„Totalprothese“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Protesi superiore completa.JPG|mini|Totalprothese Oberkiefer]]
#WEITERLEITUNG [[Zahnersatz#Totalprothesen]]
[[Datei:Totale Unterkieferprothese mit weichbleibender Unterfütterung 2012 PD 5.jpg|mini|Totale Unterkieferprothese mit weichbleibender Unterfütterung]]
Unter einer '''Totalprothese''' versteht man in der Zahnmedizin den Ersatz aller Zähne eines Kiefers durch herausnehmbaren [[Zahnersatz]], der aus einer Kunststoffbasis und den darauf befestigten künstlichen [[Zahn|Zähnen]] besteht. Eine Zahnprothese findet im Mund durch Saugwirkung ([[Adhäsion]]- und [[Kohäsion (Chemie)|Kohäsionskräfte]]) Halt am Kiefer. Hierzu wird der Prothesenrand mit Hilfe einer [[Funktionsabformung]] individuell angepasst.

== Halt einer Totalprothese ==
Der Halt unterscheidet sich zwischen der Oberkiefer- und der Unterkieferprothese. Bei Letzterer ist durch die kleinere Auflagefläche, die reduzierte Saugwirkung und die Bewegungen der [[Zunge]] der Halt erheblich geringer. Erfahrene Prothesenträger können die Unterkieferprothese durch die [[Zunge]] und die Wangenmuskulatur in Position halten.

Der Halt einer Prothese hängt zunächst von der Kieferform ab. Je größer und ausgeprägter der [[Alveolarfortsatz|Kieferkamm]] (Alveolarfortsatz) ist, desto besser ist der Halt. Der Halt einer Prothese kann sich im Laufe vieler Jahre verschlechtern, weil der [[Kiefer (Anatomie)|Kieferknochen]] einem Knochenabbau unterworfen ist. Im unbezahnten Gebiss wirkt die Druckbelastung der Zahnprothesen auf die [[Zahnhalteapparat|Gingiva propria]] (Schleimhaut) und damit auf den darunter liegenden Kieferknochen, der darauf mit vermehrter [[Resorption]] reagiert.<ref name="Chir">N. Schwenzer, M. Ehrenfeld: ''Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde.'' 5 Bände, Band 3: ''Zahnärztliche Chirurgie''. Thieme Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-13-116963-X [http://books.google.de/books?id=IY-mdD8uJm4C&pg=PR12&dq=ehrenfeld+band+3&hl=de&sa=X&ei=cRSIUdDoLsabtAa-v4HACg&ved=0CDoQ6AEwAg in Googlebooks]</ref>

Der Halt der Prothese hängt auch von der [[Statik (Mechanik)|statischen]] Gestaltung ab. Dies bedeutet, dass die Prothesenzähne in ihrer [[Okklusion (Zahnmedizin)|Okklusion]] (Zusammenbiss der Ober- und Unterkieferzähne) zu einer stabilen Lage beitragen müssen und nicht durch Kaubewegungen ein Heraushebeln der Prothese bewirken dürfen.

== Unterschiede in der Okklusion gegenüber dem natürlichen Gebiss ==
Im natürlichen Gebiss sorgt die Eckzahnführung dafür, dass bei einer Seitwärtsbewegung (Laterotrusionsbewegung) der Unterkiefer zur Öffnung gezwungen wird. Dadurch geraten die Zähne im Seitenzahnbereich außer Kontakt. Gleiches bewirken die Frontzähne bei einer Vorschubbewegung des Unterkiefers. Eckzähne sind durch ihre langen Wurzeln dazu geeignet, seitliche Belastungskräfte aufzufangen, die an den übrigen Zähnen, die kürzere Wurzeln besitzen, zu einer Lockerung führen würden.

Bei einer Totalprothese entfällt diese Funktion. Eine alleinige Front- und Eckzahnführung würde ein Aushebeln und Kippen der Prothesen bewirken. Aus diesem Grund werden Prothesenzähne so aufgestellt und entsprechend eingeschliffen, dass keine aushebelnden Führungszonen bestehen. Vielmehr werden absichtlich [[Balancekontakt]]e hergestellt. Dies bedeutet, dass bei einer Seitwärtsbewegung des Unterkiefers die Zähne beider Seiten unter Kontakt aufeinander gleiten. Bei der Vorschubbewegung des Unterkiefers gleiten auch die [[Molar (Zahn)|Molaren]] der Ober- und Unterkieferprothese übereinander und sorgen für eine distale (hintere) Abstützung.<ref>Klaus M. Lehmann, Elmar Hellwig, Hans-Jürgen Wenz, {{cite book|author1=Klaus M. Lehmann|author2=Elmar Hellwig|author3=Hans-Jürgen Wenz|title=Zahnärztliche Propädeutik: Einführung in die Zahnheilkunde ; mit 32 Tabellen|url=http://books.google.com/books?id=oeX_J4irBN8C&pg=PA361|year=2012|publisher=Deutscher Ärzteverlag|isbn=978-3-7691-3434-6|pages=361}}</ref>

Gegebenenfalls muss der Prothesenträger seine Kaugewohnheiten ändern und ein Kaumuster durchführen, das eher Hackbewegungen gleicht. Mahlbewegungen der Kiefer sind hingegen eher zu reduzieren.

