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„Informationeller Kapitalismus“ – Versionsunterschied

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Die Produktionsweise im Kapitalismus hat sich seit den 1970er Jahren durch die Entwicklung der neuen Informationstechnologien verändert. Mit dem Begriff des informationellen Kapitalismus möchte Castells zum einen die Rolle der Informationen in der Gesellschaft betonen. Vor allem möchte er aber darauf aufmerksam machen, dass unter den neuen technologischen Bedingungen der Umgang mit Informationen und deren Verbreitung grundlegend sind. Der Kapitalismus ist informationell, da die Produktivität dieser Wirtschaftsform von der Produktion, Verarbeitung und Anwendung von Informationen abhängt.
Die Produktionsweise im Kapitalismus hat sich seit den 1970er Jahren durch die Entwicklung der neuen Informationstechnologien verändert. Mit dem Begriff des informationellen Kapitalismus möchte Castells zum einen die Rolle der Informationen in der Gesellschaft betonen. Vor allem möchte er aber darauf aufmerksam machen, dass unter den neuen technologischen Bedingungen der Umgang mit Informationen und deren Verbreitung grundlegend sind. Der Kapitalismus ist informationell, da die Produktivität dieser Wirtschaftsform von der Produktion, Verarbeitung und Anwendung von Informationen abhängt.


Castells erwähnt den informationellen Kapitalismus im Kontext seiner Gesellschaftsanalyse der Netzwerkgesellschaft auch in Verbindung mit Globalität und Vernetzung. Sie sind bei Castells nicht unabhängig voneinander zu sehen, weshalb er die Begriffe informationeller und globaler Kapitalismus beide zur Beschreibung der neuen Wirtschaftsform nutzt. Sie ist nicht an geographische oder staatliche Grenzen und Märkte geknüpft. Ihre [[Akteur]]e sind überwiegend globale Unternehmen und Unternehmensnetzwerke.<ref>Manuel Castells: „Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter“ („Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur“ Band 1, 2. Auflage) VS Verlag, Wiesbaden 2001, 2017, 978-3-658-11322-3, S. 89</ref><ref name="zeit.de">{{Literatur |Autor=Ludger Heidbrink |Titel=Netzwerke: Wie die Information uns verwirrt |Sammelwerk=Die Zeit |Ort=Hamburg |Datum=2003-04-30 |ISSN=0044-2070 |Online=http://www.zeit.de/2003/19/ST-Castells |Abruf=2018-01-31}}</ref>
Castells erwähnt den informationellen Kapitalismus im Kontext seiner Gesellschaftsanalyse der Netzwerkgesellschaft auch in Verbindung mit Globalität und Vernetzung. Sie sind bei Castells nicht unabhängig voneinander zu sehen, weshalb er die Begriffe informationeller und globaler Kapitalismus beide zur Beschreibung der neuen Wirtschaftsform nutzt. Sie ist nicht an geographische oder staatliche Grenzen und Märkte geknüpft. Ihre [[Akteur]]e sind überwiegend globale Unternehmen und Unternehmensnetzwerke.<ref>Manuel Castells: ''Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter.'' (= ''Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur.'' Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11322-3, S. 89.</ref><ref name="zeit.de">{{Literatur |Autor=Ludger Heidbrink |Titel=Netzwerke: Wie die Information uns verwirrt |Sammelwerk=Die Zeit |Ort=Hamburg |Datum=2003-04-30 |ISSN=0044-2070 |Online=http://www.zeit.de/2003/19/ST-Castells |Abruf=2018-01-31}}</ref>


