„Selbsttäuschung“ – Versionsunterschied

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{{Weiterleitungshinweis|Selbstbetrug|Zum deutschen Fernsehkrimi siehe [[Polizeiruf 110: Der Selbstbetrug]].}}
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Die Begriffe '''Selbsttäuschung''' oder '''Selbstbetrug''' umfassen eine Vielfalt von Denkens- und Verhaltensweisen mit Bezug auf das [[Selbst]] und das [[Selbstbewusstsein]]. Die Selbsttäuschung ist seit der Antike Gegenstand der [[Philosophie|philosophischen Betrachtung]], wobei die Definition und zahlreiche Aspekte umstritten sind.<ref>Ian Deweese-Boyd: [http://plato.stanford.edu/entries/self-deception/ ''Self-Deception''], in: Stanford Encyclopedia of Philosophy</ref> In der Gegenwart sind Selbsttäuschungen Forschungsgegenstand der [[Kognitionspsychologie]], spezifische Muster der Selbsttäuschung in pathologischer Ausprägung auch in der [[Psychiatrie]]. Als alltägliches tritt sie un- oder [[unterbewusstsein|unterbewusstes]] auch bei seelisch gesunden Menschen Phänomen ist sie auch Gegenstand vieler literatrischer Werke, die sich mit [[Authentizität]], [[Verblendung (Geistesgeschichte)|Verblendung]] und [[Selbsterkenntnis]] beschäftigen.
Die Begriffe '''Selbsttäuschung''' oder '''Selbstbetrug''' umfassen eine Vielfalt von Denkens- und Verhaltensweisen mit Bezug auf das [[Selbst]] und das [[Selbstbewusstsein]]. Die Selbsttäuschung ist seit der Antike Gegenstand der [[Philosophie|philosophischen Betrachtung]], wobei die Definition und zahlreiche Aspekte umstritten sind.<ref>Ian Deweese-Boyd: [http://plato.stanford.edu/entries/self-deception/ ''Self-Deception.''] In: ''Stanford Encyclopedia of Philosophy.''</ref> In der Gegenwart sind Selbsttäuschungen Forschungsgegenstand der [[Kognitionspsychologie]], spezifische Muster der Selbsttäuschung in pathologischer Ausprägung auch in der [[Psychiatrie]]. Als alltägliches tritt sie un- oder [[Unterbewusstsein|unterbewusstes]] auch bei seelisch gesunden Menschen Phänomen ist sie auch Gegenstand vieler literatrischer Werke, die sich mit [[Authentizität]], [[Verblendung (Geistesgeschichte)|Verblendung]] und [[Selbsterkenntnis]] beschäftigen.


== Formen ==
== Formen ==


Selbsttäuschungen kommen in unterschiedlichem Ausmaß vor, von harmlosen [[kognitive Verzerrung|kognitiven Verzerrungen]] bis zu krankhaften [[Bewusstseinsstörung]]en. Sie erscheinen in verschiedenen Formen, zum Beispiel als [[Erinnerungsverfälschung]] oder als [[Planungsfehlschluss]]. Als Selbsttäuschung können sowohl kurz andauernde kognitive Zustände beschrieben werden als auch langfristige Erscheinungen. Ein Extremfall der psychologisch notwendigen Selbsttäuschung ist die [[Lebenslüge]], die literarisch vor allem von [[Henrik Ibsen]] verarbeitet und bekannt gemacht wurde. Als Ursache kommen beispielsweise [[kognitive Dissonanz]]en in Frage (Wahrnehmungen, Gedanken, Einstellungen, Wünsche oder Absichten, die nicht miteinander vereinbar sind) oder auch [[Bestätigungsfehler]], die auf der Neigung beruhen, Informationen so zu suchen, auszuwählen und zu interpretieren, dass die eigenen Erwartungen erfüllt werden; die [[Psychoanalyse]] führt Selbsttäuschungen auf [[Abwehrmechanismen]] zurück.
Selbsttäuschungen kommen in unterschiedlichem Ausmaß vor, von harmlosen [[Kognitive Verzerrung|kognitiven Verzerrungen]] bis zu krankhaften [[Bewusstseinsstörung]]en. Sie erscheinen in verschiedenen Formen, zum Beispiel als [[Erinnerungsverfälschung]] oder als [[Planungsfehlschluss]]. Als Selbsttäuschung können sowohl kurz andauernde kognitive Zustände beschrieben werden als auch langfristige Erscheinungen. Ein Extremfall der psychologisch notwendigen Selbsttäuschung ist die [[Lebenslüge]], die literarisch vor allem von [[Henrik Ibsen]] verarbeitet und bekannt gemacht wurde. Als Ursache kommen beispielsweise [[kognitive Dissonanz]]en in Frage (Wahrnehmungen, Gedanken, Einstellungen, Wünsche oder Absichten, die nicht miteinander vereinbar sind) oder auch [[Bestätigungsfehler]], die auf der Neigung beruhen, Informationen so zu suchen, auszuwählen und zu interpretieren, dass die eigenen Erwartungen erfüllt werden; die [[Psychoanalyse]] führt Selbsttäuschungen auf [[Abwehrmechanismen]] zurück.