== Behandlungsablauf ==
[[Datei:Zahnfarbe Frabring 20100120 029.JPG|mini|Farbmusterskala für prothetische Rekonstruktionen]]
Für die Anfertigung einer Totalen Prothese wird auf einem, nach einer [[Abformung (Medizin)|Abformung]] mit einem konfektionierten Abdrucklöffel hergestellten, Situationsgipsmodell eines Kiefers zunächst ein [[Konfektionslöffel|patientenindividueller Abdrucklöffel]] aus Kunststoff hergestellt. Mit diesem Löffel nimmt der Zahnarzt eine [[Funktionsabformung]] vor. Der Patient vollführt mit Hilfe des Zahnarztes, während die Abdruckmasse abbindet, alle Bewegungen, die auch später mit der Prothese möglich sein sollen, wie Mund spitzen, Mund öffnen, Saugen, Lachen, Zunge nach links und rechts ausstrecken, Grimassen schneiden und ähnliches.<ref>Hermann Böttger, Horst Gründler, {{cite book|author1=Hermann Böttger|author2=Horst Gründler|title=Das zahnärztliche und zahntechnische Vorgehen beim Teleskopsystem in der Prothetik: Teleskopkronen, Stege, Geschiebe, Gelenke, Riegel und die Randgebiete der feinmechanischen Befestigungsvorrichtungen|url=http://books.google.com/books?id=0XYwgxQC9REC&pg=PA77|year=1982|publisher=Verlag Neuer Merkur GmbH|isbn=978-3-921280-23-2|pages=77}}</ref> Die Weichteile im Mund können die Prothese bei verschiedenen Mund- und Zungenbewegungen lockern oder abhebeln. Die Prothese muss deshalb den diversen Muskelbändern einen Bewegungsspielraum lassen, wie beispielsweise dem [[Zunge#Aufbau|Zungenbändchen]] oder den Lippen- und Wangenbändchen. Im Unterkiefer wird mit der Funktionsabformung auch der Bewegungsspielraum des [[Mundboden]]s berücksichtigt, da der Mundboden sich im Zusammenspiel mit der Zunge hebt und senkt. Die Prothese darf dadurch nicht vom [[Unterkiefer]] abgehoben und ausgehebelt werden. Der Prothesenrand muss gleichzeitig die Prothese weitgehend abdichten, was die Zielsetzung der [[Funktionsabformung#Mukodynamische Abformung|mukodynamischen Abformung]] ist. Hierbei wird zwischen dem äußeren und inneren Ventilrand der Prothese unterschieden.

Nach der Funktionsabformung erstellt der Zahntechniker das Arbeitsmodell als Grundlage für die weiteren Arbeitsschritte. Es folgt die Anfertigung von [[Kieferrelationsbestimmung#Wiederherstellung der vertikalen Kieferrelation|Registrierschablonen]] (früher: Bissschablonen), mit deren Hilfe der Zahnarzt die [[Kieferrelationsbestimmung]] durchführt, die [[Okklusionsebene]] (Kauebene) festlegt, die Mittellinie und die Position der [[Eckzahn|Eckzähne]] einzeichnet.<ref>[http://www.dgzmk.de/uploads/tx_szdgzmkdocuments/wiss_Mitteilung_DGPro_Kieferrelation_09_2010.pdf Kieferrelationsbestimmung], Wissenschaftliche Mitteilung der [[Deutsche Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien|Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien]], September 2010. Abgerufen am 29. Oktober 2016.</ref> Die Einzeichnung der sogenannten Lachlinie in die Wachswälle lässt den Zahntechniker den sichtbaren Bereich erkennen, jenen Bereich, der beim Lachen sichtbar ist, denn der Prothesenkunststoff soll beim Lachen möglichst nicht sichtbar sein, sondern nur die Zähne. Der Zahntechniker kann dementsprechend die Zähne aufstellen. Die Kieferrelationsbestimmung beim zahnlosen Patienten ist besonders schwierig, da durch den Verlust aller Zähne, beziehungsweise aller Zähne in einem Kiefer, die über die Okklusion gesicherte dreidimensionale Beziehung zwischen Ober- und Unterkiefer nicht mehr existiert. Sie erfolgt meist durch die Bestimmung des engsten Sprechabstands, der [[Ruheschwebelage]]. Ferner wird die Farbe und Form der künstlichen Zähne ausgewählt. Die Statur des Patienten findet sich in der Zahnform wieder, angelehnt an [[Konstitutionstyp#Kretschmers Konstitutionstypen|Kretschmers Konstitutionstypen]]. So hat ein [[Konstitutionstyp|Leptosom]] oft sehr schlanke, lange Zähne, der [[Konstitutionstyp|Pykniker]] eher kurze gedrungene und der [[Konstitutionstyp|Athletiker]] trapezförmig geformte Zähne.<ref name="HohmannHielscher1995">{{Literatur |Autor=Arnold Hohmann, Werner Hielscher |Titel=[http://books.google.com/books?id=LQ4b8D46ZjMC&pg=PA257 Zahntechnik in Frage und Antwort: Fragen zur Anatomie, Prothetik, Kieferorthopädie und Werkstoffkunde] |Verlag=Verlag Neuer Merkur |Datum=1995 |ISBN=3-921280-93-1 |Seiten=257– |Online=}}</ref> Mit Hilfe eines Übertragungsbogens wird die kiefergelenksbezogene Montage der Arbeitsmodelle im Artikulator ermöglicht. Nach der Aufstellung der Zähne in Wachs auf einer aus Wachs modellierten oder aus Kunststoff hergestellten Prothesenbasis durch den [[Zahntechniker]] erfolgt eine Einprobe der [[Zahntechnik#Totale Prothese|zahntechnischen Arbeit]]. Bei der Einprobe kann die Kieferrelationsbestimmung und das Aussehen der Prothese durch Zahnarzt und Patient beurteilt und gegebenenfalls korrigiert werden.

