„Heimfindeverhalten“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
erweitert und mit Quellen versehen
Zeile 1: Zeile 1:
Als '''Heimfindeverhalten''' (auch: ''Heimfindevermögen'') bezeichnet man in der [[Verhaltensbiologie]] die [[Instinktverhalten|angeborene Fähigkeit]] eines Tieres, von einem ihm unbekannten Ausgangspunkt in das eigene [[Revier (Tier)|Revier]] oder zum eigenen [[Tierbau|Bau]], [[Nest]], [[Stall]] oder [[Taubenhaus|Heimatschlag]] zurückzukehren.
Als '''Heimfindeverhalten''' (auch: ''Heimfindevermögen''; [[Englische Sprache|engl.]]: ''homing'') bezeichnet man in der [[Verhaltensbiologie]] die [[Instinktverhalten|angeborene Fähigkeit]] eines Tieres, von einem ihm unbekannten Ausgangspunkt in das eigene [[Revier (Tier)|Revier]] oder zum eigenen [[Tierbau|Bau]], [[Nest]], [[Stall]] oder [[Taubenhaus|Heimatschlag]] zurückzukehren.


Eine befriedigende Erklärung für die [[Neurobiologie|neurobiologischen]] Mechanismen, die den Tieren das beobachtbare Heimfindeverhalten ermöglichen, ist bisher noch nicht gefunden worden. Bereits 1941 hatte aber ein niederländischer Ornithologe die bis heute gültige Vermutung geäußert, dass – wie bei den [[Zugvogel|Zugvögeln]] – der [[Magnetsinn]] eine wichtige Rolle zu spielen scheint.<ref> A. Daanje: ''Heimfindeversuche und Erdmagnetismus.'' Vogelzug 12, 1941, S.15–17 </ref>
Modelltier für die Erforschung des Heimfindeverhaltens sind häufig [[Brieftaube]]n, da diese seit langem gezüchtet werden, um sie bei Flugwettbewerben einzusetzen. Bei solchen Wettbewerben werden die Tauben mit einem Speziallastwagen zu einem bis zu tausend Kilometer vom Heimatort entfernten „Auflassplatz“ transportiert, von wo aus sie ihren Heimflug antreten. Da alle verirrten, also nicht zum heimatlichen Taubenschlag zurückfindenden Tiere zwangsläufig als künftige [[Tierzucht|Zuchttiere]] ausfallen, besteht bei Brieftauben durch diesen [[Selektionsfaktor]] seit jeher ein hoher [[Selektionsdruck]] in Richtung Heimfindeverhalten.

Beginnend in den späten [[1930er]] Jahren wurde anfangs vor allem das Heimfindeverhalten von Vögeln systematisch untersucht und dessen Ursache in Fachzeitschriften erörtert.<ref>Beispielhaft hierfür ist [[Erwin Stresemann]]: ''Haben die Vögel einen Ortssinn?'' Ardea 24, 1936, S. 107–111 </ref> Pionierarbeit leistete hier vor allem Werner Rüppell.<ref> Werner Rüppell: ''Heimfindeversuche mit Staren, Rauschschwalben, Wendehälsen, Rotrückenwürgern und Habichten.'' Journal für Ornithologie 85, 1937, 102-135; Vorstudien zu dieser umfassenden Arbeit waren bereits 1935 und 1936 im Journal für Ornithologie erschienen (Band 83, S. 462–524, Band 84, S. 180–198)</ref> Frühe Studien von [[Albrecht Bethe]] hatten aber bereits 1902 dem Verhalten von Insekten gegolten.<ref> Albrecht Bethe: ''Die Heimkehrfähigkeit der Ameisen und Bienen.'' Biologisches Zentralblatt 22, 1902, S 193–215 </ref> Andere Forscher untersuchten [[Maus|Mäuse]], <ref>zum Beispiel: Bastian Schmid: ''Über die Heimkehrfähigkeit von Waldmäusen (Mus sylvaticus L.).'' Journal of Comparative Physiology A: Neuroethology, Sensory, Neural, and Behavioral Physiology 23, 1936, S. 592–604 </ref> und der spätere Direktor des [[Zoologischer Garten Frankfurt|Frankurter Zoos]], [[Bernhard Grzimek]] erforschte während seiner Dienstzeit als [[Tierarzt]] einer [[Einheit (Militär)|Einheit]] der [[Kavallerie]] im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] das Heimfindevermögen von [[Pferde]]n.<ref>[[Bernhard Grzimek]]: ''Heimfindeversuche mit Pferden.'' Zeitschrift für Tierpsychologie 5, 1943, S. 455–464 </ref> Zu den früh untersuchten Tierarten gehörten ferner [[Fledermaus|Fledermäuse]].<ref>F. P. Möhres, Th. Öttingen-Spielberg: ''Versuche über die Nahorientierung und das Heimfindevermögen der Fledermäuse.'' Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft 1949, S. 248–252 </ref>