Selbsttäuschung ist ein besonderes Merkmal bei mehreren in der Medizin klassifizierten [[Persönlichkeitsstörung]]en, wie [[Borderline-Persönlichkeitsstörung]], [[Persönlichkeitsstörung#Narzisstische Persönlichkeitsstörung|Narzisstische Persönlichkeitsstörung]], und [[Histrionische Persönlichkeitsstörung]].<ref name="Ford 1999 p. ">{{cite book | last=Ford | first=Charles | title=Lies!, lies!!, lies!!! : The psychology of deceit | publisher=American Psychiatric Press | location=Washington, DC | year=1999 | isbn=978-0-88048-997-3}}, S. 103-125.</ref> Ein weiter Sonderfall wird in der klinischen Psychologie als [[Bonding (Psychotherapie)#Kontraindikation|''Falsches Sebst'']] bezeichnet, wobei unter großem Druck (z. B. bei psychischem Trauma) zum Schutz des psychischen Überlebens aus [[Megalomanie|Größenwahn]], [[Selbstüberschätzung|Größenph­antasien]] und Üb­ern­ahme fremder Erwartun­gen eine Persönl­ichk­eitsf­assade erreichtet wird.<ref>Eintrag ''Selbsttäuschung'' in: [https://www.pschyrembel.de/Selbst/P01DD/doc/ Pschyrembel online].</ref>
Selbsttäuschung ist ein besonderes Merkmal bei mehreren in der Medizin klassifizierten [[Persönlichkeitsstörung]]en, wie [[Borderline-Persönlichkeitsstörung]], [[Persönlichkeitsstörung#Narzisstische Persönlichkeitsstörung|Narzisstische Persönlichkeitsstörung]], und [[Histrionische Persönlichkeitsstörung]].<ref name="Ford 1999 p.">{{Literatur |Autor=Charles Ford |Titel=Lies!, lies!!, lies!!! : The psychology of deceit |Verlag=American Psychiatric Press |Ort=Washington, DC |Jahr=1999 |ISBN=0-88048-997-9 |Seiten=103–125}}</ref> Ein weiter Sonderfall wird in der klinischen Psychologie als [[Bonding (Psychotherapie)#Kontraindikation|''Falsches Sebst'']] bezeichnet, wobei unter großem Druck (z. B. bei psychischem Trauma) zum Schutz des psychischen Überlebens aus [[Megalomanie|Größenwahn]], [[Selbstüberschätzung|Größenph­antasien]] und Üb­ern­ahme fremder Erwartun­gen eine Persönl­ichk­eitsf­assade erreichtet wird.<ref>''Selbsttäuschung.'' In: [https://www.pschyrembel.de/Selbst/P01DD/doc/ ''Pschyrembel online.'']</ref>


