„Heliografische Koordinaten“ – Versionsunterschied

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Die Bezeichnung ''heliografisch'' kommt aus dem Griechischen für Sonne (''Hελios, [[Helios]])'' und zeichnen/ beschreiben ''(γραφειν, grafe·in)''. Sie wurde in Analogie zur [[Selenografie]] in die Astronomie eingeführt, als sich der Schwerpunkt der Sonnenforschung von der [[Astrometrie]] zur [[Sonnenphysik]] verlagerte und rechnerische Modelle der [[Sonnenrotation]] erforderlich wurden.
Die Bezeichnung ''heliografisch'' kommt aus dem Griechischen für Sonne (''Hελios, [[Helios]])'' und zeichnen/ beschreiben ''(γραφειν, grafe·in)''. Sie wurde in Analogie zur [[Selenografie]] in die Astronomie eingeführt, als sich der Schwerpunkt der Sonnenforschung von der [[Astrometrie]] zur [[Sonnenphysik]] verlagerte und rechnerische Modelle der [[Sonnenrotation]] erforderlich wurden.


Die Sonne weist eine [[Rotationsbewegung| Rotation]] auf, deren Drehsinn der Umlaufrichtung der Erde um die Sonne gleicht. Die beiden Punkte, an denen die [[Rotationsachse]] die Sonnenkugel durchstößt, sind die Sonnenpole. Der nördliche Sonnenpol ist derjenige, der von der Erde aus gesehen, in Richtung [[Himmelspol |Himmelsnord]] weist. Vom Sonnennordpol aus gesehen dreht sich die Sonne gegen den Uhrzeigersinn. Osten liegt in Richtung der Drehung, Westen in der entgegengesetzten Richtung.
Die heliografische Breite von Null stellt den ''Sonnenäquator'' dar. Die [[Rotationsbewegung| Rotation]] der Sonne auf dem Äquator ist etwas schneller ist als in höheren heliografischen Breiten, es handelt sich um eine [[differentielle Rotation]]:

Senkrecht zur Rotationsachse verläuft der [[Äquator |Sonnenäquator]]. Er definiert die heliografische Breite von Null. Nach Norden hin nimmt die heliografische Breite bis zu 90° am Nordpol zu, nach Süden nimmt sie Werte von bis –90° am Südpol an.

Die Festlegung des [[Nullmeridian]]s der Sonne erfolgte willkürlich. International anerkannt ist als Nullmeridian der [[Zentralmeridian]] am 1. Januar 1854 um 12 Uhr Weltzeit.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Demtröder |Titel=Experimentalphysik 4: Kern-, Teilchen- und Astrophysik |Verlag=Springer |Datum=2017 |ISBN=978-3-662-52884-6 |Seiten=312}}</ref> Das ist der Längengrad, der zu diesem Zeitpunkt von der Erde ausgesehen (scheinbar) senkrecht zum Äquator durch die Mitte der Sonnenscheibe verlief. Ausgehend von diesem Nullmeridian verlaufen Längengrade von -180° im Osten bis +180° im Westen.

Die Rotation der Sonne auf dem Äquator ist etwas schneller ist als in höheren heliografischen Breiten, es handelt sich um eine [[differentielle Rotation]]:


* am Äquator: Rotationsdauer 25,03 Tage (von der Erde aus [[Synodische Periode|synodisch]] 26,9 Tage), bzw.
* am Äquator: Rotationsdauer 25,03 Tage (von der Erde aus [[Synodische Periode|synodisch]] 26,9 Tage), bzw.
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* im Mittel sind es 25,38 Tage (synodisch 27,2753 Tage).<ref>{{Literatur |Titel=Carrington heliographic coordinates |Sammelwerk=Oxford Reference |Online=https://www.oxfordreference.com/view/10.1093/oi/authority.20110803095551605 |DOI=10.1093/oi/authority.20110803095551605}}</ref>
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Die Festlegung des [[Nullmeridian]]s der Sonne erfolgte willkürlich. Die Rotationsdauer der Punkte auf dem Meridian nimmt polwärts zu. Im Gegensatz zum Meridian von [[Royal Greenwich Observatory|Greenwich]] verzerrt sich der Nullmeridian durch die differenzielle Rotation immer mehr.
Die Rotationsdauer der Punkte des Nullmeridians nimmt polwärts zu. Im Gegensatz zum Meridian von [[Royal Greenwich Observatory|Greenwich]] verzerrt sich der Nullmeridian durch die differenzielle Rotation immer mehr.


