„Zentrifugalkraft“ – Versionsunterschied

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Bei einem mit Wasser gefüllten zylinderförmigen Gefäß, das um eine senkrechte Achse rotiert, nimmt die Wasseroberfläche eine gekrümmte Form an, wobei der Wasserstand außen höher ist als in der Mitte. Beschreibt man den Vorgang in einem mitrotierenden Bezugssystem, so befindet sich die Flüssigkeit in Ruhe. Folglich müssen sich [[Gravitation]]s-, Flieh- und [[Hydrostatik|hydrostatische]] Kräfte ausgleichen, also vektoriell zu Null addieren. Daraus folgt, dass die Summe aus Gravitations- und Fliehkraft an jedem Punkt der Oberfläche auf dieser senkrecht steht. Aus dieser Bedingung lässt sich mit einfachen mathematischen Methoden die Form der Oberfläche berechnen. Weil das Zentrifugalkraftpotential immer proportional zum Quadrat des Radius ist, hat die Oberfläche immer die Form eines [[Rotationsparaboloid]]es, sodass das [[Hydrostatik|hydrostatische]] [[Potential]] gleich dem Zentrifugalkraftpotential ist. Wollte man dieselbe Situation in einem Inertialsystem beschreiben, würde zwar keine Fliehkraft auftreten, aber dafür würde sich die Flüssigkeit bewegen und es würde ein mathematisch sehr viel komplizierteres [[Hydrodynamik|hydrodynamisches]] Problem vorliegen.
Bei einem mit Wasser gefüllten zylinderförmigen Gefäß, das um eine senkrechte Achse rotiert, Benjamin nimmt die Wasseroberfläche eine gekrümmte Form an, wobei der Wasserstand außen höher ist als in der Mitte. Beschreibt man den Vorgang in einem mitrotierenden Bezugssystem, so befindet sich die Flüssigkeit in Ruhe. Folglich müssen sich [[Gravitation]]s-, Flieh- und [[Hydrostatik|hydrostatische]] Kräfte ausgleichen, also vektoriell zu Null addieren. Daraus folgt, dass die Summe aus Gravitations- und Fliehkraft an jedem Punkt der Oberfläche auf dieser senkrecht steht. Aus dieser Bedingung lässt sich mit einfachen mathematischen Methoden die Form der Oberfläche berechnen. Weil das Zentrifugalkraftpotential immer proportional zum Quadrat des Radius ist, hat die Oberfläche immer die Form eines [[Rotationsparaboloid]]es, sodass das [[Hydrostatik|hydrostatische]] [[Potential]] gleich dem Zentrifugalkraftpotential ist. Wollte man dieselbe Situation in einem Inertialsystem beschreiben, würde zwar keine Fliehkraft auftreten, aber dafür würde sich die Flüssigkeit bewegen und es würde ein mathematisch sehr viel komplizierteres [[Hydrodynamik|hydrodynamisches]] Problem vorliegen.


Die sich ausbildende Form der Flüssigkeitsoberfläche in einem rotierenden Wasserbehälter (und damit die Zentrifugalkraft) wurde von Newton in seinem berühmten Eimerexperiment als Nachweis der Existenz eines absoluten Raumes benutzt (siehe [[Machsches Prinzip]]).
Die sich ausbildende Form der Flüssigkeitsoberfläche in einem rotierenden Wasserbehälter (und damit die Zentrifugalkraft) wurde von Newton in seinem berühmten Eimerexperiment als Nachweis der Existenz eines absoluten Raumes benutzt (siehe [[Machsches Prinzip]]).

Version vom 19. Mai 2011, 12:45 Uhr

Zentrifugalkraft bei einer Kreisbewegung

Die Zentrifugalkraft, auch Fliehkraft genannt, ist eine Trägheitskraft, die ein Beobachter wahrnimmt, der sich in einem rotierenden Bezugssystem befindet.

In einem solchen Bezugssystem wirkt auf alle beobachteten Objekte – auch auf den Beobachter selbst – eine Zentrifugalkraft, die senkrecht auf der Rotationsachse des Systems steht und nach außen zeigt.

Begriff und Historie

Der Begriff leitet sich von fugere (lateinisch für fliehen) ab. Die Zentrifugalkraft wurde erstmals 1669 in einem Brief von Christian Huygens an den Sekretär der Royal Society Henry Oldenbourg abgeleitet, auch in dessen Horologium Oscillatorium von 1673 ohne Ableitung erwähnt und ausführlich in dessen nachgelassener Schrift von 1703 De Vis Centrifuga (aus dem Jahr 1659). Isaac Newton beschrieb die Zentrifugalkraft erst nach Huygens, aber unabhängig von diesem.[1]

Physikalischer Hintergrund

In einem mit der Winkelgeschwindigkeit rotierenden Bezugssystem wirkt auf einen Körper der Masse , der sich im Abstand von der Drehachse befindet, die Zentrifugalkraft

die stets von der Drehachse weg nach außen gerichtet ist. Dies ist ein Spezialfall einer allgemeinen Trägheitskraft.