Selbsttäuschungen betreffen häufig die Wahrnehmung und Bewertung der eigenen Person, das sogenannte [[Selbstbild]] (siehe auch [[Selbstkonzept]] und [[Selbstwert]]). Daher spielen sie auch bei bestimmten [[Persönlichkeitsstörung]]en eine Rolle, beispielsweise als [[Narzisstische Persönlichkeitsstörung#Die Symptome im Einzelnen|Symptom einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung]]. Da [[Selbsterkenntnis]] ein kontinuierliches Bemühen darstellt, kann das Selbst auch jederzeit inkorrekt Wahrgenommen werden. Eine psychotherapeutische Form der Selbsttäuschung liegt dann vor, wenn darurch Schwierigkeiten bei einer realitätsnahen Anpassung an eine gegebene Umwelt entstehen.<ref>Eintrag ''Selbsterkenntnis'' in: ''Dorsch- Lexikon der Psychologie'' [https://portal.hogrefe.com/dorsch/selbsterkenntnis/ online].</ref>
Selbsttäuschungen betreffen häufig die Wahrnehmung und Bewertung der eigenen Person, das sogenannte [[Selbstbild]] (siehe auch [[Selbstkonzept]] und [[Selbstwert]]). Daher spielen sie auch bei bestimmten [[Persönlichkeitsstörung]]en eine Rolle, beispielsweise als [[Narzisstische Persönlichkeitsstörung#Die Symptome im Einzelnen|Symptom einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung]]. Da [[Selbsterkenntnis]] ein kontinuierliches Bemühen darstellt, kann das Selbst auch jederzeit inkorrekt Wahrgenommen werden. Eine psychotherapeutische Form der Selbsttäuschung liegt dann vor, wenn darurch Schwierigkeiten bei einer realitätsnahen Anpassung an eine gegebene Umwelt entstehen.<ref>''Selbsterkenntnis.'' In: ''Dorsch- Lexikon der Psychologie.'' [https://portal.hogrefe.com/dorsch/selbsterkenntnis/ (online)]</ref>


In der Philosophie spielen im Zusammenhang nicht nur die erkenntnistheorietischen Dimensionen eine Rolle, sondern auch Fragen der [[Handlungstheorie (Philosophie)|Handlungstheorie]], sowie nach [[Verantwortung]] und [[Begründung|Rechtfertigung]]. So stellte etwa [[Schopenhauer]] prominent in Frage, ob die Annahme der [[Willkür]]freiheit eine notwendige Selbsttäuschung sei. Es lassen sich grob ''aktive'' Arten der Selbsttäuschung als Verfälschen oder Unterdrücken von Wahrnehmungen und Vorstellungen hinsichtlich der eigenen Befindlichkeit, des Verhältnises zu anderen oder bezüglich des Werts oder der Motive des eigenen [[Handeln|Handelns]] unterscheiden von ''passiven'' Selbsttäuschungen, die analog zu [[Sinnestäuschung|Sinnestäuschungen]] im Bereich der Wahrnehmung der eigenen Emotionen und Absichten zu betrachten sind. Das letztere passive Verständnis ist zentraler Teil der Anthropologie [[Max Scheler]]s.<ref name=":0">W. Halbfass, Eintrag "Selbsttäuschung II." in Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 9, S. 541.</ref> Eine wichtige Rolle spielen die Soannung von Selbsterkenntnis und Selbsttäuschung bei [[Søren Kierkegaard#Denken|Søren Kierkegaard]].
In der Philosophie spielen im Zusammenhang nicht nur die erkenntnistheorietischen Dimensionen eine Rolle, sondern auch Fragen der [[Handlungstheorie (Philosophie)|Handlungstheorie]], sowie nach [[Verantwortung]] und [[Begründung|Rechtfertigung]]. So stellte etwa [[Schopenhauer]] prominent in Frage, ob die Annahme der [[Willkür]]freiheit eine notwendige Selbsttäuschung sei. Es lassen sich grob ''aktive'' Arten der Selbsttäuschung als Verfälschen oder Unterdrücken von Wahrnehmungen und Vorstellungen hinsichtlich der eigenen Befindlichkeit, des Verhältnises zu anderen oder bezüglich des Werts oder der Motive des eigenen [[Handeln|Handelns]] unterscheiden von ''passiven'' Selbsttäuschungen, die analog zu [[Sinnestäuschung|Sinnestäuschungen]] im Bereich der Wahrnehmung der eigenen Emotionen und Absichten zu betrachten sind. Das letztere passive Verständnis ist zentraler Teil der Anthropologie [[Max Scheler]]s.<ref name=":0">W. Halbfass: ''Selbsttäuschung II.'' In: ''Historisches Wörterbuch der Philosophie.'' Band 9, S. 541.</ref> Eine wichtige Rolle spielen die Soannung von Selbsterkenntnis und Selbsttäuschung bei [[Søren Kierkegaard#Denken|Søren Kierkegaard]].


