„Citizen Science“ – Versionsunterschied

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Beispiele aus Österreich sind „naturbeobachtung.at“,<ref>[http://www.naturbeobachtung.at/ naturbeobachtung.at]</ref> [[Stunde der Wintervögel]],<ref>[http://www.stunde-der-wintervoegel.at/ Stunde der Wintervögel]</ref> das Biodiversitätsmonitoring mit Landwirten,<ref>[http://www.biodiversitaetsmonitoring.at/index.php/de/ Biodiversitätsmonitoring mit LandwirtInnen]</ref> die Meldeplattform von Amphibien und Reptilien<ref>[http://www.herpetofauna.at/ Meldeplattform von Amphibien und Reptilien]</ref> und das Sparkling Science Projekt „Viel-Falter“.<ref>[http://www.viel-falter.at/ Viel-Falter]</ref> Das Projekt Viel-Falter beschäftigt sich zudem mit der Frage, ob und wie von Schülern gesammelte Daten über das Vorkommen von Schmetterlingen als Unterstützung für ein dauerhaftes Biodiversitäts-Monitoring in Österreich herangezogen werden können.
Beispiele aus Österreich sind „naturbeobachtung.at“,<ref>[http://www.naturbeobachtung.at/ naturbeobachtung.at]</ref> [[Stunde der Wintervögel]],<ref>[http://www.stunde-der-wintervoegel.at/ Stunde der Wintervögel]</ref> das Biodiversitätsmonitoring mit Landwirten,<ref>[http://www.biodiversitaetsmonitoring.at/index.php/de/ Biodiversitätsmonitoring mit LandwirtInnen]</ref> die Meldeplattform von Amphibien und Reptilien<ref>[http://www.herpetofauna.at/ Meldeplattform von Amphibien und Reptilien]</ref> und das Sparkling Science Projekt „Viel-Falter“.<ref>[http://www.viel-falter.at/ Viel-Falter]</ref> Das Projekt Viel-Falter beschäftigt sich zudem mit der Frage, ob und wie von Schülern gesammelte Daten über das Vorkommen von Schmetterlingen als Unterstützung für ein dauerhaftes Biodiversitäts-Monitoring in Österreich herangezogen werden können. Es zeigte sich, dass die von den Schulklassen gesammelten Daten über das Vorkommen bestimmter Tagfaltergruppen - trotz fehlender Artbestimmung - wichtige Informationen über die Qualität der untersuchten Schmetterlingslebensräume liefern<ref>{{Literatur|Autor=Johannes Rüdisser, Erich Tasser, Janette Walde, Peter Huemer, Kurt Lechner|Titel=Simplified and still meaningful: assessing butterfly habitat quality in grasslands with data collected by pupils|Sammelwerk=Journal of Insect Conservation|Band=21|Nummer=4|Datum=2017-08-01|Seiten=677–688|ISSN=1366-638X|DOI=10.1007/s10841-017-0010-3|Online=https://link.springer.com/article/10.1007/s10841-017-0010-3|Abruf=2017-08-22}}</ref>. Diese erfreulichen Ergebnisse veranlasste das Team das Projekt im Rahmen der Top Citizen Science Initiative mit freiwilligen Schmetterlingsbeobachtern fortzusetzen.
Im seit März 2014 laufenden Projekt Roadkill steht die Erfassung und zukünftige Vermeidung von im Straßenverkehr getöteten [[Wirbeltiere]]n im Fokus.<ref>[http://www.citizen-science.at/projekte/roadkill/projektbeschreibung/ Projekt Roadkill]</ref> An der [[Universität für Bodenkultur Wien]] (BOKU) wird der Citizen-Science-Ansatz in der Lehre unter Beteiligung von mehreren Hundert Studierenden eingesetzt.<ref>[http://forschen-entdecken.at/Roadkill-App-Boku-Wien-Florian-Heigl-Interview-Citizen-Science.16210+M54a708de802.0.html Roadkill-App]</ref>
Im seit März 2014 laufenden Projekt Roadkill steht die Erfassung und zukünftige Vermeidung von im Straßenverkehr getöteten [[Wirbeltiere]]n im Fokus.<ref>[http://www.citizen-science.at/projekte/roadkill/projektbeschreibung/ Projekt Roadkill]</ref> An der [[Universität für Bodenkultur Wien]] (BOKU) wird der Citizen-Science-Ansatz in der Lehre unter Beteiligung von mehreren Hundert Studierenden eingesetzt.<ref>[http://forschen-entdecken.at/Roadkill-App-Boku-Wien-Florian-Heigl-Interview-Citizen-Science.16210+M54a708de802.0.html Roadkill-App]</ref>



