Synagoge Worms
Die Synagoge Worms ist eine der ältesten Synagogen in Deutschland. Das 1034 erstmals gestiftete Gebetshaus wurde in seiner Geschichte mehrfach zerstört und neu aufgebaut; es dient heute den in Worms wohnenden Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Mainz als Gebetshaus und stellt gleichzeitig eine wichtige Sehenswürdigkeit der Stadt dar, die meist in Verbindung mit dem Heiligen Sand besucht wird.
Geschichte
Eine jüdische Gemeinde in Worms entstand wahrscheinlich im 10. Jahrhundert. Die erste Synagoge in Worms wurde 1034 von Jakob ben David und seiner Frau Rahel finanziert, was diese in einer Stifterinschrift dokumentierten, die heute neben dem Eingang zur Männersynagoge eingemauert ist. Dieses erste Synagogengebäude wurde während des Deutschen Kreuzzugs von 1096 und des Zweiten Kreuzzugs 1146 beschädigt.
Ein Neubau der Synagoge erfolgte 1174/75 im romanischen Stil der Wormser Dombauschule, er wird heute als Männersynagoge bezeichnet. 1185/86 wurde südwestlich der Männersynagoge eine unterirdische Mikwe angelegt. Die Frauensynagoge wurde 1212/13 nördlich an die Männersynagoge angebaut. 1624 erfolgte der letzte Ausbau der Synagoge: Nördlich des Frauensynagoge wurde ein Vorbau errichtet, westlich der Männersynagoge das so genannte Raschi-Lehrhaus als Jeschiwa.
Während der Pogrome von 1349 und 1615 wurde die Synagoge stark beschädigt: Bei beiden Pogromen wurden die Deckengewölbe zerstört und die Wänder teilweise abgebrochen. Beim Wiederaufbau nach 1355 wurden gotische Formen für die Fenster und das Deckengewölbe gewählt. Vergleichbar schwer waren die Schäden nach dem Stadtbrand von 1689 während des Pfälzischen Erbfolgekriegs. Die Gebäude konnten erst um 1700 wiederhergestellt werden, die Innenausstattung wurde im Zeitstil erneuert.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts neigte die jüdische Gemeinde in Worms liberalen Vorstellungen zu. Deshalb wurde 1842 die Trennwand zwischen Männer- und Frauensynagoge abgebrochen und 1877 eine Orgel in der Synagoge eingebaut. Diese Veränderungen wurden nicht von allen Gemeindemitgliedern positiv aufgenommen. Für diesen orthodoxen Gemeindeteil ließ der Getreidehändler Leopold Levy nördlich des Synagogenplatzes die so genannte „Neue Synagoge“ (oder „Levysche Synagoge“) erbauen, die 1875 geweiht wurde. Nach dem Willen des Stifters blieb aber auch diese Synagoge im Eigentum der Wormser Gemeinde, um eine Zersplitterung in kleinere Gruppen zu verhindern.
Während der Novemberpogrome 1938 wurde die Wormser Synagoge in Brand gesteckt. Die noch erhaltenen Mauern wurden 1942 umgestürzt und die Gebäudereste gegen Ende des Zweiten Weltkriegs bei den Fliegerangriffen auf Worms nochmals beschädigt. Zwischen 1938 und 1945 wurden aus den Ruinen einzelne Bauteile geborgen, unter ihnen die Stifterinschrift von 1034. Erste Überlegungen zu einem Wiederaufbau wurden bereits 1947 angestellt.[1] Dennoch dauerte es bis 1958, bis der Wiederaufbau der Wormser Synagoge in Angriff genommen wurde. 1961 konnte sie in ihren alten Formen erneut geweiht werden.
Die Neue Synagoge wurde ebenfalls währen des Zweiten Weltkriegs zerstört. An ihrem Platz befindet sich seit den 1990er Jahren ein Wohnhaus, dass die äußere Form der historischen Synagoge aufgreift und den Synagogenplatz nach Norden abschließt.
Die Synagoge Worms steht unter Denkmalschutz.[2] Sie wurde bereits 1887 in das Sammelwerk Die Kunstdenkmäler im Großherzogtum Hessen aufgenommen[3] und war damit – „(i)nfolge der Hochschätzung der Mittelalters“ – eine der ersten jüdischen Sakralbauten, die unter Denkmalschutz gestellt wurde.[4]
Beschreibung
Die Männersynagoge ist ein zweischiffiger rechteckiger Saal, der von zwei romanischen Säulen getragen wird. In der Mitte des Saals zwischen den Säulen befindet sich die moderne Bima, an der Ostwand liegt der Toraschrein, der in Teilen der Renaissance zuzurechnen ist, aber 1704/05 eine barocke Überarbeitung erfuhr. Der Haupteingang zur Synagoge liegt in der Nordwestecke des Raums. Die Türgewände sind wie die nur in Kopien erhaltenen Säulenkapitelle in romanischen Formen gehalten und wurden wahrscheinlich von am Wormser Dom arbeitenden Steinmetzen gearbeitet. Auf drei Seiten der Männersynagoge befinden sich hohe gotische Fenster, die während des Wiederaufbaus von 1355 die Oculi des ursprünglichen Baus ersetzten. In ihrer Zweischiffigkeit war die Wormser Synagoge stilbildend: Sowohl die Regensburger Synagoge von 1227 als auch die Prager Altneu-Synagoge aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts griffen diese Form auf.
Die auf zwei Dritteln der Nordseite anschließende Frauensynagoge ist deutlich niedriger als die Männersynagoge. Der fast quadratische Saal wird von einer zentralen Säule getragen. Bis 1842 wurden beide Synagogenteile durch eine Wand getrennt, in der sich fünf kleine Fenster und eine Tür befanden. Seitdem bilden zwei Spitzbögen den Durchgang zwischen den beiden Bauteilen.
Die Männersynagoge wird heute für den Gottesdienst genutzt. In der Frauensynagoge befinden sich Gedenktafeln, die an die während des Holocaust umgekommenen Mitglieder der jüdischen Gemeinde zu Worms erinnern.
Literatur
- Otto Böcher: Die alte Synagoge in Worms am Rhein. Deutscher Kunstverlag, München und Berlin 2001 (9. Auflage).
- Otto Böcher: Die Alte Synagoge zu Worms, in: Der Wormsgau, Beiheft 18 (1960).
- Carol Herselle Krinsky: Synagogues of Europe. Architecture, History, Meaning. MIT Press, Cambridge (Mass.) 1985. ISBN 0-486-29078-6. S. 319–323
- Ernst Róth: Festschrift zur Wiedereinweihung der Alten Synagoge zu Worms. Ner Tamid Verlag, Frankfurt am Main 1961.
Weblinks
- worms.de: Synagoge und Mikwe – Judenviertel
Einzelnachweise
- ↑ Jens Hoppe: Jüdische Geschichte und Kultur in Museen. Zur nichtjüdischen Museologie der Jüdischen in Deutschland. Waxmann, Münster 2002, ISBN 3-8309-1178-5, S. 46.
- ↑ Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz: Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler. Kreisfreie Stadt Worms. S. 3. Aufgerufen am 29. Oktober 2009.
- ↑ Die Kunstdenkmäler im Großherzogtum Hessen. Kreis Worms. Darmstadt 1887, S. 258.
- ↑ Jens Hoppe: Jüdische Geschichte und Kultur in Museen. Zur nichtjüdischen Museologie der Jüdischen in Deutschland. Waxmann, Münster 2002, ISBN 3-8309-1178-5, S. 44.
Koordinaten: 49° 38′ 1,1″ N, 8° 21′ 58,8″ O