In der modernen philosophischen Diskussion steht im Zentrum des Begriffsfelds ein „Ausweichen vor einer als unangenehm empfundenen Wahrheit, ein ‚Sicheinreden‘ eines Glaubens, von dem man irgendwie doch weiß oder zumindest ahnt, dass er falsch ist“.<ref>{{Literatur |Autor=Kathi Beier |Titel=Selbsttäuschung |Verlag=De Gruyter |Jahr=2010 |Seiten=7 |ISBN=978-3-11-022931-8 |Online={{Google Buch |BuchID=Tm3O8Jh7UYoC }}}}</ref> Eine Person, die sich selbst täuscht, ist aufgrund einer besonderen Motivation anscheinend von etwas Falschem überzeugt; ihr Verhalten deutet aber unter Umständen darauf hin, dass sie sich der Wahrheit zu einem gewissen Grad bewusst ist.<ref>Ian Deweese-Boyd: [http://plato.stanford.edu/entries/self-deception/ ''Self-Deception''], in: Stanford Encyclopedia of Philosophy. Zitat: “self-deception involves a person who seems to acquire and maintain some false belief in the teeth of evidence to the contrary as a consequence of some motivation, and who may display behavior suggesting some awareness of the truth”.</ref> In jüngerer Zeit wurde argumentiert, das die Selbsttäuschung eine notwenigie [[Motivation|motivationale]] Funktion haben könnte.<ref>[[Albert Newen]], [[Gottfried Vosgerau]]: ''Irren ist … sinnvoll!'' in: [[Steve Ayan]] ''Rätsel Mensch - Expeditionen im Grenzbereich von Philosophie und Hirnforschung'' S. 35-40, Springer: Berlin 2017, ISBN</ref>
In der modernen philosophischen Diskussion steht im Zentrum des Begriffsfelds ein „Ausweichen vor einer als unangenehm empfundenen Wahrheit, ein ‚Sicheinreden‘ eines Glaubens, von dem man irgendwie doch weiß oder zumindest ahnt, dass er falsch ist“.<ref>{{Literatur |Autor=Kathi Beier |Titel=Selbsttäuschung |Verlag=De Gruyter |Jahr=2010 |ISBN=978-3-11-022931-8 |Seiten=7 |Online={{Google Buch |BuchID=Tm3O8Jh7UYoC }}}}</ref> Eine Person, die sich selbst täuscht, ist aufgrund einer besonderen Motivation anscheinend von etwas Falschem überzeugt; ihr Verhalten deutet aber unter Umständen darauf hin, dass sie sich der Wahrheit zu einem gewissen Grad bewusst ist.<ref>Ian Deweese-Boyd: [http://plato.stanford.edu/entries/self-deception/ ''Self-Deception.''] In: ''Stanford Encyclopedia of Philosophy.'' Zitat: “self-deception involves a person who seems to acquire and maintain some false belief in the teeth of evidence to the contrary as a consequence of some motivation, and who may display behavior suggesting some awareness of the truth”.</ref> In jüngerer Zeit wurde argumentiert, das die Selbsttäuschung eine notwenigie [[Motivation|motivationale]] Funktion haben könnte.<ref>[[Albert Newen]], [[Gottfried Vosgerau]]: ''Irren ist … sinnvoll!'' In: [[Steve Ayan]] (Hrsg.): ''Rätsel Mensch - Expeditionen im Grenzbereich von Philosophie und Hirnforschung.'' Springer, Berlin 2017, ISBN 978-3-662-50326-3, S. 35–40.</ref>