== Kontexteinordnung ==
== Kontexteinordnung ==
Der informationelle Kapitalismus lässt sich in [[Manuel Castells]] [[Soziologische Zeitdiagnose|Gegenwartsdiagnose]] der [[Netzwerkgesellschaft]] zuordnen. Er zeigt in seinen Arbeiten zur Netzwerkgesellschaft drei große gesellschaftliche Entwicklungen der [[Informatisierung]] auf. Erstens geht Castells davon aus, dass es seit den 1970er Jahren eine informationstechnologische Revolution gab, die in den [[Vereinigte Staaten|USA]] begann und sich global verbreitet hat. Zentral für diese [[Revolution]] ist die Entwicklung der [[Informations- und Kommunikationstechnologie]]n (IuK). Sie führte dazu, dass sich ein neues technologisches [[Paradigma]] durchgesetzt hat und sich die vorherrschende [[Sozialstruktur]] als Netzwerkgesellschaft beschreiben lässt. Zweitens spricht Castells die Krise des Kapitalismus um 1970 und seine Restrukturierung an. Der Kapitalismus habe sich nicht aufgelöst, sondern neu strukturiert. Auf der Basis von neuen IuK-Technologien hat sich eine informationelle kapitalistische Produktionsweise entwickelt. Der informationelle Kapitalismus ist das Resultat dieser Veränderung des Kapitalismus und wird von Castells zur Beschreibung dieser neu entwickelten Wirtschaftsform verwendet. Drittens redet Castells von Veränderungen sozialer und kultureller Art, die zu einer neuen Kultur – einer realen Virtualität – führten.<ref>Nina Degele: „Heteronormativitätskritik light: Manuel Castells’ Beitrag zu einer geschlechtertheoretisch informierten Gesellschaftstheorie. In: Kahlert H., Weinbach C. (Hrsg.) Zeitgenössische Gesellschaftstheorien und Genderforschung. Gesellschaftstheorien und Gender. Springer VS, Wiesbaden 2015, 978-3-531-19936-8, S. 41f.</ref><ref>Jochen Steinbicker: „Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells“ (2. Auflage) VS Verlag, Wiesbaden 2011, 978-3-531-18054-0, S. 79–82</ref>
Der informationelle Kapitalismus lässt sich in [[Manuel Castells]] [[Soziologische Zeitdiagnose|Gegenwartsdiagnose]] der [[Netzwerkgesellschaft]] zuordnen. Er zeigt in seinen Arbeiten zur Netzwerkgesellschaft drei große gesellschaftliche Entwicklungen der [[Informatisierung]] auf. Erstens geht Castells davon aus, dass es seit den 1970er Jahren eine informationstechnologische Revolution gab, die in den [[Vereinigte Staaten|USA]] begann und sich global verbreitet hat. Zentral für diese [[Revolution]] ist die Entwicklung der [[Informations- und Kommunikationstechnologie]]n (IuK). Sie führte dazu, dass sich ein neues technologisches [[Paradigma]] durchgesetzt hat und sich die vorherrschende [[Sozialstruktur]] als Netzwerkgesellschaft beschreiben lässt. Zweitens spricht Castells die Krise des Kapitalismus um 1970 und seine Restrukturierung an. Der Kapitalismus habe sich nicht aufgelöst, sondern neu strukturiert. Auf der Basis von neuen IuK-Technologien hat sich eine informationelle kapitalistische Produktionsweise entwickelt. Der informationelle Kapitalismus ist das Resultat dieser Veränderung des Kapitalismus und wird von Castells zur Beschreibung dieser neu entwickelten Wirtschaftsform verwendet. Drittens redet Castells von Veränderungen sozialer und kultureller Art, die zu einer neuen Kultur – einer realen Virtualität – führten.<ref>Nina Degele: ''Heteronormativitätskritik light: Manuel Castells’ Beitrag zu einer geschlechtertheoretisch informierten Gesellschaftstheorie.'' In: H. Kahlert, C. Weinbach (Hrsg.): ''Zeitgenössische Gesellschaftstheorien und Genderforschung. Gesellschaftstheorien und Gender.'' Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-531-19936-8, S. 41f.</ref><ref>Jochen Steinbicker: ''Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells.'' 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18054-0, S. 79–82.</ref>


Die wichtigste Entwicklung, die zum informationellen Kapitalismus führte, ist der veränderte Umgang mit Informationen und Wissen. Wissen und Informationen waren schon in früheren Revolutionen von Bedeutung und erlangten nicht erst in der informationstechnologischen Revolution an Wert.<ref>Manuel Castells: „Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter“ („Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur“ Band 1, 2. Auflage) VS Verlag, Wiesbaden 2001, 2017, 978-3-658-11322-3, S. 36</ref> Was sich verändert hat, ist, dass sie die [[Produktivkräfte]] dieser neuen Wirtschaftsform darstellen.<ref name="zeit.de"/> Die wichtigsten Quellen sind dabei die Wissensproduktion, die Informationsverarbeitung und die [[symbolische Kommunikation]]. Wissen, Kommunikation und Informationsverarbeitung spielen also eine große Rolle im informationellen Kapitalismus. Er beruht nicht mehr auf Industrie und der Produktion von materiellen Gütern, sondern auf Informationen und Wissen.<ref>Jochen Steinbicker: „Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells“ (2. Auflage) VS Verlag, Wiesbaden 2011, 978-3-531-18054-0, S. 83</ref>
Die wichtigste Entwicklung, die zum informationellen Kapitalismus führte, ist der veränderte Umgang mit Informationen und Wissen. Wissen und Informationen waren schon in früheren Revolutionen von Bedeutung und erlangten nicht erst in der informationstechnologischen Revolution an Wert.<ref>Manuel Castells: ''Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter.'' (= ''Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur.'' Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11322-3, S. 36.</ref> Was sich verändert hat, ist, dass sie die [[Produktivkräfte]] dieser neuen Wirtschaftsform darstellen.<ref name="zeit.de" /> Die wichtigsten Quellen sind dabei die Wissensproduktion, die Informationsverarbeitung und die [[symbolische Kommunikation]]. Wissen, Kommunikation und Informationsverarbeitung spielen also eine große Rolle im informationellen Kapitalismus. Er beruht nicht mehr auf Industrie und der Produktion von materiellen Gütern, sondern auf Informationen und Wissen.<ref>Jochen Steinbicker: ''Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells.'' 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18054-0, S. 83.</ref>


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== Begriffsgeschichte ==
== Begriffsgeschichte ==
Der Begriff wurde aus dem Englischen übersetzt. Der englische Begriff [[informational capitalism]] kam das erste Mal in Manuel Castells Originalwerk ''The Rise of the Network Society''<ref>Manuel Castells: „The rise of the network society. The information age“ Blackwell, &#160;Cambridge 1996, 1-55786-616-3</ref> aus dem Jahr 1996 auf.
Der Begriff wurde aus dem Englischen übersetzt. Der englische Begriff [[informational capitalism]] kam das erste Mal in Manuel Castells Originalwerk ''The Rise of the Network Society''<ref>Manuel Castells: ''The rise of the network society. The information age.'' Blackwell, Cambridge 1996, ISBN 1-55786-616-3.</ref> aus dem Jahr 1996 auf.