Da die Zentrifugalkraft, genau wie die Gravitationskraft , proportional zur Masse des Körpers ist, auf den sie wirkt, lässt sich die Zentrifugalbeschleunigung

ähnlich wie die Erdbeschleunigung , als Ortsfaktor deuten, der an einem gegebenen Ort die Beschleunigung angibt, die ein Körper aufgrund der Zentrifugalkraft an diesem Ort erfahren würde.

Um einen Körper relativ zu einem rotierenden Bezugssystem in Ruhe zu halten, ist zur Kompensation der Fliehkraft eine gleich große, nach innen gerichtete Kraft erforderlich. Anschaulich formuliert: Wenn ein Objekt auf einer rotierenden Scheibe „stehen bleiben“ soll, muss etwas das Objekt festhalten, weil es sonst nach außen wegfliegt. Die Fliehkraft und die Haltekraft addieren sich zu Null, so dass der Körper „in Ruhe“, also an der selben Stelle der Scheibe bleibt.

Beschreibt man denselben Vorgang in einem Inertialsystem, so möchte der Körper gemäß Trägheitssatz nicht auf einer Kreisbahn, sondern (tangential) geradeaus fliegen; es wirkt auf ihn aber weiter dieselbe „nach innen“ gerichtete Haltekraft. Diese ist im Gegensatz zur Fliehkraft keine Trägheitskraft, sondern eine in jedem Bezugssystem zu berücksichtigende reale Kraft, die bewirkt, dass der Körper ständig nach innen beschleunigt und damit auf eine Kreisbahn gezwungen wird.

Der Betrag dieser Zentripetalbeschleunigung entspricht genau der oben angegebenen Zentrifugalbeschleunigung, und folglich entspricht auch der Betrag der Haltekraft genau dem Betrag der Zentripetalkraft, die benötigt wird, um einen Körper der Masse mit der Winkelgeschwindigkeit auf einer Kreisbahn mit Radius zu halten.

Ob auf einen Körper eine Fliehkraft wirkt oder nicht, hängt also nicht von der Bewegung ab, die der Körper durchführt, sondern davon, welches Bezugssystem man verwendet, um diese Bewegung zu beschreiben.

Zentrifugalkraftpotential

Hauptartikel: Effektives Potential

     (weil die Geschwindigkeit ist)

Die Energie im Zentrifugalkraftpotential ist gleich der kinetischen Energie.

Praktische Beispiele

Rotierende Flüssigkeit

Wasseroberfläche in einem rotierenden Gefäß
Rühren in einem Wasserglas

Bei einem mit Wasser gefüllten zylinderförmigen Gefäß, das um eine senkrechte Achse rotiert, Benjamin nimmt die Wasseroberfläche eine gekrümmte Form an, wobei der Wasserstand außen höher ist als in der Mitte. Beschreibt man den Vorgang in einem mitrotierenden Bezugssystem, so befindet sich die Flüssigkeit in Ruhe. Folglich müssen sich Gravitations-, Flieh- und hydrostatische Kräfte ausgleichen, also vektoriell zu Null addieren. Daraus folgt, dass die Summe aus Gravitations- und Fliehkraft an jedem Punkt der Oberfläche auf dieser senkrecht steht. Aus dieser Bedingung lässt sich mit einfachen mathematischen Methoden die Form der Oberfläche berechnen. Weil das Zentrifugalkraftpotential immer proportional zum Quadrat des Radius ist, hat die Oberfläche immer die Form eines Rotationsparaboloides, sodass das hydrostatische Potential gleich dem Zentrifugalkraftpotential ist. Wollte man dieselbe Situation in einem Inertialsystem beschreiben, würde zwar keine Fliehkraft auftreten, aber dafür würde sich die Flüssigkeit bewegen und es würde ein mathematisch sehr viel komplizierteres hydrodynamisches Problem vorliegen.

Die sich ausbildende Form der Flüssigkeitsoberfläche in einem rotierenden Wasserbehälter (und damit die Zentrifugalkraft) wurde von Newton in seinem berühmten Eimerexperiment als Nachweis der Existenz eines absoluten Raumes benutzt (siehe Machsches Prinzip).

Schleudern von Wäsche

Eine Waschmaschine mit einem Trommel-Durchmesser von 50 cm macht im Schleudergang 1200 Umdrehungen pro Minute. Die Zentrifugalbeschleunigung für ein mitrotierendes nasses Wäschestück ergibt sich zu

Hierbei ist die Winkelgeschwindigkeit. ist eine Umdrehung pro Minute.

Das Ergebnis entspricht etwa dem 400-fachen der Erdbeschleunigung. Auf eine Socke an der Trommelwand wirkt somit eine Zentrifugalkraft, die 400-mal so groß ist wie ihre Gewichtskraft.