Aus evolutionsbiologischer Sicht hat [[Robert Trivers]] Selbsstäuschg als Sonderfall von überlebens- und reproduktionsfördelichen Täuschungen beschrieben, die im gesamten Tierreich und daher auch unter Menschen sowohl als natürliches Phänomen als auch als bewßt eingestzte Strategier auftreten.<ref>Robert Trivers: ''Betrug und Selbstbetrug. Wie wir uns selbst und andere erfolgreich belügen.'' Berlin: Ullstein 2013.</ref>
Aus evolutionsbiologischer Sicht hat [[Robert Trivers]] Selbsstäuschg als Sonderfall von überlebens- und reproduktionsfördelichen Täuschungen beschrieben, die im gesamten Tierreich und daher auch unter Menschen sowohl als natürliches Phänomen als auch als bewßt eingestzte Strategier auftreten.<ref>Robert Trivers: ''Betrug und Selbstbetrug. Wie wir uns selbst und andere erfolgreich belügen.'' Ullstein, Berlin 2013.</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==
<small>(Chronologisch)</small>
<small>(Chronologisch)</small>


* [[Daniel Goleman]]: ''[[Lebenslüge]]n – Die Psychologie der Selbsttäuschung.'' Heyne-Verlag 1991, ISBN 3-453-13025-1.
* [[Daniel Goleman]]: ''[[Lebenslüge]]n – Die Psychologie der Selbsttäuschung.'' Heyne-Verlag, 1991, ISBN 3-453-13025-1.
* Guy Claxton: ''Die Macht der Selbsttäuschung. Der gesunde Menschenverstand und andere Irrtümer''. Piper 1997, ISBN 3-492-03814-X.
* Guy Claxton: ''Die Macht der Selbsttäuschung. Der gesunde Menschenverstand und andere Irrtümer''. Piper, 1997, ISBN 3-492-03814-X.
* [[Paul Watzlawick]]: ''Wie wirklich ist die Wirklichkeit?: Wahn, Täuschung, Verstehen''. 11. Auflage. Piper, 2005, ISBN 3-492-24319-3.
* [[Paul Watzlawick]]: ''Wie wirklich ist die Wirklichkeit?: Wahn, Täuschung, Verstehen.'' 11. Auflage. Piper, 2005, ISBN 3-492-24319-3.
* Victor Chu: ''Lebenslügen und Familiengeheimnisse: Sich selbst erkennen - freier leben.'' Goldmann Taschenbuch, 2010, ISBN 978-3-442-17169-9. <!-- Zum Autor siehe www.vchu.de -->
* Victor Chu: ''Lebenslügen und Familiengeheimnisse: Sich selbst erkennen - freier leben.'' Goldmann Taschenbuch, 2010, ISBN 978-3-442-17169-9.
* Carol Tavris, [[Elliot Aronson]]: ''Ich habe recht, auch wenn ich mich irre: Warum wir fragwürdige Überzeugungen, schlechte Entscheidungen und verletzendes Handeln rechtfertigen''. Riemann Verlag, 2010, ISBN 978-3-570-50116-0 (englisches Original 2007: ''Mistakes were made (but not by me)'')
* Carol Tavris, [[Elliot Aronson]]: ''Ich habe recht, auch wenn ich mich irre: Warum wir fragwürdige Überzeugungen, schlechte Entscheidungen und verletzendes Handeln rechtfertigen''. Riemann Verlag, 2010, ISBN 978-3-570-50116-0. (englisches Original 2007: ''Mistakes were made (but not by me)'')
* [[Klaus-Jürgen Bruder]], Friedrich Voßkühler: ''Lüge und Selbsttäuschung.'' (= ''Philosophie und Psychologie im Dialog.'' 7). Vandenhoeck & Ruprecht, 2009, ISBN 978-3-525-45200-4.
* {{Literatur |Autor=Kathi Beier |Titel=Selbsttäuschung |Verlag=De Gruyter |Jahr=2010 |ISBN=978-3-11-022931-8 |Online={{Google Buch |BuchID=Tm3O8Jh7UYoC }}}}
* [[Klaus-Jürgen Bruder]], Friedrich Voßkühler: ''Lüge und Selbsttäuschung.'' (Philosophie und Psychologie im Dialog 7). Vandenhoeck & Ruprecht, 2009, ISBN 978-3-525-45200-4.
* Kathi Beier: ''Selbsttäuschung.'' De Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-022931-8. {{Google Buch |BuchID=Tm3O8Jh7UYoC }}
* [[Robert Trivers]]: ''Betrug und Selbstbetrug. Wie wir uns selbst und andere erfolgreich belügen.'' Berlin: Ullstein 2013, ISBN 978-3-550-08017-3.
* [[Robert Trivers]]: ''Betrug und Selbstbetrug. Wie wir uns selbst und andere erfolgreich belügen.'' Ullstein, Berlin 2013, ISBN 978-3-550-08017-3.
* [[Reiner Sachse]]: ''Manipulation und Selbsttäuschung. Wie gestalte ich mir die Welt so, dass sie mir gefällt: Manipulationen nutzen und abwenden''. Berlin: Springer 2014, ISBN ISBN 978-3-642-54823-9.
* [[Reiner Sachse]]: ''Manipulation und Selbsttäuschung. Wie gestalte ich mir die Welt so, dass sie mir gefällt: Manipulationen nutzen und abwenden.'' Springer Berlin 2014, ISBN 978-3-642-54823-9.
* [[Albert Newen]], [[Gottfried Vosgerau]]: ''Irren ist … sinnvoll!'' [DOI 10.1007/978-3-662-50327-0_5 online] in: [[Steve Ayan]] ''Rätsel Mensch - Expeditionen im Grenzbereich von Philosophie und Hirnforschung'' S. 35-40, Springer: Berlin 2017, ISBN
* [[Albert Newen]], [[Gottfried Vosgerau]]: ''Irren ist … sinnvoll!'' In: [[Steve Ayan]] (Hrsg.): ''Rätsel Mensch - Expeditionen im Grenzbereich von Philosophie und Hirnforschung.'' Springer, Berlin 2017, ISBN 978-3-662-50326-3, S. 35–40. {{DOI|10.1007/978-3-662-50327-0_5}}

== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />

Version vom 9. Februar 2017, 16:59 Uhr

Die Begriffe Selbsttäuschung oder Selbstbetrug umfassen eine Vielfalt von Denkens- und Verhaltensweisen mit Bezug auf das Selbst und das Selbstbewusstsein. Die Selbsttäuschung ist seit der Antike Gegenstand der philosophischen Betrachtung, wobei die Definition und zahlreiche Aspekte umstritten sind.[1] In der Gegenwart sind Selbsttäuschungen Forschungsgegenstand der Kognitionspsychologie, spezifische Muster der Selbsttäuschung in pathologischer Ausprägung auch in der Psychiatrie. Als alltägliches tritt sie un- oder unterbewusstes auch bei seelisch gesunden Menschen Phänomen ist sie auch Gegenstand vieler literatrischer Werke, die sich mit Authentizität, Verblendung und Selbsterkenntnis beschäftigen.

Formen

Selbsttäuschungen kommen in unterschiedlichem Ausmaß vor, von harmlosen kognitiven Verzerrungen bis zu krankhaften Bewusstseinsstörungen. Sie erscheinen in verschiedenen Formen, zum Beispiel als Erinnerungsverfälschung oder als Planungsfehlschluss. Als Selbsttäuschung können sowohl kurz andauernde kognitive Zustände beschrieben werden als auch langfristige Erscheinungen. Ein Extremfall der psychologisch notwendigen Selbsttäuschung ist die Lebenslüge, die literarisch vor allem von Henrik Ibsen verarbeitet und bekannt gemacht wurde. Als Ursache kommen beispielsweise kognitive Dissonanzen in Frage (Wahrnehmungen, Gedanken, Einstellungen, Wünsche oder Absichten, die nicht miteinander vereinbar sind) oder auch Bestätigungsfehler, die auf der Neigung beruhen, Informationen so zu suchen, auszuwählen und zu interpretieren, dass die eigenen Erwartungen erfüllt werden; die Psychoanalyse führt Selbsttäuschungen auf Abwehrmechanismen zurück.

Selbsttäuschung ist ein besonderes Merkmal bei mehreren in der Medizin klassifizierten Persönlichkeitsstörungen, wie Borderline-Persönlichkeitsstörung, Narzisstische Persönlichkeitsstörung, und Histrionische Persönlichkeitsstörung.[2] Ein weiter Sonderfall wird in der klinischen Psychologie als Falsches Sebst bezeichnet, wobei unter großem Druck (z. B. bei psychischem Trauma) zum Schutz des psychischen Überlebens aus Größenwahn, Größenph­antasien und Üb­ern­ahme fremder Erwartun­gen eine Persönl­ichk­eitsf­assade erreichtet wird.[3]