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Konfektionierter Abdruckloeffel unbezahnt Oberkiefer 24.JPG|Konfektionierter Abdrucklöffel für das unbezahnte Gebiss, hier: Oberkiefer, nach Ash, Größe 3
Individuelle Abdrucklöffel 19.JPG|Individueller Löffel für einen zahnlosen Oberkiefer
Abdruck mit individuellem Abdrucklöffel 16.JPG|Funktionsabdruck eines zahnlosen Oberkiefers
Abformlöffel für Totalprothese 5.JPG|Unterkiefer-Registrierschablone zur Bestimmung der Kiefer-Relation
Ruheschwebelage.jpg|Bestimmung der Ruheschwebelage
R0056.EditadaPH..jpg|Anlegen eines Übertragungsbogens
Mould chart;The Dental cosmos (1914).jpg|Formentafel zur Auswahl der Zahnform und -größe
R0065.EditadaRVODE.jpg| Registrierschablone mit eingezeichneten Mittel- und Eckzahnlinien im Artikulator
Zahnprothesetotalprothese5.jpg|Die Kunststoffzähne sind auf einer Akrylplatte in Wachs aufgestellt.
Zahnersatz4.jpg| Oberkiefer-Totalprothese aus Wachs auf dem Arbeitsmodell
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=== Eingliederung der Prothese ===
[[Datei:Internationale Dental-Schau IDS 2009 Cologne 038.JPG|mini|Auswahl von Artikulationsfolien]]
Nach Fertigstellung der Prothese im zahntechnischen Labor wird diese am Patienten eingesetzt und die Funktion überprüft. Hierbei müssen meist die Prothesenzähne eingeschliffen werden, bis alle Zähne gleichmäßig Kontakt zu den Antagonisten haben. Eine eventuell bestehende Eck- oder Frontzahnführung wird durch Beschleifen beseitigt. Hierzu bedient sich der Zahnarzt einer Artikulationsfolie, eines dünnen Farbbandes. Mit [[Artikulation (Zahnmedizin)|Artikulationsfolien]] in verschiedenen Farben werden die Kaumuster bei den Schließ- und Kaubewegungen auf den Okklusionsflächen abgebildet. Störende Kontakte und Gleitbahnen können an den eingefärbten Stellen gezielt weggeschliffen werden, um eine ausgeglichene ''dynamische Okklusion'' (früher:Artikulation) herzustellen. Dabei sollen beidseitig die Backenzähne gleichmäßig übereinander gleiten.
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TotaleProthese.JPG|Fertiggestellte Oberkiefer-Totalprothese
UnterkieferTotalProtheseSmall.JPG|Fertiggestellte Unterkiefer-Totalprothese
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== Abbau des Alveolarkamms ==
Der Alveolarkammabbau beträgt im ersten Jahr nach dem [[Zahnverlust]] etwa 0,5&nbsp;mm im Oberkiefer und 1,2&nbsp;mm im Unterkiefer. In den Folgejahren beträgt der Abbau 0,1&nbsp;mm im Oberkiefer und 0,4&nbsp;mm im Unterkiefer. Der schnellere Abbau des Unterkieferknochens resultiert unter anderem daraus, dass die Auflagefläche für eine Prothese nur etwa halb so groß ist wie die des Oberkiefers. Im Oberkiefer liegt die Prothese auch auf dem [[Gaumen]] auf. Dadurch sind die Belastungskräfte, die auf den [[Unterkiefer]] wirken, doppelt so groß wie im [[Oberkiefer]]. Daraus folgt, dass in der Regel nach etwa 20&nbsp;Jahren Prothesentragedauer der Alveolarkamm des Unterkiefers vollkommen abgebaut und der Unterkiefer flach geworden ist. Er bietet dann keinen Halt mehr für eine [[Zahnersatz#Totalprothesen|Totalprothese]].<ref name="Chir" /> In solchen Fällen kann durch verschiedene [[Kieferaufbau|Kieferknochenaufbauverfahren]], der Kiefer wieder rekonstruiert werden. Ein Halt der Prothese kann auch durch [[Zahnimplantat|Implantate]] erreicht werden. Damit der Kieferabbau möglichst langsam vonstattengeht, muss die Prothese gut aufliegen. Dies muss durch regelmäßige, in ein- bis zweijährigem Abstand durchgeführte [[Unterfütterung (Zahnprothetik)|Unterfütterungen]] (Aufpolstern) der Prothese erfolgen.

== Immediatprothese ==
Eine Sonderform ist die [[Immediatprothese]] (Sofortprothese). Bei einer notwendigen Reihenextraktion wird im Vorfeld der [[Extraktion (Zahnmedizin)|Extraktionen]] eine Prothese vorbereitet, die unmittelbar nach der Extraktion der Zähne eingegliedert wird. Hierzu wird eine Abformung des noch bezahnten Gebisses vorgenommen. Auf dem entstandenen Gipsmodell werden die Zähne weggeschliffen und darauf eine Totalprothese gefertigt. Eine solche Prothese wird nach wenigen Wochen korrigiert, z.&nbsp;B. mittels Unterfütterung, weil sich der Kiefer im Verlauf der Abheilung der Extraktionswunden stark ändert und abgebaut wird. Ein Nebeneffekt einer Immediatversorgung ist, dass eine solche Prothese gleichzeitig als Verbandplatte für die zahlreichen Extraktionswunden dient.<ref>Christian Bruhn, F. Gutowski, {{cite book|author1=Christian Bruhn|author2=F. Gutowski|author3=A. Gysi|coauthors=F. Hauptmeyer, Stephan Loewe, Karl Kukulies, Paul Wustrow|title=Zahnärztliche Prothetik|url=http://books.google.com/books?id=oznMBgAAQBAJ&pg=PA437|date=18 April 2013|publisher=Springer-Verlag|isbn=978-3-642-99582-8|pages=437–}}</ref>