Im Werk ''Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft''<ref>Manuel Castells: „Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter“ („Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur“ Band 1) VS Verlag, Wiesbaden 2001, 93-8100-3223-9</ref>, dem ersten Band seiner [[Trilogie]] ''Informationszeitalter,'' nutzt Castells den Begriff des informationellen Kapitalismus zum ersten Mal. Er führt ihn ein, um die neu entstandene Wirtschaftsform zu beschreiben, die sich im Zusammenhang mit der Informatisierung entwickelt hat.<ref>Manuel Castells: „Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter“ („Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur“ Band 1, 2. Auflage) VS Verlag, Wiesbaden 2003,2017, 978-3-658-11321-6, S. 21</ref> Er selbst benutzt diesen Begriff lediglich ein Mal in diesem Band. Meist spricht er allgemeiner von einer informationellen Ökonomie. Im dritten Band ''Jahrtausendwende''<ref>Manuel Castells: „Jahrtausendwende. Das Informationszeitalter“ („Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur“ Band 3) VS Verlag, Wiesbaden 2003, 3-8100-3225-5</ref> benutzt er den Begriff informationeller Kapitalismus dann aktiver.
Im Werk ''Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft'',<ref>Manuel Castells: ''Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter.'' (= ''Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur.'' Band 1). VS Verlag, Wiesbaden 2001, ISBN 3-8100-3223-9.</ref> dem ersten Band seiner [[Trilogie]] ''Informationszeitalter,'' nutzt Castells den Begriff des informationellen Kapitalismus zum ersten Mal. Er führt ihn ein, um die neu entstandene Wirtschaftsform zu beschreiben, die sich im Zusammenhang mit der Informatisierung entwickelt hat.<ref>Manuel Castells: ''Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter.'' (= ''Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur.'' Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11321-6, S. 21.</ref> Er selbst benutzt diesen Begriff lediglich ein Mal in diesem Band. Meist spricht er allgemeiner von einer informationellen Ökonomie. Im dritten Band ''Jahrtausendwende''<ref>Manuel Castells: ''Jahrtausendwende. Das Informationszeitalter.'' (= ''Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur.'' Band 3). VS Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-8100-3225-5.</ref> benutzt er den Begriff informationeller Kapitalismus dann aktiver.


Synonym wird der Begriff beispielsweise bei [[Peter A. Berger|Berger]] und [[Heike Kahlert|Kahlert]] in einem [[Symposion (Begriffsklärung)|Symposiums]]<nowiki/>beitrag zu Castells Trilogie genutzt.<ref>Peter A. Berger/ Heike Kahlert (2004): „Alles ‚vernetzt‘? Sozialstruktur und Identität in der ‚schönen neuen Welt‘ des informationellen Kapitalismus“, in: Soziologische Revue, Jg. 27, H. 1, Januar 2004, S. 3–11</ref> 2013 wurde der Begriff im Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands aufgegriffen, um damit im Eintrag zur [[Informationsgesellschaft]] die kapitalistische Informationsgesellschaft zu beschreiben.<ref>Jochen Steinbicker: ''Informationsgesellschaft''. in: S. Mau/N.M. Schöneck (Hrsg.), ''Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands''. Wiesbaden: VS Verlag 2013, S. 408–421.</ref> Er findet Verwendung in Jürgen Steinbickers Werk zur Theorie der Informationsgesellschaft, um verschiedene theoretische Ansätze zu dem Thema zu vergleichen.<ref>Jochen Steinbicker: „Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells“ (2. Auflage) VS Verlag, Wiesbaden 2011, 978-3-531-18054-0, S. 79–109.</ref> Der informationelle Kapitalismus wurde ebenfalls von [[Rudi Schmiede]] genutzt, um mit Castells den Kern der [[Soziologische Zeitdiagnose|Gegenwartsdiagnosen]] [[Wissensgesellschaft|Wissens-]] und Informationsgesellschaft zu beschreiben.<ref>Rudi Schmiede: Informationeller Kapitalismus und Subjekt. In: Kronauer, Martin; Ranc, Julijana; Klärner, Andreas (Hrsg.): Grenzgänge: Reflexionen zu einem barbarischen Jahrhundert; für Helmut Dahmer. Humanities Online, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-934157-49-1, S. 244–254. URN: https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/25615</ref>
Synonym wird der Begriff beispielsweise bei [[Peter A. Berger|Berger]] und [[Heike Kahlert|Kahlert]] in einem [[Symposion (Begriffsklärung)|Symposiums]]<nowiki />beitrag zu Castells Trilogie genutzt.<ref>Peter A. Berger, Heike Kahlert: ''Alles ‚vernetzt‘? Sozialstruktur und Identität in der ‚schönen neuen Welt‘ des informationellen Kapitalismus.'' In: ''Soziologische Revue.'' Jg. 27, H. 1, Januar 2004, S. 3–11.</ref> 2013 wurde der Begriff im Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands aufgegriffen, um damit im Eintrag zur [[Informationsgesellschaft]] die kapitalistische Informationsgesellschaft zu beschreiben.<ref>Jochen Steinbicker: ''Informationsgesellschaft.'' In: S. Mau, N. M. Schöneck (Hrsg.): ''Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands.'' VS Verlag, Wiesbaden 2013, S. 408–421.</ref> Er findet Verwendung in Jürgen Steinbickers Werk zur Theorie der Informationsgesellschaft, um verschiedene theoretische Ansätze zu dem Thema zu vergleichen.<ref>Jochen Steinbicker: ''Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells.'' 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18054-0, S. 79–109.</ref> Der informationelle Kapitalismus wurde ebenfalls von [[Rudi Schmiede]] genutzt, um mit Castells den Kern der [[Soziologische Zeitdiagnose|Gegenwartsdiagnosen]] [[Wissensgesellschaft|Wissens-]] und Informationsgesellschaft zu beschreiben.<ref>Rudi Schmiede: ''Informationeller Kapitalismus und Subjekt.'' In: Martin Kronauer, Julijana Ranc, Andreas Klärner (Hrsg.): ''Grenzgänge: Reflexionen zu einem barbarischen Jahrhundert; für Helmut Dahmer.'' Humanities Online, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-934157-49-1, S. 244–254. URN: https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/25615</ref>


