Benutzer:Hao Xi/Kampf gegen Rechts

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Die Verwendung des politischen Schlagworts Kampf Gegen Rechts lässt sich bis auf die Kaiserzeit zurückverfolgen. Seitdem wurde es zahlreich benutzt, wandelte aber seine Bedeutung. An Bedeung gewann der Ausspruch insbesondere nach dem Aufstand der Anständigen im Jahr 2000, als sich zahlreiche Initiativen gründeten, die das Schlagwort "Gegen Rechts" im Namen führen und sich gegen den Rechtsextremismus oder gegen die politische Rechte allgemein richten und deren Wirkmacht zu verhindern versuchen. Derzeit führen in Deutschland hunderte lokale Initiativen die Bezeichnung im Namen, es werden im großen Stile Konzerte „gegen Rechts“ durchgeführt (→ Rock gegen Rechts, Fußballvereine gegen RECHTS). In den Medien wird die Parole häufig verkürzt verwendet, um die politische Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus schlagwortartig zu beschreiben. Auch in der Politik findet der Begriff breite Verwendung. Er wird ebenfalls im wissenschaftlichen Kontext als Schlagwort verwendet, dabei aber meist als solches nicht näher definiert oder inhaltlich bestimmt. Auch in der Populärkultur findet das Schlagwort in abgewandelter Form Verwendung (s. beispielsweise Sexismus gegen Rechts).

Entwicklung des Begriffs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kaiserreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jakob Riesser forderte bereits 1911 die deutschen Industriellen zu einer „Front gegen Rechts“ auf, „wobei er hauptsächlich von Agrardemagogen und Ueberagrariern sprach“.[1] Max Rötger, Kruppdirekter und Vorsitzender des Centralverbandes Deutscher Industrieller verweigerte sich dieser Forderung und verließ daraufhin den Hansabund. In seiner Austritterkläerung schrieb er, der von Riesser „geforderte politische Kampf gegen Rechts“ widerspräche seiner „Stellung als Vorsitzender des Centralverbandes Deutscher Industrieller“[2]. Neben Rötger verließen auch die Direktoriumsmitglieder Hilger, Semlinger, v. Rieppel und Kirdorf den Hansabund. Ferner schieden das Gros der Vertreter der Schwerindustriellen im HB-Gesamtausschuss aus dem Rheinland und Westfalen und dem Saargebiet und die von ihnen kontrollierten Verbände und Handelskammern sowie das Gros der politischen Vertreter der Arbeiterbewegung und einzelne Industrielle aus unterschiedlichsten Regionen des Reiches aus dem Hansabund aus.[3]

Weimarer Republik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Carl Severing, der preußischer Innenminister, versuchte der Gefahr von rechts präventiv zu begegnen. Unter Berufung auf das Gesetz zum Schutze der Republik verfügte Severing für Preußen das Verbot und die Auflösung der Deutschvölkischen Freiheitspartei (DVFP) samt allen Unter- und Nebenorganisationen.[4]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab es zahlreiche Täter und Mitläufer der nationalsozialistischen Diktatur, die nicht zur Rechenschaft gezogen, frühzeitig aus der Haft entlassen wurden und sich in der Bundesrepublik oder der DDR einrichteten. Um der erfolgten Ideologisierung durch die Nazis entgegenzuwirken, unterzogen die alliierten Befreier die Deutschen einer Entnazifizierung und Reeducation. Die NSDAP wurde verboten. Im Jahr 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei verboten, die in der Tradition der NSDAP stand.

Gleichzeitig gründeten die Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus eigene Verbände. Schon 1945 schlossen sich diese in Österreich zum KZ-Verband/Verband der AntifaschistInnen, dem späteren Bundesverband österreichischer Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus zusammen. Daraus entstand das heutige Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW). In Deutschland gründete sich 1947 die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).[5]

Dieser hatte sich die „Vernichtung des Faschismus“ zum Ziel gesetzt und legt damit eine Grundlage für eine bis heute andauernde „antifaschistische Kontinuität“ in der Arbeit „gegen Rechts“.[6]

Ende der 1980er Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegen Ende der 1980er Jahre gab es einen Anstieg der Anschläge von rechter Gewalt, die gleichzeitig mit Wahlerfolgen von rechtsextremen Parteien und Gründungen faschistischer Organisationen begleitet wurde (siehe dazu: Todesopfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland). Nach der Wiedervereinigung verschärften sich die öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten von Rechtsextremen (siehe dazu: Ausschreitungen von Hoyerswerda (1991), Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen (1992) und Brandanschlag von Solingen (1993). Daraufhin wurden viele Initiativen gegen Rechts aktiv. Aber auch von staatlicher Seite gingen Aktivitäten gegen Rechts aus.

Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt (AgAG)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der ersten Hälfte der 1990er Jahre war Angela Merkel (CDU), seinerzeit Frauen- und Jugendministerin, mit einem Programm Gegen Rechts angetreten. Die Maßnahme unterstützte die direkte Arbeit mit rechtsorientierten Jugendlichen und erntete den Vorwurf, es handele sich um „Glatzenpflege auf Staatskosten“, da vielerorts nur die Jugendclubs der rechten Jugendlichen finanziert wurden[7] (Vgl. akzeptierende Jugendarbeit). Diese Maßnahme wurde flankiert von Verboten rechtsextremer Organisationen und Vereinen, die durch das Bundesinnenministerium und die Innenministerien der Länder ausgingen (siehe dazu: Liste in Deutschland verbotener rechtsextremer Organisationen).

Aufstand der Anständigen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach einem Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge im Oktober 2000 rief Bundeskanzler Gerhard Schröder zu einem „Aufstand der Anständigen“ auf.[8] Zahlreiche politische Initiative gründeten sich in der Folge. Zudem legte die Bundesregierung das Bundesprogramm Jugend für Toleranz und Demokratie auf, das Initiativen gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus finanziell und organisatorisch unterstützte. Bis Ende 2006 gab der Bund für die drei Pilotprogramme CIVITAS, Entimon und Xenos 192 Millionen Euro aus.[9]

Der Bundesrechnungshof rügte eine mangelnde wissenschaftliche Auswertung. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung kritisierte die Umsetzung als „halbherzig“, der Staat fördere das „Nebeneinander unterschiedlicher Maßnahmen und Akteure“.[9]

Trotzdem wurde die staatliche Förderung von Initiativen, die sich dem "Kampf gegen Rechts" widmen, fortgesetzt. 2007 startete das Nachfolgeprogramme Vielfalt tut gut. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie zusammen mit dem Programm kompetent. für Demokratie - Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus. Das Programm endete 2010 und wurde 2011 durch Toleranz fördern – Kompetenz stärken abgelöst.

Verwendung in der Wissenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Politische Kommentatoren aus dem konservativen Spektrum, wie Manfred Wilke schreiben der Partei PDS eine bewußte Verschiebung des Begriffs "Kampfes gegen Rechtsextremismus" hin zum "Slogan" "Kampf gegen Rechts" zu. Damit, so Willke, knüpfe sie in ihrer Bedeutung an eine alte in der alten Bundesrepublik verwendeten Parole "Kampf gegen die Union" auf und verkeiht ihr somit eine neue Bedeutungsdimension.[10]


Verwendung in den Medien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verwendung in der Popkultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verwendung von Initiativen und Organisationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Zusammenschluss von Bürgern oder zivilgesellschaftlichen Organisationen zum Zwecke der politischen Arbeit und Einflussnahme führen viele Initiativen das Schlagwort "Gegen Rechts" im Namen. Dahinter steht nicht immer eine rechtlich fixierte Organisationsform, sondern häufig ein loser Zusammenschluss verschiedener Akteure.


Siehe auch: Liste von Initiativen gegen Rechtsextremismus in Deutschland

Bei Initiativen gegen Rechts kann zwischen staatlichen Präventions- und Repressionsmaßnahmen und zivilgesellschaftlichen Anstrengungen unterschieden werden.[11] Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus werden derzeit durch das Programm Toleranz fördern – Kompetenz stärken sichergestellt.