Version vom 22. August 2017, 10:22 Uhr

Mit Citizen Science (Bürgerwissenschaft) wird im angelsächsischen Sprachraum eine Form der Offenen Wissenschaft bezeichnet, bei der Projekte unter Mithilfe oder komplett von interessierten Laien durchgeführt werden. Sie melden Beobachtungen, führen Messungen durch oder werten Daten aus.

Definition

Der Begriff Citizen Science (CS) kennt mehrere Ursprünge und unterschiedliche Konzepte.[1] Rick Bonney in den USA und Alan Irwin im Vereinigten Königreich definierten ihn Mitte der Neunziger-Jahre unabhängig voneinander.[1][2][3] Alan Irwin definiert CS im Bezug auf “seine Entwicklung von Konzepten wissenschaftlicher Bürgerschaft, welche die Notwendigkeit hervorheben, die Wissenschaften und Wissenschaftspolitik für die Gesellschaft zu öffnen”.[1] Rick Bonney definiert CS mit Bezug auf “gesellschaftliche Beteiligungs- und Wissenschaftkommunikationsprojekte”.[1]

Die Begriffe Citizen Science und Citizen Scientists fanden im Juni 2014 Eingang in das Oxford English Dictionary.[4] Citizen Science ist hier definiert als “wissenschaftliche Arbeit, die von Mitgliedern der allgemeinen Öffentlichkeit vorgenommen wird, oft in Zusammenarbeit mit oder unter der Führung von professionellen Wissenschaftlern oder wissenschaftlichen Institutionen.”[5] Der Citizen Scientist wird, im modernen Sinne, definiert als “Wissenschaftler, dessen Arbeit durch ein Verantwortungsgefühl, dem Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit zu dienen, charakterisiert ist” oder als “ein Mitglied der Gesellschaft, das an wissenschaftlicher Arbeit teilnimmt, oft in Zusammenarbeit oder unter der Führung von professionellen Wissenschaftlern oder wissenschaftlichen Institutionen”.[5]

Bevor der Begriff im Oxford English Dictionary aufgenommen wurde, wurde das “Green Paper on Citizen Science: Citizen Science for Europe” veröffentlicht. In diesem wird der Begriff Citizen Science definiert als “aktive Beteiligung der Bevölkerung in wissenschaftlicher Forschung in Form von intellektueller Mitarbeit, Beisteuerung von lokalem Wissen oder Bereitstellung von ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und Ressourcen. Teilnehmende stellen Daten und Einrichtungen professionellen Wissenschaftlern zur Verfügung, stellen neue Fragen und gestalten eine neue wissenschaftliche Kultur mit. Während dieses Prozesses erwerben die Citizen Scientists in einer anregenden Art und Weise neues Wissen oder Fähigkeiten oder ein tieferes Verständnis wissenschaftlicher Arbeit. Als Resultat dieses offenen, vernetzten und transdisziplinären Szenarios werden Interaktionen zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik verbessert. Sie führen zu einer demokratischeren Forschung, basierend auf dem fundiertem Wissen darüber wie wissenschaftliche Forschung entweder zur Gänze oder teilweise durch Partizipation mit nichtprofessionellen Forschenden durchgeführt wird.”[6]