Selbsttäuschungen betreffen häufig die Wahrnehmung und Bewertung der eigenen Person, das sogenannte Selbstbild (siehe auch Selbstkonzept und Selbstwert). Daher spielen sie auch bei bestimmten Persönlichkeitsstörungen eine Rolle, beispielsweise als Symptom einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Da Selbsterkenntnis ein kontinuierliches Bemühen darstellt, kann das Selbst auch jederzeit inkorrekt Wahrgenommen werden. Eine psychotherapeutische Form der Selbsttäuschung liegt dann vor, wenn darurch Schwierigkeiten bei einer realitätsnahen Anpassung an eine gegebene Umwelt entstehen.[4]

In der Philosophie spielen im Zusammenhang nicht nur die erkenntnistheorietischen Dimensionen eine Rolle, sondern auch Fragen der Handlungstheorie, sowie nach Verantwortung und Rechtfertigung. So stellte etwa Schopenhauer prominent in Frage, ob die Annahme der Willkürfreiheit eine notwendige Selbsttäuschung sei. Es lassen sich grob aktive Arten der Selbsttäuschung als Verfälschen oder Unterdrücken von Wahrnehmungen und Vorstellungen hinsichtlich der eigenen Befindlichkeit, des Verhältnises zu anderen oder bezüglich des Werts oder der Motive des eigenen Handelns unterscheiden von passiven Selbsttäuschungen, die analog zu Sinnestäuschungen im Bereich der Wahrnehmung der eigenen Emotionen und Absichten zu betrachten sind. Das letztere passive Verständnis ist zentraler Teil der Anthropologie Max Schelers.[5] Eine wichtige Rolle spielen die Soannung von Selbsterkenntnis und Selbsttäuschung bei Søren Kierkegaard.

In der modernen philosophischen Diskussion steht im Zentrum des Begriffsfelds ein „Ausweichen vor einer als unangenehm empfundenen Wahrheit, ein ‚Sicheinreden‘ eines Glaubens, von dem man irgendwie doch weiß oder zumindest ahnt, dass er falsch ist“.[6] Eine Person, die sich selbst täuscht, ist aufgrund einer besonderen Motivation anscheinend von etwas Falschem überzeugt; ihr Verhalten deutet aber unter Umständen darauf hin, dass sie sich der Wahrheit zu einem gewissen Grad bewusst ist.[7] In jüngerer Zeit wurde argumentiert, das die Selbsttäuschung eine notwenigie motivationale Funktion haben könnte.[8]

Aus evolutionsbiologischer Sicht hat Robert Trivers Selbsstäuschg als Sonderfall von überlebens- und reproduktionsfördelichen Täuschungen beschrieben, die im gesamten Tierreich und daher auch unter Menschen sowohl als natürliches Phänomen als auch als bewßt eingestzte Strategier auftreten.[9]

Literatur

(Chronologisch)

Einzelnachweise

  1. Ian Deweese-Boyd: Self-Deception. In: Stanford Encyclopedia of Philosophy.
  2. Charles Ford: Lies!, lies!!, lies!!! : The psychology of deceit. American Psychiatric Press, Washington, DC 1999, ISBN 0-88048-997-9, S. 103–125.
  3. Selbsttäuschung. In: Pschyrembel online.
  4. Selbsterkenntnis. In: Dorsch- Lexikon der Psychologie. (online)
  5. W. Halbfass: Selbsttäuschung II. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 9, S. 541.
  6. Kathi Beier: Selbsttäuschung. De Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-022931-8, S. 7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Ian Deweese-Boyd: Self-Deception. In: Stanford Encyclopedia of Philosophy. Zitat: “self-deception involves a person who seems to acquire and maintain some false belief in the teeth of evidence to the contrary as a consequence of some motivation, and who may display behavior suggesting some awareness of the truth”.
  8. Albert Newen, Gottfried Vosgerau: Irren ist … sinnvoll! In: Steve Ayan (Hrsg.): Rätsel Mensch - Expeditionen im Grenzbereich von Philosophie und Hirnforschung. Springer, Berlin 2017, ISBN 978-3-662-50326-3, S. 35–40.
  9. Robert Trivers: Betrug und Selbstbetrug. Wie wir uns selbst und andere erfolgreich belügen. Ullstein, Berlin 2013.