Der Begriff wird in der Literatur von den Autoren so angewendet wie Castells ihn verstanden und genutzt hat. Die Begriffe informationeller und globaler Kapitalismus werden wie bei Castells nicht immer klar voneinander abgegrenzt und auch oft gemeinsam verwendet. Ebenso wird der allgemeinere Begriff Ökonomie statt Kapitalismus genutzt.
Der Begriff wird in der Literatur von den Autoren so angewendet wie Castells ihn verstanden und genutzt hat. Die Begriffe informationeller und globaler Kapitalismus werden wie bei Castells nicht immer klar voneinander abgegrenzt und auch oft gemeinsam verwendet. Ebenso wird der allgemeinere Begriff Ökonomie statt Kapitalismus genutzt.


Anwendungsgebiete sind vor allem Arbeiten in Bezug auf die [[Netzwerkgesellschaft|Netzwerk-]] und [[Informationsgesellschaft]]. Anwendungsbeispiele sind eine Analyse des geistigen Eigentums im informationellen Kapitalismus<ref>Sabine Nuss: “Copyright & Copyriot. Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus” Verl. Westfälisches Dampfboot, Münster 2006, 3-89691-647-5</ref> und eine Analyse der Arbeit im informationellen Kapitalismus<ref>Rudi Schmiede: „Wissen und Arbeit im ‚Informational Capitalism‘“ In: Baukrowitz, Andrea; Berker, Thomas; Pfeiffer, Sabine; Schmiede, Rudi (Hrsg.): „Informatisierung der Arbeit - Gesellschaft im Umbruch“, Ed. Sigma, Berlin 2006, 3-89404-547-7, S. 457–490</ref>. Aber auch in anderen Fachgebieten, wie der [[Genderforschung]], wird der Begriff des informationellen Kapitalismus als Analyserahmen einer geschlechtertheoretisch informierten [[Gesellschaftstheorie]] genutzt.<ref>Nina Degele: „Heteronormativitätskritik light: Manuel Castells’ Beitrag zu einer geschlechtertheoretisch informierten Gesellschaftstheorie. In: Kahlert H., Weinbach C. (Hrsg.) Zeitgenössische Gesellschaftstheorien und Genderforschung. Gesellschaftstheorien und Gender. Springer VS, Wiesbaden 2015, 978-3-531-19936-8, S. 38–43</ref>
Anwendungsgebiete sind vor allem Arbeiten in Bezug auf die [[Netzwerkgesellschaft|Netzwerk-]] und [[Informationsgesellschaft]]. Anwendungsbeispiele sind eine Analyse des geistigen Eigentums im informationellen Kapitalismus.<ref>Sabine Nuss: ''Copyright & Copyriot. Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus.'' Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2006, ISBN 3-89691-647-5.</ref> und eine Analyse der Arbeit im informationellen Kapitalismus<ref>Rudi Schmiede: ''Wissen und Arbeit im ‚Informational Capitalism‘.'' In: Andrea Baukrowitz, Thomas Berker, Sabine Pfeiffer, Rudi Schmiede (Hrsg.): ''Informatisierung der Arbeit - Gesellschaft im Umbruch.'' Ed. Sigma, Berlin 2006, ISBN 3-89404-547-7, S. 457–490.</ref> Aber auch in anderen Fachgebieten, wie der [[Genderforschung]], wird der Begriff des informationellen Kapitalismus als Analyserahmen einer geschlechtertheoretisch informierten [[Gesellschaftstheorie]] genutzt.<ref>Nina Degele: ''Heteronormativitätskritik light: Manuel Castells’ Beitrag zu einer geschlechtertheoretisch informierten Gesellschaftstheorie.'' In: H. Kahlert, C. Weinbach (Hrsg.): ''Zeitgenössische Gesellschaftstheorien und Genderforschung. Gesellschaftstheorien und Gender.'' Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-531-19936-8, S. 38–43.</ref>


== Verwandte Begriffe ==
== Verwandte Begriffe ==
Im Bereich der [[Soziologische Zeitdiagnose|Gegenwartsdiagnosen]], [[Wissensgesellschaft|Wissens-]] und [[Informationsgesellschaft]] gibt es sehr viele Begriffe, die ähnliche Phänomene beschreiben und sich auch nur schwer voneinander unterscheiden lassen. Auch zum informationellen Kapitalismus gibt es einige verwandte Begriffe.
Im Bereich der [[Soziologische Zeitdiagnose|Gegenwartsdiagnosen]], [[Wissensgesellschaft|Wissens-]] und [[Informationsgesellschaft]] gibt es sehr viele Begriffe, die ähnliche Phänomene beschreiben und sich auch nur schwer voneinander unterscheiden lassen. Auch zum informationellen Kapitalismus gibt es einige verwandte Begriffe.