Als Modelltier für die Erforschung des Heimfindeverhaltens dienen heute häufig [[Brieftaube]]n, <ref> [http://gepris.dfg.de/gepris/octopus/gepris/;jsessionid=fxTGHRtBn01NvbSkv5v0nlTwJrkQcHs3LWWgz2nCpQXZJKSZn320!769567140?module=gepris&task=showDetail&displayMode=print&context=projekt&id=36065259 Heimfindeverhalten von Brieftauben: Magnetische Gradienten und Landmarken] Beispiel für ein von der DFG gefördertes Projekt</ref> da diese seit langem gezüchtet werden, um sie bei Flugwettbewerben einzusetzen. Bei solchen Wettbewerben werden die Tauben mit einem Speziallastwagen zu einem bis zu tausend Kilometer vom Heimatort entfernten „Auflassplatz“ transportiert, von wo aus sie ihren Heimflug antreten. Da alle verirrten, also nicht zum heimatlichen Taubenschlag zurückfindenden Tiere zwangsläufig als künftige [[Tierzucht|Zuchttiere]] ausfallen, besteht bei Brieftauben durch diesen [[Selektionsfaktor]] seit jeher ein hoher [[Selektionsdruck]] in Richtung Heimfindeverhalten. <ref>Eine ausführliche Darstellung der Thematik mit zahlreichen Verweisen auch auf historische Originalveröffentlichungen enthält das Buch von P. Berthold, E. Gwinner und E. Sonnenschein: ''Avian Migration.'' </ref>

Nach der Entschlüsselung der [[Tanzsprache]] der [[Westliche Honigbiene|Honigbienen]] durch [[Karl von Frisch]] wurden neben den Vögeln vor allem die Bienen zu einem bevorzugten Studienobjekt.<ref> Lore Becker: ''Untersuchungen über das Heimfindevermögen der Bienen.'' Journal of Comparative Physiology A: Neuroethology, Sensory, Neural, and Behavioral Physiology 41, 1958, S. 1-25, {{ DOI|10.1007/BF00340239}} </ref>

[[Leistenkrokodil]]e können einer 2007 veröffentlichten Studie zufolge noch aus 400 km Entfernung an ihren Heimatort zurückfinden.<ref> Mark A. Read u.a.: '' Satellite Tracking Reveals Long Distance Coastal Travel and Homing by Translocated Estuarine Crocodiles, Crocodylus porosus.'' PLoS ONE 2(9): e949, {{DOI|10.1371/journal.pone.0000949}} </ref> Australische Zoologen hatten mehrere Tiere per Hubschrauber von ihrem küstennahen Heimatgebiet an einen entfernten, gleichfalls küstennahen Platz geflogen und dort ausgesetzt. Das mit 411 km am weitesten verschleppte Krokodil benötigte nur 20 Tage, um entlang der Küste wieder in das Fanggebiet zurückzukehren. Die Zoologen des ''Queensland Parks and Wildlife Service'' wiesen darauf hin, dass Krokodile relativ nahe mit Vögeln verwandt seien und möglicherweise über ein ähnliches [[Orientierungsverhalten]] wie diese verfügen, also über eine Kombination aus Sonnenkompass und [[Magnetsinn]].

== Einzelnachweise ==
<references/>

== Literatur ==
* [[Peter Berthold]], [[Eberhard Gwinner]], Edith Sonnenschein: ''Avian Migration.'' Springer Verlag, 2003, ISBN 3540434089
* Roswitha Wiltschko: ''Aus der Geschichte der Orientierungsforschung.'' Journal of Ornithology 130, 1989, S. 399–421, {{DOI|10.1007/BF01918462}}


Auch das Heimfindeverhalten von [[Pferd]]en, [[Fledermaus|Fledermäusen]], [[Maus|Mäusen]], [[Insekt]]en und diversen anderen Tieren wurde – beginnend bereits in den späten [[1930er]] Jahren – intensiv erforscht. Eine befriedigende Erklärung für die [[Neurobiologie|neurobiologischen]] Mechanismen, die den Tieren das beobachtbare Heimfindeverhalten ermöglichen, ist bisher noch nicht gefunden worden. Wie auch bei den [[Zugvogel|Zugvögeln]] scheint aber der [[Magnetsinn]] eine wichtige Rolle zu spielen.


[[Kategorie:Verhaltensbiologie]]
[[Kategorie:Verhaltensbiologie]]

Version vom 2. Dezember 2007, 01:47 Uhr

Als Heimfindeverhalten (auch: Heimfindevermögen; engl.: homing) bezeichnet man in der Verhaltensbiologie die angeborene Fähigkeit eines Tieres, von einem ihm unbekannten Ausgangspunkt in das eigene Revier oder zum eigenen Bau, Nest, Stall oder Heimatschlag zurückzukehren.