Citizen Science kann von freiwilligen Einzelpersonen, Gruppen oder Netzwerken durchgeführt werden. Citizen Scientists arbeiten meist mit professionellen Wissenschaftern zusammen um gemeinsame Ziele zu erreichen. Große Freiwilligennetzwerke ermöglichen es Wissenschaftern Aufgaben zu erledigen, die mit herkömmlichen Methoden zu teuer oder zu zeitaufwändig wären. Viele Citizen Science Projekte verfolgen Bildungsziele.[7][8][9] Diese Projekte wurden für einen formellen Rahmen im Klassenzimmer oder im informellen Rahmen wie zum Beispiel in einem Museum gestaltet. Citizen Science hat sich in den letzten 40 Jahren weiterentwickelt. Derzeitige Projekte konzentrieren sich mehr auf wissenschaftlich fundierte Methoden und messbare Ziele der öffentlichen Bildung.[10] Moderne Citizen Science unterscheidet sich von Citizen Science, wie sie früher durchgeführt wurde, vor allem durch die unterschiedlichen Möglichkeiten der öffentlichen Beteiligung; vor allem der technologische Fortschritt wird für den derzeitigen Boom an Citizen Science Aktivitäten verantwortlich gemacht.[11]

Alternative Definitionen

Andere Definitionen für Citizen Science wurden ebenfalls vorgeschlagen. Bruce Lewenstein des Communicationand S&TS Departments der Cornell University beschreibt drei mögliche Definitionen:[12] Die Beteiligung von Nichtwissenschaftlern in der Datensammlung nach einem spezifischen, wissenschaftlichen Protokoll einerseits und andererseits in der Analyse und Interpretation der Daten.[12] Das Engagement von Nichtwissenschaftlern in der Entscheidungsfindung bei politischen Prozessen, die technische oder wissenschaftliche Bestandteile haben.[12] Das Engagement von Wissenschaftlern in demokratischen und politischen Prozessen.[12] Wissenschaftler und Gelehrte, die andere Definitionen gebrauchten, waren unter anderem Frank von Hippel, Stephen Schneider, Neal Lane und Jon Beckwith.[13][14][15] Andere alternative Terminologien wären “Bürgerwissenschaft” oder “BürgerwissenschafterInnen”.[16]

In weiterer Folge bietet Muki Haklay eine Übersicht der Formen von bürgerlicher Beteiligung in Citizen Science an. Diese reichen von “Crowdsourcing” (Level 1), bei dem Bürger als Sensoren dienen, über “verteilte Intelligenz” (Level 2), bei der Bürger zur Mustererkennung eingesetzt werden, zu “Beteiligungswissenschaft” (Level 3), bei der sich Bürger bei der Definition der Fragestellung und der Datensammlung beteiligen, bis hin zu “Extremer Citizen Science”, welche die Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Wissenschaftlern in der Definition der Fragestellung, Datensammlung und Datenanalyse umfasst.[17] Ein 2014 in Mashable erschienener Artikel definiert Citizen Scientists als: “Alle, die freiwillig Zeit und Ressourcen für wissenschaftliche Forschung in Partnerschaft mit professionellen WissenschaftlerInnen aufwenden.”[18]

Verwandte Bereiche

Manche Projekte, wie SETI@home, verwenden das Internet um den Vorteil verteilter Systeme zu nutzen. Diese Projekte sind generell passiv. Die Rechenleistung wird von freiwillig zur Verfügung gestellten Computern geleistet und benötigt wenig Mitwirkung, bis auf die einmalige Einrichtung. Hier bestehen Differenzen, in wiefern solche Projekte als Citizen Science zu bezeichnen sind. Der Astrophysiker und Galaxy Zoo Gründer Kevin Schawinski meint dazu: "Wir bevorzugen [Galaxy Zoo] als Citizen Science zu bezeichnen, weil es eine bessere Beschreibung dessen ist, was man macht; man ist ein normaler Bürger, aber man betreibt Wissenschaft. Crowd sourcing klingt ein bisschen wie, man ist nur ein Teil einer Crowd und das ist man nicht, man ist ein Mitarbeiter. Man ist durch die Teilnahme proaktiv in den Wissenschaftsprozess eingebunden."[19] Verglichen mit SETI@home, "arbeiten Freiwillige in Galaxy Zoo wirklich. Sie lassen nicht nur passiv etwas auf ihrem Computer laufen und hoffen, dass sie der erste Mensch sind, der einen Alien findet."[20]

Grenzen von Citizen Science

In einem 2008 vom U.S. National Park Service publizierten Forschungsbericht, äußern Brett Amy Thelen und Rachel K. Thiet folgende Bedenken, die zuvor bereits in der Literatur zur Aussagekraft von durch Freiwillige gesammelte Daten erwähnt wurden:[21]

