Vertrag von Saint-Germain
Der Vertrag von St-Germain regelte nach dem Ersten Weltkrieg die Auflösung der österreichischen Reichshälfte (Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder) Österreich-Ungarns und die Bedingungen für die neue Republik Deutschösterreich. Der Vertrag von Trianon regelte die Situation Ungarns, des anderen Teilstaates der vormaligen Doppelmonarchie. Der am 2. September 1919 den österreichischen Delegierten übergebene Vertrag wurde am 10. September 1919 im Schloss Saint-Germain-en-Laye unterzeichnet. Er ist einer der Pariser Vorortverträge, die den Ersten Weltkrieg formal beendeten, und wurde zwischen Österreich und 27 alliierten und assoziierten Mitgliedern abgeschlossen.
Im Mai 1919 reiste eine österreichische Delegation nach St-Germain-en-Laye, aber eine direkte Teilnahme an den Gesprächen wurde ihr verweigert, lediglich schriftliche Vorschläge konnten unterbreitet werden. Dem Habsburger Herrscherhaus von Österreich-Ungarn und dem Deutschen Kaiserreich wurde die Alleinschuld am Krieg zugewiesen.
Bestimmungen
Die wichtigsten Bestimmungen der 381 Artikel des Vertrages von St. Germain sind:
- Böhmen, Mähren, Österreichisch Schlesien und einige Gemeinden Niederösterreichs (u.a. Feldsberg, der Bahnhof Gmünd und andere Gemeinden) gehen an die neu gegründete Tschechoslowakei, das Selbstbestimmungsrecht der deutschsprachigen Bevölkerung im Sudetenland (Deutschböhmen), die im Oktober 1918 eigenständige Provinzen gegründet hatten, findet dabei keine Berücksichtigung.
- Galizien geht an Polen.
- Südtirol, Welschtirol und das Kanaltal gehen an Italien.
- Istrien geht an Italien.
- Die Bukowina geht an Rumänien.
- Teile der Untersteiermark sowie das Kärntner Mießtal und das Seeland gehen an das neue Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen.
- Über Südkärnten ist eine Volksabstimmung darüber, ob es künftig zu Österreich oder zu Jugoslawien gehören möchte, durchzuführen.
- Westungarn geht an Österreich und erhält den Namen Burgenland (kommt von den vier Komitaten Wieselburg, Eisenburg, Ödenburg und Pressburg, aus deren Teilen das Burgenland gebildet wird).
- Die Verwendung von „Deutschösterreich“ als Staatsname wird verboten.
- Artikel 88: Der Anschluss an das Deutsche Reich wird untersagt.
- Österreich wird zu Reparationszahlungen verpflichtet.
- Eine allgemeine Wehrpflicht wird verboten. Es wurde nur ein Berufsheer von 30.000 Mann erlaubt. Die Rüstungsfabriken und Waffen mussten zerstört werden.
- Die Gründung des Völkerbunds und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), beides Schritte, welche den Vertrag bzw. die gesamten Pariser Vororteverträge von vorhergehenden Friedensverträgen deutlich unterscheiden.
Nach Abtrennung dieser Gebiete blieb von Österreich (Cisleithanien) ein Reststaat von etwa 6,5 Millionen Einwohnern. Ungarn wurden ähnlich wie Österreich harte Bedingungen und Reparationen auferlegt. Sinngemäß entsprach der Vertrag von St-Germain dem Versailler Vertrag.
Der Vertrag von St-Germain trat am 16. Juli 1920 förmlich in Kraft und bestätigte die Auflösung Österreich-Ungarns auch völkerrechtlich.
Trivia
Anlässlich des 90jährigen Jubiläums der Republik Österreich hätte das Original des Vertrags von St-Germain in Wien ausgestellt werden sollen. Die nach der Unterzeichnung in Frankreich aufbewahrten Originale konnten in den französischen Archiven aber nicht mehr aufgefunden werden. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Vertrag nach Berlin gebracht und dort ausgestellt. Wahrscheinlich wurde er dort auch bei einem Bombenangriff zerstört.[1]
Literatur
- Isabella Ackerl/Rudolf Neck (Hrsg.): Saint-Germain 1919. Protokoll des Symposiums am 29. und 30. Mai 1979 in Wien. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1989, ISBN 3-7028-0276-2.
- Fritz Fellner: Vom Dreibund zum Völkerbund. Studien zur Geschichte der internationalen Beziehungen 1882–1919. R. Oldenbourg Verlag, München 1994, ISBN 3-486-56091-3.
- Lajos Kerekes: Von St. Germain bis Genf. Österreich und seine Nachbarn 1918–1922. Akadémiai Kiadó, Budapest 1979, ISBN 963-05-1373-0.
Einzelnachweise
- ↑ Historische Verträge verschwunden auf ORF-Online