Einige der Initiativen gegen Rechts werden präventiv tätig. Diese Tätigkeiten können in drei Kategorien unterteilt werden:

  1. Unter primärer Prävention werden Maßnahmen verstanden, die bereits im Vorfeld versuchen, Rechtsextremismus zu verhindern (z. B. Aufklärungsinitiativen oder Initiativen, die über Rechtsextremismus informieren).
  2. Sekundäre Präventionsmaßnahmen versuchen, auf Orientierungen, Einstellungen und Verhaltensweisen von Risikogruppen einzuwirken (z. B. pädagogische Initiativen).
  3. Tertiäre Präventionen arbeiten direkt mit Rechtsextremen (z. B. Aussteigerinitiativen).[12]

Auch einige Opferberatungen wenden sich als Initiative gegen Rechts, indem sie die Vorfälle dokumentieren und öffentlich thematisieren. Darüber hinaus werden auch Präventivmaßnahmen durchgeführt (z. B. durch Informations- und Aufklärungsveranstaltungen).

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unschärfe und Überdehnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch eine begriffliche Unschärfe mit Interpretationsspielraum, was innerhalb des politischen Spektrums unter „rechts“ zu verstehen ist, ist der Begriff umstritten; entsprechend unscharf kann die Intention der Initiativen ausfallen, wenn pauschalisiert nur „gegen Rechts“ agiert wird und die Zielrichtung nicht konkreter gefasst ist (rechts der Mitte, CSU, Rechtsextremismus usw.). Der Autor und Journalist Hugo Müller-Vogg kritisierte: „Mit dem Verzicht auf eine Unterscheidung von rechtsradikal und rechtsextrem einerseits und rechts im Sinne von konservativ andererseits wird versucht, die Unionsparteien unterschwellig in die Nähe der Neonazis zu rücken.“[13] Steffen Heitmann plädierte für eine klare Unterscheidung von rechtsextrem und rechts, die Rechte sei eine legitime Strömung im politischen Spektrum: „Rechts ist so wenig rechtsextrem, wie links linksextrem ist. Wo es keine geistige Rechte mehr gibt, gibt es auch keine geistige Mitte. Ein zwischen rechts und links ausgewogenes Meinungsklima gräbt den Extremisten links und rechts das Wasser ab“ [14]

Dirk Maxeiner und Michael Miersch wenden sich gegen eine Überspannung des Begriffes „rechts“ und kritisieren den Ansatz einer pauschalgen Delegitimierung der politischen Rechten als undemokratisch: „Wer einmal mit dem Kinderkarussell links herum gefahren ist, der weiß, dass alles außerhalb dieses Kreises rechts liegt. So läuft das auch in der Politik. In Deutschland dreht sich ein Karussell aus Lichterketten, Pace-Fahnen und Palästinensertüchern links herum im Kreise. Wer da nicht aufspringt, so viel ist sonnenklar, muss zwangsläufig rechts stehen. Das Karussell ist bestens besetzt. Politiker, Gewerkschaften, Verbände und Nicht-Regierungsorganisationen buhlen um die besten Plätze. Besonders beliebt ist die rote Feuerwehr, die sich bimmelnd im Kreis dreht und deren Besatzung ständig ruft: Gefahr von rechts, Gefahr von rechts! Denn rechts, da lauern die Brandstifter. Rechts ist in Deutschland keine salonfähige Kategorie des politischen Wettbewerbs mehr. Rechts ist bestenfalls dumm, aber eigentlich kriminell. [...] Und - das ist der zweite Hauptsatz der neuen Definitionsmacht - die Rechten sind alle gleich. Es ist völlig egal, ob jemand Ausländerhasser oder Atomkraftbefürworter, Marktwirtschaftler oder Nazi ist. Es gibt kein rechtextrem, rechtsradikal, rechtskonservativ, rechtsliberal mehr. Es gibt nur noch rechts. “[15]