Bestimmte Projekte sind vielleicht nicht für Freiwillige geeignet, zum Beispiel wenn komplexe Forschungsmethoden verwendet werden oder mühselige oder sich wiederholende Arbeiten erforderlich sind.[21]

Wenn Freiwillige nicht in Forschungs- und Monitoringprotokollen unterrichtet sind, laufen sie Gefahr, die Daten zu verzerren.[21] Freiwillige können Daten verfälschen. Diese Risiko ist besonders groß, wenn Prämien als Anreiz zur Beteiligung ausgesetzt werden.[21] Besonders die Frage der Genauigkeit der Daten bleibt unbeantwortet. Der Gründer des Lost Ladybug Citizen Science Projekts, John Losey, argumentiert, dass die Kosteneffektivität von Citizen Science Daten die Qualitätsbedenken aufwiegen, wenn letztere ordentlich gehandhabt werden.[22] Graber & Graber stellten die medizinische Ethik von Crowdsourcing im Internet im Journal of Medical Ethics.[23] in Frage. Sie haben die Auswirkungen von Spielen im Crowdsourcing Projekt Foldit analysiert. Sie folgern: “Spiele können mögliche negative Effekte haben und den Benutzer zur Beteiligung manipulieren.” Im März 2015 verabschiedete der US-Bundesstaat Wyoming neue Gesetze (Senate Files 12 und 80), die das Sammeln von Umweltdaten im Namen der US-Regierung strafbar machen.

Geschichte

Gespräch von Tim Pritlove mit Wissenschaftstheoretiker Peter Finke über Citizen Science.[24]

Bis zur Spezialisierung der Wissenschaften Ende des 18. Jahrhunderts, dem Aufkommen von technischen Universitäten und der Ausbildung eines modernen Wissenschaftsbetriebs war die Citizen Science sogar die Regel, von Francis Bacon über Isaac Newton und Leibniz bis Benjamin Franklin, Charles Darwin und Karl Marx. Im 19. Jahrhundert entstanden bürgerschaftlich getragene wissenschaftliche Vereine z. B. zur Naturkunde. Die eigenständigen Forschungsverbünde konnten selbstbestimmten Forschungsprogrammen folgen und eine andere Art von Wissen fördern als das an Universitäten gelehrte. Sie boten aber auch eine intellektuelle und institutionelle Basis für die Gründung neuer Universitäten wie z. B. die Universität Frankfurt. Aus sozialistischen Bewegungen gingen z. B. Arbeiterbildungsvereine hervor, die eigene Wege der Forschung insbesondere zu den Bereichen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik entwickelten und die ihrerseits neue Forschungsfelder für Universitäten z. B. Soziologie eröffneten.

Im 20. Jahrhundert wurde Citizen Science vor allem im Bereich der Geisteswissenschaften betrieben, deren Forschungen weniger von aufwändigen und teuren technischen Apparaturen abhängig sind als die naturwissenschaftliche Forschung. Angesichts von technischen und sozialen Veränderungen durch die Industrialisierung wurden von interessierten Bürgern, die sich z. B. in Initiativen organisierten (Neue Soziale Bewegungen), gesellschaftlich relevante Fragen in Bereichen wie Umweltverschmutzung und Naturschutz oder zur Lokalgeschichte und Alltagskultur aufgeworfen, denen sich dann u.a. bürgerschaftlich getragene Geschichtsvereine und -werkstätten zuwandten.

Im Zuge der kommunikativen Vernetzung durch das Internet, der Zunahme an sozialen Netzwerken, einem Pervasive computing und der Entwicklung und Verbreitung von Mikroelektronik wird die Ausübung einer Bürgerwissenschaft immer einfacher: Je mobiler und kleiner die technischen Geräte werden (IR-Spektrometer, Mikroskope, Tomographen, schnell verfügbare Karten und Luftbilder etc.), desto einfacher handhabbar sind sie für den Bürger.

Verfechter einer Citizen Science bzw. „Demokratisierung von Wissenschaft“ waren Paul Feyerabend sowie Erwin Chargaff,[25] der die finanzstarke, von staatlichen Zuwendungen abhängige technokratisch-bürokratische Wissenschaft seit 1950 kritisierte und wieder für eine „Amateur-Wissenschaft“ plädierte, also eine Wissenschaft, ausgeübt nicht von Universitäten und Experten, sondern von bürgerlichen „Amateuren“, die im Wortsinne die Forschung „liebend“ bzw. aus persönlicher Neigung heraus betreiben.

