Dies ist ein als lesenswert ausgezeichneter Artikel.

Hüftdysplasie des Hundes

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. November 2005 um 01:08 Uhr durch AF666 (Diskussion | Beiträge) (→‎Literatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Hüftdysplasie oder Hüftgelenksdysplasie (HD) ist eine degenerative Erkrankung des Hüftgelenks. Betroffen sind sämtliche Hunderassen, wobei großwüchsige Rassen das Krankheitsbild besonders häufig ausbilden. Der Deutsche Schäferhund ist wohl der bekannteste Vertreter dieser Krankheit. Die Inzidenz beträgt je nach Rasse vier bis etwa 50 Prozent.

Die HD ist zu großen Teilen genetisch bedingt. Da falsche Ernährung und Haltung die Entstehung oder das Fortschreiten der Krankheit begünstigen können, spricht man von einem multifaktoriellen (von vielen Faktoren abhängigen) Geschehen.

Symptome und Diagnostik

Röntgenaufnahme einer HD beim Hund. Der Femurkopf ist bereits subluxiert, das Acetabulum (Hüftgelenkspfanne) umgreift ihn nicht mehr (rote Pfeile). Die Femurköpfe zeigen bereits Abweichungen von der Halbkugelform (gelbe Pfeile); rechts im Bild sind deutliche arthrotische Veränderungen des Femurkopfes erkennbar.
Anwendung des Norberg-Winkels zur Abschätzung des Schweregrades einer Hüftgelenksdysplasie (englische Bulldogge). Die roten Schenkel geben den minimalen Grenzwert für HD-Freiheit, die gelben Schenkel den tatsächlichen Winkel an.

Die Ausprägung klinischer Symptome einer HD variiert in Abhängigkeit vom Alter bzw. Stadium der Krankheit. Bei relativ jungen Tieren, im Alter von einem halben bis einem Jahr, kommt es zur Schmerzhaftigkeit, weil der Oberschenkelkopf in der Hüftgelenkspfanne (Acetabulum) nur ungenügenden Halt findet und durch seine abnorme Beweglichkeit schmerzregistrierende Nervenfasern der Knochenhaut des Pfannenrandes gereizt werden. Ältere Tiere bilden Schmerzhaftigkeiten eher infolge fortschreitender degenerativer Veränderungen (Arthrosen) des Hüftgelenkes aus.

Eine beginnende HD äußert sich in zunehmenden Schmerzen bei Spaziergängen, der Hund will nicht mehr weit laufen, setzt sich öfter hin, schreit beim Spielen ab und zu auf und zeigt einen instabilen Gang. Bei Bewegungen des Gelenkes kann ein hörbares Knacken, Klicken oder Knirschen des Gelenks auftreten. Bei Feststellung eines der Symptome ist der sofortige Gang zum Tierarzt ratsam.

Palpation

Bereits über Belastung einzelner Gelenke können auch unklare Lahmheiten der Hintergliedmaße beim Vorliegen einer HD oft rasch dem Hüftgelenk zugeordnet werden. Die Bewertung einer schweren Hüftdysplasie macht häufig die Durchführung spezieller Tests erforderlich, um eine Aussage über die Gelenkstabilität treffen zu können. Am häufigsten wird hierbei der Ortolani-Test verwendet. Hierbei wird der Oberschenkel beim auf der gesunden Seite liegenden Tier im rechten Winkel zur Wirbelsäule gelagert. Eine auf dem Kniegelenk aufgelegte Hand übt nun starken Druck senkrecht auf den Oberschenkelknochen aus. Bei starker Instabilität des Gelenkes kommt es dadurch zur Luxation oder Subluxation des Hüftgelenkes. Wird nun der Oberschenkel von der Körperachse weggeführt, gleitet der Oberschenkelkopf mit einem Klickgeräusch (Ortolani-Klick) in die Pfanne zurück.

Röntgen

Eine zuverlässige Möglichkeit zur Erkennen des Schweregrades der Erkrankung bildet die Röntgenuntersuchung. Da bei dieser die Gelenke überstreckt werden müssen, was beim Vorliegen einer HD starke Schmerzen verursacht, wird sie unter einer Kurznarkose durchgeführt. Voraussetzung für eine aussagekräftige Diagnose ist die exakte Positionierung des untersuchten Tieres in Rückenlage mit gestreckten, parallel gelagerten Oberschenkeln und orthograd zum Strahlengang eingedrehten Kniescheiben. Zusätzliche Aufnahmen können in "Froschhaltung" der Oberschenkel oder im seitlichen (latero-lateralen) Strahlengang erfolgen.

Ein wesentliches Auswertungskriterium ist der Norberg-Winkel. Er ist als der Winkel definiert, der zwischen dem Zentrum des Oberschenkelkopfes und dem vorderen Pfannenrand abgetragen wird (siehe Abbildung). Bei einem HD-freien Tier sollte er mehr als 105° betragen (rote Linien). Weitere Kriterien zur Beurteilung sind die Kongruenz von Oberschenkelkopf und Gelenkpfanne, die Weite des Gelenkspaltes, die Pfannenkontur, die Kontur des Oberschenkelkopfes sowie das Vorhandensein von Hinweisen auf arthrotische Prozesse wie walzenförmige Verdickungen des Oberschenkelhalses, Randwülste an der Gelenkpfanne, unter dem Knorpel befindliche Sklerosierungen im Pfannenbereich und die Einlagerung von Knochenmaterial im Ansatz der Gelenkkapsel (MORGANsche Linie).