Eine zweite Besonderheit der heliografischen gegenüber den [[Geografische Koordinaten|geografischen Koordinaten]] liegt im Unterschied zwischen der Sonnen- und der [[Erdfigur]]. Letztere ist annähernd ein [[Erdellipsoid|Ellipsoid]], während die Sonne fast genau eine [[Kugel]] darstellt. Weil eine Abplattung der Sonne messtechnisch kaum nachweisbar ist, sind [[ellipsoidische Koordinaten]] nicht erforderlich. Daher muss auch nicht zwischen [[ellipsoidische Breite]] und (geo)[[Geozentrische Breite|zentrische Breite]] unterschieden werden, sondern eine auf die ''mittlere Sonnenkugel'' bezogene Breite reicht als Koordinatenangabe aus.
Eine zweite Besonderheit der heliografischen gegenüber den [[Geografische Koordinaten|geografischen Koordinaten]] liegt im Unterschied zwischen der Sonnen- und der [[Erdfigur]]. Letztere ist annähernd ein [[Erdellipsoid|Ellipsoid]], während die Sonne fast genau eine [[Kugel]] darstellt. Weil eine Abplattung der Sonne messtechnisch kaum nachweisbar ist, sind [[ellipsoidische Koordinaten]] nicht erforderlich. Daher muss auch nicht zwischen [[ellipsoidische Breite]] und (geo)[[Geozentrische Breite|zentrische Breite]] unterschieden werden, sondern eine auf die ''mittlere Sonnenkugel'' bezogene Breite reicht als Koordinatenangabe aus.

Version vom 24. Mai 2020, 16:36 Uhr

Das System der Heliografischen Koordinaten dient zur Angabe genauer Positionen auf der Oberfläche der Sonne. Die beiden Kugelkoordinaten beziehen sich auf das mittlere Höhenniveau der Photosphäre (sichtbare Begrenzung des Sonnenrandes) und werden als

  • heliografische Breite und
  • heliografische Länge bezeichnet.

Sie werden analog der geografischen Breite und Länge definiert, beziehen sich aber (im Gegensatz zu den Breiten- und Längenangaben auf der Erde) nicht auf ein Ellipsoid, sondern eine exakte Kugel.

geo- bzw. heliografische Koordinaten auf der Kugel. Auf der Sonne wird für die Breite statt φ meist B geschrieben.

Die Bezeichnung heliografisch kommt aus dem Griechischen für Sonne (Hελios, Helios) und zeichnen/ beschreiben (γραφειν, grafe·in). Sie wurde in Analogie zur Selenografie in die Astronomie eingeführt, als sich der Schwerpunkt der Sonnenforschung von der Astrometrie zur Sonnenphysik verlagerte und rechnerische Modelle der Sonnenrotation erforderlich wurden.

Die Sonne weist eine Rotation auf, deren Drehsinn der Umlaufrichtung der Erde um die Sonne gleicht. Die beiden Punkte, an denen die Rotationsachse die Sonnenkugel durchstößt, sind die Sonnenpole. Der nördliche Sonnenpol ist derjenige, der von der Erde aus gesehen, in Richtung Himmelsnord weist. Vom Sonnennordpol aus gesehen dreht sich die Sonne gegen den Uhrzeigersinn. Osten liegt in Richtung der Drehung, Westen in der entgegengesetzten Richtung.

