Sankt Javelin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. März 2023 um 17:29 Uhr durch 213.208.157.39 (Diskussion) (Adjektive schreibt man klein.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Sankt Javelin

Link zum Bild
(bitte Urheberrechte beachten)

Sankt Javelin[1] (im englischen Original Saint Javelin) ist ein Internet meme, bei dem ikonenhaft dargestellte Heilige moderne Waffen tragen, die im Rahmen des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 zum Einsatz kamen, insbesondere die namensgebende Panzerabwehrwaffe Javelin. Das Meme wurde von Christian Borys während der russischen Invasion erfunden und erlangte weltweite Berühmtheit, woraufhin es zur Vorlage zahlreicher weiterer Memes wurde. Es wird zudem für Merchandising-Produkte genutzt und nahm so über eine Million US-Dollar ein, die an humanitäre Hilfsorganisationen in der Ukraine gespendet wurden.[2][3]

Hintergrund

Das Meme wurde von dem kanadisch-ukrainischen Journalisten Christian Borys entworfen. Ursprünglich sollte es nur für Aufkleber verwendet werden, deren Verkaufsumsätze an ukrainische Hilfsorganisationen gespendet werden sollten.[4][5][6] Im Internet ging das Meme daraufhin als Symbol für den ukrainischen Widerstand gegen die russischen Invasoren viral.[7][8] Borys arbeitet mittlerweile in Toronto, berichtete aber als freier Reporter für verschiedene Länder aus der Ukraine während des Beginns des Russisch-Ukrainischen Kriegs 2014.[7] Besonderen Eindruck machte dabei das Schicksal der Witwen und Waisen im Krieg im Donbas auf ihn.[9]

Meme

Das Meme zeigt eine stilisierte Madonna, die in ihren Händen einen Raketenwerfer hält. Manche Quellen halten die Darstellung im Stil einer traditionellen orthodoxen Ikone fälschlicherweise für Maria Magdalena oder Olga von Kiew.[8][10][11][12][13] Während die Madonna in der Kunst zumeist ein Jesuskind in ihren Armen hält, wurde dieses im Meme durch einen Raketenwerfer ersetzt. Die Gegenüberstellung des traditionellen Marienbildnisses mit einer Panzerabwehrwaffe ist Grundlage für den Humor hinter dem Meme.[12] Auf diese Art wurden bereits zahlreiche ähnliche Abbildungen entworfen, bei denen Madonnen oder vergleichbare Figuren ebenfalls moderne Gegenstände halten, wie etwa Sneaker.[8]

Bei der dargestellten Waffe handelt es sich um die FGM-148 Javelin aus US-amerikanischer Herstellung. Die Panzerabwehrwaffe wird im Russisch-Ukrainischen Krieg in großer Zahl von der ukrainischen Armee verwendet, um gepanzerte russische Fahrzeuge auszuschalten.[12] Die Kleidung der Madonna ist zudem in Anlehnung an die Soldatenuniformen der ukrainischen Armee in dunklem Grün gehalten. Der Heiligenschein war in frühen Versionen zunächst rot, wurde später jedoch in die ukrainischen Nationalfarben gelb und blau geändert.[12]

Das Design des Memes wurde von dem in Lwiw lebenden Grafikdesigner Jewhen Schalaschow entworfen, der sich an der Darstellung der Madonna Kalashnikov orientierte, einem Gemälde des US-amerikanischen Künstlers Chris Shaw.[14] Shaw selbst war überrascht von dem Erfolg des Memes. Und obwohl die Veränderung seines Werks ohne seine Erlaubnis erfolgte, beurteilt er das Ergebnis als positiv, da es für humanitäre Zwecke genutzt wird.[15]

Kritik

Erzengel Michael mit einem Schwert

Die Kritik an Sankt Javelin konzentriert sich im Wesentlichen auf eine Ikonoklasmus-Debatte. Der Weltkirchenrat verurteilte die Nutzung der madonnenhaften Heiligenabbildung im Zusammenhang mit einer modernen Kriegswaffe als Blasphemie. Die Debatte wurde insbesondere durch ein übergroßes Gemälde des Memes auf einer Hochhauswand in Kiew neu angefacht.[16] Der blaue Heiligenschein wurde mitsamt den beiden goldenen Dreizacken im Nachgang übermalt, woraufhin die Künstlergruppe Kailas-V, die das Gemälde erstellt hatte, Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko kritisierte. Klitschko habe der Gruppe zufolge die entsprechende Anweisung gegeben.[16] Religiöse Ikonen werden oft mit Waffen dargestellt, wie etwa der meist mit Schwert gezeigte Erzengel Michael. Christian Borys führte dies als Gegenargument zur Kritik an und wies auf die besondere Bedeutung des Memes für die ukrainische Bevölkerung während der russischen Invasion hin. In der Vergangenheit seien während Kriegen schon oft religiöse Ikonen als Quelle für moralische Unterstützung genutzt worden.[16]