== Cover Denture ==
Als Cover Denture (auch Deckprothese) bezeichnet man einen Zahnersatz, bei dem noch einige wenige Restzähne im Gebiss vorhanden sind, die mit [[Teleskopkrone]]n oder Wurzelkappen versehen werden. Die gleiche Funktion können auch[[Zahnimplantat| Implantate]] ausüben. Über diese Kronen wird eine Totalprothese übergestülpt. Die so versorgten Zähne sorgen für einen besseren Halt, insbesondere im Sinne einer Übergangsversorgung, wenn die restlichen Zähne zu einem späteren Zeitpunkt auch noch extrahiert werden müssen. Sie dienen in diesem Fall der leichteren Eingewöhnung an eine Prothese.<ref>Wolfgang Gernet, Reiner Biffar, Norbert Schwenzer, {{cite book|author1=Wolfgang Gernet|author2=Reiner Biffar|author3=Norbert Schwenzer|coauthors=Michael Ehrenfeld|title=Zahnärztliche Prothetik|url=http://books.google.com/books?id=H9G8Kl5dl8kC&pg=PA117|date=9 March 2011|publisher=Georg Thieme Verlag|isbn=978-3-13-165124-2|pages=117–}}</ref>
<gallery heights="190" widths="200">
Impl1a.jpg|2 Implantate im Unterkiefer mit Patrizen zur Befestigung einer Cover-Denture-Prothese
Impl2a.jpg|die dazu passende Unterkiefer-Prothese mit den eingearbeiteten Matrizen
Impl3a.jpg|Eingegliederte Totalprothese im Oberkiefer und Cover-Denture-Prothese im Unterkiefer
</gallery>
[[Datei:Prothesenzahnbuerste.JPG|mini|100px|Prothesenzahnbürste]]
== Prothesenreinigung ==
Zur Reinigung einer Totalprothese hält der Handel spezielle Prothesenbürsten bereit. Als Reinigungsmittel können Flüssigseife, Spülmittel aber auch [[Kernseife]] dienen. Zahnpasten mit enthaltenen Schleifkörpern sollen nicht verwendet werden, die diese den Prothesenkunststoff anrauen, wodurch der Anlagerung von Zahnstein und Belägen Vorschub geleitet wird.

== Kosten ==
Es gibt in Deutschland in der [[Gesetzliche Krankenversicherung|gesetzlichen Krankenversicherung]] seit 2005 ein Festzuschuss-System für Zahnersatz. Bei Prothese handelt es sich um eine sogenannte [[Regelversorgung]], für die ein Festzuschuss von 50 % der Durchschnittskosten beträgt. Ohne Bestätigung eines regelmäßigen jährlichen Zahnarztbesuchs durch ein [[Bonusheft]], beträgt der Eigenanteil des Patienten die Kosten einer Ober- und Unterkiefer-Totalen Prothese etwa 600–800&nbsp;€. Je nach Regelmäßigkeit des Zahnarztbesuches in den letzten 5 bzw. 10 Jahren, reduziert sich der Eigenanteil auf 40 % bzw. 35 % ({{§|55|SGB_V|dejure}} Abs.&nbsp;1 [[Fünftes Buch Sozialgesetzbuch|SGB V]]).

== Geschichte ==
[[Datei:Removable partial golden denture.jpg|mini|Oberkiefer-Teilprothese aus Gold. Sichtbare Zahnfleischanteile aus rosafarbenem Kautschuk, Zähne aus Porzellan]]
Diverse Versuche in der Vergangenheit, Zähne durch Prothesen zu ersetzen waren letztlich untauglich, wie beispielsweise das Schnitzen von Prothesen aus Wallroßzähnen. Im Jahre 1839 erfand [[Charles Goodyear]] die [[Vulkanisation]], ein Verfahren, bei dem [[Naturkautschuk|Kautschuk]] unter Einfluss von Zeit, Temperatur und Druck gegen atmosphärische und chemische Einflüsse sowie gegen mechanische Beanspruchung widerstandsfähig gemacht wird. Daraus resultierten bald die [[Kautschukprothese]]n nach [[Thomas W. Evans]] und [[Clark S. Putnam]] (1864), in die Porzellanzähne eingebaut werden konnten.<ref>Heinrich Schnettelker, [http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/249/pdf/Kautschukprothese.pdf Die Geschichte der Kautschukprothese] (PDF) Dissertation, 2001. Abgerufen am 29. Oktober 2016.</ref> Dem Wunsch nach natürlich aussehendem Zahnersatz wollte 1789 der Franzose [[Nicolas Dubois de Chémant]] nachkommen und meldete die von ihm entwickelten [[Porzellanzahn|Porzellanzähne]] zum [[Patent]] an.<ref name="Dental Guide">[http://completedentalguide.co.uk/history-of-dentistry/ Geschichte der Zahnmedizin], Complete Dental Guide. Abgerufen am 29. Oktober 2016.</ref> Sie wurden ''incorruptible'' ([[Französische Sprache|franz.:]] unzerstörbar, „unverweslich“) genannt, im Gegensatz zum übelriechenden beinernen Zahnersatz. Chémant griff die Idee des Apothekers [[Alexis Duchâteau]] (1714–1792) auf, der 1774 mit der Herstellung von Porzellanzähnen experimentiert hatte. Der italienische Zahnarzt [[Giuseppangelo Fonzi]] (1768–1840) eignete sich die Kenntnisse an und erlangte 1815 Ruhm durch seine erfolgreiche Produktion von Porzellanzähnen, die er mittels Metallstiften fest mit der Prothesenbasis verband. Der Ruf dieser ''incorruptible'' verbreitete sich bis an den bayerischen Königshof in [[München]], zum russischen Zaren [[Alexander I. (Russland)|Alexander I.]] und von dort zu den spanischen [[Haus Bourbon|Bourbonen]].<ref>Bernard Kurdvk, [http://www.fauchard.org/publications/43-giuseppangelo-fonzi Giuseppangelo Fonzi], [[Pierre Fauchard Academy]]. Abgerufen am 29. Oktober 2016.</ref>