Senkrecht zur Rotationsachse verläuft der Sonnenäquator. Er definiert die heliografische Breite von Null. Nach Norden hin nimmt die heliografische Breite bis zu 90° am Nordpol zu, nach Süden nimmt sie Werte von bis –90° am Südpol an.

Die Festlegung des Nullmeridians der Sonne erfolgte willkürlich. International anerkannt ist als Nullmeridian der Zentralmeridian am 1. Januar 1854 um 12 Uhr Weltzeit.[1] Das ist der Längengrad, der zu diesem Zeitpunkt von der Erde ausgesehen (scheinbar) senkrecht zum Äquator durch die Mitte der Sonnenscheibe verlief. Ausgehend von diesem Nullmeridian verlaufen Längengrade von -180° im Osten bis +180° im Westen.

Die Rotation der Sonne auf dem Äquator ist etwas schneller ist als in höheren heliografischen Breiten, es handelt sich um eine differentielle Rotation:

  • am Äquator: Rotationsdauer 25,03 Tage (von der Erde aus synodisch 26,9 Tage), bzw.
  • in Polnähe: etwa 20 Prozent langsamer;
  • im Mittel sind es 25,38 Tage (synodisch 27,2753 Tage).[2]

Die Rotationsdauer der Punkte des Nullmeridians nimmt polwärts zu. Im Gegensatz zum Meridian von Greenwich verzerrt sich der Nullmeridian durch die differenzielle Rotation immer mehr.

Eine zweite Besonderheit der heliografischen gegenüber den geografischen Koordinaten liegt im Unterschied zwischen der Sonnen- und der Erdfigur. Letztere ist annähernd ein Ellipsoid, während die Sonne fast genau eine Kugel darstellt. Weil eine Abplattung der Sonne messtechnisch kaum nachweisbar ist, sind ellipsoidische Koordinaten nicht erforderlich. Daher muss auch nicht zwischen ellipsoidische Breite und (geo)zentrische Breite unterschieden werden, sondern eine auf die mittlere Sonnenkugel bezogene Breite reicht als Koordinatenangabe aus. Die seit langem gesuchte Abplattung der Sonne ist sehr gering und konnte erst vor einigen Jahrzehnten annähernd bestimmt werden. Hauptproblem dabei sind die thermischen Einflüsse bei Tagbeobachtungen.

Angaben zu den heliografischen Koordinaten der scheinbaren Sonnenmitte finden sich in jedem ausführlicheren Astronomischen Jahrbuch, insbesondere in den Astronomical Ephemeris. Sie sind unter anderem zur genauen Einmessung von Sonnenflecken und Flares erforderlich. Die heliografische Position von Sonnenflecken gibt – über Rotationsanalysen hinaus – weitere Hinweise zur Astrophysik des Sonneninneren und seiner Konvektionsvorgänge. Die gegenseitigen heliografischen Ortsverschiebungen der Sonnenflecken gaben zu Beginn des 19. Jahrhunderts die ersten Hinweise auf eine differentielle Sonnenrotation (die zugehörigen Rotationsgesetze entwickelten der Engländer Richard Christopher Carrington und der Deutsche Gustav Spörer fast gleichzeitig[3]), was bald auch zum Forschungsthema der Gasdynamik wurde. Spörers Gesetz beschreibt einen Zusammenhang zwischen dem Verlauf des Sonnenfleckenzyklus und der mittleren heliografischen Breite der Flecken – siehe auch Schmetterlingsdiagramm.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik 4: Kern-, Teilchen- und Astrophysik. Springer, 2017, ISBN 978-3-662-52884-6, S. 312.
  2. Carrington heliographic coordinates. In: Oxford Reference. doi:10.1093/oi/authority.20110803095551605 (oxfordreference.com).
  3. Arnab Rai Choudhuri: Nature’s Third Cycle: A Story of Sunspots. Oxford University Press, 2015, ISBN 978-0-19-967475-6, S. 2–4, 28–32, doi:10.1093/acprof:oso/9780199674756.001.0001.