Im Zuge der Erklärung des informationellen Kapitalismus nennt [[Rudi Schmiede]] einige verwandte Begriffe wie den ''digitalen Kapitalismus'' oder den ''knowledge capitalism''.<ref>Rudi Schmiede: „Wissen und Arbeit im ‚Informational Capitalism‘“ In: Baukrowitz, Andrea; Berker, Thomas; Pfeiffer, Sabine; Schmiede, Rudi (Hrsg.): „Informatisierung der Arbeit - Gesellschaft im Umbruch“, Ed. Sigma, Berlin 2006, 3-89404-547-7, S. 456</ref> Digitaler Kapitalismus bedeutet, dass die [[Digitalisierung (Begriffsklärung)|Digitalisierung]] immer mehr Bereiche der Wirtschaft umfasst und wird vor allem im politischen [[Diskurs]] genutzt.<ref>https://www.fes.de/digitalcapitalism/</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Friedrich-Ebert-Stiftung |url=https://www.youtube.com/watch?v=L20AyYz30I0 |titel=Diskussion: Digitaler Kapitalismus - Revolution oder Hype? |datum=2017-11-14 |zugriff=2018-01-31}}</ref> Im ''Wissenskapitalismus'' (englisch ''knowledge capitalism'') steht weniger die Information als Rohstoff im Vordergrund, sondern Wissen, geistiges Eigentum und geistige Arbeit im Kapitalismus.<ref>{{Internetquelle |autor=Birgitte Andersen |url=http://www.theguardian.com/media-network/media-network-blog/2012/dec/18/knowledge-capitalism-gone-wrong-ip-innovation |titel=Knowledge Capitalism gone wrong |datum=2012-12-18 |zugriff=2018-01-31 |sprache=en}}</ref><ref>http://fuchs.uti.at/wp-content/uploads/wissenskapitalismus_GE.pdf</ref>
Im Zuge der Erklärung des informationellen Kapitalismus nennt [[Rudi Schmiede]] einige verwandte Begriffe wie den ''digitalen Kapitalismus'' oder den ''knowledge capitalism''.<ref>Rudi Schmiede: ''Wissen und Arbeit im ‚Informational Capitalism‘.'' In: Andrea Baukrowitz, Thomas Berker, Sabine Pfeiffer, Rudi Schmiede (Hrsg.): ''Informatisierung der Arbeit - Gesellschaft im Umbruch.'' Ed. Sigma, Berlin 2006, ISBN 3-89404-547-7, S. 456.</ref> Digitaler Kapitalismus bedeutet, dass die [[Digitalisierung (Begriffsklärung)|Digitalisierung]] immer mehr Bereiche der Wirtschaft umfasst und wird vor allem im politischen [[Diskurs]] genutzt.<ref>[https://www.fes.de/digitalcapitalism/ fes.de]</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Friedrich-Ebert-Stiftung |url=https://www.youtube.com/watch?v=L20AyYz30I0 |titel=Diskussion: Digitaler Kapitalismus - Revolution oder Hype? |datum=2017-11-14 |zugriff=2018-01-31}}</ref> Im ''Wissenskapitalismus'' (englisch ''knowledge capitalism'') steht weniger die Information als Rohstoff im Vordergrund, sondern Wissen, geistiges Eigentum und geistige Arbeit im Kapitalismus.<ref>{{Internetquelle |autor=Birgitte Andersen |url=http://www.theguardian.com/media-network/media-network-blog/2012/dec/18/knowledge-capitalism-gone-wrong-ip-innovation |titel=Knowledge Capitalism gone wrong |datum=2012-12-18 |zugriff=2018-01-31 |sprache=en}}</ref><ref>[http://fuchs.uti.at/wp-content/uploads/wissenskapitalismus_GE.pdf fuchs.uti.at]</ref>


[[Manuel Castells|Manuell Castells]] grenzt sich mit dem vorangestellten Adjektiv „informationell“ vom Begriff des ''Informationskapitalismus'' ab, da er nicht die Informationen im Kapitalismus betonen möchte, sondern den veränderten Umgang mit Informationen und Wissen.<ref>Manuel Castells: „Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter“ („Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur“ Band 1, 2. Auflage) VS Verlag, Wiesbaden 2001, 2017, 978-3-658-11322-3, S. 116</ref>
[[Manuel Castells|Manuell Castells]] grenzt sich mit dem vorangestellten Adjektiv „informationell“ vom Begriff des ''Informationskapitalismus'' ab, da er nicht die Informationen im Kapitalismus betonen möchte, sondern den veränderten Umgang mit Informationen und Wissen.<ref>Manuel Castells: ''Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter.'' (= ''Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur.'' Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11322-3, S. 116.</ref>


Informationeller Kapitalismus ist nach Castells nicht nur informationell, sondern auch global, und ist deshalb eng mit dem ''globalen Kapitalismus'' verknüpft. Dieser stellt "eine Wirtschaft [dar], deren Kernkomponenten die institutionelle, organisatorische und technologische Fähigkeit besitzen, als Einheit in Echtzeit oder in gewählter Zeit auf globaler Ebene zu funktionieren." (Manuel Castells)<ref>Manuel Castells: „Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter“ („Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur“ Band 1, 2. Auflage) VS Verlag, Wiesbaden 2001, 2017, 978-3-658-11322-3, S. 118</ref>
Informationeller Kapitalismus ist nach Castells nicht nur informationell, sondern auch global, und ist deshalb eng mit dem ''globalen Kapitalismus'' verknüpft. Dieser stellt "eine Wirtschaft [dar], deren Kernkomponenten die institutionelle, organisatorische und technologische Fähigkeit besitzen, als Einheit in Echtzeit oder in gewählter Zeit auf globaler Ebene zu funktionieren." (Manuel Castells)<ref>Manuel Castells: ''Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter.'' (= ''Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur.'' Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11322-3, S. 118.</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==


=== Primärliteratur ===
=== Primärliteratur ===
* Castells, Manuel: „The rise of the network society. The information age“ Blackwell, &#160;Cambridge 1996, 1-55786-616-3
* Manuel Castells: ''The rise of the network society. The information age.'' Blackwell, Cambridge 1996, ISBN 1-55786-616-3.
* Manuel Castells: „Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter“ („Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur“ Band 1) VS Verlag, Wiesbaden 2001, 93-8100-3223-9
* Manuel Castells: ''Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter.'' (= ''Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur.'' Band 1). VS Verlag, Wiesbaden 2001, ISBN 3-8100-3223-9.
* Castells, Manuel: „Jahrtausendwende. Das Informationszeitalter“ („Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur“ Band 3) VS Verlag, Wiesbaden 2003, 3-8100-3225-5
* Manuel Castells: ''Jahrtausendwende. Das Informationszeitalter.'' (= ''Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur.'' Band 3). VS Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-8100-3225-5.


