Anthracenderivate

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Strukturformel von Anthracen
Aloe (Aloe ferox)

Unter dem Begriff Anthracenderivate werden Stoffe zusammengefasst, die sich formal vom Anthracen ableiten. Darunter sind Stoffe, die als sekundäre Pflanzenstoffe eine Rolle spielen. Es gehören hierzu die meist glykosidisch gebundenen Anthrone, Anthranole, Anthrachinone und die Dianthrone sowie die nichtglykosidisch vorkommenden Naphthodianthrone.[1] Die Anthranoide bilden eine Teilgruppe der pflanzlichen Anthracenderivate, deren Strukturmerkmal, das 1,8-Dihydroxyanthron mit ganz spezifischen Substitutionsmustern, für eine laxierende Wirkung verantwortlich ist.[2] Anthraglycoside (auch Anthra-Glykoside oder Anthranoid-Glykoside geschrieben) sind Glycoside, die als Aglycon-Anteil ein Anthracenderivat haben, das in 1- und 8-Stellung eine OH-Gruppe trägt. Das Aglycon kann als Anthron oder Anthrachinon vorliegen.[3]

Chemisch existiert eine große Anzahl an Anthracenderivaten, deren wichtigste das Anthrachinon ist, das sich leicht durch Oxidation von Anthracen mit Salpetersäure, Chromsäure oder anderen Säuren herstellen lässt. Die Zahl der theoretisch möglichen isomeren Anthracenderivate sehr groß. So sind bereits je drei Monosubstitutionsprodukte und 15 Disubstitutionsprodukte möglich.[4][5][6]

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anthracenderivate kommen in der Natur hauptsächlich in der Oxidationsstufe des Anthrachinons, der des Tautomerenpaares Anthron und Anthranol und in Form der Dianthrone (eigentlich Didehydrodianthrone) vor. Relativ labile Zwischenprodukte sind die tautomeren Verbindungen Anthrahydrochinon und Oxanthron. Anthracenderivate wurden bei niederen Organismen (vorwiegend bei Pilzen) und bei höheren Pflanzen (vorwiegend in den Familien Polygonaceae, Caesalpiniaceae, Rhamnaceae, Rubiaceae und Liliaceae) gefunden. Auch bei einigen Tieren (zum Beispiel bei Schildläusen) kommen sie vor. Sie wurden auch in Aloe (Aloe ferox), Senna (Senna alexandrina/Cassia angustifolia), Faulbaumrinde (Rhamnus frangula) oder Arznei-Rhabarber (Rheum palmatum) nachgewiesen.[7]

Für die Biosynthese der Verbindungen sind unterschiedliche Wege bekannt. So sind der von Pilzen und höheren Pflanzen verwendete Acetat-Malonat-Weg und der Shikimisäureweg bekannt.[7]

Biologische Wirkungen und Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Anthracenderivate (speziell 1,8-dihydroxylierte Anthrachinone) sind verantwortlich für die abführende Wirkung einiger pflanzlicher Arzneimittel. So zum Beispiel Chrysophanol, Aloe-Emodin, Rhein, Emodin (= Rheumemodin = Frangulaemodin) und Physcion sowie ihre Glykoside. Sie kommen in Faulbaumrinde, Amerikanische Faulbaumrinde (Cortex Rhamni purshianae), Rhabarberwurzel (Radix Rhei), Sennesblätter und -früchte sowie Aloe vor. Daneben gibt es einige anthracenderivathaltige pflanzliche Arzneimittel, die in der Dermatologie (Chrysarobinum), Urologie (Krappwurzel) und als Farbstoffe Verwendung finden (Anthrachinonfarbstoffe wie zum Beispiel Carminsäure und Purpurin[8]). Die in Mitteleuropa auf Trockenrasen häufige Staude Johanniskraut enthält in den Blüten und Blättern die zur Stoffgruppe gehörenden Verbindungen Hypericin und Pseudohypericin, die beim Menschen und bei unpigmentierten Tieren bei gleichzeitiger Einwirkung von Licht auf die Haut zu Erkrankungen führen können.[7] Seit einiger Zeit wird darüber diskutiert, dass Anthracenderivate (wie zum Beispiel Anthrachinon und die in einigen pflanzlichen Abführmitteln enthaltenen Hydroxyanthracene) krebserregend wirken.[9][10]

Beispiele von Anthracenderivaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen: Anthracenderivate - Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen, abgerufen am 26. Juli 2023
  2. Otto Sticher, Rudolf Hänsel: Pharmakognosie. Springer Berlin Heidelberg, 2006, ISBN 978-3-540-34281-6, S. 1269 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Lexikon der Biochemie: Anthraglycoside - Lexikon der Biochemie, abgerufen am 29. Juli 2023
  4. A. F. Holleman: Organischer Teil. De Gruyter, 1911, ISBN 978-3-11-237070-4, S. 442 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. C. Graebe, C. Liebermann: Ueber Anthracenderivate. In: Annalen der Chemie und Pharmacie. Band 160, Nr. 2, 1871, S. 121–145, doi:10.1002/jlac.18711600202 (wiley.com).
  6. Gustav Auerbach: Das Anthracen und seine Derivate. Vieweg, 1880, S. 17 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. a b c Eberhard Teuscher: Pharmazeutische Biologie. Vieweg & Teubner Verlag, 2013, ISBN 978-3-528-06844-8, S. 257 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. August Bernthsen: Kurzes Lehrbuch der organischen Chemie. F. Vieweg, 1890, S. 451 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Klartext Nahrungsergänzung: Unter Umständen gefährlich: Detox-Mittel Cassia Fistula | Klartext Nahrungsergänzung, abgerufen am 27. Juli 2023
  10. EFSA: EFSA bestätigt Gesundheitsbedenken für Hydroxyanthracenderivate in Lebensmitteln | EFSA, abgerufen am 27. Juli 2023