Um 1840 wurden etwa 500.000 Porzellanzähne von Paris aus in die USA exportiert, womit eine rasante Zunahme von Zahnärzten und Zahntechnikern einherging.<ref>Henry W. Noble, [http://historyofdentistry.co.uk/index_htm_files/2002oct4.pdf Tooth transplantation: a controversial story] (PDF) Abgerufen am 29. Oktober 2016.</ref> 1844 begann [[Samuel Stockton White]] (S. S. White) in den [[Vereinigte Staaten|USA]] mit der Herstellung von Porzellanzähnen.<ref>Terry Wilwerding, [http://www.freeinfosociety.com/media/pdf/4551.pdf History of Dentistry 2001] (PDF) Abgerufen am 29. Oktober 2016.</ref> Einer Umfrage in den USA zufolge wurden 1940 etwa 70 % aller dortigen Zahnprothesen aus Kautschuk gefertigt.<ref>H. D. Kimball, Modern denture base materials, and what to expect of them. J Am Dent Assoc 25, (1938) S. 243–252.</ref> Anfang des 20. Jahrhunderts, als die [[Funktionsabformung]] zur Erzeugung der Saugwirkung und damit des Halts einer Prothese noch nicht erfunden war, baute man Saugnäpfe in Oberkieferprothesen ein. Diese erzeugten jedoch bei langjähriger Verwendung Kieferdefekte bis hin zu Perforationen des [[Gaumen]]s, worauf man dieses Hilfsmittel wieder verließ.

Der Prothesenkunststoff [[Polymethylmethacrylat]] (PMMA) wurde 1928 etwa zur selben Zeit in Deutschland, Großbritannien und Spanien entwickelt. In Deutschland war hieran der Chemiker [[Walter Bauer (Chemiker)|Walter Bauer]] (1893–1968) beteiligt. Durch die Firma Kulzer & Co. wurde im Jahre 1936 das von Bauer entwickelte chemoplastische Verarbeitungsverfahren (Paladonverfahren) vorgestellt.<ref>A. Schmidt, Die Geschichte der Methacrylate in der Stomatologie. Zahntechnik 19, 436 (1978)</ref> Es entspricht dem heute verbreiteten Verfahren, [[Polymer]]partikel mit [[Monomer]]flüssigkeit anzuteigen und plastisch in Hohlformen einzubringen. Der Kunststoff wurde in den 1950er Jahren so weit entwickelt, dass er den Kautschuk verdrängt hat.<ref>H. Schnettelker, [http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/249/pdf/Kautschukprothese.pdf Die Geschichte der Kautschukprothese] (PDF) Dissertation 2001. Abgerufen am 29. Oktober 2016.</ref>

== Siehe auch ==
* [[Haftmittel]]

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Gesundheitshinweis}}

Version vom 29. Oktober 2016, 14:22 Uhr

Totalprothese Oberkiefer
Totale Unterkieferprothese mit weichbleibender Unterfütterung

Unter einer Totalprothese versteht man in der Zahnmedizin den Ersatz aller Zähne eines Kiefers durch herausnehmbaren Zahnersatz, der aus einer Kunststoffbasis und den darauf befestigten künstlichen Zähnen besteht. Eine Zahnprothese findet im Mund durch Saugwirkung (Adhäsion- und Kohäsionskräfte) Halt am Kiefer. Hierzu wird der Prothesenrand mit Hilfe einer Funktionsabformung individuell angepasst.

Halt einer Totalprothese

Der Halt unterscheidet sich zwischen der Oberkiefer- und der Unterkieferprothese. Bei Letzterer ist durch die kleinere Auflagefläche, die reduzierte Saugwirkung und die Bewegungen der Zunge der Halt erheblich geringer. Erfahrene Prothesenträger können die Unterkieferprothese durch die Zunge und die Wangenmuskulatur in Position halten.

Der Halt einer Prothese hängt zunächst von der Kieferform ab. Je größer und ausgeprägter der Kieferkamm (Alveolarfortsatz) ist, desto besser ist der Halt. Der Halt einer Prothese kann sich im Laufe vieler Jahre verschlechtern, weil der Kieferknochen einem Knochenabbau unterworfen ist. Im unbezahnten Gebiss wirkt die Druckbelastung der Zahnprothesen auf die Gingiva propria (Schleimhaut) und damit auf den darunter liegenden Kieferknochen, der darauf mit vermehrter Resorption reagiert.[1]

Der Halt der Prothese hängt auch von der statischen Gestaltung ab. Dies bedeutet, dass die Prothesenzähne in ihrer Okklusion (Zusammenbiss der Ober- und Unterkieferzähne) zu einer stabilen Lage beitragen müssen und nicht durch Kaubewegungen ein Heraushebeln der Prothese bewirken dürfen.

Unterschiede in der Okklusion gegenüber dem natürlichen Gebiss

Im natürlichen Gebiss sorgt die Eckzahnführung dafür, dass bei einer Seitwärtsbewegung (Laterotrusionsbewegung) der Unterkiefer zur Öffnung gezwungen wird. Dadurch geraten die Zähne im Seitenzahnbereich außer Kontakt. Gleiches bewirken die Frontzähne bei einer Vorschubbewegung des Unterkiefers. Eckzähne sind durch ihre langen Wurzeln dazu geeignet, seitliche Belastungskräfte aufzufangen, die an den übrigen Zähnen, die kürzere Wurzeln besitzen, zu einer Lockerung führen würden.

