Paul Ogorzow

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Paul Ogorzow (* 29. September 1912 in Muntowen, Kreis Sensburg; † 25. Juli 1941 in Berlin-Plötzensee, durch Fallbeil hingerichtet) war ein deutscher Serienverbrecher und wurde insbesondere als Berliner S-Bahn-Mörder bekannt. Die knapp zweijährigen Ermittlungen zu Ogorzows Verbrechensserie mit insgesamt 32 Notzuchtverbrechen, acht Morden und sechs Mordversuchen stellen eine der größten Fahndungen in der gesamten Berliner Kriminalgeschichte dar.[1]

Privat- und Berufsleben

Ogorzow, Mitarbeiter der Deutschen Reichsbahn, war im Betriebsbahnhof Rummelsburg Hilfsweichenwärter. Als er erstmals in den Blick der ermittelnden Kriminalbeamten geriet, war er 29 Jahre alt, galt als strebsam und pflichtbewusst, führte eine gute Ehe und war Vater zweier Kinder. Er wurde als freundlicher und liebevoller Familienvater wahrgenommen, der gern mit der Eisenbahn spielte, in seinem Garten Obst und Gemüse züchtete und ein geschätzter Nachbar war. Paul Ogorzow wurde als ganz normaler Bürger gesehen, dem niemand zutraute, ein Doppelleben zu führen oder gar ein Frauenmörder zu sein. Eine ehemalige Nachbarin Ogorzows in Berlin-Karlshorst sagte:

„Ich wär’ auch mit ihm mitgegangen, ich kannt’n ja, nich – ohne Weiteres. Ich habe ihn wahrgenommen als ganz normalen Bürger, als Familienvater mit zwei Kindern, sehr nett und lieb zu seiner Familie. So hab’ ich ihn wahrgenommen.

Und dann weiß ich noch eine Geschichte, dass eben mein Vater das Plakat angemacht hat und er stand neben ihm und da sagte mein Vater so: ‚Da macht man ’n Plakat an und dann wohnt er hier vielleicht‘, dass er dann sagt: ‚Können’se recht haben.‘“

Ingeborg Heidenreich[1]

Ein anderes Bild von Ogorzows Person, das letztendlich zu dessen Ergreifung führte, zeichnete allerdings ein ehemaliger Arbeitskollege (S.). In seinen Augen führte Ogorzow seine Tätigkeiten nur widerwillig durch. Auch habe Ogorzow erzählt, dass er die ihm übertragenen Strecken-Prüfdienste gar nicht immer durchführte, sondern stattdessen sich privat herumtrieb. Er erschien ihm wie jemand, der vielleicht in den besetzten Gebieten eine Untat begangen hatte, und deshalb jetzt in Rummelsburg tätig sein musste.

Die sexuellen Gewalttaten

Zwischen 1939 und 1941 überfiel er in Berlin 31 Frauen, vergewaltigte sie und ermordete zwischen dem 4. Oktober 1940 und dem 2. Juli 1941 acht von ihnen. Von seinen acht Opfern warf er fünf im Streckenabschnitt RummelsburgRahnsdorf aus der fahrenden S-Bahn, die anderen Frauen tötete Ogorzow in einer Laubenkolonie in der Nähe der S-Bahnstrecke. Davor gingen vom 13. August 1939 an sechs Mordversuche auf sein Konto. Weiterhin gestand er etwa 20 Fälle von versuchter und vollendeter Vergewaltigung.[2]

Er nutzte die während des Zweiten Weltkriegs auch in Berlin zum Schutz vor Bombenangriffen angeordnete Pflicht zur allgemeinen Verdunkelung. In Bahnuniform setzte er sich in sonst leeren S-Bahn-Abteilen zu ahnungslosen Passagierinnen. Sieben Frauen fielen ihm nachts in der S-Bahn zum Opfer; er schlug sie mit einem schweren Bleikabel nieder, um sich anschließend an ihnen zu vergehen und sie dann aus dem fahrenden Zug zu werfen. Zwei der Opfer überlebten schwer verletzt und konnten erste Hinweise auf den Täter geben.[3] Insbesondere erinnerten sie sich daran, dass der Täter eine Uniform trug.[1] Obwohl die Opfer keine detaillierteren Angaben zur Art der Uniform machen konnten, war dies dennoch ein wichtiger Hinweis, da sich die Fahndung nun auf Täter im Bereich der Bahnbediensteten konzentrieren konnte.

In einem der S-Bahn nahe gelegenen Laubenviertel lauerte Ogorzow sieben weiteren Opfern auf, von denen vier schwer verletzt überlebten.

Verhaftung und Geständnis

Paul Ogorzow, NSDAP-Mitglied und SA-Scharführer, wurde von der Berliner Polizei als Sittlichkeitsverbrecher ermittelt und am 17. Juli 1941 am Betriebsbahnhof Rummelsburg verhaftet.[4]

Er gab als Gründe für sein Morden Hass auf Frauen sowie Faszination am Töten an. Um seiner Hinrichtung zu entgehen, behauptete er, von einem jüdischen Arzt wegen einer Geschlechtskrankheit falsch behandelt worden zu sein. In seinem handschriftlichen Geständnis ist unter anderem zu lesen:[1]

„Die Straftaten, die ich begangen habe und auch zu Protokoll gegeben habe, sind alle in dieser unausgeheilten Krankheit zu suchen. Ich erkenne dies Reuevoll [sic] an, das [sic] ich es nicht tun durfte. Aber es ist da in mir ein Trieb entstanden und bei der Tat eine plötzliche Umnachtung wegen der nicht ausgeheilten Krankheit entstanden. Ich bitte um die Unterbringung in eine Nervenheilanstalt.