Ob die Bürgerwissenschaft allerdings eine gangbare Alternative darstellt, die für mehr Transparenz und demokratische Steuerung in den Wissenschaften sorgen kann, wird sehr kontrovers diskutiert.[26][27]

„Dass die Bürgerforscher neue epistemische Standards setzen, war, obgleich Peter Finkes [propagierte] "citizen scientists" seit der Aufklärung längst hilfreich mitwirken im wissenschaftlichen Routinebetrieb, weder für Thomas S. Kuhn vorstellbar noch für Karl Popper oder den wissenschaftlichen Demokraten schlechthin, Ludwik Fleck. Es wäre wohl auch ein Rückschritt in die Zeiten, als die Wissenschaft gezwungen war, ihre Autorität und Erfolge gegen Pseudowissenschaften aller Art zu verteidigen.“

Joachim Müller-Jung[26]

Im weiteren Sinn ist auch die Autorenschaft in der Wikipedia häufig eine Form von Citizen Science, denn Sachartikel zu wissenschaftlichen Themen werden nicht selten von fachfremden Autoren geschrieben. Allerdings entfällt bei Wikipedia der Forschungsaspekt der Bürgerwissenschaft, da sie als Enzyklopädie nur gesichertes Wissen darstellt.[28]

Österreich

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts werden mit Hilfe der Bevölkerung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik phänologische Beobachtungen durchgeführt.[29] Eine jahrzehntelange Tradition in der Einbindung von Bürgern findet sich auch in der Ornithologie, woraus zum Beispiel der österreichische Brutvogelatlas entstanden ist.[30] Seit ungefähr 10 Jahren können auf der Plattform naturbeobachtung.at Daten zur Artenvielfalt in Österreich eingetragen werden.[31]

Im Jahr 2014 wurde die erste österreichische Citizen Science Online-Plattform „Österreich forscht“ von der Arbeitsgruppe Citizen Science an der Universität für Bodenkultur Wien gegründet.[32] Diese hat zur Aufgabe einen Überblick über Citizen Science Projekte in Österreich zu geben, die österreichischen Akteure zu vernetzen und die jährliche Österreichische Citizen Science Konferenz auszutragen. Ebenfalls seit dem Jahr 2014 ist das Thema Citizen Science auch bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie für Deutschland, Österreich und Schweiz fest verankert. Im ersten Jahr fand ein Workshop zu Citizen Science statt und seit 2015 gibt es auch eine spezielle Session zu Citizen Science in der Ökologie, bei der Themen wie Datenqualität, Biodiversitätsmonitoring und Wissenschaftskommunikation präsentiert und diskutiert wurden. Im Juni 2015 wurde vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) das Zentrum für Citizen Science bei der OeAD-GmbH eingerichtet.[33] Das Zentrum ist eine Service- und Informationsstelle für Citizen Science, Open Innovation und Responsible Science, dessen Aufgabe es ist, Forschende sowie Bürgerinnen und Bürger über Projekte, Tools, News und Veranstaltungen zu informieren, zu beraten und zu vernetzen. Des Weiteren ist das Zentrum Programmträger für die Förderinitiative Top Citizen Science [34], die vom BMWFW, Wissenschaftsfonds FWF und OeAD initiiert wurde, und vergibt seit 2015 zusammen mit österreichischen Citizen Science-Projekten jährlich Citizen Science Awards [35] an engagierte Bürgerinnen und Bürger.