Bei einer Totalprothese entfällt diese Funktion. Eine alleinige Front- und Eckzahnführung würde ein Aushebeln und Kippen der Prothesen bewirken. Aus diesem Grund werden Prothesenzähne so aufgestellt und entsprechend eingeschliffen, dass keine aushebelnden Führungszonen bestehen. Vielmehr werden absichtlich Balancekontakte hergestellt. Dies bedeutet, dass bei einer Seitwärtsbewegung des Unterkiefers die Zähne beider Seiten unter Kontakt aufeinander gleiten. Bei der Vorschubbewegung des Unterkiefers gleiten auch die Molaren der Ober- und Unterkieferprothese übereinander und sorgen für eine distale (hintere) Abstützung.[2]

Gegebenenfalls muss der Prothesenträger seine Kaugewohnheiten ändern und ein Kaumuster durchführen, das eher Hackbewegungen gleicht. Mahlbewegungen der Kiefer sind hingegen eher zu reduzieren.

Behandlungsablauf

Farbmusterskala für prothetische Rekonstruktionen

Für die Anfertigung einer Totalen Prothese wird auf einem, nach einer Abformung mit einem konfektionierten Abdrucklöffel hergestellten, Situationsgipsmodell eines Kiefers zunächst ein patientenindividueller Abdrucklöffel aus Kunststoff hergestellt. Mit diesem Löffel nimmt der Zahnarzt eine Funktionsabformung vor. Der Patient vollführt mit Hilfe des Zahnarztes, während die Abdruckmasse abbindet, alle Bewegungen, die auch später mit der Prothese möglich sein sollen, wie Mund spitzen, Mund öffnen, Saugen, Lachen, Zunge nach links und rechts ausstrecken, Grimassen schneiden und ähnliches.[3] Die Weichteile im Mund können die Prothese bei verschiedenen Mund- und Zungenbewegungen lockern oder abhebeln. Die Prothese muss deshalb den diversen Muskelbändern einen Bewegungsspielraum lassen, wie beispielsweise dem Zungenbändchen oder den Lippen- und Wangenbändchen. Im Unterkiefer wird mit der Funktionsabformung auch der Bewegungsspielraum des Mundbodens berücksichtigt, da der Mundboden sich im Zusammenspiel mit der Zunge hebt und senkt. Die Prothese darf dadurch nicht vom Unterkiefer abgehoben und ausgehebelt werden. Der Prothesenrand muss gleichzeitig die Prothese weitgehend abdichten, was die Zielsetzung der mukodynamischen Abformung ist. Hierbei wird zwischen dem äußeren und inneren Ventilrand der Prothese unterschieden.

Nach der Funktionsabformung erstellt der Zahntechniker das Arbeitsmodell als Grundlage für die weiteren Arbeitsschritte. Es folgt die Anfertigung von Registrierschablonen (früher: Bissschablonen), mit deren Hilfe der Zahnarzt die Kieferrelationsbestimmung durchführt, die Okklusionsebene (Kauebene) festlegt, die Mittellinie und die Position der Eckzähne einzeichnet.[4] Die Einzeichnung der sogenannten Lachlinie in die Wachswälle lässt den Zahntechniker den sichtbaren Bereich erkennen, jenen Bereich, der beim Lachen sichtbar ist, denn der Prothesenkunststoff soll beim Lachen möglichst nicht sichtbar sein, sondern nur die Zähne. Der Zahntechniker kann dementsprechend die Zähne aufstellen. Die Kieferrelationsbestimmung beim zahnlosen Patienten ist besonders schwierig, da durch den Verlust aller Zähne, beziehungsweise aller Zähne in einem Kiefer, die über die Okklusion gesicherte dreidimensionale Beziehung zwischen Ober- und Unterkiefer nicht mehr existiert. Sie erfolgt meist durch die Bestimmung des engsten Sprechabstands, der Ruheschwebelage. Ferner wird die Farbe und Form der künstlichen Zähne ausgewählt. Die Statur des Patienten findet sich in der Zahnform wieder, angelehnt an Kretschmers Konstitutionstypen. So hat ein Leptosom oft sehr schlanke, lange Zähne, der Pykniker eher kurze gedrungene und der Athletiker trapezförmig geformte Zähne.[5] Mit Hilfe eines Übertragungsbogens wird die kiefergelenksbezogene Montage der Arbeitsmodelle im Artikulator ermöglicht. Nach der Aufstellung der Zähne in Wachs auf einer aus Wachs modellierten oder aus Kunststoff hergestellten Prothesenbasis durch den Zahntechniker erfolgt eine Einprobe der zahntechnischen Arbeit. Bei der Einprobe kann die Kieferrelationsbestimmung und das Aussehen der Prothese durch Zahnarzt und Patient beurteilt und gegebenenfalls korrigiert werden.

Eingliederung der Prothese

Auswahl von Artikulationsfolien

Nach Fertigstellung der Prothese im zahntechnischen Labor wird diese am Patienten eingesetzt und die Funktion überprüft. Hierbei müssen meist die Prothesenzähne eingeschliffen werden, bis alle Zähne gleichmäßig Kontakt zu den Antagonisten haben. Eine eventuell bestehende Eck- oder Frontzahnführung wird durch Beschleifen beseitigt. Hierzu bedient sich der Zahnarzt einer Artikulationsfolie, eines dünnen Farbbandes. Mit Artikulationsfolien in verschiedenen Farben werden die Kaumuster bei den Schließ- und Kaubewegungen auf den Okklusionsflächen abgebildet. Störende Kontakte und Gleitbahnen können an den eingefärbten Stellen gezielt weggeschliffen werden, um eine ausgeglichene dynamische Okklusion (früher:Artikulation) herzustellen. Dabei sollen beidseitig die Backenzähne gleichmäßig übereinander gleiten.