=== Sekundärliteratur ===
=== Sekundärliteratur ===
* Degele, Nina: „Heteronormativitätskritik light: Manuel Castells’ Beitrag zu einer geschlechtertheoretisch informierten Gesellschaftstheorie. In: Kahlert H., Weinbach C. (Hrsg.) Zeitgenössische Gesellschaftstheorien und Genderforschung. Gesellschaftstheorien und Gender. Springer VS, Wiesbaden 2015, 978-3-531-19936-8, S. 38–43
* Nina Degele: ''Heteronormativitätskritik light: Manuel Castells’ Beitrag zu einer geschlechtertheoretisch informierten Gesellschaftstheorie.'' In: H. Kahlert, C. Weinbach (Hrsg.): ''Zeitgenössische Gesellschaftstheorien und Genderforschung. Gesellschaftstheorien und Gender.'' Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-531-19936-8, S. 38–43.
* Heidbrink, Ludger: [http://www.zeit.de/2003/19/ST-Castells ''Wie die Information uns verwirrt: Manuel Castells Trilogie über die Netzwerkgesellschaft liegt nun vollständig auf Deutsch vor''.] In: ''[[Die Zeit]]'', Nr. 19/2003.
* Ludger Heidbrink: [http://www.zeit.de/2003/19/ST-Castells ''Wie die Information uns verwirrt: Manuel Castells Trilogie über die Netzwerkgesellschaft liegt nun vollständig auf Deutsch vor''.] In: ''[[Die Zeit]].'' Nr. 19/2003.
* Schmiede, Rudi: „Wissen und Arbeit im ‚Informational Capitalism‘“ In: Baukrowitz, Andrea; Berker, Thomas; Pfeiffer, Sabine; Schmiede, Rudi (Hrsg.): „Informatisierung der Arbeit - Gesellschaft im Umbruch“, Ed. Sigma, Berlin 2006, 3-89404-547-7, S. 457–490
* Rudi Schmiede: ''Wissen und Arbeit im ‚Informational Capitalism‘.'' In: Andrea Baukrowitz, Thomas Berker, Sabine Pfeiffer, Rudi Schmiede (Hrsg.): ''Informatisierung der Arbeit - Gesellschaft im Umbruch.'' Ed. Sigma, Berlin 2006, ISBN 3-89404-547-7, S. 457–490.
* Schmiede, Rudi: Informationeller Kapitalismus und Subjekt. In: Kronauer, Martin; Ranc, Julijana; Klärner, Andreas (Hrsg.): Grenzgänge: Reflexionen zu einem barbarischen Jahrhundert; für Helmut Dahmer. Frankfurt am Main&#160;: Humanities Online, 2006. - ISBN 978-3-934157-49-1, S. 244–254. URN: https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/25615
* Rudi Schmiede: ''Informationeller Kapitalismus und Subjekt.'' In: Martin Kronauer, Julijana Ranc, Andreas Klärner (Hrsg.): ''Grenzgänge: Reflexionen zu einem barbarischen Jahrhundert; für Helmut Dahmer.'' Humanities Online, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-934157-49-1, S. 244–254. URN: https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/25615
* Steinbicker, Jochen: „Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells“ (2. Auflage) VS Verlag, Wiesbaden 2011, 978-3-531-18054-0, S. 79–109.
* Jochen Steinbicker: ''Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells.'' 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18054-0, S. 79–109.


=== Weblinks ===
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Version vom 11. März 2018, 17:14 Uhr

Der informationelle Kapitalismus bezeichnet eine kapitalistische Wirtschaftsform, die Informationen als Rohstoff behandelt. Geprägt wurde der Begriff vom Soziologen Manuel Castells. Im Rahmen seiner Arbeiten zur Netzwerkgesellschaft hat er den Begriff in seiner Trilogie Informationszeitalter geprägt.

Die Produktionsweise im Kapitalismus hat sich seit den 1970er Jahren durch die Entwicklung der neuen Informationstechnologien verändert. Mit dem Begriff des informationellen Kapitalismus möchte Castells zum einen die Rolle der Informationen in der Gesellschaft betonen. Vor allem möchte er aber darauf aufmerksam machen, dass unter den neuen technologischen Bedingungen der Umgang mit Informationen und deren Verbreitung grundlegend sind. Der Kapitalismus ist informationell, da die Produktivität dieser Wirtschaftsform von der Produktion, Verarbeitung und Anwendung von Informationen abhängt.