Seit dem Sommersemester 2016 wird an der Universität für Bodenkultur Wien eine Lehrveranstaltung zu Citizen Science in der Ökologie angeboten.[36] Hier sollen Studierende lernen wie ein Citizen Science Projekt gestaltet wird, dessen Ergebnisse in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht werden können. Eine Liste mit weiteren Lehrveranstaltungen mit dem Thema Citizen Science in Österreich findet sich auf der Plattform „Österreich forscht“.[37]

Beispiele

Die meisten der bekannten Projekte entfallen zwar auf die Citizen Science light Variante, aber nicht bei allen beschränkt sich die Mitarbeit von Laien nur auf Datensammlerei, sondern mittels verteilter Berechnungen können Laien z. B. im Rahmen von Einstein@home an der Entdeckung von Pulsaren mitwirken.[38] Im Online-Spiel „Foldit[39] beispielsweise können Laien selbst Protein-Faltungsstrukturen designen und gar stabilere Formen (z. B. von Fibronectin) finden, die dann wiederum in kostenintensiven Labors an den Universitäten synthetisiert werden können (Hand, 2010).

Vereinigte Staaten

Das seit längstem stattfindende Projekt ist das Vogelzähl-Projekt der National Audubon Society, Christmas Bird Count, das im Jahre 1900 begann. Andere bekannte Beispiele sind das Projekt „World Water Monitoring Day“,[40] NASAs Stardust@home und Clickworkers und das Galaxy Zoo project, eine Vielzahl von Projekten des Cornell Laboratory of Ornithology,[41] wie zum Beispiel Ebird, NestWatch,[42] Project FeederWatch[43] und Celebrate Urban Birds.[44] Beim Old Weather Project helfen Laien bei der Transkription von Klimadaten aus US-Schiffslogbüchern ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Mit Hilfe dieser Daten sollen bessere Klimamodelle erstellt werden.[45]

Eine wichtige Rolle spielt Citizen Science bei der Entdeckung und Überwachung von biologischen Invasionen. Nicht nur werden eingeschleppte Arten meist von Bürgerinnen und Bürgern entdeckt, oft helfen sie auch bei deren Monitoring. Da invasive Arten sich schnell über große Gebiete ausbreiten können, ist eine Überwachung dieser Ausbreitung nur mit Hilfe von Ansässigen möglich. Einerseits kann die Untersuchung auf diese Weise kosteneffizient durchgeführt werden (dies ist auch ein großer Kritikpunkt an Citizen Science; Aufgaben, die von Behörden durchgeführt werden sollten, werden von Bürgern kostenlos gemacht), andererseits fließen auch die Kenntnisse von Ortskundigen ein, die ihre Umwelt genau kennen und so bessere Daten liefern. Ein gut dokumentiertes Beispiel hierfür wäre ein Monitoring zweier eingeschleppter Krabbenarten an der Ostküste der Vereinigten Staaten.[46]

Deutschland

Beispiele aus Deutschland sind die naturgucker.de oder der Mückenatlas. Ein weiteres ist das seit 2005 durchgeführte Projekt „Tagfalter-Monitoring Deutschland“[47] mit etwa 500 Beteiligten. Ein Beispiel für ein lokal fokussiertes Citizen Science-Projekt sind die „StadtteilHistoriker“ in Frankfurt am Main mit 120 Teilnehmern seit 2007.[48] Ein Überblick darüber hinaus in Deutschland laufender Projekte findet sich auf der Plattform „Bürger schaffen Wissen“.[49] Am 1. August 2016 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein Programm zur Förderung von bürgerwissenschaftlichen Vorhaben aufgelegt.[50]

Österreich

Beispiele aus Österreich sind „naturbeobachtung.at“,[51] Stunde der Wintervögel,[52] das Biodiversitätsmonitoring mit Landwirten,[53] die Meldeplattform von Amphibien und Reptilien[54] und das Sparkling Science Projekt „Viel-Falter“.[55] Das Projekt Viel-Falter beschäftigt sich zudem mit der Frage, ob und wie von Schülern gesammelte Daten über das Vorkommen von Schmetterlingen als Unterstützung für ein dauerhaftes Biodiversitäts-Monitoring in Österreich herangezogen werden können. Es zeigte sich, dass die von den Schulklassen gesammelten Daten über das Vorkommen bestimmter Tagfaltergruppen - trotz fehlender Artbestimmung - wichtige Informationen über die Qualität der untersuchten Schmetterlingslebensräume liefern[56]. Diese erfreulichen Ergebnisse veranlasste das Team das Projekt im Rahmen der Top Citizen Science Initiative mit freiwilligen Schmetterlingsbeobachtern fortzusetzen. Im seit März 2014 laufenden Projekt Roadkill steht die Erfassung und zukünftige Vermeidung von im Straßenverkehr getöteten Wirbeltieren im Fokus.[57] An der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) wird der Citizen-Science-Ansatz in der Lehre unter Beteiligung von mehreren Hundert Studierenden eingesetzt.[58]

