„Turbokapitalismus“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Meffo (Diskussion | Beiträge)
http://www.guardian.co.uk/politics/2012/jan/19/david-cameron-pledges-popular-capitalism
Mr. Mustard (Diskussion | Beiträge)
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
'''Turbokapitalismus''' (auch '''Killerkapitalismus'''<ref name="Neologismen">Stichwort „Turbokapitalismus“ in Dieter Herberg, Michael Kinne, Doris Steffens, Elke Tellenbach, Doris Al-Wadi; Neuer Wortschatz: Neologismen der 90er Jahre im Deutschen, Band 11 von Schriften des Instituts für Deutsche Sprache, Verlag Walter de Gruyter, 2004, ISBN 9783110177503</ref>) ist ein [[politisches Schlagwort]] ohne präzise Bedeutung, das unterschiedlich verwendet wird.<ref>[[Karl Bachinger]], [[Herbert Matis]]: ''Sozioökonomische Entwicklung: Konzeptionen und Analysen von Adam Smith bis Amartya K. Sen.'' Band 3074, UTB 2008, ISBN 978-3-8252-3074-6, S. 75.</ref> Der [[Neologismus]] geht auf den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler [[Edward Luttwak]] vom [[Center for Strategic and International Studies]] in Washington zurück.<ref name="Neologismen" />
Mit dem Begriff '''Turbokapitalismus''' kennzeichnen Autoren wie [[Harald Schumann]] und [[Hans-Peter Martin]] eine neueste Entwicklung des [[Kapitalismus]], die durch die Nutzung neuer Technologien zeitliche und räumliche Schranken durchbrechen und somit eine Beschleunigung erfahren soll. <ref>Harald Schumann, Hans-Peter Martin: ''Die Globalisierungsfalle'', 1999, Hamburg</ref>

{{Zitat|Der [[Kapitalismus]] der neunziger Jahre unterscheidet sich vollkommen von dem der vorangegangenen Dekaden. Deshalb habe ich das Wort Turbokapitalismus erfunden. Es bezeichnet den vollkommen [[Deregulierung|deregulierten]], völlig entfesselten Markt, ohne alle schützenden Barrieren. Reichtum schafft der Turbokapitalismus, weil für ihn nur eins zählt: [[Effizienz]].|
Interview mit Edward Luttwak in „Die Zeit“, 1999, Heft 50, S. 25.<ref>Zitiert nach [[Jürgen Ritsert]], Schlüsselprobleme der Gesellschaftstheorie: Individuum und Gesellschaft, soziale Ungleichheit, Modernisierung, Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialpsychologie, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009, ISBN 3531164465, S. 353</ref>}}

Gemeint sind damit bei Luttwak immer schneller herbeigeführte kulturelle und technische Änderungen durch [[Innovation]]en, welche im Idealfall die [[Produktivität]] rasant steigern. Hier bestehen Parallelen zur [[Schöpferische Zerstörung|„Schöpferischen Zerstörung“]] bei [[Joseph Schumpeter]].<ref>Jürgen Ritsert, Schlüsselprobleme der Gesellschaftstheorie, 2009, S. 354</ref>

Autoren wie [[Harald Schumann]] und [[Hans-Peter Martin]] kennzeichnen Turbokapiatlismus als eine neue Entwicklung des Kapitalismus, die durch die Nutzung neuer [[Technologie]]n zeitliche und räumliche Schranken durchbrechen und somit eine Beschleunigung erfahren soll.<ref>Harald Schumann, Hans-Peter Martin: ''Die Globalisierungsfalle'', 1999, Hamburg</ref>


Der Turbokapitalismus wird verstanden als Tendenz zu immer schnellerer [[Produktion]] um der Produktion willen, angetrieben von [[Kapital]] auf der Suche nach höchstmöglicher [[Rendite]]. Diese Beschleunigung erfasse auch die [[Individuum|Individuen]], die stetig höheren [[Belastung (Psychologie)|Belastungen]] ausgesetzt seien und mit den Anforderungen immer weniger zurechtkämen. Kritiker dieser Tendenzen fordern hingegen eine [[Entschleunigung]] und mehr „Zeitwohlstand“ für die Menschen.
Der Turbokapitalismus wird verstanden als Tendenz zu immer schnellerer [[Produktion]] um der Produktion willen, angetrieben von [[Kapital]] auf der Suche nach höchstmöglicher [[Rendite]]. Diese Beschleunigung erfasse auch die [[Individuum|Individuen]], die stetig höheren [[Belastung (Psychologie)|Belastungen]] ausgesetzt seien und mit den Anforderungen immer weniger zurechtkämen. Kritiker dieser Tendenzen fordern hingegen eine [[Entschleunigung]] und mehr „Zeitwohlstand“ für die Menschen.