Pg. Paul Ogorzow“

In der kriminalpolizeilichen Zusammenfassung des Falles vom 17. Juli 1940 werden als Motive ein übersteigerter Sexualtrieb, sexueller Reiz am Widerstand der Opfer und allgemein Hass auf Frauen genannt, da er sich bei ihnen zwei- bis dreimal mit Geschlechtskrankheiten angesteckt hatte.

Verurteilung

Ogorzow wurde am 24. Juli 1941 von einem Sondergericht im Schnellverfahren als Gewaltverbrecher und Volksschädling zum Tode verurteilt und im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee am 25. Juli 1941 mittels Guillotine hingerichtet.[5]

Die Fahndung nach Ogorzow wurde für Reichskriminaldirektor Arthur Nebe und die Kripo Berlin zum Erfolg.[6]

Ogorzows Opfer

Ogorzows Mordopfer waren laut den Eintragungen in den Archivbüchern des Leichenschauhauses:[7][8]

  • Gerda Ditter (* 27. Juli 1920; † 4. Oktober 1940)
  • Elfriede Franke (* 27. Juli 1914; † 3. Dezember 1940)
  • Irmgard Freese (* 13. April 1921; † 4. Dezember 1940)
  • Elisabeth Büngener (* 25. Oktober 1910; † 22. Dezember 1940)
  • Gertrud Siewert (* 29. Januar 1894; † 29. Dezember 1940)
  • Hedwig Ebauer (* 16. Juli 1913; † 5. Januar 1941)
  • Johanna Voigt (* 13. April 1902; † 12. Februar 1941)
  • Frieda Koziol (* 15. Juli 1906; † 1. oder 2. Juli 1941)

Gerda Ditter, Irmgard Freese und Frieda Koziol wurden in der Laubenkolonie getötet, Elfriede Franke, Elisabeth Büngener, Gertrud Siewert, Hedwig Ebauer und Johanna Voigt wurden mit einem Bleikabel erschlagen und aus der fahrenden S-Bahn geworfen.

Literatur

  • Axel Alt: Der Tod fuhr im Zug. Den Akten der Kriminalpolizei nacherzählt. Verlag Hermann Hillger, Berlin-Grunewald und Leipzig 1944.
  • Horst Bosetzky: Wie ein Tier. Der S-Bahn-Mörder. Dokumentarischer Roman. Argon Verlag 1995 / Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, ISBN 3-423-20021-9.
  • A Serial Killer in Nazi Berlin: The Chilling True Story of the S-Bahn Murderer, Scott Andrew Selby, Berkley Books, 2014.
  • Berlin at War: Life and Death in Hitler's Capital, Roger Moorhouse, Bodley Head, 2010.

Filmische Rezeption

  • Im Jahre 1974 wurde unter Regie von Peter Schulze-Rohr ein Dokumentarspiel mit dem Titel Verdunkelung - Der Eisenbahnmörder produziert, welches am 31. Mai 1976 ausgestrahlt wurde; neben Rudolf Brand, der den Hauptakteur spielte, waren viele Berliner Schauspieler wie Joachim Kemmer, Eva-Maria Werth (als Ogorzows Ehefrau) und Claus Jurichs zu sehen.
  • 2012 entstand im Auftrag des RBB die TV-Doku Tatort Berlin – Der S-Bahnmörder von Rummelsburg, von Gabi Schlag und Benno Wenz.

Einzelnachweise

  1. a b c d Gabi Schlag, Benno Wenz: Tatort Berlin – Der S-Bahnmörder von Rummelsburg, TV-Doku, RBB, 2012.
  2. Ronald Rathert: Verbrechen und Verschwörung: Arthur Nebe – Der Kripochef des Dritten Reiches, Münster 2001, ISBN 3-8258-5353-5, S. 86.
  3. Gunther Geserick, Klaus Vendura, Ingo Wirth: Zeitzeuge Tod. Spektakuläre Fälle der Berliner Gerichtsmedizin, Militzke Verlag, Leipzig 2001, ISBN 978-3-86189-628-9, S. 73f.
  4. Gunther Geserick, Klaus Vendura, Ingo Wirth: Zeitzeuge Tod. Spektakuläre Fälle der Berliner Gerichtsmedizin, Militzke Verlag, Leipzig 2001, ISBN 978-3-86189-628-9, S. 83.
  5. Vgl. Barbara Korte, Sylvia Paletschek (Hrsg.): Geschichte im Krimi: Beiträge aus den Kulturwissenschaften, Köln, Weimar, Wien 2009, ISBN 978-3-412-20253-8, S. 126.
  6. Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2003, S. 195.
  7. Gunther Geserick, Klaus Vendura, Ingo Wirth: Zeitzeuge Tod. Spektakuläre Fälle der Berliner Gerichtsmedizin, Militzke Verlag, Leipzig 2001, ISBN 978-3-86189-628-9, S. 69, S. 75.
  8. Ingo Wirth, Hansjürg Strauch, Klaus Vendura: Das Institut für Rechtsmedizin der Humboldt-Universität zu Berlin 1833–2003, Frankfurt am Main 2003, ISBN 978-3-82671-238-8, S. 144.