Abbau des Alveolarkamms

Der Alveolarkammabbau beträgt im ersten Jahr nach dem Zahnverlust etwa 0,5 mm im Oberkiefer und 1,2 mm im Unterkiefer. In den Folgejahren beträgt der Abbau 0,1 mm im Oberkiefer und 0,4 mm im Unterkiefer. Der schnellere Abbau des Unterkieferknochens resultiert unter anderem daraus, dass die Auflagefläche für eine Prothese nur etwa halb so groß ist wie die des Oberkiefers. Im Oberkiefer liegt die Prothese auch auf dem Gaumen auf. Dadurch sind die Belastungskräfte, die auf den Unterkiefer wirken, doppelt so groß wie im Oberkiefer. Daraus folgt, dass in der Regel nach etwa 20 Jahren Prothesentragedauer der Alveolarkamm des Unterkiefers vollkommen abgebaut und der Unterkiefer flach geworden ist. Er bietet dann keinen Halt mehr für eine Totalprothese.[1] In solchen Fällen kann durch verschiedene Kieferknochenaufbauverfahren, der Kiefer wieder rekonstruiert werden. Ein Halt der Prothese kann auch durch Implantate erreicht werden. Damit der Kieferabbau möglichst langsam vonstattengeht, muss die Prothese gut aufliegen. Dies muss durch regelmäßige, in ein- bis zweijährigem Abstand durchgeführte Unterfütterungen (Aufpolstern) der Prothese erfolgen.

Immediatprothese

Eine Sonderform ist die Immediatprothese (Sofortprothese). Bei einer notwendigen Reihenextraktion wird im Vorfeld der Extraktionen eine Prothese vorbereitet, die unmittelbar nach der Extraktion der Zähne eingegliedert wird. Hierzu wird eine Abformung des noch bezahnten Gebisses vorgenommen. Auf dem entstandenen Gipsmodell werden die Zähne weggeschliffen und darauf eine Totalprothese gefertigt. Eine solche Prothese wird nach wenigen Wochen korrigiert, z. B. mittels Unterfütterung, weil sich der Kiefer im Verlauf der Abheilung der Extraktionswunden stark ändert und abgebaut wird. Ein Nebeneffekt einer Immediatversorgung ist, dass eine solche Prothese gleichzeitig als Verbandplatte für die zahlreichen Extraktionswunden dient.[6]

Cover Denture

Als Cover Denture (auch Deckprothese) bezeichnet man einen Zahnersatz, bei dem noch einige wenige Restzähne im Gebiss vorhanden sind, die mit Teleskopkronen oder Wurzelkappen versehen werden. Die gleiche Funktion können auch Implantate ausüben. Über diese Kronen wird eine Totalprothese übergestülpt. Die so versorgten Zähne sorgen für einen besseren Halt, insbesondere im Sinne einer Übergangsversorgung, wenn die restlichen Zähne zu einem späteren Zeitpunkt auch noch extrahiert werden müssen. Sie dienen in diesem Fall der leichteren Eingewöhnung an eine Prothese.[7]

Prothesenzahnbürste

Prothesenreinigung

Zur Reinigung einer Totalprothese hält der Handel spezielle Prothesenbürsten bereit. Als Reinigungsmittel können Flüssigseife, Spülmittel aber auch Kernseife dienen. Zahnpasten mit enthaltenen Schleifkörpern sollen nicht verwendet werden, die diese den Prothesenkunststoff anrauen, wodurch der Anlagerung von Zahnstein und Belägen Vorschub geleitet wird.

Kosten

Es gibt in Deutschland in der gesetzlichen Krankenversicherung seit 2005 ein Festzuschuss-System für Zahnersatz. Bei Prothese handelt es sich um eine sogenannte Regelversorgung, für die ein Festzuschuss von 50 % der Durchschnittskosten beträgt. Ohne Bestätigung eines regelmäßigen jährlichen Zahnarztbesuchs durch ein Bonusheft, beträgt der Eigenanteil des Patienten die Kosten einer Ober- und Unterkiefer-Totalen Prothese etwa 600–800 €. Je nach Regelmäßigkeit des Zahnarztbesuches in den letzten 5 bzw. 10 Jahren, reduziert sich der Eigenanteil auf 40 % bzw. 35 % (§ 55 Abs. 1 SGB V).

Geschichte

Oberkiefer-Teilprothese aus Gold. Sichtbare Zahnfleischanteile aus rosafarbenem Kautschuk, Zähne aus Porzellan