[[David Cameron]] verwendet die Bezeichnung „Turbokapitalismus“, um die Verantwortung der [[Labour Party]] für die jüngste Entwicklung im [[Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland|Vereinigten Königreich]] hervorzuheben. Er plädiert stattdessen für einen "verantwortlichen Kapitalismus".<ref>Nicholas Watt: [http://www.guardian.co.uk/politics/2012/jan/19/david-cameron-pledges-popular-capitalism ''David Cameron pledges era of 'popular capitalism'''] [[The Guardian]], 19. Januar 2012</ref>
== In der Politik ==
Als politisches [[Schlagwort (Sprachwissenschaft)|Schlagwort]] wurde der Begriff von [[David Cameron]] gebraucht, um die Verantwortung der [[Labour Party]] für die jüngste Entwicklung im [[Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland|Vereinigten Königreich]] hervorzuheben. Er plädiert stattdessen für einen "verantwortlichen Kapitalismus".<ref>Nicholas Watt: [http://www.guardian.co.uk/politics/2012/jan/19/david-cameron-pledges-popular-capitalism ''David Cameron pledges era of 'popular capitalism'''] [[The Guardian]], 19. Januar 2012</ref>


== Einzelbelege ==
== Einzelbelege ==

Version vom 21. Januar 2012, 03:23 Uhr

Turbokapitalismus (auch Killerkapitalismus[1]) ist ein politisches Schlagwort ohne präzise Bedeutung, das unterschiedlich verwendet wird.[2] Der Neologismus geht auf den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Edward Luttwak vom Center for Strategic and International Studies in Washington zurück.[1]

„Der Kapitalismus der neunziger Jahre unterscheidet sich vollkommen von dem der vorangegangenen Dekaden. Deshalb habe ich das Wort Turbokapitalismus erfunden. Es bezeichnet den vollkommen deregulierten, völlig entfesselten Markt, ohne alle schützenden Barrieren. Reichtum schafft der Turbokapitalismus, weil für ihn nur eins zählt: Effizienz.“

Interview mit Edward Luttwak in „Die Zeit“, 1999, Heft 50, S. 25.[3]

Gemeint sind damit bei Luttwak immer schneller herbeigeführte kulturelle und technische Änderungen durch Innovationen, welche im Idealfall die Produktivität rasant steigern. Hier bestehen Parallelen zur „Schöpferischen Zerstörung“ bei Joseph Schumpeter.[4]

Autoren wie Harald Schumann und Hans-Peter Martin kennzeichnen Turbokapiatlismus als eine neue Entwicklung des Kapitalismus, die durch die Nutzung neuer Technologien zeitliche und räumliche Schranken durchbrechen und somit eine Beschleunigung erfahren soll.[5]

Der Turbokapitalismus wird verstanden als Tendenz zu immer schnellerer Produktion um der Produktion willen, angetrieben von Kapital auf der Suche nach höchstmöglicher Rendite. Diese Beschleunigung erfasse auch die Individuen, die stetig höheren Belastungen ausgesetzt seien und mit den Anforderungen immer weniger zurechtkämen. Kritiker dieser Tendenzen fordern hingegen eine Entschleunigung und mehr „Zeitwohlstand“ für die Menschen.

David Cameron verwendet die Bezeichnung „Turbokapitalismus“, um die Verantwortung der Labour Party für die jüngste Entwicklung im Vereinigten Königreich hervorzuheben. Er plädiert stattdessen für einen "verantwortlichen Kapitalismus".[6]

Einzelbelege

  1. a b Stichwort „Turbokapitalismus“ in Dieter Herberg, Michael Kinne, Doris Steffens, Elke Tellenbach, Doris Al-Wadi; Neuer Wortschatz: Neologismen der 90er Jahre im Deutschen, Band 11 von Schriften des Instituts für Deutsche Sprache, Verlag Walter de Gruyter, 2004, ISBN 9783110177503
  2. Karl Bachinger, Herbert Matis: Sozioökonomische Entwicklung: Konzeptionen und Analysen von Adam Smith bis Amartya K. Sen. Band 3074, UTB 2008, ISBN 978-3-8252-3074-6, S. 75.
  3. Zitiert nach Jürgen Ritsert, Schlüsselprobleme der Gesellschaftstheorie: Individuum und Gesellschaft, soziale Ungleichheit, Modernisierung, Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialpsychologie, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009, ISBN 3531164465, S. 353
  4. Jürgen Ritsert, Schlüsselprobleme der Gesellschaftstheorie, 2009, S. 354
  5. Harald Schumann, Hans-Peter Martin: Die Globalisierungsfalle, 1999, Hamburg
  6. Nicholas Watt: David Cameron pledges era of 'popular capitalism' The Guardian, 19. Januar 2012

Siehe auch

Literatur

  • Elmar Altvater, Frigga Haug, Oskar Negt u.a.: Turbokapitalismus. Gesellschaft im Übergang ins 21. Jahrhundert. VSA-Verlag, Hamburg 1997.
  • Robert P. Brenner: Boom & Bubble – Die USA in der Weltwirtschaft. VSA-Verlag, Hamburg 2002. ISBN 3-87975-886-7
  • Edward Luttwak: Turbokapitalismus. Gewinner und Verlierer der Globalisierung. Europa Verlag, Hamburg Wien 1999. ISBN 3-203-79549-3
  • Fritz Reheis: Entschleunigung. Abschied vom Turbokapitalismus. Riemann, München 2004. (Eine Untersuchung zum Paradox des ständigen Strebens nach Beschleunigung und Zeiteinsparungen mit dem Ergebnis beständig zunehmender Zeitknappheit.)
  • Thomas Weiß: Turbokapitalismus? – Zu derzeitigen weltwirtschaftlichen Problemen. In: WSI-Mitteilungen 12/1998. (Statt „turbo“ wird das Bild von der „klappernden Mühle am rauschenden Bach“ für zutreffender als Beschreibung der derzeitigen Weltwirtschaft angesehen.)
  • Hans-Peter Studer: Die Grenzen des Turbokapitalismus. Fakten und Perspektiven für eine neue Ökonomie. Fischer Media 2001. ISBN 3856814736