Castells erwähnt den informationellen Kapitalismus im Kontext seiner Gesellschaftsanalyse der Netzwerkgesellschaft auch in Verbindung mit Globalität und Vernetzung. Sie sind bei Castells nicht unabhängig voneinander zu sehen, weshalb er die Begriffe informationeller und globaler Kapitalismus beide zur Beschreibung der neuen Wirtschaftsform nutzt. Sie ist nicht an geographische oder staatliche Grenzen und Märkte geknüpft. Ihre Akteure sind überwiegend globale Unternehmen und Unternehmensnetzwerke.[1][2]

Kontexteinordnung

Der informationelle Kapitalismus lässt sich in Manuel Castells Gegenwartsdiagnose der Netzwerkgesellschaft zuordnen. Er zeigt in seinen Arbeiten zur Netzwerkgesellschaft drei große gesellschaftliche Entwicklungen der Informatisierung auf. Erstens geht Castells davon aus, dass es seit den 1970er Jahren eine informationstechnologische Revolution gab, die in den USA begann und sich global verbreitet hat. Zentral für diese Revolution ist die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK). Sie führte dazu, dass sich ein neues technologisches Paradigma durchgesetzt hat und sich die vorherrschende Sozialstruktur als Netzwerkgesellschaft beschreiben lässt. Zweitens spricht Castells die Krise des Kapitalismus um 1970 und seine Restrukturierung an. Der Kapitalismus habe sich nicht aufgelöst, sondern neu strukturiert. Auf der Basis von neuen IuK-Technologien hat sich eine informationelle kapitalistische Produktionsweise entwickelt. Der informationelle Kapitalismus ist das Resultat dieser Veränderung des Kapitalismus und wird von Castells zur Beschreibung dieser neu entwickelten Wirtschaftsform verwendet. Drittens redet Castells von Veränderungen sozialer und kultureller Art, die zu einer neuen Kultur – einer realen Virtualität – führten.[3][4]

Die wichtigste Entwicklung, die zum informationellen Kapitalismus führte, ist der veränderte Umgang mit Informationen und Wissen. Wissen und Informationen waren schon in früheren Revolutionen von Bedeutung und erlangten nicht erst in der informationstechnologischen Revolution an Wert.[5] Was sich verändert hat, ist, dass sie die Produktivkräfte dieser neuen Wirtschaftsform darstellen.[2] Die wichtigsten Quellen sind dabei die Wissensproduktion, die Informationsverarbeitung und die symbolische Kommunikation. Wissen, Kommunikation und Informationsverarbeitung spielen also eine große Rolle im informationellen Kapitalismus. Er beruht nicht mehr auf Industrie und der Produktion von materiellen Gütern, sondern auf Informationen und Wissen.[6]

„Es geht um Technologien, die Informationen bearbeiten, und nicht um Informationen, mit denen Technologie bearbeitet wird wie bei den früheren technologischen Revolutionen.“

Manuel Castells[7]

Begriffsgeschichte

Der Begriff wurde aus dem Englischen übersetzt. Der englische Begriff informational capitalism kam das erste Mal in Manuel Castells Originalwerk The Rise of the Network Society[8] aus dem Jahr 1996 auf.

Im Werk Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft,[9] dem ersten Band seiner Trilogie Informationszeitalter, nutzt Castells den Begriff des informationellen Kapitalismus zum ersten Mal. Er führt ihn ein, um die neu entstandene Wirtschaftsform zu beschreiben, die sich im Zusammenhang mit der Informatisierung entwickelt hat.[10] Er selbst benutzt diesen Begriff lediglich ein Mal in diesem Band. Meist spricht er allgemeiner von einer informationellen Ökonomie. Im dritten Band Jahrtausendwende[11] benutzt er den Begriff informationeller Kapitalismus dann aktiver.

Synonym wird der Begriff beispielsweise bei Berger und Kahlert in einem Symposiumsbeitrag zu Castells Trilogie genutzt.[12] 2013 wurde der Begriff im Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands aufgegriffen, um damit im Eintrag zur Informationsgesellschaft die kapitalistische Informationsgesellschaft zu beschreiben.[13] Er findet Verwendung in Jürgen Steinbickers Werk zur Theorie der Informationsgesellschaft, um verschiedene theoretische Ansätze zu dem Thema zu vergleichen.[14] Der informationelle Kapitalismus wurde ebenfalls von Rudi Schmiede genutzt, um mit Castells den Kern der Gegenwartsdiagnosen Wissens- und Informationsgesellschaft zu beschreiben.[15]

Der Begriff wird in der Literatur von den Autoren so angewendet wie Castells ihn verstanden und genutzt hat. Die Begriffe informationeller und globaler Kapitalismus werden wie bei Castells nicht immer klar voneinander abgegrenzt und auch oft gemeinsam verwendet. Ebenso wird der allgemeinere Begriff Ökonomie statt Kapitalismus genutzt.

Anwendungsgebiete sind vor allem Arbeiten in Bezug auf die Netzwerk- und Informationsgesellschaft. Anwendungsbeispiele sind eine Analyse des geistigen Eigentums im informationellen Kapitalismus.[16] und eine Analyse der Arbeit im informationellen Kapitalismus[17] Aber auch in anderen Fachgebieten, wie der Genderforschung, wird der Begriff des informationellen Kapitalismus als Analyserahmen einer geschlechtertheoretisch informierten Gesellschaftstheorie genutzt.[18]

Verwandte Begriffe

Im Bereich der Gegenwartsdiagnosen, Wissens- und Informationsgesellschaft gibt es sehr viele Begriffe, die ähnliche Phänomene beschreiben und sich auch nur schwer voneinander unterscheiden lassen. Auch zum informationellen Kapitalismus gibt es einige verwandte Begriffe.