Rechtsbeugung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Jurist Horst Meier erkennt im ritualisierten „Kampf gegen rechts“ Formen der Rechtsbeugung: „Der ,Kampf gegen rechts’, inzwischen zu einer Art Staatsziel avanciert, wird von den Etablierten parteienübergreifend praktiziert. [...] So treibt, was einst als respektables Engagement gegen Antisemitismus und Rassismus begann, inzwischen sonderbare Blüten: Da verbieten Verwaltungsbehörden den Rechten Demonstrationen oder verweigern ihnen Versammlungsräume. Da kündigen Banken die Konten ,extremistischer’ Organisationen. Da werden die staatlichen Mittel, die im Rahmen der allgemeinen Parteienfinanzierung an die NPD fließen, mit dem Argument des Steuerzahlers skandalisiert – obgleich doch keine Behörde die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen darf, die nicht zuvor vom Verfassungsgericht verboten wurde. [...] Keine Frage: Angesichts von Antisemitismus und Rassenhetze sind Bildungsarbeit und Aufklärung jeglicher Art notwendig und rechtens – nicht aber eine Strategie der staatsbürgerlichen Diskriminierung, die mit allerhand Tricks das Recht verbiegt. Eine Aushöhlung der Versammlungsfreiheit, die kein friedlicher Demonstrant für sich selbst akzeptieren würde, wird nicht dadurch harmlos, dass sie mit dem politischen Gegner den vermeintlich ,Richtigen’ trifft.“[16]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Dieter Kreft, Jürgen Fuchs, Rolf-Peter Löhr (Hrsg.): Zu den Ergebnissen des Aktionsprogramms gegen Aggression und Gewalt, (5 Bd.) Münster 1997
  • Freudenberg Stiftung (Hg.): Demokratie lernen und leben. Eine Initiative gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Gutachten und Empfehlungen, Weinheim
Bd. 1: Roland Eckert, u. a.: Probleme - Voraussetzungen - Möglichkeiten, Weinheim :Freudenberg Stiftung, 2001, ISBN 3-935696-01-9
Bd. 2: Anne Sliwka: Das anglo-amerikanische Beispiel, Weinheim : Freudenberg Stiftung, 2001, ISBN 3-935696-02-7
  • Christiane Rajewsky, Adelheid Schmitz: Wegzeichen. Initiativen gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit, Tübingen: Verein für Friedenspädagogik, 1992, ISBN 3-922833-74-8

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Henry Axel Bueck: Weshalb die Industrie der Rießer'schen Parole »Kampf gegen Rechts« nicht folgen soll, Berlin 1911, S. 1
  2. Brief Rötgers an Riesser, 21. Juni 1911, abgedruckt in: Hansa-Bund, Jg. 1, Nr. 25, 24. Juni 1911, S. 221.
  3. Siegfried Mielke, Der Hansa-Bund für Gewerbe, Handel und Industrie 1909-1914. Der gescheiterte Versuch einer antifeudalen Sammlungspolitik, Göttingen 1976, S. 270.
  4. Siegfried Heimann: Der Preussische Landtag 1899-1947. Eine politische Geschichte, S. 310ff.
  5. Mitglieds-Vereinigungen. VVN-BdA, abgerufen am 7. Februar 2014.
  6. Ziele. VVN-BdA, abgerufen am 9. Februar 2014.
  7. Glatzenpflege auf Staatskosten, Die Zeit, 13. August 1993
  8. Anschlag auf Synagoge: Schröder fordert "Aufstand der Anständigen", DER SPIEGEL, 4. Oktober 2000
  9. a b Aktionismus der Anständigen, DER SPIEGEL 47/2006
  10. http://www.kas.de/db_files/dokumente/die_politische_meinung/7_dokument_dok_pdf_1628.pdf
  11. Christian Demuth: Was tun? Und was lassen? Erfolgsbedingungen und Hinderungsfaktoren von Initiativen gegen Rechtsextremismus. In: perspektive 21 – Brandenburgische Hefte für Wissenschaft & Politik, Heft 36, Dezember 2007, S. 61–70, hier S. 61f. (PDF)
  12. Wolfgang Frindte, Siegfried Preiser: Präventionsansätze gegen Rechtsextremismus. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 11/2007, S. 32–38, hier S. 34.
  13. Hugo Müller-Vogg: Volksrepublik Deutschland: "Drehbuch" für die rot-rot-grüne Wende, S. 119
  14. Steffen Heitmann, Die Revolution in der Spur des Rechts. Verdienst und Schwäche des Umbruchs in der früheren DDR, Hamburg 1996, Vorspruch.
  15. Linksherum im Kreise
  16. „Unter der Flagge der Toleranz wird Intoleranz gepredigt“