Auch sozial- und geisteswissenschaftliche Projekte sind in Österreich vertreten wie die Top Citizen Science-Projekte „Der Partizipationsradar“[59] und „Unsere vertriebenen Nachbarn“[60]. Ersteres sammelt politische Mitgestaltungsangebote (z. B. Petitionen oder öffentliche Versammlungen), um eine umfassende Bestandsaufnahme der Partizipationsangebote in Österreich, online wie offline, zu erstellen. Zweiteres erforscht das Leben und Schicksal der jüdischen Bevölkerung Niederösterreichs vor, während und nach der NS-Zeit.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Citizen science – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d H.Riesch, C. Potter: Citizen science as seen by scientists: Methodological, epistemological and ethical dimensions. In: Public Understanding of Science. Band 23, Nr. 1, 2014, S. 107–120, doi:10.1177/0963662513497324.
  2. Alan irwin: Citizen Science: A Study of People, Expertise and Sustainable Development. In: Science, Technology, & Human Values. Band 22, Nr. 4, 1997, S. 525–527.
  3. R.Bonney, H. Ballard, R. Jordan, E. McCallie, T. Phillips, J. Shirk, C.C. Wilderman: Bonney et al. 2009 CAISE Report on Public Participation in Scientific Research. A CAISE Inquiry Group Report. In: Washington, D.C.: Center for Advancement of Informal Science Education (CAISE). 2009.
  4. Oxford English Dictionary List of New Words. Oxford English Dictionary, abgerufen am 13. September 2014.
  5. a b Oxford English Dictionary. Oxford English Dictionary, abgerufen am 13. September 2014.
  6. Socientize Project (2013-12-01): Green Paper on Citizen Science: Citizen Science for Europe - Towards a better society of empowered citizens and enhanced research. Socientize consortium, 2013 (socientize.eu [PDF]).
  7. D. A. Osborn: California and the World Ocean 02. Band 175, 2002, ISBN 0-7844-0761-4, Monitoring Rocky Intertidal Shorelines: A Role for the Public in Resource Management, S. 57, doi:10.1061/40761(175)57.
  8. D. Brossard, B. Lewenstein, R. Bonney: Scientific knowledge and attitude change: The impact of a citizen science project. In: International Journal of Science Education. 27. Jahrgang, Nr. 9, 2005, S. 1099, doi:10.1080/09500690500069483, bibcode:2005IJSEd..27.1099B.
  9. M. W. Bauer, K. Petkova, P. Boyadjieva: Public Knowledge of and Attitudes to Science: Alternative Measures That May End the "Science War". In: Science, Technology & Human Values. 25. Jahrgang, 2000, S. 30, doi:10.1177/016224390002500102.
  10. R. Bonney, C. B. Cooper, J. Dickinson, S. Kelling, T. Phillips, K. V. Rosenberg, J. Shirk: Citizen Science: A Developing Tool for Expanding Science Knowledge and Scientific Literacy. In: BioScience. 59. Jahrgang, Nr. 11, 2009, S. 977, doi:10.1525/bio.2009.59.11.9.
  11. J. Silvertown: A new dawn for citizen science. In: Trends in Ecology & Evolution. 24. Jahrgang, Nr. 9, 2009, S. 467–201, doi:10.1016/j.tree.2009.03.017.
  12. a b c d B. Lewenstein: What does citizen science accomplish? Cornell University, 8. Juni 2004, abgerufen am 16. September 2014.
  13. Von Hippel, Frank: Citizen scientist. American Institute of Physics, New York 1991, ISBN 0-88318-709-4.
  14. Beckwith, Jonathan R.: Making genes, making waves: a social activist in science. Harvard University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-674-00928-2.
  15. Neal Lane, "Remarks" at Panel Discussion on Future of Federal Funding for Science and Engineering, Rutgers University, April 8, 1996. Steve Schneider remarks at AAAS meeting, February 1997; see here [1].