Im Zuge der Erklärung des informationellen Kapitalismus nennt Rudi Schmiede einige verwandte Begriffe wie den digitalen Kapitalismus oder den knowledge capitalism.[19] Digitaler Kapitalismus bedeutet, dass die Digitalisierung immer mehr Bereiche der Wirtschaft umfasst und wird vor allem im politischen Diskurs genutzt.[20][21] Im Wissenskapitalismus (englisch knowledge capitalism) steht weniger die Information als Rohstoff im Vordergrund, sondern Wissen, geistiges Eigentum und geistige Arbeit im Kapitalismus.[22][23]

Manuell Castells grenzt sich mit dem vorangestellten Adjektiv „informationell“ vom Begriff des Informationskapitalismus ab, da er nicht die Informationen im Kapitalismus betonen möchte, sondern den veränderten Umgang mit Informationen und Wissen.[24]

Informationeller Kapitalismus ist nach Castells nicht nur informationell, sondern auch global, und ist deshalb eng mit dem globalen Kapitalismus verknüpft. Dieser stellt "eine Wirtschaft [dar], deren Kernkomponenten die institutionelle, organisatorische und technologische Fähigkeit besitzen, als Einheit in Echtzeit oder in gewählter Zeit auf globaler Ebene zu funktionieren." (Manuel Castells)[25]

Literatur

Primärliteratur

  • Manuel Castells: The rise of the network society. The information age. Blackwell, Cambridge 1996, ISBN 1-55786-616-3.
  • Manuel Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter. (= Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Band 1). VS Verlag, Wiesbaden 2001, ISBN 3-8100-3223-9.
  • Manuel Castells: Jahrtausendwende. Das Informationszeitalter. (= Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Band 3). VS Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-8100-3225-5.

Sekundärliteratur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Manuel Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter. (= Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11322-3, S. 89.
  2. a b Ludger Heidbrink: Netzwerke: Wie die Information uns verwirrt. In: Die Zeit. 30. April 2003, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 31. Januar 2018]).
  3. Nina Degele: Heteronormativitätskritik light: Manuel Castells’ Beitrag zu einer geschlechtertheoretisch informierten Gesellschaftstheorie. In: H. Kahlert, C. Weinbach (Hrsg.): Zeitgenössische Gesellschaftstheorien und Genderforschung. Gesellschaftstheorien und Gender. Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-531-19936-8, S. 41f.
  4. Jochen Steinbicker: Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells. 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18054-0, S. 79–82.
  5. Manuel Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter. (= Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11322-3, S. 36.
  6. Jochen Steinbicker: Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells. 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18054-0, S. 83.
  7. Manuel Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter. (= Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11322-3, S. 81.
  8. Manuel Castells: The rise of the network society. The information age. Blackwell, Cambridge 1996, ISBN 1-55786-616-3.
  9. Manuel Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter. (= Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Band 1). VS Verlag, Wiesbaden 2001, ISBN 3-8100-3223-9.
  10. Manuel Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter. (= Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11321-6, S. 21.
  11. Manuel Castells: Jahrtausendwende. Das Informationszeitalter. (= Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Band 3). VS Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-8100-3225-5.
  12. Peter A. Berger, Heike Kahlert: Alles ‚vernetzt‘? Sozialstruktur und Identität in der ‚schönen neuen Welt‘ des informationellen Kapitalismus. In: Soziologische Revue. Jg. 27, H. 1, Januar 2004, S. 3–11.
  13. Jochen Steinbicker: Informationsgesellschaft. In: S. Mau, N. M. Schöneck (Hrsg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. VS Verlag, Wiesbaden 2013, S. 408–421.
  14. Jochen Steinbicker: Zur Theorie der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuell Castells. 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18054-0, S. 79–109.
  15. Rudi Schmiede: Informationeller Kapitalismus und Subjekt. In: Martin Kronauer, Julijana Ranc, Andreas Klärner (Hrsg.): Grenzgänge: Reflexionen zu einem barbarischen Jahrhundert; für Helmut Dahmer. Humanities Online, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-934157-49-1, S. 244–254. URN: https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/25615
  16. Sabine Nuss: Copyright & Copyriot. Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2006, ISBN 3-89691-647-5.
  17. Rudi Schmiede: Wissen und Arbeit im ‚Informational Capitalism‘. In: Andrea Baukrowitz, Thomas Berker, Sabine Pfeiffer, Rudi Schmiede (Hrsg.): Informatisierung der Arbeit - Gesellschaft im Umbruch. Ed. Sigma, Berlin 2006, ISBN 3-89404-547-7, S. 457–490.
  18. Nina Degele: Heteronormativitätskritik light: Manuel Castells’ Beitrag zu einer geschlechtertheoretisch informierten Gesellschaftstheorie. In: H. Kahlert, C. Weinbach (Hrsg.): Zeitgenössische Gesellschaftstheorien und Genderforschung. Gesellschaftstheorien und Gender. Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-531-19936-8, S. 38–43.
  19. Rudi Schmiede: Wissen und Arbeit im ‚Informational Capitalism‘. In: Andrea Baukrowitz, Thomas Berker, Sabine Pfeiffer, Rudi Schmiede (Hrsg.): Informatisierung der Arbeit - Gesellschaft im Umbruch. Ed. Sigma, Berlin 2006, ISBN 3-89404-547-7, S. 456.
  20. fes.de
  21. Friedrich-Ebert-Stiftung: Diskussion: Digitaler Kapitalismus - Revolution oder Hype? 14. November 2017, abgerufen am 31. Januar 2018.
  22. Birgitte Andersen: Knowledge Capitalism gone wrong. 18. Dezember 2012, abgerufen am 31. Januar 2018 (englisch).
  23. fuchs.uti.at
  24. Manuel Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter. (= Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11322-3, S. 116.
  25. Manuel Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter. (= Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Band 1). 2. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-11322-3, S. 118.