Achterbahn

Die Zentrifugalkraft ist in der Konstruktion von Achterbahnen von Bedeutung, bei denen für den menschlichen Körper unangenehme Kräfte möglichst vermieden werden sollen, aber solche, die der Schwerkraft entgegenwirken und somit ein Gefühl der Schwerelosigkeit erzeugen, erwünscht sind.[2] Beispielsweise ergibt sich bei kreisförmigen Loopings, bei denen im höchsten Punkt gerade Schwerelosigkeit erzeugt wird, am Einstiegspunkt ein abrupter Anstieg der Beschleunigung um 5 , so dass für den mitbewegten Körper plötzlich die fünffache Gewichtskraft als Trägheitskraft auftritt. Deshalb wurde vom Achterbahnkonstrukteur Werner Stengel für Loopings eine Klothoiden-Form (Cornu-Spirale) der Bahnkurve entwickelt, bei der der Krümmungsradius umgekehrt proportional zur Bogenlänge ist, was zu einem sanften Anstieg der im Fahrzeug auftretenden Trägheitskräfte führt. Die Klothoide war zuvor schon im Straßenbau benutzt worden.

Technische Anwendungen

Technische Anwendungen der Zentrifugalkraft sind die Zentrifuge, das Fliehkraftpendel und der Fliehkraftregler.

Zusammenhang mit der Zentripetalkraft

Die Zentrifugalkraft wird häufig mit der Zentripetalkraft verwechselt, die in Richtung Rotationszentrum gerichtet ist und dafür sorgt, dass ein Objekt um das Zentrum rotiert. Während sich jedoch die Zentrifugalkraft ändert, wenn das Bezugssystem geändert wird, bleibt die Zentripetalkraft unabhängig vom Bezugssystem immer gleich.

Während eine Zentripetalbeschleunigung immer nötig ist, um einen Körper auf eine gekrümmte Bahn zu bringen, ist die Zentrifugalkraft entscheidend an das Bezugssystem gekoppelt. Allerdings ist für einen Beobachter, der mit einem Bezugssystem mitrotiert, die erforderliche Zentripetalkraft, um ihn auf der gekrümmten Bahn zu halten, entgegengesetzt gerichtet, aber betragsmäßig genauso groß wie die Zentrifugalkraft, die er in diesem Bezugssystem spürt. Die folgenden Beispiele sollen jedoch die Unterschiede zwischen den beiden Betrachtungsweisen verdeutlichen:

  • Wird ein Insasse zum Beispiel durch einen Sicherheitsgurt, durch Haftreibung auf dem Sitz, durch Kontaktkräfte etc. in einem Auto festgehalten, so übt das als Bezugssystem dienende Auto nach dem Reaktionsprinzip (dem Dritten Newton'schen Axiom) eine der Zentrifugalkraft entgegengesetzte, gleich große Kraft auf ihn aus. Diese Kraft dient dann gerade als Zentripetalkraft, um den Beobachter auf derselben gekrümmten Bahn zu halten, die das Bezugssystem durchläuft. In diesem Sinne sind Zentrifugalkraft und Zentripetalkraft einander entgegengesetzte, gleich große Kräfte.
  • Liegt jedoch auf dem Beifahrersitz ein Apfel, so sieht der Fahrer in jeder Rechtskurve, wie der Apfel im Bezugssystem Auto nach links beschleunigt wird (und andersherum). Der Zentrifugalkraft auf den Apfel entspricht hier keine physikalische Kraft, sondern es handelt sich um eine Trägheitskraft (oder auch Scheinkraft) in diesem Bezugssystem. Hier wird der Apfel aus Sicht des Fahrers gerade deswegen beschleunigt, weil keine Zentripetalkraft in gleicher Höhe vorhanden ist.
  • Anders verhält es sich jedoch bei einem Astronauten, der in einem Satelliten die Erde umkreist. Die Gravitationsbeschleunigung ist für die Raumkapsel und ihn gleich groß und sorgt als Zentripetalbeschleunigung dafür, dass beide die gleiche Kreisbahn um die Erde durchlaufen. Im rotierenden Bezugssystem Raumkapsel gibt es nun zwei Kräfte, die auf den Astronauten wirken: die Gravitationskraft und die Zentrifugalkraft in diesem rotierenden Bezugssystem. Die beiden Kräfte heben sich auf und der Astronaut fühlt sich in der Raumkapsel schwerelos.

Alternative Formeln

Die Formel für den Betrag der Zentrifugalkraft wird häufig auch mit der Geschwindigkeit anstelle der Winkelgeschwindigkeit geschrieben:

Hilfreich ist jedoch auch die Notation in der Vektorschreibweise als Vektorprodukt

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. John Herivel The Background of Newton’s Principia, John Herivel Newton’s Discovery of the law of Centrifugal Force, The Isis Bd.51, 1960, S.546
  2. Verena Heintz, Ann-Marie Martensson-Pendrill, Anette Schmitt, Klaus Wendt Achterbahn fahren im Physikunterricht, Physik in unserer Zeit, 2009, Heft 2