Kampagne

Christian Borys arbeitete zunächst mit der ukrainischen Hilfsorganisation Help us Help zusammen und spendete sämtliche Einnahmen aus dem Verkauf von Sankt-Javelin-Aufklebern an diese, um vom Krieg betroffene Kinder und Waisen zu unterstützen.[2][7] Im März 2022 teilte Borys mit, dass er sich nunmehr in Vollzeit um die Marke Saint Javelin kümmern und auch Personal einstellen wolle, damit nach dem Kriegsende Hilfe beim Wiederaufbau geleistet werden kann.[9] Dabei nahm Borys zu dem Zeitpunkt bereits über eine Million US-Dollar ein.[17][9][18][19] Täglich seien zudem über eintausend Aufträge eingegangen.[20][8] Die Einnahmen bestimmter Artikel sind für die Unterstützung spezieller Bereiche vorgesehen: so werden alle Einnahmen der „Regenbogen-Kollektion“ an Organisationen gespendet, die sich für die Rechte der LGBTQ+-Personen einsetzen.[21][22]

Aufgrund der großen Beliebtheit von Sankt Javelin wurde die Produktpalette stark vergrößert. Zudem wurde weitere „Heilige“ hinzugefügt, deren Namen zumeist ebenfalls auf moderne Kriegswaffen verweisen, wie etwa Sankt HIMARS.[7][23][24] Auch werden Artikel verkauft, die besondere Momente im Kriegsverlauf darstellen. Dazu zählt der Funkspruch der ukrainischen Besatz der Schlangeninsel an die beiden russischen Kriegsschiffe als Antwort auf deren Angebot zur Kapitulation („Russisches Kriegsschiff, f*** dich …!“)[25], aber auch die Aktivität der NAFO im Internet zur Bekämpfung russischer Propaganda.

Bei der Herstellung der Sankt-Javelin-Produkte sollten zudem vermehrt Personen direkt aus der Ukraine involviert werden, um diese mit Jobs zu versorgen.[26]

Einzelnachweise

  1. Andrian Kreye: Pop Gun. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche Zeitung, 18. Mai 2022, abgerufen am 10. März 2023.
  2. a b Why – Let’s Help Ukraine. In: saintjavelin.com. Abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  3. How the St. Javelin meme raised a million dollars for Ukraine. Washington Post, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  4. About Us. In: saintjavelin.com. Abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  5. Toronto stickers sales in support of Ukraine spike over 250 per cent as Russia invades. In: ctvnews.ca. CTV News Channel, 24. Februar 2022, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  6. Sur les réseaux sociaux, mèmes et légendes se multiplient en soutien à l’Ukraine. In: fnac.com. L’Éclaireur Fnac, 7. März 2022, abgerufen am 10. März 2023 (französisch).
  7. a b c d Chris Dart: How a Canadian artist is using the Saint Javelin meme to raise money for Ukraine. In: cbc.ca. Canadian Broadcasting Corporation, 2. März 2022, abgerufen am 10. März 2023.
  8. a b c d Who Is St. Javelin and Why Is She a Symbol of the War in Ukraine? In: vice.com. Vice, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  9. a b c How ‘Saint Javelin’ raised over $1m for Ukraine. In: bbc.com. BBC News, 10. März 2022, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  10. Michael J. Armstrong: Ukraine’s small missiles are challenging a big invader. In: theconversation.com. The Conversation, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  11. Anthony S. Rozario: Who Is St Javelin? Why Is She the Face of Ukrainian Resistance? In: thequint.com. 27. Februar 2022, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  12. a b c d David Walsh: St Javelin and the missile that’s now an icon of Ukraine’s resistance. In: euronews.com. Euronews, 27. Februar 2022, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  13. Saint Javelin of Ukraine. In: dailykos.com. Abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  14. Madonna Kalashnikov 2022 – Ten Years of an Icon. In: chrisshawstudio.com. 12. März 2022, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  15. Alexander Query: ‘Iconic’ Saint Javelin helps fundraise over $1 million for Ukraine. In: kyivindependent.com. The Kyiv Independent, 26. März 2022, abgerufen am 10. März 2023.
  16. a b c Ukraine war: Giant mural of Saint Javelin meme painted in Kyiv outrages church organisation. In: sky.com. Sky News, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  17. “My accounts were frozen because the banks thought I was laundering money”: How a Toronto man raised $1 million for Ukraine by selling stickers. In: torontolife. 22. März 2022, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  18. Javelin Anti-Tank Missiles Get Biden Nod as Ukraine Depletes U.S. Stash. In: bloomberg.com. 3. Mai 2022, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  19. Canadians book close to 3,000 nights in Ukraine on Airbnb— with no plans to travel. In: thestar.com. 5. März 2022, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  20. Steffi Cao: This Is How People Around The World Are Helping Ukrainians As Their Country Is Being Attacked By Russia. In: buzzfeednews.com. Abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  21. Ukraine’s LGBTQ rights movement contends with war’s mixed impact. Washington Post, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  22. Maya Lach-Aidelbaum: LGBTQ refugees fleeing Ukraine draw on European network of allies to find housing, medical care. Canadian Broadcasting Corporation, 16. März 2022, abgerufen am 10. März 2023.
  23. Jane Arraf: Ukraine’s War Efforts Gain an Unlikely Source of Funding: Memes. The New York Times, 19. April 2022, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  24. Saints. In: saintjavelin.com. Abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  25. “Go Fuck Yourself.” On Putin’s Propaganda and the Week in Ukrainian Resistance. In: lithub.com. 4. März 2022, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  26. ‘Saint Javelin’ viral meme turned into war merchandise, helps fund Ukrainian struggle | Watch News Videos Online. In: globalnews.ca. Abgerufen am 10. März 2023 (englisch).