Die züchterische Auswertung von HD-Aufnahmen ist nur durch von den Rassezuchtverbänden zugelassene Gutachter möglich, an die der Tierarzt die Röntgenbilder einschickt. Üblicherweise wird zwischen fünf verschiedenen Schweregraden unterschieden.

Differentialdiagnosen

Diagnostisch muss eine Hüftgelenksdysplasie von anderen Störungen des Skelettsystems abgegrenzt werden. Neben Frakturen und Luxationen sind dies bei großen Hunderassen vor allem Tumoren der Knochen, welche im Bereich des Femurs relativ häufig auftreten. Bei kleinwüchsigen Tieren muss die aseptische Femurkopfnekrose (Legg-Calvé-Perthes-Krankheit) abgegrenzt werden. Weiterhin treten bei schnellwachsenden Hunden Störungen im Bereich der Gelenkknorpel auf (Osteochondrosis dissecans). Ferner sind Erkrankungen des Kniegelenks (z. B. Kreuzbandriss), des Beckens (Frakturen) und der Wirbelsäule (Bandscheibenvorfall bei kleinen Hunderassen sowie iliosakrale Instabilität ("Cauda-equina-Syndrom", speziell beim Deutschen Schäferhund) auszuschließen.

Behandlung

Man kann HD nicht heilen, sondern nur das Auftreten klinischer Symptome und das Fortschreiten der Krankheit hinauszögern oder die Schmerzen reduzieren. Je häufiger der Hund bestimmte Bewegungsabläufe ausführt, desto schneller verschleißt die Hüfte. Zu diesen Bewegungen gehören vor allem jene, die die Gelenke besonders stauchen, wie Treppenlaufen, Springen auf harten Untergründen und ähnliche. Man kann dem Hund mit frühzeitigem Erkennen und richtigem Umgang mit der Krankheit ein normales Leben ermöglichen.

Es gibt folgende Behandlungsmöglichkeiten:

  • Medikamentöse Therapie mit entzündungshemmenden und schmerzstillenden Medikamenten (Antiphlogistika)
  • PIN-Operation: Durchtrennung oder Entfernung des Musculus pectineus sowie Umschneiden des Gelenkkapselrandes zur Unterbindung der schmerzleitenden Nervenfasern. Dies ist eine sehr effektive Schmerztherapie, deren Wirkung mehrere Jahre anhält.
  • Osteotomie des Beckens: Dazu werden alle drei Beckenknochen (Darmbein, Sitzbein und Schambein) durchtrennt, das Becken etwas zur Seite gekippt und die Knochen anschließend wieder durch Osteosynthese verbunden. Ziel ist es, dass der Oberschenkelkopf wieder besser zur Hüftgelenkspfanne steht. Diese Operation ist aufwändig und nur bei jungen Hunden anzuraten, bei denen noch keine sichtbaren Veränderungen an der Gestalt des Femurkopfs im Sinne einer beginnenden Arthrose bestehen.
  • Einsetzen eines künstliches Hüftgelenkes.
  • Femurkopfresektion: Dabei wird der Gelenkkopf des Oberschenkelknochens (Caput ossis femoris) entfernt, worauf sich eine bindegewebige Verbindung zwischen Becken und Oberschenkelknochen entwickelt. Verbunden mit intensiver Physiotherapie bietet diese Methode gute Chancen, ein schmerzfreies Leben zu führen. Häufig bleibt durch diese Behandlungsmethode jedoch eine dauerhafte Funktionsstörung zurück.
  • Einsetzen von einem oder mehreren Goldstiften in die Muskulatur an Akupunkturpunkten. Die Goldstifte verbleiben in der Muskulatur.

Vorbeugung

Eine Verhinderung des Fortschreitens kann durch richtige Ernährung und nicht zu viel Sport - vor allem durch Wenigbelastung und das Vermeiden von Stauchen und Überdehnen des Hüftgelenkes- erreicht werden. Eine Physiotherapie kann durch den gezielten Aufbau der Becken- und Oberschenkelmuskulatur das Hüftgelenk entlasten. Die Zugabe von knorpelaufbauenden Zusatzfuttermitteln ist ebenfalls möglich.

Zur Vermeidung der Weitervererbung der Fehlbildung ist bei den meisten Hundezuchtverbänden eine Bescheinung der HD-Freiheit zur Zuchtzulassung erforderlich. Aber auch die Paarung aus HD-freinen Elterntieren bietet keine Garantie, dass die Nachkommen HD-frei sind.

Literatur

  • Brunnberg, Leo: Lahmheitsdiagnostik beim Hund. Untersuchung, Diagnose, Therapiehinweise. Parey-Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-8263-3275-X