Diverse Versuche in der Vergangenheit, Zähne durch Prothesen zu ersetzen waren letztlich untauglich, wie beispielsweise das Schnitzen von Prothesen aus Wallroßzähnen. Im Jahre 1839 erfand Charles Goodyear die Vulkanisation, ein Verfahren, bei dem Kautschuk unter Einfluss von Zeit, Temperatur und Druck gegen atmosphärische und chemische Einflüsse sowie gegen mechanische Beanspruchung widerstandsfähig gemacht wird. Daraus resultierten bald die Kautschukprothesen nach Thomas W. Evans und Clark S. Putnam (1864), in die Porzellanzähne eingebaut werden konnten.[8] Dem Wunsch nach natürlich aussehendem Zahnersatz wollte 1789 der Franzose Nicolas Dubois de Chémant nachkommen und meldete die von ihm entwickelten Porzellanzähne zum Patent an.[9] Sie wurden incorruptible (franz.: unzerstörbar, „unverweslich“) genannt, im Gegensatz zum übelriechenden beinernen Zahnersatz. Chémant griff die Idee des Apothekers Alexis Duchâteau (1714–1792) auf, der 1774 mit der Herstellung von Porzellanzähnen experimentiert hatte. Der italienische Zahnarzt Giuseppangelo Fonzi (1768–1840) eignete sich die Kenntnisse an und erlangte 1815 Ruhm durch seine erfolgreiche Produktion von Porzellanzähnen, die er mittels Metallstiften fest mit der Prothesenbasis verband. Der Ruf dieser incorruptible verbreitete sich bis an den bayerischen Königshof in München, zum russischen Zaren Alexander I. und von dort zu den spanischen Bourbonen.[10]

Um 1840 wurden etwa 500.000 Porzellanzähne von Paris aus in die USA exportiert, womit eine rasante Zunahme von Zahnärzten und Zahntechnikern einherging.[11] 1844 begann Samuel Stockton White (S. S. White) in den USA mit der Herstellung von Porzellanzähnen.[12] Einer Umfrage in den USA zufolge wurden 1940 etwa 70 % aller dortigen Zahnprothesen aus Kautschuk gefertigt.[13] Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Funktionsabformung zur Erzeugung der Saugwirkung und damit des Halts einer Prothese noch nicht erfunden war, baute man Saugnäpfe in Oberkieferprothesen ein. Diese erzeugten jedoch bei langjähriger Verwendung Kieferdefekte bis hin zu Perforationen des Gaumens, worauf man dieses Hilfsmittel wieder verließ.

Der Prothesenkunststoff Polymethylmethacrylat (PMMA) wurde 1928 etwa zur selben Zeit in Deutschland, Großbritannien und Spanien entwickelt. In Deutschland war hieran der Chemiker Walter Bauer (1893–1968) beteiligt. Durch die Firma Kulzer & Co. wurde im Jahre 1936 das von Bauer entwickelte chemoplastische Verarbeitungsverfahren (Paladonverfahren) vorgestellt.[14] Es entspricht dem heute verbreiteten Verfahren, Polymerpartikel mit Monomerflüssigkeit anzuteigen und plastisch in Hohlformen einzubringen. Der Kunststoff wurde in den 1950er Jahren so weit entwickelt, dass er den Kautschuk verdrängt hat.[15]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b N. Schwenzer, M. Ehrenfeld: Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde. 5 Bände, Band 3: Zahnärztliche Chirurgie. Thieme Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-13-116963-X in Googlebooks
  2. Klaus M. Lehmann, Elmar Hellwig, Hans-Jürgen Wenz, Klaus M. Lehmann, Elmar Hellwig, Hans-Jürgen Wenz: Zahnärztliche Propädeutik: Einführung in die Zahnheilkunde ; mit 32 Tabellen. Deutscher Ärzteverlag, 2012, ISBN 978-3-7691-3434-6, S. 361 (google.com).
  3. Hermann Böttger, Horst Gründler, Hermann Böttger, Horst Gründler: Das zahnärztliche und zahntechnische Vorgehen beim Teleskopsystem in der Prothetik: Teleskopkronen, Stege, Geschiebe, Gelenke, Riegel und die Randgebiete der feinmechanischen Befestigungsvorrichtungen. Verlag Neuer Merkur GmbH, 1982, ISBN 978-3-921280-23-2, S. 77 (google.com).
  4. Kieferrelationsbestimmung, Wissenschaftliche Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien, September 2010. Abgerufen am 29. Oktober 2016.
  5. Arnold Hohmann, Werner Hielscher: Zahntechnik in Frage und Antwort: Fragen zur Anatomie, Prothetik, Kieferorthopädie und Werkstoffkunde. Verlag Neuer Merkur, 1995, ISBN 3-921280-93-1, S. 257–.
  6. Christian Bruhn, F. Gutowski, Christian Bruhn, F. Gutowski, A. Gysi, F. Hauptmeyer, Stephan Loewe, Karl Kukulies, Paul Wustrow: Zahnärztliche Prothetik. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-99582-8, S. 437– (google.com).
  7. Wolfgang Gernet, Reiner Biffar, Norbert Schwenzer, Wolfgang Gernet, Reiner Biffar, Norbert Schwenzer, Michael Ehrenfeld: Zahnärztliche Prothetik. Georg Thieme Verlag, 2011, ISBN 978-3-13-165124-2, S. 117– (google.com).
  8. Heinrich Schnettelker, Die Geschichte der Kautschukprothese (PDF) Dissertation, 2001. Abgerufen am 29. Oktober 2016.
  9. Geschichte der Zahnmedizin, Complete Dental Guide. Abgerufen am 29. Oktober 2016.
  10. Bernard Kurdvk, Giuseppangelo Fonzi, Pierre Fauchard Academy. Abgerufen am 29. Oktober 2016.
  11. Henry W. Noble, Tooth transplantation: a controversial story (PDF) Abgerufen am 29. Oktober 2016.
  12. Terry Wilwerding, History of Dentistry 2001 (PDF) Abgerufen am 29. Oktober 2016.
  13. H. D. Kimball, Modern denture base materials, and what to expect of them. J Am Dent Assoc 25, (1938) S. 243–252.
  14. A. Schmidt, Die Geschichte der Methacrylate in der Stomatologie. Zahntechnik 19, 436 (1978)
  15. H. Schnettelker, Die Geschichte der Kautschukprothese (PDF) Dissertation 2001. Abgerufen am 29. Oktober 2016.