Andreu Nin

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Andreu Nin i Pérez [ənˈdɾew ˈnin], in kastilischer Namensform Andrés Nin [anˈdɾes ˈnin], (* 4. Februar 1892, El Vendrell in der Provinz Tarragona; † 20. Juni 1937 bei Madrid) war ein spanischer Revolutionär aus Katalonien. Als führendes Mitglied der von ihm mitgegründeten POUM wurde er nach den Maiereignissen 1937 im Spanischen Bürgerkrieg sehr wahrscheinlich von Stalinisten verschleppt, gefoltert und ermordet.

Leben und Wirken

Der Sohn eines armen Schuhmachers und einer Bäuerin ging vor Beginn des Ersten Weltkrieges nach Barcelona, wo er vorübergehend Lehrer an einer libertär orientierten Schule war, bevor er sich dem Journalismus zuwandte. 1917 trat er der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) bei; 1921 zählte er zu den Gründern der spanischen Kommunistischen Partei (PCE). Bald darauf arbeitete er für ein knappes Jahrzehnt in Moskau für die Profintern und die Komintern. Er schloss sich der linken Opposition an und gehörte eine Zeit lang dem Stab Leo Trotzkis an. Daneben übersetzte er russische Literatur ins Katalanische. Nach Spanien zurückgekehrt, formierte er mit anderen die kleine und weitgehend isolierte Izquierda Comunista de España (ICE, Kommunistische Linke Spaniens), die sich als leninistisch orientierte Gruppe der von Trotzki 1930 gegründeten International Left Opposition (ILO) begriff. Nin hatte erhebliche Auseinandersetzungen mit deren Gründer, besonders über die Frage des Beitritts der ICE zur Juventudes Socialistas Unificadas (JSU), der sozialistischen Jugendorganisation der PSOE, den Trotzki anwies. Nin befürchtete das Verschwinden der Gruppe und sprach sich stattdessen für ein Zusammengehen mit dem Bloque Obrero y Campesino (BOC, Arbeiter- und Bauernblock) aus, der 1931 als eher „rechte“ Opposition aus der katalanischen kommunistischen Bewegung hervorgegangen war. In der Tat gründete er 1935 gemeinsam mit BOC-Führer Joaquín Maurín die Partido Obrero de Unificación Marxista (POUM, Arbeiterpartei der marxistischen Einheit). Sie verstand sich als Alternative sowohl zur sozialistischen wie zur kommunistischen Partei, schloss Bündnisse mit anarchistischen Organisationen und spielte so trotz ihrer zahlenmäßigen Schwäche eine nicht unerhebliche Rolle im heraufziehenden Krieg gegen die faschistischen Truppen Francos.

Verhaftung und Tod

Nachdem die Spanische Volksfront 1936 die Wahlen gewonnen hatte, wurde Nin Justizminister. Mit Beginn des Bürgerkrieges, als die Zweite Republik Katalonien einen autonomen Status gewährt hatte, trat er der dortigen Regionalregierung unter Lluís Companys i Jover bei. Als Zugeständnis an Moskau wurde er jedoch mit anderen POUM-Regierungsmitgliedern rasch wieder entfernt. Mehr noch, wurde der größte Teil der POUM-Führung 1937, kurz nach den Mai-Schlachten in Barcelona zwischen anarchistischen und pro sowjet-kommunistischen Kräften, verhaftet und in von Kommunisten kontrollierte Gefängnisse gesperrt. Nin wurde dabei noch zusätzlich von seinen Genossen getrennt und nach Alcalá de Henares[1] verschleppt. Nach Aussagen der später abtrünnigen hohen kommunistischen Funktionäre Jesús Hernández[2] und Enrique Castro Delgado[3] wurde Nin auf Anweisung Moskaus gefoltert und am 20. Juni ermordet. Moskaus Verbindungsmann zur kommunistisch geprägten Geheimpolizei der „Republik“ war der NKWD-Agent Orlow. Außerdem am Mordkomplott beteiligt sollen der sowjetische Agent Josef Romualdowitsch Grigulewitsch sowie der Kommandant des 5. republikanischen Regiments Carlos J. Contreras alias Vittorio Vidali gewesen sein: nach der Darstellung Julián Gorkins der unmittelbare Mörder Nins.[4]

Ein etwas abweichendes Bild gibt der Historiker Hugh Thomas. Danach soll Nin der Folter widerstanden haben, so dass der erwähnte Vidali den Plan fasste, ihn durch angebliche Nazis „befreien“ zu lassen. 10 deutsche Angehörige der Internationalen Brigaden entführten daraufhin Nin und ermordeten ihn nach seiner sogenannten Befreiung. Während der Unternehmung hätten die Brigadisten laut miteinander Deutsch gesprochen, zudem hätten sie deutsche Fahrkarten hinterlassen.[5]

Da sich dies alles im Verborgenen abspielte, setzte die verbliebene POUM in jenem Sommer die Kampagne „Gobierno Negrín: ¿dónde está Nin?“ in Gang: „An die Regierung Negrín: Wo ist Nin?“ Das beantwortete die PCE mit „Entweder in Salamanca oder in Berlin.“ Jedermann wußte ja, Salamanca wurde von Franco-Truppen kontrolliert und Berlin von Hitler regiert. Schon vorher hatten die Kommunisten behauptet, der verschwundene Nin sei von der „anderen Seite“ entführt worden, der er angeblich – als „faschistischer Agent“ – gedient habe. So wurde er gleichsam noch einmal geschändet.

Literatur

Weitere Quellen führt die spanische Wikipedia an.[9]

Einzelnachweise

  1. Antony Beevor, Der Spanische Bürgerkrieg, ISBN 978-3-442-15492-0, 2. Auflage, Seite 348
  2. Siehe Literatur. Hernández war damals unter anderem republikanischer Unterrichtsminister gewesen.
  3. Siehe Literatur. In Moskau war Delgado Mitarbeiter der Komintern-Exekutive gewesen.
  4. Gorkin, Stalins langer Arm, Seite 182
  5. Hugh Thomas, Der spanische Bürgerkrieg, Verlag Ullstein, Berlin West 1962, Seite 304
  6. Laut Gorkin (Stalins langer Arm, Seite 30) zuvor in der von ihm selbst geleiteten mexikanischen Zeitschrift Asi, dann in der französischen Tageszeitung Le Monde, später auch als Buch bei Gallimard in Paris erschienen
  7. Auf Englisch (I was an Minister of Stalin) nur auszugsweise erschienen. Ein englischsprachiger Auszug findet sich auch online, abgerufen am 16. Mai 2011
  8. Der führende POUM-Kader und Chef der damals in Barcelona erscheinenden Tageszeitung La Batalla Gorkin zählte im Juni 1937 zu jenen wegen „Hochverrats“ Verhafteten. Auf Gespräche mit Delgado und Hernández und weitere Zeugenaussagen und Untersuchungen gestützt, gibt er auf den Seiten 164 bis 185 eine detailreiche Rekonstruktion der Verschleppung und Ermordung Nins, wenn es auch mitunter an nachprüfbaren Belegen mangelt. Im Vorwort (Seite 19) merkt Brandt (1980!) an, „mit letzter Genauigkeit“ habe Nins Folter und Ermordung nicht bewiesen werden können – „es sei denn, man läßt das Eingeständnis eines kommunistischen Ex-Ministers als Beweis gelten“. Zu einer jüngeren Beweislage („KGB-Archiv“) äußert sich die FAU 2004, abgerufen am 16. Mai 2011
  9. Nin, abgerufen am 16. Mai 2011

Weblinks