Eine befriedigende Erklärung für die neurobiologischen Mechanismen, die den Tieren das beobachtbare Heimfindeverhalten ermöglichen, ist bisher noch nicht gefunden worden. Bereits 1941 hatte aber ein niederländischer Ornithologe die bis heute gültige Vermutung geäußert, dass – wie bei den Zugvögeln – der Magnetsinn eine wichtige Rolle zu spielen scheint.[1]

Beginnend in den späten 1930er Jahren wurde anfangs vor allem das Heimfindeverhalten von Vögeln systematisch untersucht und dessen Ursache in Fachzeitschriften erörtert.[2] Pionierarbeit leistete hier vor allem Werner Rüppell.[3] Frühe Studien von Albrecht Bethe hatten aber bereits 1902 dem Verhalten von Insekten gegolten.[4] Andere Forscher untersuchten Mäuse, [5] und der spätere Direktor des Frankurter Zoos, Bernhard Grzimek erforschte während seiner Dienstzeit als Tierarzt einer Einheit der Kavallerie im Zweiten Weltkrieg das Heimfindevermögen von Pferden.[6] Zu den früh untersuchten Tierarten gehörten ferner Fledermäuse.[7]

Als Modelltier für die Erforschung des Heimfindeverhaltens dienen heute häufig Brieftauben, [8] da diese seit langem gezüchtet werden, um sie bei Flugwettbewerben einzusetzen. Bei solchen Wettbewerben werden die Tauben mit einem Speziallastwagen zu einem bis zu tausend Kilometer vom Heimatort entfernten „Auflassplatz“ transportiert, von wo aus sie ihren Heimflug antreten. Da alle verirrten, also nicht zum heimatlichen Taubenschlag zurückfindenden Tiere zwangsläufig als künftige Zuchttiere ausfallen, besteht bei Brieftauben durch diesen Selektionsfaktor seit jeher ein hoher Selektionsdruck in Richtung Heimfindeverhalten. [9]

Nach der Entschlüsselung der Tanzsprache der Honigbienen durch Karl von Frisch wurden neben den Vögeln vor allem die Bienen zu einem bevorzugten Studienobjekt.[10]

Leistenkrokodile können einer 2007 veröffentlichten Studie zufolge noch aus 400 km Entfernung an ihren Heimatort zurückfinden.[11] Australische Zoologen hatten mehrere Tiere per Hubschrauber von ihrem küstennahen Heimatgebiet an einen entfernten, gleichfalls küstennahen Platz geflogen und dort ausgesetzt. Das mit 411 km am weitesten verschleppte Krokodil benötigte nur 20 Tage, um entlang der Küste wieder in das Fanggebiet zurückzukehren. Die Zoologen des Queensland Parks and Wildlife Service wiesen darauf hin, dass Krokodile relativ nahe mit Vögeln verwandt seien und möglicherweise über ein ähnliches Orientierungsverhalten wie diese verfügen, also über eine Kombination aus Sonnenkompass und Magnetsinn.

Einzelnachweise

  1. A. Daanje: Heimfindeversuche und Erdmagnetismus. Vogelzug 12, 1941, S.15–17
  2. Beispielhaft hierfür ist Erwin Stresemann: Haben die Vögel einen Ortssinn? Ardea 24, 1936, S. 107–111
  3. Werner Rüppell: Heimfindeversuche mit Staren, Rauschschwalben, Wendehälsen, Rotrückenwürgern und Habichten. Journal für Ornithologie 85, 1937, 102-135; Vorstudien zu dieser umfassenden Arbeit waren bereits 1935 und 1936 im Journal für Ornithologie erschienen (Band 83, S. 462–524, Band 84, S. 180–198)
  4. Albrecht Bethe: Die Heimkehrfähigkeit der Ameisen und Bienen. Biologisches Zentralblatt 22, 1902, S 193–215
  5. zum Beispiel: Bastian Schmid: Über die Heimkehrfähigkeit von Waldmäusen (Mus sylvaticus L.). Journal of Comparative Physiology A: Neuroethology, Sensory, Neural, and Behavioral Physiology 23, 1936, S. 592–604
  6. Bernhard Grzimek: Heimfindeversuche mit Pferden. Zeitschrift für Tierpsychologie 5, 1943, S. 455–464
  7. F. P. Möhres, Th. Öttingen-Spielberg: Versuche über die Nahorientierung und das Heimfindevermögen der Fledermäuse. Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft 1949, S. 248–252
  8. Heimfindeverhalten von Brieftauben: Magnetische Gradienten und Landmarken Beispiel für ein von der DFG gefördertes Projekt
  9. Eine ausführliche Darstellung der Thematik mit zahlreichen Verweisen auch auf historische Originalveröffentlichungen enthält das Buch von P. Berthold, E. Gwinner und E. Sonnenschein: Avian Migration.
  10. Lore Becker: Untersuchungen über das Heimfindevermögen der Bienen. Journal of Comparative Physiology A: Neuroethology, Sensory, Neural, and Behavioral Physiology 41, 1958, S. 1-25, doi:10.1007/BF00340239
  11. Mark A. Read u.a.: Satellite Tracking Reveals Long Distance Coastal Travel and Homing by Translocated Estuarine Crocodiles, Crocodylus porosus. PLoS ONE 2(9): e949, doi:10.1371/journal.pone.0000949

Literatur