  16. F. Clark, D. L. Illman: Dimensions of Civic Science: Introductory Essay. In: Science Communication. 23. Jahrgang, 2001, S. 5, doi:10.1177/1075547001023001002.
  17. Haklay, Muki (2012) in Citizen Science and Volunteered Geographic Information: Overview and Typology of Participation. Crowdsourcing Geographic Knowledge. 2013, pp 105-122.
  18. Eric Larson: What Is Citizen Science, and How Can You Get Involved? In: Mashable. 26. Mai 2014;.
  19. A. Williams: Crowdsourcing versus citizen science. Anthony D. Williams, 9. Februar 2009, abgerufen am 15. September 2014.
  20. dfgdgdf
  21. a b c d Thelen, Brett Amy; and Thiet, Rachel K.: Cultivating connection: Incorporating meaningful citizen science into Cape Cod National Seashore's estuarine research and monitoring programs. In: ParkScience (Hrsg.): Park Science. Band 25, Nr. 1, 2008, ISSN 1090-9966 (nps.gov [abgerufen am 11. Oktober 2012]).
  22. M.M. Gardiner, L.L Allee, P.M.J. Brown, J.E. Losey, H.E. Roy, R. Rice Smyth: Lessons from lady beetles: accuracy of monitoring data from US and UK citizen-science programs. In: Frontiers in Ecology and the Environment. 10. Jahrgang, November 2012, doi:10.1890/110185.
  23. M.A. Graber and A. Graber: Internet-based crowdsourcing and research ethics:the case for IRB review. In: The Journal of Medical Ethics. 30. November 2012, doi:10.1136/medethics-2012-100798.
  24. Podcast Forschergeist des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft: Citizen Science (Folge 2, 17. November 2014)
  25. Erwin Chargaff: Ernste Fragen.
  26. a b Joachim Müller-Jung: Avanti Dilettanti? Forschung von Laien für Laien: Nach der Rede von Akademiepräsident Günter Stock wird heftig über die sogenannte „Bürgerwissenschaft“ debattiert. In: FAZ. 3. September 2014.
  27. Demokratisierung der Wissenschaft: Pluralismus ist nicht erwünscht. In: TAZ. 4. Juli 2014.
  28. Wikipedia:Was Wikipedia nicht ist
  29. phenowatch.at
  30. birdlife.at
  31. naturbeobachtung.at
  32. citizen-science.at
  33. Zentrum für Citizen Science. Abgerufen am 5. September 2016.
  34. Top Citizen Science. Abgerufen am 5. September 2016.
  35. Citizen Science Award. Abgerufen am 5. September 2016.
  36. boku.ac.at/lehrveranstaltungen
  37. citizen-science.at/in-der-lehre
  38. Einstein@Home
  39. Foldit
  40. World Water Monitoring Day
  41. Cornell Laboratory of Ornithology Projects
  42. NestWatch
  43. Project FeederWatch
  44. Celebrate Urban Birds
  45. Old Weather Project
  46. biology.mcgill.ca
  47. Tagfalter Monitoring
  48. StadtteilHistoriker
  49. Projektübersicht bei "Bürger schaffen Wissen"
  50. Richtlinie zur Förderung von bürgerwissenschaftlichen Vorhaben (Citizen Science). In: Bundesanzeiger. BMBF, 1. August 2016, abgerufen am 3. August 2016.
  51. naturbeobachtung.at
  52. Stunde der Wintervögel
  53. Biodiversitätsmonitoring mit LandwirtInnen
  54. Meldeplattform von Amphibien und Reptilien
  55. Viel-Falter
  56. Johannes Rüdisser, Erich Tasser, Janette Walde, Peter Huemer, Kurt Lechner: Simplified and still meaningful: assessing butterfly habitat quality in grasslands with data collected by pupils. In: Journal of Insect Conservation. Band 21, Nr. 4, 1. August 2017, ISSN 1366-638X, S. 677–688, doi:10.1007/s10841-017-0010-3 (springer.com [abgerufen am 22. August 2017]).
  57. Projekt Roadkill
  58. Roadkill-App
  59. Der Partizipationsradar. Abgerufen am 5. September 2016.
  60. Unsere vertriebenen Nachbarn. Abgerufen am 5. September 2016.
  61. Citizen Science: People power: Nature News